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TochterAlice
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Köln

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Insgesamt 1464 Bewertungen
Bewertung vom 07.10.2021
Turner, A. K.

Tote schweigen nie / Raven & Flyte ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

Wunderbar schräg ist der Auftritt der Londoner Assistentin für Rechtsmedizin Cassie Raven. Aber nur optisch. Denn mit ihrem nicht mehr lebendigen Besuch geht sie überaus achtsam um, führt mit diesem sogar Zwiesprache.

Über jede Leiche, die ihr auf den Tisch kommt, macht sie sich ihre Gedanken und zwar derart empathische, die ihr so mancher angesichts ihrer mannigfaltigen Tattoos und der vielen Piercings gar nicht zutrauen würde.

Doch ist Cassie eine sanfte und zarte Seele, die bei ihrer Großmutter aufgewachsen ist, die noch immer einer der wichtigsten Menschen für sie ist. So trifft es sie mehr als hart, als eines Tages ihre ehemalige Lehrerin, die sie persönlich unter ihre Fittiche genommen hatte, sozusagen ihren Tisch kreuzt. Leider mausetot wie alle anderen Gäste - dabei war sie erst Anfang 50, hatte noch so viel vor - und Cassie hätte gern noch so viel Zeit mit ihr verbracht!

Was sie auch jetzt tut, denn ihr kommt so einiges an der ganzen Sache spanisch vor. Wie sie den tatsächlichen Ereignissen auf die Schliche kommt - das fasziniert, berührt und überzeugt zugeleich. Ein wunderbarer Krimi - Thriller würde ich ihn gar nicht unbedingt nennen - mit Pfiff, aber auch mit Anspruch.

Der Leser sollte sich auf Cassie wie auch auf die weiteren Figuren einlassen, sonst geht ihm so viel vom Geschehen durch die Lappen. Ein Krimi für aufmerksame Leser, die menschliche Wertschätzung im Krimi goutieren!

Bewertung vom 27.09.2021
Funk, Kristin

Ein Buch, vier Jahreszeiten


gut

Inspirierend, aber auf sparsame Art
Vorweg: dies ist ein schönes Buch, das Menschen mit vielen Interessen zu Neuem inspirieren kann. Diejenigen, die nicht so offen sind, bekommen hier so manchen Impuls in die unterschiedlichsten Richtungen, was die Jahreszeiten angeht.

Es gibt Rezepte, Basteltipps, Gedichte und Geschichten, Bilder und vor allem Vorschläge für die jeweilige Jahreszeit, was man da so alles machen kann. Die Bilder sind schön, die Rezepte nicht schwierig, aber: kurz, nachdem ich begonnen hatte, das Buch zu lesen bzw. zu rezipieren, war ich auch schon durch. Jedenfalls mit dem, was mich interessierte. Denn: das Schöne an solch einem Buch ist ja, dass man wählen kann. Es gibt viele, viele kleine Häppchen, aus denen man sich die herausfiltert, mit denen man sich beschäftigen möchte - in meinem Fall vor allem die Rezepte und einige der literarischen Genüsse.

Es ist halt alles sehr großflächig angelegt, die Fotos, Bilder und Texte sind so groß, dass auch Oma ohne Lesebrille was mitbekommt.

Kurzum: es hätte deutlich mehr hineingepasst: mehr Rezepte, mehr Bastelvorlagen, mehr Literarisches usw. In der Hinsicht ist das Buch aus meiner Sicht eine Mogelpackung, wenn auch eine ausgesprochen ansprechende. All das, was darin enthalten ist, hätte man auf viel weniger Raum unterbringen und deutlich preisgünstiger anbieten können und es wäre (fast) genauso hübsch und ansprechend gewesen. Nur hätte Oma die Lesebrille zücken müssen.

Ein schönes Buch also, aber auch eines, aus dem man deutlich mehr hätte machen können!

Bewertung vom 27.09.2021
Riebe, Brigitte

Ein neuer Morgen / Die Schwestern vom Ku'damm Bd.4


ausgezeichnet

Wir erleben Miri, die vierte Thalheim-Schwester, in einer ganz anderen Lebensphase als die drei anderen. Wurden diese eher in jungen Jahren, während sie ihren Weg ins Leben suchten, porträtiert, hat Miri, die erst als Erwachsene erfuhr, dass auch sie eine Thalheim ist, die Vierzig bereits überschritten. Und ist schwanger - zu Adoptivtochter Jenny gesellt sich bald die leibliche Tochter Lilly.


Die zumindest in Westberlin ausgesprochen wilden späten1960er und frühen 1970er Jahre bilden den zeitlichen und räumlichen Rahmen für diesen Roman um die Familie Thalheim und das bedeutet, wir begegnen auch den anderen Schwestern. Aber Miris Familie mit ihrem Mann, dem Gastwirt Schani und den bereits erwähnten Töchtern steht im Fokus.

Auch die gesellschaftlich-politischen Entwicklungen Berlins im bereits erwähnten Handlungszeitraum kommen nicht zu kurz - wir dürfen mit Familie Thalbach den politischen Aufstieg Willy Brandts begleiten, dessen Frau, die Norwegerin Rut, im Modehaus Thalheim als Miris persönliche Kundin betreut wird. Natürlich erleben wir auch die Studentenunruhen inklusive der dramatischen Demo anlässlich des Schah-Besuchs.

Miri selbst ist eine fantasievolle und warmherzige Person, die durchaus auch mal zwischen Familienmitgliedern vermittelt. In ihrem Leben gibt es einen sehr dunklen Punkt, den die treuen Leser dieser Reihe bereits kennen: als Tochter einer jüdischen Mutter, die zum Opfer der Nationalsozialisten wurde, lebte sie im Dritten Reich im Untergrund. In diese schwere Zeit in Miris Leben, die bisher ein mehr oder weniger weißer Fleck war, erhalten wir in diesem Roman einen detaillierten Einblick.


Man darf gespannt sein, denn die Autorin Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und hat ein Händchen dafür, spektakuläre und interessante, oft vergessene reale Alltagsereignisse der von ihr jeweils geschilderten Zeitspanne in den Handlungsverlauf einzubauen: Eine "Spezialität", die ich in ihren Werken immer ganz besonders genieße.

Genau mein Geschmack und insgesamt ein Buch, das in mir ein warmes, wohliges Gefühl interlässt, weil es so viele meiner (Lese-)Bedürfnisse befriedigt hat: eindringliche Charaktere, literarischer und historischer Anspruch, gute Unterhaltung, ein angenehmer, nicht zu gefälliger Stil, der etwas erfrischend Unkonventionelles an sich hat. Ein Roman, nein, eine komplette Reihe, die für Freund*innen von zeitgeschichtlichen Romanen ein Muss ist!

Bewertung vom 27.09.2021
Krause, Robert

Dreieinhalb Stunden


gut

Harte Stunden der Entscheidung
Und zwar DER Entscheidung, wie es denn im jeweiligen Kopf so aussieht im Hinblick zur DDR-Treue.

Denn dieser Zug fährt am 13.08.1961 von München nach Berlin. Und zwar bis zum Ostbahnhof. Manche wissen es schon, andere erfahren es über Radio: Es entsteht gerade eine Mauer durch Berlin, rüber in den Westen zu machen ist schon jetzt kaum mehr möglich!

Wir schauen in die Köpfe verschiedener Personen, bspw. einer Familie, in der die Frau überzeugt ist von der DDR, sie will dieser auf keinen Fall den Rücken kehren. Und einer jungen Rockband.

Es ist ein ausgesprochen spannendes und eindringliches Thema: wer geht, wer bleibt?

Und tatsächlich ereignet sich die ein oder andere unerwartete Szene. Es ist alles sehr emotional, auch wenn man nicht unbedingt sagen kann, dass es so richtig unrealistisch ist.

Ein tolles Thema - nur leider ist dieser Roman ein bisschen sehr formell und packt mich nur ab und zu. Und er kann mich stellenweise auch nicht so recht erreichen .

Bewertung vom 25.09.2021
Martens, Jette

Uns kann niemand trennen / Gut Schwansee Bd.3


sehr gut

Mona in Trauer
Sie hat nämlich ihren Liebsten verloren, Kunstprofessor Gustav, dessen Meisterschülerin sie war. Drei wundervolle Jahre dauerte die Beziehung zu dem 20 Jahre Älteren, drei Jahre, in denen sie einander genug waren - bis er von einem auf den anderen Augenbick nicht mehr da war - einfach umgekippt.

