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Magnolia
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Bayern

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Insgesamt 622 Bewertungen
Bewertung vom 10.01.2022
Geschke, Linus

Das Loft


ausgezeichnet

Marco und Sarahs Märchen beginnt an einem Sommertag vor drei Jahren und endet nun, als eine Polizistin wissen will, wer Henning getötet hat. Sarah und Marco – sie erzählen abwechselnd, jeder hat seine eigene Sicht auf das Geschehene, von ihrem Zueinanderfinden, von ihren gemeinsamen Jahren, von ihrer Liebe. Henning, Marcs bester Freund, kommt auch vor. Ja, um sein Verschwinden geht es. Es kommen Dinge ans Licht, die besser im Verborgenen geblieben wären und doch drängen diese an die Oberfläche. Aber hilft dies, die Nebel zu lüften, das Wahre vom Gelogenen fein säuberlich zu trennen, hinter die Kulissen zu schauen? Auch die Sicht der Ermittler, ihre Herangehensweise an den so mysteriösen Fall, zieht sich durch das Buch.

„Sie dürfen nicht abschweifen, sollten nicht mit den Gedanken woanders ein…“ Nein, abschweifen geht hier gar nicht. Kaum habe ich ein paar Seiten gelesen, hat mich der Autor schon eingefangen. Diese ganz eigene Art, den Lesern die Geschichte der drei Freunde näherzubringen und doch ganz viele Zweifel zu streuen, fesselt ungemein.

Ich meine, die ganze Geschichte zu kennen, weiß, wie es wirklich war. Aber nein, noch ist nicht alles gesagt. Jeder Abschnitt, jede Aussage lässt mich wieder zweifeln, ich hege für die einen Sympathie, verurteile Andere. Immer wieder kommen mir die Anfangsworte des Autors in den Sinn „… habe ich gerade gesagt, Sie hätten eine Chance? Vergessen Sie´s…“

Das Cover kommt ziemlich düster und daher, man spürt direkt, dass hinter der Tür so einiges los ist. Das dominierende Rot vor dem schwarz-grauen Hintergrund lässt blutige Szenarien ahnen. Wie es denn wirklich aussieht hinter der Stahltür, bleibt im Verborgenen. Ein kraftvolles Titelbild, ein starker Auftritt.

„Das Loft“ ist trotz oder gerade wegen seiner Unaufgeregtheit durchgehend spannend. Je mehr ich erfahre, desto mehr hinterfrage ich weil – es kommt doch wieder anders. Dieser raffiniert inszenierte Thriller ist bis zum überraschenden Schluss nicht zu durchschauen. Böse, hässlich, genial inszeniert. Ein absolutes Muss für jeden Thriller-Fan.

Bewertung vom 31.12.2021
Kliesch, Vincent

Im Auge des Zebras / Olivia Holzmann Bd.1


ausgezeichnet

Sieben Jugendliche wurden entführt, alle zur selben Zeit von derselben Person. Wie ist das möglich? Sie sind spurlos verschwunden und zwei Tage später werden ihre Eltern getötet. Olivia Holzmann, Kommissarin beim LKA Berlin, ermittelt, im Hintergrund ihr Ex-Kollege und Mentor Severin Boesherz. Auch auf die Erfahrung der pensionierten Kommissarin Esther Wady will Olivia nicht verzichten, die Zeit spielt gegen sie.

Es geht gleich mal sehr beängstigend los. Olivia braucht das Wissen des gewissenlosen Verbrechers Fjodor Sokolov, der sie auf bestialische Weise testen will. Ohne mit der Wimper zu zucken erfüllt sie seine Bedingungen. Schon hier braucht es gute Nerven, die Anspannung hält an. Ist Olivia die eiskalte Lady? Hat sie einen Plan? Mit ihrem Gegenüber ist nicht zu spaßen. Nicht genug damit, spielt ein lange vergangener Fall hier mit hinein. Wie geht das zusammen?

Eine ganz eigene Atmosphäre hat Uve Teschner als Sprecher des Hörbuchs geschaffen. Seine sonore Stimme passt er den jeweiligen Szenen gut an, ich sah mich mit Olivia auf dem Schiff, wurde hinein gesaugt in die abstruse Story. Teschner lässt jedem Einzelnen seine Eigenart, bringt seine Stimme zum Schwingen. „Save your kisses for me“ – Brotherhood of Man swingt im Hintergrund mit.

Längst Vergangenes wechselt sich ab mit der Suche nach den Verschwundenen. Die Charaktere sind eher unnahbar und doch entwickelt man sehr viel Empathie für sie, beobachtet mit gewissem Abstand, fiebert mit. Olivia und ihr Ex-Kollege haben viele Ecken und Kanten. Und Boesherz weiß ob seiner zur Schau getragenen Kaltschnäuzigkeit ganz genau, was er warum tut.

Es ist meine erste Begegnung mit Vincent Kliesch. Vielleicht auch deshalb, weil ich seinen Kollegen, mit dem er immer mal wieder zusammenarbeitet, nicht besonders schätze. Kliesch jedoch, seine Art zu schreiben, mag ich. Das Cover und der zunächst rätselhafte Titel sind besonders, heben sich in ihrer Andersartigkeit von gängigen Thriller-Präsentationen ab.

Das ungekürzte Hörbuch vom Argon Verlag AVE GmbH Berlin und Uve Teschner haben mich gut unterhalten, es ist ein spannender Auftakt um die Ermittler Boesherz und Holzmann. Eine sehr lohnende Lektüre für alle Thriller-Fans, unblutig und doch so lebendig, voller Aufregung und Nervenanspannung. Und – auch dank des hervorragenden Sprechers bewerte ich das Hörbuch mit 5 Sternen.

Bewertung vom 31.12.2021
Buderath, Paul

Der Selfie-Killer (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Laura Stürmer will endlich ihre eigene Bude und doch nicht ganz alleine sein. Das kommt ihr das Zimmer in einer WG gerade recht. Ihre beiden Mitbewohner und deren Gewohnheiten kennt sie noch nicht so gut und doch macht sie sich große Sorgen, als Robyn verschwindet. Zumal diese tagtäglich ihr Leben, das sie als so schillernd darstellt, auf ihrem Insta-Kanal postet. Ist doch erst eine junge Frau auf abscheuliche Weise getötet und der Moment ihres Todes auf deren Account ins Netz gestellt worden. Laura, die Polizeipraktikantin, muss Kommissar Michelsen unbedingt davon überzeugen, dass hier ein Zusammenhang bestehen könnte.

Um die Eitelkeiten der Social-Media-Stars und solche, die davon träumen, es zu schaffen - darum geht es. Ganz oben anzukommen, mit den täglichen Posts immer mehr Follower zu gewinnen, Klicks von all den begeisterten Kids zu erhalten, die all das glauben, was ihnen vorgesetzt wird, die schönen Bilder nur zu gerne aufsaugen und immer Neues erwarten – diese Aufmerksamkeit brauchen Influencer, die alles dafür tun, um ihr Lügengespinst aufrecht zu erhalten.

Das Cover sagt schon sehr viel aus. Da ist die junge Frau, die sich angstvoll umdreht. Schwarz-weiß – sollte sie ausgelöscht werden? Der splitternde Bildschirm, das dominierende Rot – wie Blut? Ein perfektes Cover und eine Story – mittlerweile alltäglich für viele. Der Glitzerwelt, dem verlogenen schönen Schein wird nur zu oft hinterhergejagt, nichts hinterfragt.

Der zweite Fall für Alex Michelsen und Laura Stürmer. