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Magnolia
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Bayern

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Insgesamt 622 Bewertungen
Bewertung vom 12.12.2021
Hjorth, Michael;Rosenfeldt, Hans

Die Früchte, die man erntet / Sebastian Bergman Bd.7


gut

Ein Fall für den Kriminalpsychologen Sebastian Bergmann – „Die Früchte, die man erntet“ - der siebente mittlerweile. Er arbeitet nicht mehr für die Polizei, ist als freier Therapeut tätig. Ein Australier will mit seiner Hilfe das Trauma hinsichtlich des Tsunamis vor 17 Jahren aufarbeiten - Sebastian wird knallhart mit seiner Vergangenheit konfrontiert.

Vanja ist die neue Leiterin der Reichsmordkommission, hat ihre erste Pressekonferenz mit Ach und Krach hinter sich gebracht. Sie, die Perfektionistin, ist in ihren Augen grandios gescheitert. Ein Desaster. Privat steht alles zum Besten mit Jonathan und ihrer kleine Tochter Amanda - und den Job, den Vanja immer wollte, hat sie nun. Das beste Ermittlerteam Schwedens arbeitet für sie. Zeit, nach vorne zu schauen, viel Arbeit wartet auf sie alle. Innerhalb von acht Tagen ist das dritte Opfer zu beklagen. Angelica Carlsson, die vorerst letzte Tote, hat Nils, den sie im Internet kennengelernt hat, von Dick erzählt. Er will viel Geld von ihr, sie ist verzweifelt. Hofft, dass Nils ihr aus dieser Situation heraushilft, sie finanziell unterstützt. Kurz darauf ist sie tot.

Ziemlich schnell wird klar, wer dahinter steckt, wer die Morde kaltschnäuzig geplant und ausgeführt hat, alles schön der Reihe nach, eine Liste wird abgearbeitet und noch sind sie nicht fertig. Die Leser wissen es, nur die Kommissare tappen im Dunkeln. Hier ist die Luft ziemlich raus, die Spannung so gar nicht mehr gegeben. Man wartet, dass es endlich weitergeht, Neues bekannt wird. Eine Durststrecke, die sich über viele Seiten dahinzieht.

Sowohl aus Täter- als auch aus Ermittlersicht werden die Ereignisse geschildert, nebenbei bekommt man ein wenig Privatleben der einzelnen Charaktere vermittelt. Und dazu kratzt eine weitere Story an der Oberfläche. Diese zweite Geschichte ist interessant, jedoch weiß ich auch hier schon ziemlich sicher, wie es ausgehen wird. Ich komme nicht umhin, vor allem die erste, aber auch die zweite als halbherzig erzählt zu werten. Haben die Autoren hier zu viel gewollt und dann doch nicht alles untergebracht und war jede Episode für sich zu wenig?

Zwei problematische Straftaten, zwei Handlungsstränge, die wie zufällig einander berühren, im Grunde aber nichts oder nicht viel miteinander zu tun haben, werden hier erzählt. Jeder für sich ist interessant, hätte genügt. Serviert werden die beiden nicht miteinander, es ist eher ein harter Übergang, keine Mixtur. Das hat mir so gar nicht gefallen, auch wenn mich das ganze Buch durchaus gut unterhalten hat. Ich bin sozusagen hineingestolpert in Sebastian Bergmanns Welt, habe mich erst akklimatisieren müssen, um mich zurücklehnen und durchaus genießen zu können. Und doch bleibe ich despektierlich zurück, ich werde wohl nicht zum Bergmann-Fan mutieren.

Bewertung vom 10.12.2021
Slaughter, Karin

Die falsche Zeugin


ausgezeichnet

Leigh und Callie – zwei Schwestern, die ungleicher nicht sein könnten. Die eine ist eine erfolgreiche Anwältin, während die andere sich durchs Leben schlängelt, immer an Rande des Abgrunds. Ihrer beider Kindheit war hart, jeder verdiente Groschen hochwillkommen. Leigh gab ihre Stelle als Kindermädchen irgendwann an Callie ab, die über lange Zeit den kleinen Trevor betreute.

Im Sommer 1998 begegnen wir Leigh und Callie, um dann im Heute mit der Strafverteidigerin ihr doch recht komfortables Leben kennenzulernen. Ihrem Mandanten, der sie kurzfristig engagiert hat, wird Entführung, Vergewaltigung, schwere Körperverletzung und noch so einiges vorgeworfen, alle Indizien sprechen gegen ihn. Zunächst sträubt sich in Leigh alles, dessen Verteidigung zu übernehmen, letztendlich aber klemmt sie sich voll und ganz dahinter.

Es beginnt gemächlich, wenn auch nicht alltäglich. Ein interessanter Einstieg ins Buch, aber auch nicht mehr. Doch je weiter die Geschichte fortschreitet, je mehr Details bekannt werden, desto stärker ist die Sogwirkung. Zwei Haupthandlungsstränge wechseln einander ab. Die Autorin nimmt ihre Leser mit ins Gestern, als Schreckliches passiert ist und schwenkt geschickt ins Heute, um von Leigh zu erzählen, ihrer Familie, zu der auch Callie gehört. Auch wenn diese ein Leben jenseits der gutbürgerlichen Norm führt und sich die Schwestern selten sehen, sind sie gefühlsmäßig eng verbunden.

Corona ist im Jahre 2021 ein allgegenwärtiges Thema und auch hier ist die Pandemie angekommen, hält sich aber dezent im Hintergrund. Drogen in vielerlei Form spielen mit, der Missbrauch in all seiner Widerwärtigkeit kann vieles zerstören, menschliche Abgründe tun sich auf. Manches ist kaum auszuhalten, man möchte es nicht lesen und doch unbedingt wissen.

Karen Slaughter baut Spannung auf, sie bedient ihre Leser häppchenweise, schwenkt den Fokus immer dann in eine andere Richtung, wenn man eigentlich dran bleiben, diesen Strang weiterverfolgen möchte. Die fast 600 Seiten lesen sich zügig weg, auch wenn die Handlung nicht gerade lässig daherkommt. Im Gegenteil, es ist ganz schön harter Tobak, der hier serviert wird. Man muss des Öfteren schwer schlucken, das Kopfkino sendet permanent Bilder. Szenen, die sprachlos machen, die man trotz allem lesen muss. Sie gehören dazu, machen die Story stimmig. Ich bin parteiisch, schlage mich auf eine Seite, die Autorin hat ihren Charakteren viel Leben eingehaucht, sie sind mir zwar nicht nahe, aber doch glaubwürdig, lebendig.

„Die falsche Zeugin“ ist ein raffiniert konstruiertes Werk mit ausdrucksstarken Charakteren und einer erschütternden Story. Karen Slaughter hat mir wiederum mit ihrem vortrefflichen Schreibstil so manch schauderhafte, aber durchaus unterhaltsame Lesestunden beschert.

Bewertung vom 07.12.2021
Williams, Jen

Der Herzgräber


ausgezeichnet

Heather muss sich um den Nachlass ihrer Mutter kümmern und so kehrt sie nach vielen Jahren zurück in ihr Elternhaus. Bei Durchsicht der Papiere findet sie unzählige Briefe eines verurteilten Serienkillers. Michael Reave sitzt seit 20 Jahren im Hochsicherheitsgefängnis, er hatte junge Frauen bestialisch getötet, ihnen das Herz herausgerissen, dieses im Wald vergraben, anstatt des Herzens Blumen hineingesteckt. Und jetzt ist wieder eine Frau genau auf diese Weise getötet worden – ein Nachahmungstäter?

Aus Heathers Sicht schildert die Autorin deren Leben und nimmt ihre Leser mit, der Verbindung ihrer Mutter zu Reave nachzuspüren. Das schon lange gestörte Verhältnis zur Mutter hat dazu geführt, dass Heather so gar nichts über sie weiß und so steht sie vor dem großen Rätsel – warum hat diese sich das Leben genommen, hatte regen Briefkontakt mit einem vielfachen Mörder unterhalten? Dazwischen sind Kapitel von früher, sowohl Michael Reaves Vergangenheit wird beleuchtet und auch aus Opfersicht erhalten wir Einblicke.

