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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 758 Bewertungen
Bewertung vom 28.07.2016
50 deutsche Vorbilder (eBook, ePUB)

50 deutsche Vorbilder (eBook, ePUB)


sehr gut

Markante Persönlichkeiten

In diesem Buch werden fünfzig deutsche Vorbilder skizziert. Es handelt sich nicht nur um die üblichen Verdächtigen aus Philosophie, Naturwissenschaft und Kunst, sondern um eine illustre Runde außergewöhnlicher Menschen aus verschiedensten Disziplinen. Die Bandbreite reicht, historisch gesehen, von dem Unternehmer Jakob Fugger (15./16. Jahrhundert) bis zu dem Fußballer Stan Libuda (20. Jahrhundert). Im Vordergrund stehen nicht primär Gesamtpersönlichkeiten, sondern prägnante Charakterzüge, nach dem Motto: Was können wir von diesen Menschen in der heutigen Zeit konkret lernen?

Die Porträts umfassen drei bis fünf Seiten und sind gleichartig aufgebaut. Sie beginnen mit einem Foto und einer typischen Aussage zur Person. Es folgt ein individuelles Kurzporträt, in dem herausgearbeitet wird, warum die jeweilige Person in das Buch aufgenommen wurde. Die Kapitel werden mit Kurzbiographien abgeschlossen.

Es gibt zahlreiche Bücher, in denen besondere Menschen beschrieben werden. Auffallend an diesem Buch ist die bunte Mischung. Neben Dichtern wie Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller, den Widerstandskämpfern Helmuth James Graf von Moltke und Sophie Scholl, dem Dramatiker Bertolt Brecht u.v.a.m., werden auch Personen vorgestellt, die weniger bekannt sind. Die notwendige Würze erhält das Buch durch Menschen aus Politik, Sport und Fernsehen der jüngeren Vergangenheit wie Wolfgang Neuss, Hans-Joachim Kulenkampff und Stan Libuda.

Es ist aufschlussreich zu lesen, dass sich der Unternehmer Robert Bosch bereits vor hundert Jahren mit einer nachhaltigen Unternehmensführung beschäftigt hat. Daran mangelt es heute insbesondere in Aktiengesellschaften. Dagegen glaube ich nicht, wie die Autoren, dass die Mathematikerin Emmy Noether unter den Voraussetzungen der heutigen Zeit so bekannt wie Albert Einstein geworden wäre. Aber sicherlich hätten andere Bedingungen ihre Karriere beflügelt. Manchmal muss man auch akzeptieren, dass bestimmte Menschen ihre große Zeit in einer bestimmten Phase hatten. So war der Komiker Karl Valentin ein Star in den 1920er Jahren, aber nicht im gleichen Maße in der Nachkriegszeit.

Das Buch ist unterhaltsam und liest sich leicht. Die vorgestellten Menschen können die Welt zwar nicht mehr verändern, aber sie sind es wert, dass man sich mit ihren Lebenswegen beschäftigt. Sie sind nicht durchweg wegen ihrer Lebensweise ein Vorbild, sondern weil es sich um markante Charaktere handelt, die wegen ihrer Individualität in der grauen Masse positiv aufgefallen sind.

Bewertung vom 27.07.2016
Radikaler Konstruktivismus
Glasersfeld, Ernst von

Radikaler Konstruktivismus


sehr gut

Wissen existiert nur in den Köpfen der Menschen

Ernst von Glasersfeld beschreibt den Konstruktivismus als eine unkonventionelle Methode, Probleme des Wissens und des Erkennens zu betrachten. Der Konstruktivismus erhebt die Subjektivität aller Erfahrung und allen Wissens zum Leitsatz. Das Attribut „Radikal“ stammt von Ernst von Glasersfeld, der seine Lehre von anderen Varianten des Konstruktivismus unterscheiden will. Er beruft sich auf die wissenschaftlichen Arbeiten des Franzosen Jean Piaget, die er in sein Buch einfließen lässt. Gegner kritisieren am Radikalen Konstruktivismus, dass er keine Weltanschauung ist, die ein endgültiges Bild der Welt beschreibt, sondern lediglich für sich beansprucht, eine kohärente Denkweise zu sein.

Autor von Glasersfeld erläutert anhand seiner Lebensgeschichte ausführlich, wie er den Weg zur konstruktivistischen Denkweise gefunden hat. Er ist mehrsprachig aufgewachsen und interdisziplinär erzogen worden. Diese Erfahrungen haben maßgeblich seine Wahrnehmung geprägt. Mit jeder Sprache ist eine andere begriffliche Welt verbunden und Wörter können nicht immer eins zu eins übersetzt werden. Wenn bestimmte Begriffe in einer Sprache fehlen, fehlt in aller Regel auch die Differenziertheit im Denken, diese Begriffe richtig zu verstehen.

Piagets Werk über die konstruktivistische Theorie des Wissens ist umfangreich und nicht leicht nachzuvollziehen. Zwei wichtige Schlüsselwörter aus seinem Werk, die thematisiert werden, sind die Begriffe „Akkomodation“ und „Assimilation“. Anschaulich ist das Beispiel mit der Lochkarte und der Sortiermaschine, um den Begriff Assimilation zu erklären. Im Zusammenhang mit dem Konstruktivismus verwendet Ernst von Glasersfeld häufig das Wort „Viabilität“. Dieser Begriff stammt aus der Biologie und bedeutet ursprünglich „Gangbarkeit eines Weges“. Er wird für die Überlebensfähigkeit von Arten und Mutationen verwendet. Von Glasersfeld möchte den philosophischen Wahrheitsbegriff vermeiden, da sich der Konstruktivismus ausschließlich auf Erfahrungswelten bezieht.

Dem Einfluss des Konstruktivismus auf die Pädagogik ist ein eigene Kapitel gewidmet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Radikale Konstruktivismus den Pädagogen nahe legt, nicht Wissen auf die Schüler zu übertragen, sondern die Kunst des Lernens auszubilden. Dies setzt voraus, dass sich Lehrende mit der Art des Denkens der Schüler auseinandersetzen.

Im letzten Teil des Buches sind Gespräche wiedergegeben, die Ernst von Glasersfeld mit Mitgliedern des Siegener Forschungsinstitutes für empirische Literatur- und Medienforschung geführt hat. Wem die bisherigen Kapitel des Buches zu theoretisch waren, findet hier einen guten Überblick. Die wichtigste Schlussfolgerung aus dieser Lehre ist m.E.: Der Mensch ist verantwortlich für seine eigene Wirklichkeit.

Bewertung vom 27.07.2016
Das Buch der Zukunft
Eschbach, Andreas

Das Buch der Zukunft


ausgezeichnet

Eine Ansammlung von Möglichkeiten

Im ersten Kapitel thematisiert Andreas Eschbach berühmte Fehleinschätzungen der Menschheitsgeschichte. Was bringt es dann überhaupt, Prognosen abzugeben? „Weil die Zukunft einfach ein unwiderstehliches Thema ist“, so der Autor über seine Motivation. Er bezeichnet sein Buch als Reiseführer, um deutlich zu machen, dass unterschiedliche Routen möglich sind. Wem die Reise in die Zukunft zu spekulativ ist, bleibt in der Gegenwart und verschafft sich einen Überblick über den derzeitigen Entwicklungsstand. Das Buch kann auch unter dieser Prämisse gelesen werden.

Bevor Eschbach seine Visionen beschreibt, erläutert er seine Herangehensweise. Sein Ziel ist es, deutlich zu machen, wo die Entwicklung zwangsläufig zu sein verspricht und wo Gestaltungsspielräume bestehen. Prophezeiungen über den Weltuntergang haben seines Erachtens eine psychologische Ursache und sind nicht sein Ding. Der Autor befasst sich mit Themen, bei denen plausibel erscheint, dass sie Wegweiser in die Zukunft sein werden. Hierzu zählen die Gentechnik, die Nanotechnologie, das Internet, die Raumfahrt, die Energieversorgung, das Klima und die Bevölkerungsentwicklung.

Andreas Eschbach versteht es, Akzente zu setzen. Er kommt auf den Punkt und schreibt, ohne tendenziös zu wirken. Ich habe selten so klare Ausführungen zu schwierigen Themen gelesen. Ein passendes Schlusswort habe ich dem Buch entnommen: „Vielleicht – so wünsche ich es mir jedenfalls – nehmen Sie aus diesem Buch eine etwas veränderte Einstellung mit. Eine andere Sichtweise auf die Dinge, die Sie umgeben. Eine Sichtweise, die auch in Möglichkeiten denkt, nicht nur in Gegebenheiten. Denn das ist die Zukunft vor allen Dingen: eine Ansammlung von Möglichkeiten.“

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.07.2016
Das Prinzip Grausamkeit
Rosset, Clément

Das Prinzip Grausamkeit


weniger gut

Eine desillusionierende Studie

Clément Rosset ist ein französischer Autor, der bereits in jungen Jahren einen Lehrauftrag für Philosophie inne hatte. Er lehrte bis zu seinem Ruhestand Philosophie an der Universität Nizza. In seinem Buch beschreibt er das „Prinzip der hinreichenden Wirklichkeit“ und das „Prinzip der Ungewissheit“. Im Anhang des Buches befinden sich erläuternde Texte, die seine Thesen untermauern.

Seit Platon ist eine allgemeine Theorie des Realen nur unter der Voraussetzung zu erreichen, den Gegenstand der Theorie aufzulösen. Eine Einzelerscheinung wird für real angesehen, aber die Gesamtheit der Einzelerscheinungen erscheint als ungewiss. Auch gilt, dass die Wirklichkeit niemals den Schlüssel zu ihrem eigenen Verständnis liefern kann. Der philosophische Streit um das Reale hat laut Rosset seinen Ursprung in der Tatsache, dass sie grausam ist. Er versteht unter Grausamkeit des Realen die „einzigartige und infolgedessen unabänderliche und unwiderrufliche Eigenart der Wirklichkeit, - eine Eigenart, die es unmöglich macht, sie von sich fernzuhalten und ihre Härte durch die Einbeziehung irgendeiner ihr äußerlichen Instanz abzuschwächen“.

Große Denker sind hinsichtlich des Wertes der von ihnen aufgestellten Wahrheiten immer äußerst zurückhaltend; sie sind sich der Ungewissheit bewusst. Ungewissheit bezeichnet Rosset als grausam, weil sie das Sicherheitsbedürfnis der Menschen unterwandert. Hoimar von Ditfurth verzweifelte in seinem letzten Interview, abgedruckt in „Das Gespräch“, an der Ungewissheit hinsichtlich der Grundlage unserer Existenz. Archimedes wollte einst die Welt aus den Angeln heben, wenn er einen festen Punkt hätte.

Es handelt sich nicht um ein Lesebuch für zwischendurch, sondern um schwere Lektüre, auch wenn das handliche Format, die große Schrift und der Umfang von nur 124 Seiten anderes vermuten lassen. Ich vermisse eine übersichtliche Strukturierung und eine Zusammenfassung der wesentlichen Thesen. Es ist kein Buch für eine breite Leserschaft, sondern eine tiefsinnige Studie für an philosophischen Fragen Interessierte. So wie der Titel bereits andeutet, handelt es sich um ein desillusionierendes Werk. Rossets Stil ist gewöhnungsbedürftig.

Bewertung vom 27.07.2016
Die Geschichte der Schönheit
Eco, Umberto (Hrsg.)

Die Geschichte der Schönheit


sehr gut

Von der Antike bis zur Gegenwart

Der bekannte Erfolgsautor und Professor für Semiotik Umberto Eco gibt in seinem Werk einen Abriss über die verschiedenen Gesichter der Schönheit von der Antike bis zur Gegenwart. Eco geht von dem Prinzip aus, dass Schönheit nichts Absolutes und Unveränderliches ist. Beginnend mit dem ästhetischen Ideal Griechenlands, spannt Eco einen Bogen über zahlreiche große Werke der Bildhauerei, Malerei, Architektur, Literatur und Philosophie, bis in die Neuzeit zur Avantgarde und den provozierenden Arbeiten von Andy Warhol.

Wir beurteilen etwas als schön, wenn es wohlproportioniert ist. Pythagoras untersuchte die mathematischen Beziehungen in der Musik, die Proportionen der Intervalle und die Beziehung zwischen der Länge einer Saite und der Tonhöhe. Aber nicht nur in der Musik spielen Proportionen eine große Rolle, sondern auch in der Architektur, z.B. bei den Abständen zwischen den Säulen der Bauwerke und bei der Gliederung der verschiedenen Teile der Fassaden.

Im 15. Jahrhundert führten die Entdeckung der Perspektive in Italien, die Einführung neuer Maltechniken in Flandern, der Einfluss des Neoplatonismus und der von dem Dominikaner Savonarola ausgehende Mystizismus dazu, dass Schönheit auf zwei unterschiedliche Weisen verstanden werden kann. Man kann die Natur nachahmen oder versuchen, die übersinnliche Realität zu verstehen und künstlerisch zum Ausdruck zu bringen. Die rätselhafte Schönheit von Leonardo da Vincis Frauengesichtern findet hier ihre Erklärung.

Ist Schönheit eine Qualität des Objekts? Im 18. Jahrhundert bildete sich eine neue Auffassung vom Schönen heraus. Das Subjektive trat in den Vordergrund und der Fokus lag auf der Wahrnehmung. Das, was schön ist, definiert sich durch die Art und Weise, in der wir es erfahren. Daneben existiert etwas, vor dessen Darstellung unsere physische Natur ihrer eigenen Grenzen gewahr wird, nämlich das Erhabene. Für Kant ist es der Sternenhimmel, der das Erhabene zum Ausdruck bringt.

Was sind die Merkmale der Schönheit des 20. Jahrhunderts? Für die Beantwortung dieser Frage fehlt uns die zeitliche Distanz. Der Hang zum künstlerischen Experiment manifestiert sich im Kubismus, Expressionismus und Surrealismus. Die Kunst nimmt sich nicht mehr vor, ein Bild der natürlichen Schönheit zu liefern. Sie will lehren, die Welt mit anderen Augen zu deuten. Und genau damit reflektiert sie die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften, die längst ein Bild der Wirklichkeit zeichnen, das nicht mehr verstanden werden kann.

Das Buch ist thematisch aufgebaut und enthält reichhaltige Illustrationen. Es beinhaltet eine weit gefächerte (aber nicht tief gehende) Beschreibung der Geschichte der Schönheit, deutlich gemacht anhand der Werke von Künstlern der Weltgeschichte. Die Beschreibungen sind gegliedert in durchgehende Texte für die Schnellübersicht sowie klein gedruckte Detailbeschreibungen. In der Summe handelt es sich um ein informatives Kompendium für eine breite Leserschaft. Der Aufbau des Werkes in siebzehn abgeschlossene Kapitel erlaubt es, einzelne Bereiche gezielt herauszugreifen.

Bewertung vom 26.07.2016
Life
Richards, Keith

Life


ausgezeichnet

The Main Offender

Die Geschichte beginnt mit einer Festnahme wegen Drogenbesitzes 1975 in Arkansas. Anwalt Bill Carter regelt den Fall; die Anklage wird fallengelassen. Keith und Ronnie (der war auch dabei) können ihre Tour fortsetzen. Wer diese Geschichte aus einer anderen Perspektive lesen möchte, braucht nur in Ronnie Woods Biografie nachlesen. Keith Richards hat aufgrund seines Lebenswandels oft am Abgrund gestanden. Das Buch hat aber mehr Facetten, als nur Drogengeschichten. Primär geht es darum, wie Musik sein Leben geprägt hat und was er daraus gemacht hat.

Richards beschreibt seine Kindheit in Dartford, eine typische Nachkriegskindheit in ärmlichen Verhältnissen. Als kleiner Junge wurde er oft verprügelt und konnte sich erst im Laufe der Jahre durchsetzen. Er beschönigt nichts. Seine Verbindung zu Musikinstrumenten hat sein Großvater Gus gefördert. Bei einem Besuch nach Jahrzehnten in Dartford ist es der Geruch der Heide, der Richards Erinnerungen weckt. Richards Ausführungen wirken authentisch.

In allen folgenden Kapiteln dominiert die Musik. Er liebt den Sound von Chuck Berry, Muddy Waters, Howlin' Wolf, John Lee Hooker, Bo Diddley und B. B. King und träumt davon Musiker zu werden. Sein Leben wird vom Rythm and Blues bestimmt. Aufgrund seines rebellischen Charakters fliegt er von der Kunstschule. Mick Jagger, den er von früher kennt, läuft ihm über den Weg und hilft ihm dabei, seine Kontakte zur Musikszene auszubauen. Es folgen Hungerjahre, wie die heutigen Superstars sie nicht kennen.

Keith Richards hat, ebenso wie Bill Wyman, Tagebuch geführt. Seine Einträge enden jedoch, als die Stones bekannter werden. Das Tagebuch hilft bei der Aufarbeitung der frühen Erinnerungen. Als Musiker haben sie alle mal mit Alexis Korner zusammen gearbeitet, der Anfang der 1960er Jahre in der Londoner Musikszene eine bekannte Größe war. Keith Richards verbringt seine Zeit mit Gitarre spielen und es folgt eine beispiellose Karriere als Rockmusiker.

Richards rechnet mit Brian Jones ab, räumt mit Mythen auf und verarbeitet Erlebnisse in Musik, so z.B. die Beziehung zu Anita Pallenberg in „Can't Be Seen“. Er spricht über „Flash“ (gemeint ist „Jumpin' Jack Flash“), erklärt die Geheimnisse des typischen Sounds der Stones und erläutert, wie man Songs schreibt. Gerade in anderen Büchern über die Stones vermisse ich Hintergrundinformationen zu den Songs. Auch Bill Wyman äußert sich in seinem sonst erstklassigen Buch nur dürftig zu den einzelnen Songs der Stones.

Es sind die manchmal sentimentalen Momente, die man Keith Richards gar nicht zutraut. So z.B. als er mit Ronnie Bennett von den Ronettes auf einer Tour durch England bei starkem Nebel eine Unterkunft aufsucht. Richards überrascht mit seinen Geständnisse in Sachen Frauen (S. 285). Sie müssen aber wohl relativiert werden, wenn man die weiteren Kapitel liest.

Auffallend ist Richards Respekt vor erfahrenen Musikern. Dieser Respekt war für ihn immer Antrieb, noch besser zu werden. Er liebt den Blues, wollte (in den Anfangsjahren) zur besten Bluesband Londons gehören, und hat weit weniger als Mick Jagger das Bedürfnis auch Popsongs zu produzieren.

Richards kann zwischen seiner eigenen Wahrnehmung und seinem Image unterscheiden. „Die Leute lieben dieses Image. Sie haben sich ein Fantasiebild von mir gemalt, sie haben mich gemacht, die Leute da draußen haben sich diesen Volkshelden geschaffen.“

Keith Richards hat als Musiker alles erreicht. Er ist unabhängig, unangepasst und muss sich oder anderen mit diesem Buch nichts beweisen – er ist Keith Richards, ein Original. Viele selbsternannte oder in Fernsehshows gekürte Superstars sind 2000 Lichtjahre von diesem großen Rythm and Blues Veteranen entfernt. Das Destillat aus den Erzählungen ist der Mensch Keith Richards und der kommt authentisch rüber.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.07.2016
Du bleibst, was du bist
Maurer, Marco

Du bleibst, was du bist


sehr gut

Bildungschancen in der deutschen Klassengesellschaft

„Und so liegt Deutschland in der Kategorie Bildungsgerechtigkeit noch immer ziemlich weit hinten, und die Schulleistung ist stark an die soziale Herkunft gekoppelt. Damit ist unser Schulsystem weder gerecht noch schlank, noch effizient, noch schön anzusehen. Es verschenkt Chancen wie Deutschlands Rumpelfußball früherer Tage.“ (305)

Autor Marco Maurer bringt zielsicher auf den Punkt, worum es geht. Er selbst ist Subjekt und Objekt der Analysen zur Bildungsmisere in Deutschland. Als Arbeiterkind mit Empfehlung für die Hauptschule aber mittlerweile Hochschulabschluss ist er sensibilisiert für die Fallstricke unserer Bildungslandschaft.

Von 100 Akademikerkindern in Deutschland studieren 77 und von 100 Nichtakademikerkindern lediglich 23. Maurer analysiert die Ursachen. Dabei liegt sein Fokus auf dem Einfluss der sozialen Herkunft und nicht auf den Auswirkungen der Veranlagung. Er behauptet nicht, dass jeder die gleichen Fähigkeiten hat. (37)

„Das Problem in Deutschland ist nur, dass es zu viele Menschen gibt, die gar keine Chance bekommen, ihr Können zu zeigen.“ (37) Wer es schaffen will, muss sich gegen widrige Umstände (Geldnot, mangelnde Förderung, fehlende Beziehungen, Vorurteile) mühsam hoch arbeiten.

Die Zuordnung der Kinder zu verschiedenen Bildungsklassen erfolgt bereits nach der Grundschule. Und hier setzt der Autor, im Hinblick auf das Modell Finnland, den Hebel an. Einen Vergleich mit Finnland halten deutsche Schulen nicht stand.

Eine umfassende Schulreform ist in Deutschland nicht in Sicht. Ole von Beust, der die Bildungssituation in Hamburg gerechter gestalten wollte, ist am Widerstand des gehobenen Bürgertums gescheitert. Statt Kooperation und Chancengleichheit zu wagen, wurden die Nachteile von Kindern aus weniger begüterten Haushalten zementiert.

Chancengleichheit ist ein wichtiges Ziel, dennoch wirken Maurers Ausführungen manchmal auch klischeehaft. Warum wird beim Besuch einer Berliner Hauptschule ein Diebstahl thematisiert, den es auch an jeder anderen Schule geben kann? (134)

Maurer hat den Aufstieg geschafft, auch ohne Lob von seinen Lehrern und ohne Empfehlung für das Gymnasium. Wird der Einfluss der Lehrer da nicht überbewertet? Auch gibt es Menschen, die unabhängig von schulischen Empfehlungen, die Schule abbrechen und als Selbstständige erfolgreich Unternehmen gründen.

Daher hat Rüdiger Grube recht, wenn er sagt, dass „Schulnoten nur begrenzt etwas über die Fähigkeiten eines Menschen aussagen“. (299) So stellt sich die Frage, ob die besten Abiturienten auch die besten Ärzte werden? Wie wird soziale Kompetenz nachgewiesen, zumal ein empathischer Arzt Wunder bewirken kann?

Trotz relativierender Einwände ist Chancengleichheit notwendige Voraussetzung für freie Entscheidungen. Letztlich muss jeder den für sich persönlich passenden Weg finden und auch realisieren können. In diesem Sinn kann ein Studium für ein Arbeiterkind sinnvoll sein aber auch eine Berufsausbildung für ein Akademikerkind.

Das Buch ist politisch, sozialkritisch, verständlich und informativ. Erfahrungen des Autors sowie einiger Interviewpartner, die trotz schwieriger Startbedingungen Karriere gemacht haben, fließen ein. Aber es sind auch Lücken erkennbar: Der Autor verliert kein Wort darüber, dass Jungen mittlerweile die großen Verlierer unserer Bildungspolitik sind.