Aus der gemeinsamen Wohnung in Hamburg muss sie raus, was aber nicht schlimm ist, denn es zieht sie an die Ostsee, in die Nähe von Mutter und Oma. Genau: ihre neue Bleibe, wunderbar auch als Atelier geeignet, befindet sich auf Gut Schwansee.

Trotz der Trauer könnte dies ein hoffnungsvoller Start in ein neues Leben sein, aber Gustavs Frau und Kinder - formal war er noch verheiratet - fochten sein Testament an - der großzügige Mann hatte Mona nämlich sein wundervolles kleines Haus auf Sylt und eine finanzielle Zuwendung auf Lebenszeit hinterlassen. Dagegen geht seine Familie nun gerichtlich vor und deren Anwalt ist ausgerechnet Monas neuer Nachbar Erik, bei dem es ebenso wie bei Mona schon beim ersten Treffen aus der Ferne gefunkt hat. Kann da überhaupt etwas draus werden?

Autorin Jette Martens hat diese Handlung in ein wundervoll winterliches Setting mit vorweihnachtlicher Atmosphäre gebettet - das Buch schreit geradezu danach, an den Adventswochenenden gelesen zu werden. Obwohl eines vielleicht schon reichen wird, denn so süffig, wie es geschrieben ist, will man gar nicht aufhören mit dem Lesen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.09.2021
Lawson, Mary

Im letzten Licht des Herbstes


sehr gut

Ein Fremder in der Stadt und auch noch im Haus der lieben alten Mrs Orchard, die seit Wochen im Krankenhaus liegt. Die siebenjährige Clara ist sehr verwirrt, zumal auch ihre große Schwester Rose, von ihr sehr bewundert, vor kurzem verschwand. Allerdings mit Vorankündigung, aber warum kommt dann keine Nachricht, wie sie es versprochen hatte? Und Rose hält alle ihre Versprechen, jedenfalls Clara gegenüber.

Aber was der Fremde im Haus von Mrs. Orchard, zu dem Clara doch noch den Schlüssel hat, um den Kater zu füttern, will - das ist ihr nicht klar. Bis sie eines Abends auf ihn trifft und schlimme Dinge erfährt.

Es gibt viel Unausgesprochenes, auch viele Altlasten in der kleinen Stadt Solace, doch ausgerechnet die Ankunft von Liam - das ist der Fremde - bringt sie ans Tageslicht. Und treibt so manchen Stadtbewohner dazu, etwas kundzutun - Informationen oder auch einfach nur seinen Senf.

Ein Roman aus drei Perspektiven: Claras, Mrs. Orchards und Liams. Zunächst weit voneinander entfernt, verdichten sie sich zu einer stringenten Handlung, die - was man irritierenderweise nur aus dem Klappentext erfährt - im Jahr 1972 stattfindet.

Ja, der Fremde in der Stadt bringt Bewegung - in seinem direkten Umfeld und auch darüber hinaus. Manches bleibt aus meiner Sicht ein wenig beiläufig, doch scheint dies der Stil der Autorin Mary Lawson, die ich durch diesen Roman erst kennenlernen durfte, zu sein.

Kein Western, trotz des Fremden in der Stadt. Trotz des Aufruhrs, den er auslöst - überraschende Aufeinandertreffen führen zu Rettung und zu Heilung. Ein Roman für Leser, die sich für Menschen, ihre Geschichte, Sorgen und Sehnsüchte interessieren.

Bewertung vom 23.09.2021
Popp, Susanne

Die Teehändlerin / Die Ronnefeldt-Saga Bd.1


sehr gut

Frankfurt 1838: der Kaufmann Tobias Ronnefeldt handelt mit Waren aus fernen Ländern, insbesondere aus China: Porzellan, Seide - vor allem aber mit Tee, den er in Deutschland bekannter machen möchte. Die meisten mögen und trinken nämlich Kaffee und haben keine Ahnung, wie vielfältig und abwechslungsreich der Teegenuss sein kann! Das sieht auch seine Ehefrau Friederike, schwanger mit dem fünften gemeinsamen Kind, so: als sich Tobias auf eine lang geplante Reise nach China begibt und sich der von ihm eingesetzte Stellvertreter in jeder Hinsicht als Fehlschlag entpuppt, nimmt sie das Heft in die Hand und kümmert sich ums Geschäft - und zwar in jeder Hinsicht!