Was für ein Szenario! Eine fesselnde Story mit grausamem Hintergrund, die tief eintauchen lässt in die bestialischen Gedanken des Monsters. Welch schlimme Taten einen vermeintlichen Nachahmer finden, wie Spuren nachgegangen wird und dann doch ins Nichts führen, im Sande verlaufen – oder auch nicht. Jen Williams spinnt ihre Geschichte um den „Herzgräber“ mit feinem Instinkt immer weiter, lässt ihre Leser ins Leere laufen. Gönnt der Protagonistin auch mal entspannte Stunden. Durch den Wechsel ins Früher erfährt man Bruchstücke, die sich lange nicht zusammenfügen. Mit viel Gespür hat sie das Kunststück geschaffen, mich gleichermaßen zu fesseln und dem barbarischen Treiben mit Abscheu zu begegnen.

Ein famoser Thriller, dem ich atemlos durch das Geschehen folgen musste. Unbedingt! Das Cover kann ich jetzt, nachdem ich die ganze Geschichte weiß, gut zuordnen. Der Waldboden, das rote Blatt – herzförmig. Ja, ein sehr passendes Titelbild. Gerne empfehle ich „Der Herzgräber“ weiter – spannend, aufregend, mörderisch.

Bewertung vom 06.12.2021
Korten, Astrid

Die Täuschung (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Das Cover ist schon mal die Wucht. Aber es geht ja nicht nur um das Cover, es geht auch und vor allem um den Inhalt. Um das, was sich dahinter verbirgt – und es verbirgt sich so einiges. „Die Täuschung“ ist ein sehr gelungener Psychothriller aus der Feder von Astrid Korten - ein phantastischer Blick hin zur Magie und mehr…
Victor Adams - der große Illusionist Horus - ist nach einer Zahnwurzelbehandlung verwirrt. Wo ist er? Warum ist er hier? Was ist geschehen?

Schon immer begeistert sich Victor für alles, was mit Zauberei zu tun hat - für Illusionen, denn das ist die bessere, die einzig richtige Beschreibung für ihn und seine Leidenschaft. Mit dreizehn Jahren nimmt er an einer Talentshow teil, sein Onkel Noah bringt ihm alles bei, hat ihn von klein auf in die Welt der Magie eingeführt und Victor war ehrgeizig und sehr zielstrebig.

Nun ist Horus der schnellste Illusionist der Welt, assistiert von Julia. Ein eingespieltes Team sind die beiden, jetten um den Globus, sind erfolgsverwöhnt. Bis Julia verschwindet. Einfach so. Der große Horus und seine Illusionen – Inspektor Banks ermittelt, verdächtigt Victor, seine Assistentin getötet zu haben. Wie soll er das angestellt haben, sie inmitten einer Show einfach auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen? Ist Julias Tod auch nur eine Illusion oder doch Wirklichkeit?

Astrid Korten ist das perfekte Verwirrspiel geglückt. Sie wechselt geschickt vom Gestern ins Heute, erzählt ihren Lesern ganz viel und doch nie genug, um hinter die Kulissen zu blicken. Man kennt Victor und die Seinen, sein Leben, seine Fähigkeiten. Sein ganzes Streben ist die Illusion. Beim Lesen vergewissere ich mich des Titels, weiß genau, dass diese Täuschung mich ganz bewusst in die Irre führt. Und komme doch immer wieder im Nichts an, muss den Fokus in eine andere Richtung lenken.

Und zwischendurch die Zahnschmerzen. Wie geht das zusammen, was steckt hinter dieser mysteriösen Geschichte?

Ja, so mag ich das. Schon von Anfang an nimmt die Autorin mich mit, dieser Psychothriller verhext und verzaubert, beeindruckt und begeistert mich gleichermaßen.