Maurer spart nicht mit Selbstkritik, wenn er thematisiert, dass Journalisten kaum aus bildungsfernen Milieus stammen und im Allgemeinen auch nicht die Anwälte der sozial Schwachen sind. (273) Er hat ein wichtiges Buch geschrieben, welches unsere Gesellschaft spiegelt. Chancengleichheit gehört in Deutschland auf die Tagesordnung.

Bewertung vom 26.07.2016
Wirtschaftsinformatik für Dummies
Thesmann, Stephan; Burkard, Werner

Wirtschaftsinformatik für Dummies


sehr gut

Eine Wissenschaft stellt sich vor

Die Informatik befasst sich mit der systematischen Verarbeitung von Informationen. Damit stellt sich bereits die erste Frage, was Informationen sind. Die Antwort erhalten die Leser auf Seite 240, wo die Begriffe "Daten", "Informationen" und "Wissen" erläutert und voneinander abgegrenzt werden. Der Zusatz "Wirtschaft" impliziert, dass es sich um angewandte Informatik für Wirtschaftsunternehmen handelt.

Das Buch gliedert sich in 28 übersichtlich strukturierte Kapitel. Die Grundlagen und Aufgaben der Wirtschaftsinformatik werden verständlich vorgestellt. Die für Bücher aus der Reihe Dummies typischen Konventionen werden auch im vorliegenden Buch beachtet. Dazu gehören u.a. der Lehrbuchcharakter, die Abgeschlossenheit der Kapitel, die spezielle Symbolik und der Top-Ten-Teil am Schluss.

Die einzelnen Kapitel sind fünf Hauptteilen zugeordnet, in denen es um die Grundlagen der Informatik, um betriebliche Informationssysteme (Übersicht) und den Betrieb von Informationssystemen (Schwerpunkt Sicherheit) sowie um die Entwicklung von Informationssystemen geht. Der Top-Ten-Teil enthält in humorvoller Aufbereitung Tipps, Denkfehler und Gebote zur Wirtschaftsinformatik und deren Protagonisten.

Die Aufgaben und Probleme der Wirtschaftsinformatik werden anhand eines durchgängigen Beispiels erläutert. Im Fokus steht die Meblo-AG, ein Einrichtungshaus, welches Möbel importiert, anfertigt und veräußert. Deutlich wird, dass das Rad nicht ständig neu erfunden werden muss, sondern dass Ähnlichkeiten in Aufbau und Struktur von Firmen auch zu Ähnlichkeiten in Aufbau und Struktur von IT-Systemen führen.

Die Autoren erläutern keine Programmiersprachen, sondern die Architektur von IT-Systemen für Unternehmen und in groben Zügen, wie diese entwickelt werden. Es geht um betriebliche Abhängigkeiten, Abläufe und Zusammenhänge und die Methoden, wie diese in der Informatik abgebildet werden können. Die Leser werden keine Experten für DV-Konzepte und Datenbanken, aber sie erhalten einen Einblick in die Methoden.

Ausgehend vom Architekturkonzept integrierter Informationssysteme (ARIS) wird die Konzeption verschiedener Sichten und Ebenen erläutert. Die Leser werden mit Produktbäumen, Organigrammen, ERD/ERM und Funktionsbäumen konfrontiert. An manchen Stellen ist der Leser direkt gefordert, wenn es darum geht, Aufgaben zu lösen. Am Ende vieler Kapitel folgen Hinweise auf weitergehende Literatur.

Aber auch die Erläuterungen zu komplexen Systemen wie ERP sind hilfreich. Es geht darum, Aufbau und Funktionen solcher Systeme zu verstehen und nicht darum, solche Systeme zu bedienen oder gar zu administrieren. Die Leser erhalten einen Überblick über die Aufgaben und Anwendungsgebiete der Wirtschaftsinformatik. Das ist schon sehr viel und mehr ist in einem einzelnen Buch auch nicht möglich.