Ein ungewühnliches Frauenleben in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schildert hier Autorin Susanne Popp. Sowohl Friederike als auch Tobias wie auch eine Reihe weiterer Charaktere existierten tatsächlich - die Autorin verleiht ihnen hiermit Leben und lässt ihre Leser tief in vergangene Zeiten eintauchen.

Dabei geht es nicht nur um Tee, sondern sogar vor allem um Ränke und Entwicklungen in den Familien von Tobias und Friederike, denn beide haben Geschwister, die durchaus entscheidend ins Geschehen eingreifen.

Abgesehen davon, dass ich mich über mehr (Tee)Geschichte(n) gefreut hätte, empfand ich den Roman als sehr atmosphärisch und habe ihn gern gelesen! Ich empfehle ihn nicht nur Teefreunden, sondern insgesamt Liebhabern historischer Romane, die es lieben, wenn ihnen der Atem der dargestellten Zeit quasi entgegenweht!

Bewertung vom 18.09.2021
Bronsky, Alina

Barbara stirbt nicht


ausgezeichnet

Irgendwann rafft es auch Herr Schmidt

Dass nämlich seine Frau Barbara nicht mehr so wird, wie sie war. Auch, wenn er zunächst ihre Krankheit nicht wahrhaben wollte.

Aber komischerweise wissen ganz schön viele Menschen Bescheid. Zumindest darüber, wer er ist und wer Barbara ist. Besonders Letzteres. Und sie sind bereit, ihm zu helfen. Ihm, der im Haushalt nie einen Finger gerührt hat. Ihm, der trotzdem immer alles besser wusste.

Und so lernt Walter kochen - für sich selbst. Naja, eigentlich auch für Barbara, aber sie mag nix. Bzw. träumt sie von dem russischen Zeug, das er immer so voll daneben fand. Denn: wenn man in Deutschland ist, dann isst man auch deutsch. Findet Walter.

Er macht weiter. Nicht nur mit Kochen. Nein, auch mit Backen. Denn es gibt massenweise Aktivitäten, in die Barbara eingebunden ist. Und - wie wir ja schon wissen - will Walter nicht wahrhaben, dass sie sich nicht mehr berappeln wird. Höchstwahrscheinlich jedenfalls. Aber was heißt schon höchstwahrscheinlich.

Und sie da - seinen Kuchen, den mag sie. Und zwar nicht nur sie. Denn Walter hat seine Begabung gefunden - köstliche Kuchen zu backen.

Wenn bloß nicht die Kinder wären, die immer zur Kontrolle vorbeischneien. Und ihn beraten - ungefragt natürlich.

Autorin Alina Bronsky legt mal wieder den Finger genau in die Wunde. Mitten rein. Und verschont keinen. Herrn Schmidt schon gar nicht. Wenn gleich zum Ende hin eine gewisse Milde waltet, denn Walter gibt sich ja Mühe, auch wenn er selbst es nicht wahrhaben will - niemals!

So schreibt nur Alina Bronsky. Sie wäre der Schrecken aller Spießbürger - wenn diese sie kennen würden. Denn Spießbürger lesen sowas nicht, bzw. legen es bald aus der Hand, weil es ihnen nicht ganz geheuer ist. Kein Wunder.

Wer Alina Bronsky schon kennt und schätzt, der greift sowieso zu. Und wer gerne ungeschminkte Wahrheiten liest, auch auf die Gefahr hin, dass ihm selbst mal der Spiegel vorgehalten wird - der ist hier an der richtigen Adresse. So etwas haben Sie garantiert noch nicht gelesen. Ich kann ihnen nicht garantieren, dass Sie sich danach noch pudelwohl fühlen werden - ins Grübeln kommen Sie in jedem Fall. Aber das kann ja auch mal ganz inspirierend sein!

Bewertung vom 15.09.2021
Kastner, Corinna

Fischland-Fluch


ausgezeichnet

Familienbindungen sind immer spannend. Doch wenn es dabei sogar noch um die der Ermittler geht - dann ist es ein ganz besonderer Genuss. Die in dieser Reihe quasi in die Stapfen von Miss Marple treten, denn es sind die Amateurdetektive Paul Freese und Kassandra Voss, die sich jedoch durchaus bereits die ein oder andere Kompetenz auf diesem Gebiet angeeignet haben - es ist nämlich schon ihr siebter Fall.