„Die Täuschung“ ist exzellent in Szene gesetzt von Astrid Korten, eine Meisterin ihres Fachs.

Bewertung vom 05.12.2021
Bryndza, Robert

So eiskalt der Tod / Kate Marshall Bd.2


ausgezeichnet

Kate Marshall ist zurück und das mit voller Wucht. Mit Jake, ihrem mittlerweile 16jährigen Sohn, ist sie beim Tauchen an einem Stausee. Ein paar unbeschwerte Tage wollten sie verbringen, diese sind aber vorbei, als sie bei einem Tauchgang auf die extrem zugerichtete Leiche eines jungen Mannes stoßen. In Gesicht und Oberkörper sind Schnitte und tiefe Fleischwunden erkennbar. Der Fall wird von polizeilicher Seite schnell zu den Akten gelegt, jedoch bittet die Mutter des toten Jungen Kate, ihr zu helfen. Bald schon ist Kate, unterstützt von ihrem Assistenten Tristan, davon überzeugt, dass der Tote Opfer eines Serienkillers wurde. Ist Detective Chief Inspector Henry Ko einfach nur unfähig, dies zu sehen?

Nachdem mich „So blutig die Nacht“ sowohl schockiert als auch begeistert zurückgelassen hat, ich der Ex-Polizistin Kate Marshall mit ihrem Sohn endlich Ruhe gegönnt hätte, war ich in ihrem zweiten Fall wieder mit allen Sinnen dabei. Der Autor versteht es, Spannung aufzubauen und diese nicht nur zu halten, sondern immer wieder ein Stück zu steigern.

Robert Bryndza erzählt aus verschiedenen Blickwinkeln, lässt seine Leser tief in die Gedanken, in das Tun seiner Charaktere blicken. Beschreibt aus Opfersicht, wie es sich anfühlt, all das Grauenvolle zu durchleben, ohnmächtig abzuwarten. Rückt so einige finstere Gestalten ans Licht. Jeder hätte genug kriminelle Energie für diese Schreckenstaten.

Kate und Tristan sind mir noch sehr vertraut. Ihre Art, den Dingen auf den Grund zu gehen, lässt mich so manches Mal herzklopfend weiterlesen. Im ersten Band war viel Privates dabei, es gehörte einfach zur Story und auch hier, im zweiten Fall als Privatermittlerin, werden ihre Vergangenheit und ihr jetziges Leben mit einbezogen. Das Private lockert den „eiskalten Tod“ auf, macht die Story wohldosiert richtig rund.

In „So eiskalt der Tod“ erzählt Robert Bryndza wiederum extrem spannend und sehr fesselnd von all den menschlichen Abgründen - der gelungene zweite Fall für Kate Marshall und Tristan, ihrem Assistenten, den ich sehr gerne weiterempfehle. Ein Leckerbissen für Thriller-Fans.

Bewertung vom 04.12.2021
Seeck, Max

Teufelsnetz / Jessica Niemi Bd.2


ausgezeichnet

Lisa und Jason, die momentan populärsten Social-Media-Promis und Lifestyle Blogger Finnlands, sind spurlos verschwunden, nachdem sie auf der Party des Rappers Kek Mace´s dessen neuestes Album gefeiert hatten. Fast zeitgleich wird eine als Manga-Mädchen verkleidete junge Frau tot an den Strand gespült – Zufall? Oder haben diese beiden Fälle miteinander zu tun?

Meine erste Begegnung mit Max Seeck. „Hexenjäger“, den ersten Band der Reihe um Jessica Niemi habe ich (noch) nicht gelesen. Auch wenn einiges auf diesen Vorgängerband hindeutet, war ich doch gleich mittendrin. Wohl dosiert bindet der Autor alles Nötige in sein „Teufelsnetz“ ein, sodass ich mir einen guten Überblick in das Leben und Wirken seiner Protagonisten verschaffen konnte.

Eine so ganz andere Welt, in die ich mitgenommen werde. Es gibt sie zuhauf, die Blogger und Influencer. Jeder möchte berühmt sein, viel Geld mit dem Werben für alles Mögliche verdienen, nur wenige schaffen den Aufstieg in diese Scheinwelt. Social Media ist das Thema unserer Zeit, die jungen Leute kennen es gar nicht mehr anders. Abgründe tun sich auf, es geht ins Verborgene, das Dark Net verspricht Schutz. Und Manga in seiner ursprünglichen Form ist der japanische Begriff für Comics, die Verkleidung weckt Begehrlichkeiten. Phantasien können ausgelebt, die Spuren nicht zurückverfolgt werden. Die skrupellosen Machenschaften derer, bei denen ein Menschenleben nicht zählt – der Autor versteht es hervorragend, all diese verwerflichen Grausamkeiten in unterhaltsamer Form aufzubereiten.

Vor diesem Hintergrund ermittelt Jessica Niemi, die brillante Polizistin. Max Seeck hat mit ihr eine nahbare Figur erschaffen, die man einfach mögen muss, auch wenn sie ihre Geheimnisse hat. So ganz anders lebt, als es den Anschein hat. Alle Charaktere haben ihre Ecken und Kanten, sind auf ihre Art einzigartig. Die Handlung schreitet voran, so manches Mal kommen sie nicht weiter, stehen vor verschlossenen Türen. Der Mix aus Privatem und der Ermittlungsarbeit um das Verschwinden der beiden Blogger und den Tod des Manga Mädchens ist gut austariert. Jessica lässt nicht locker, Hindernisse sind da, um aus dem Weg geräumt zu werden, aber auch sie stößt an ihre Grenzen. Und - nicht jeder meint es gut mit ihr.

Ich lese einen raffiniert gemachten Thriller, der all das hat, was eine gut durchdachte Story braucht. Der Autor lässt seine Leser tief blicken, führt sie dann aber doch in eine Richtung, in der es scheinbar nicht weitergeht. Spannend, irritierend und zutiefst verstörend geht es zu. Ein Buch, das man nicht weglegen kann, es kommt immer wieder anders - bis zum bitteren Ende.

Jessica Niemis Spuren werde ich weiterverfolgen. „Teufelsnetz“ - ein teuflisch guter Thriller, den Max Seeck hier vorgelegt hat.

Bewertung vom 04.12.2021
Weiß, Sabine

Gold und Ehre (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

In Amsterdam des Jahres 1650 begegnen wir Benjamin Aard, der einen Beinaheabsturz riskiert, als er zu nachtschlafender Zeit in luftiger Höhe am Stadtwall seine Studien betreibt. Stets neugierig will der talentierte junge Architekt den Dingen auf den Grund gehen und mit dabei ist sein Freund und Cousin Theo, dessen ganze Leidenschaft der ärztlichen Kunst gilt. Sie erlauschen, dass die Stadt in Gefahr ist - Prinz Wilhelm von Oranien lässt 12000 Mann gen Amsterdam ziehen. Dieses Wissen können sie natürlich nicht für sich behalten, bei ihrem überstürzten Aufbruch vergisst Benjamin die Öl-Uhr und gerät kurz darauf in Verdacht, für den Brand der Mühle am Stadtwall verantwortlich zu sein. Michiel, sein Vater, schickt ihn daraufhin nach Hamburg. Dort begegnet ihm Lucia, die für das karge Auskommen ihrer Familie sorgen muss.

„Gold und Ehre“ von Sabine Weiß ist der Nachfolgeband von „Krone der Welt“ und gewährt neben dem geschichtlichen Hintergrund tiefe Einblicke in das damalige gutbürgerliche Leben. Nach den Befreiungskriegen spaltete sich das Land in die katholisch geprägten Spanischen Niederlande im Süden und die reformierte Republik der sieben Provinzen im Norden auf. Das Schicksal der fiktiven Personen verknüpft die Autorin mit dem Leben und Wirken der historischen Persönlichkeiten wie das des Politikers Johan de Witt, des Architekten Jacob van Campen oder Christina, der Königin von Schweden, um nur einige zu nennen.