Der sich hier zunächst kaum merklich zu einem entwickelt - denn es geht darum, dass Paul Freese ein bekannter Autor ist. Allerdings unter Pseudonym. Und genau das ist auch der Grund, warum er einen rennomierten Literaturpreis ausschlägt - er will seine Identität nicht preisgeben.

Aber diese fliegt quasi von selbst auf - und es tauchen Informationen und sogar Artikel über Verwandte des Autors auf.

Sofort macht sich Paul gemeinsam mit seiner Liebsten Kassandra dran, herauszufinden, wer ihn denn hier auf dem Kieker hat. Und taucht schnell ein ins Jahr 1931 und in unerwartete, mehr als überraschende Begebenheiten im Fischland.

Ein Krimi, der Atmosphäre in Vergangenheit und Gegenwart über Spannung stellt und mich damit so gepackt hat, dass ich ihn bis zum Schluss nicht aus der Hand legen konnte. Autorin Corinna Kastner schreibt so sachkundig und atmosphärisch über das Fischland und so einfühlsam und menschlich über Charaktere und ihr Miteinander (wobei die, die es verdient haben, durchaus eins übergebraten bekommen - im übertragenen Sinne versteht sich) dass es ein Fest ist. Ich hätte am liebsten bis in die Ewigkeit weitergelesen.

Ein Krimi für Freunde von Regionalkrimis im Allerbesten Sinne und eine mehr als geeignete Urlaubslektüre. Nicht nur für Reisen ins Fischland!

Bewertung vom 14.09.2021
Que Mai, Nguyen, Phan

Der Gesang der Berge


sehr gut

Vietnamesische Tragödie

Man könnte ihn auch als "Eine vietnamesische Tragödie" bezeichnen: den Vietnamkrieg, in dem Brüder gegeneinander antraten in einem Krieg, der (fast) niemandem Gutes brachte. Denn das vietnamesische Volk hat auch andere Tragödien wie die Herrschaft der Franzosen über sich ergehen lassen müssen. In diesem Buch jedoch beschreibt die Autorin Nguyễn Phan Quế Mai konkret den Krieg zwischen Nord und Süd - in Romanform, doch steckt so einiges von Erlebnissen der eigenen Familie darin.

Erzählt wird zunächst aus der Sicht der jungen Thong, die während des Krieges und auch danach bei ihrer Großmutter Dieu Lan lebt, der eigentlichen Heldin, denn diese erzählt der Enkelin ihre Geschichte bzw. die der ganzen Familie - eine Welt, in der die tragischen Ereignisse quasi einander jagen.

Es ist eine Familie, die zunächst im Wohlstand lebt in einem kleinen Ort in der Mitte des langgestreckten Staates Vietnam - in oder nahe dem Bereich, der heute als "entmilitarisierte Zone" bezeichnet wird, also den Kriegsschauplätzen. Der Krieg erreicht Thongs Großmutter jedoch in Hanoi, wohin sie geflohen ist, als sie von ihrem eigenen Land vertrieben wurde. Von den ehemaligen Nachbarn und Arbeitern, mit denen sie jahrzehntelang einträchtig nebeneinander gelebt hatten - bis die Enteignungen durch das neue Regime stattfanden.

Es folgt eine Ära der Verlorenheit, der Verlust, der Verstreuung der Familie über ganz Vietnam. Es ist eine Darstellung des Ausgeliefertseins, der Ohnmacht.

Noch mehr jedoch ist dieser Roman ein Sinnbild der Kraft, vor allem der Kraft der Frauen, die selbst in der größten Verzweiflung ihre Zuversicht zu erhalten und vor allem weiterzugeben versuchen und dadurch Unglaubliches bewirken: Nämlich das Schaffen eines neuen Heimes für die Familie und eines Zusammenhalts derer, die übrig geblieben sind.

Ein Roman, an dessen Stil ich mich erst gewöhnen musste, der mich jedoch bis tief ins Innerste traf - vor allem, da mir die Schauplätze und in Teilen auch deren Geschichte bekannt ist und so während der Lektüre ständig ein innerer Film ablief.

Ein ergreifendes Buch über das Unfaßbare, es wird hier nicht fassbar gemacht, das ist auch meiner Sicht nicht möglich, aber der Leser erhält die Gelegenheit, der Geschichte zu folgen. Einer sehr persönlichen Geschichte, die sich so, ähnlich, oder auch ganz anders, aber mit Sicherheit nicht minder tragisch in unzähligen Familien ereignet hat!