Geschichtsunterricht, gut verpackt im Leben der so unterschiedlichen Charaktere, weckt ganz viel Neugier auf mehr. Mit Theo, dessen Lebenstraum auf Druck seines Vaters ihn über die Meere führt, begegnen wir der grausamen Wirklichkeit des Sklavenhandels und landen in der neuen Welt, in Nieuw Amsterdam, heute als New York wohlbekannt.

Während Benjamin versucht, in Hamburg Fuß zu fassen, wird der Michel gebaut - in nur 25 Jahren ist der erste Bau dieses Wahrzeichens der Stadt fertiggestellt. In seinen Hamburger Jahren reift er zum Mann, begegnet in Lucia einer Frau, die ihn mit allen Sinnen fesselt. Hier nimmt Sabine Weiß ihre Leser mit in die aus heutiger Sicht unzumutbaren gesellschaftlichen Normen und Regeln, der sich eine Frau, noch dazu alleinstehend, zu unterwerfen hatte. Auch das enge Familienkorsett, in dem Benjamins Vater Michiel ein strenges, unerbittliches Regiment führt, er von seinen Söhnen auch in späteren Jahren Gehorsam einfordert, zeichnet ein Bild der Gesellschaft des 17. Jahrhunderts.

Samuel ist eher derjenige, dessen Existenz sich speist aus dem unbedingten Willen, in der Welt der Adeligen aufgenommen zu werden, er sich mit seinem Geld die Gunst des englischen König Charles erkaufen will. Um Benjamin, Theo und Samuel rankt sich der fiktive Teil, der mit den gut recherchierten historischen Daten ein harmonisches Ganzes bildet.

Gut gefällt mir auch neben dem stilvollen Cover der Stadtplan von Hamburg um 1650 sowie das Verzeichnis der wichtigsten Personen, was für mich anfangs immer enorm nützlich ist. Später dann kenne ich sie alle, kann sie und ihre Charaktereigenschaften gut einschätzen. Und im Glossar werden viele Begriffe nochmal dargestellt, einiges erklärt sich von selbst, aber bei weitem nicht alles.

Amsterdam erleben wir hier in seiner Blütezeit, während Hamburg eher provinziell war - ein spannendes Stück Zeitgeschichte, anhand der fiktiven Personen anschaulich dargestellt und geschickt verwoben mit dem historischen Hintergrund.

Schon „Krone der Welt“ hat mich ganz tief hineingezogen in die damalige Zeit. In „Gold und Ehre“ begegnete ich der Architektenfamilie Aard wieder, Sabine Weiß hat eine Generation übersprungen, die historischen Fakten mit ihren erdachten Figuren mit dem Alltagsleben anno dazumal vermengt und einen unterhaltsamen Roman aufgelegt, der in allen Belangen überzeugt.

Bewertung vom 28.11.2021
Biasini, Sarah

Die Schönheit des Himmels


schlecht

Ein persönliches Buch – so wird es beworben. Und genau das sollte es bleiben. Persönlich, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Was, so frage ich mich, will die Autorin ihren Lesern sagen?

„Es gibt nichts Schöneres, als sie „meine Mutter“ zu nennen. Niemand außer mir darf das.“ In diesem schmalen Buch erzählt sie nicht die Geschichte ihrer berühmten Mutter, sie dient lediglich als Aufhänger, als Rechtfertigung für ihre Worte, die sie, die Tochter von Romy Schneider, an ihre zweieinhalbjährige Tochter richtet.

Im Radio habe ich eine Buchbesprechung gehört, Sarah Biasini hat ihre „Schönheit des Himmels“ auf allen Kanälen beworben. Dieses Buch muss ich lesen, unbedingt. Und nun - endlich mein! Gespannt schlage ich es auf und lese eine emotionslose Aneinanderreihung aller Ereignisse, die für sie wichtig waren. Die sie mit der Entstehungsgeschichte ihrer Tochter verbindet.

Erinnerungsfetzen, unausgegoren, schnell aufs Papier geworfen. Man muss nicht jeden Gedanken in einem Buch verewigt sehen, um dieses dann schnell auf den Markt zu werfen. Für mich eines der schlechtesten Bücher überhaupt. Ich mag Sarah Biasini, ihre zurückgenommene Art. Aber ihr Buch mag ich nicht, so leid es mir tut.

Das Cover ist wundervoll, hier stimmt einfach alles. Auch der Klappentext lädt ein, ein klein wenig in ihre Seele zu schauen. Nur so viel, wie sie ihren Lesern verraten will, alles andere bleibt diskret im Verborgenen.

„Romy Schneiders Tochter erzählt: poetische und intime Einblicke in ihr Leben abseits der Öffentlichkeit.“ Und genau da sollten diese weder poetischen noch intimen Einblicke bleiben – abseits der Öffentlichkeit.

Bewertung vom 25.11.2021
Oetker, Alexander

Rue de Paradis - Luc Verlains fünfter Fall (Luc Verlain 5) (MP3-Download)


ausgezeichnet

In der Rue de Paradis lässt es sich wohnen, es ist ein idyllisches Plätzchen auf der Halbinsel Cap Ferret. Bei einer Sturmflut werden nicht nur Häuser zerstört, auch eine Frau kommt inmitten der Wassermassen um. Es stellt sich heraus, dass die Rue de Paradis nie hätte bebaut werden dürfen. Zu nah am Bassin, lediglich das Haus des Bürgermeisters hoch oben liegt außerhalb der Gefahrenzone. Umgesiedelt müssen sie werden – es regt sich Widerstand. Als es sechs Monate später erneut zu einer noch verheerenderen Flut kommt, wird der Bürgermeister tot aufgefunden. Luc Verlain wird hinzugezogen, ein für ihn denkbar ungünstiger Zeitpunkt, seine Tochter kann jeden Moment zur Welt kommen.

Die Art, wie Alexander Oetker seine Leser an den Fall heranführt, gefällt mir ausgesprochen gut. So hat man die Örtlichkeiten und die Akteure direkt vor Augen, möchte nur zu gerne die Köstlichkeiten der Gegend genießen. Luc ist mir mittlerweile sehr vertraut, ich folge ihm und Anouk, seiner Lebensgefährtin, schon ab Band 1 und werde ihm weiterhin treu bleiben.

Lucs unaufdringliche und immer durchdachte Handlungsweise mag ich sehr gerne. Er kennt diesen Menschenschlag, kann mit ihnen umgehen. Hier findet man keine reißerischen Szenen, aber doch genug Lügen und Geheimnisse, Hinterhältigkeit und Bosheit. Sie geben sich rechtschaffen, als ob sie kein Wässerchen trüben könnten. Und doch hat jeder hat seine dunklen Seiten, die dank Lucs Spürsinn ans Licht kommen.

Ein spannender fünfter Band um Luc Verlain. Alles beginnt gemächlich, steigert sich, wirft viele Fragen auf und endet ganz unverhofft. Wiederum ein spannender Kriminalfall, der auch gelesen werden kann, ohne die Vorgängerbände zu kennen. Aber warum sollte man sich um den Lesegenuss bringen? Diesen fünften Fall habe ich mir als Hörerlebnis gegönnt, ich kann es sehr empfehlen.

Das ungekürzte Audible Hörbuch ist 7 ½ Stunden Hörgenuss vom Feinsten. Dazu trägt natürlich auch Frank Arnold mit seiner ausdrucksstarken, so wandelbaren Stimme bei. Der perfekte Sprecher, dem ich jede Rolle abnehme, er zieht seine Hörer ganz tief in diesen Kriminalfall. Das Kopfkino ist eingeschaltet, die weiße Gischt weit draußen, die enormen Regenmengen, die Sturmflut trifft auf die Westküste und in meine Vorstellung. Ich bin inmitten der Bewohner, kann ihre Verzweiflung direkt spüren. Kurzum - eine perfekte Lesung.

Wie gesagt - sehr gerne empfehle ich Luc Verlains fünften Fall an der „Rue de Paradis“ weiter.

Bewertung vom 24.11.2021
Haigh, Tara

Die Klänge der Freiheit


gut

Voller Stolz nimmt Inge die Brosche, die eine fertig ausgebildete Rotkreuz-Schwester auszeichnet, bei ihrer Vereidigung entgegen. Afrika, ihr Wunsch-Einsatzort, rückt näher. Aber an die Ostfront muss sie, ihr Vater sieht das kritisch, ihre ganze Rotkreuz-Schwesternschaft gefällt ihm nicht. Zuviel hat er gesehen vom Krieg, hat verbotenerweise Feindessender gehört und weiß um die Aussichtslosigkeit der Deutschen in diesen letzten Kriegsjahren. Jedoch glaubt Inge, blauäugig wie sie ist, nicht ihm, sondern dem Führer und seiner Propaganda. Für die richtige Sache will sie einstehen, den tapferen Soldaten helfen.

Mit der Realität, der Grausamkeit des Krieges, wird sie im Lazarett tagtäglich konfrontiert. Oberstleutnant Heinrich Preuss wird mit einem Streifschuss und einer Fleischwunde eingeliefert und schon bald will er bevorzugt von Inge betreut werden, will sie in seiner Nähe haben. Die Rote Armee ist nahe und Inge kommt seiner Bitte nach, ihn nach Italien zu begleiten. Dort wird er Vorbereitungen für ein Kriegslazarett treffen. Es ist ihre Chance, der Hölle zu entkommen.

Aus der Sicht einer jungen, idealistischen Frau nimmt Tara Haigh ihre Leser mit hinter die Front. Aus ihrer anfänglichen Euphorie, dem unbedingten Willen zu helfen und aus der Überzeugung, der richtigen Sache zu dienen, wird ihr Blick zunehmend kritischer. Sie sieht hinter den Kulissen die menschenverachtende Realität der Einzelnen, kann aber nichts tun als schweigend dem zuzusehen. Ein Stück Zeitgeschichte hat die Autorin zu Papier gebracht, das Lazarett mit all seinen Schrecken verdeutlicht gut die entsetzlichen Qualen der Verwundeten. Triage nannten sie das, was schlicht und ein Ausleseverfahren war. Bei wem ist es noch sinnvoll, die raren Medikamente auszugeben? Wer ist dann wieder voll einsatzfähig, kann dem Regime weiterhin dienen?

Italien zeigt sich zunächst von seiner schönsten Seite, der Spaziergang durch Rom setzt Bilder im Kopf frei, ich bin mit Inge in der Stadt, schwelge in Erinnerungen, auch Neapel mit all seinen nicht nur feinen Gerüchen bleibt im Gedächtnis. Die perfekte Lage des Klosters oben auf dem Berg macht die Abtei Montecassino zu einem strategisch günstigen Ort, die Deutschen nisten sich in der Nähe ein.

Ein Buch über die letzten Jahre des Zweiten Weltkrieges, von der Ostfront nach Italien. Während es in der ersten Hälfte um das harte Leben und Sterben im Lazarett geht, wandelt sich die Geschichte zunehmend in eine Romanze, umrankt vom Widerstand. Wobei mich der Anfang sehr gebannt immer weiterlesen ließ, hatte ich im Bella Italia zunehmend das Gefühl, die Kriegswirren und deren entsetzliche Taten müssen dem Patriotismus und einer Liebe zwischen den Gegnern weichen.

„Bella ciao“ – ein Lied über den Tod und doch waren es für die Partisanen die Klänge der Freiheit. Diese fiktive Geschichte mit dem bekannten historischen Hintergrund war durchaus kurzweilig zu lesen, weniger Amore wäre hier mehr gewesen. Unterhaltsam waren „Die Klänge der Freiheit“ allemal.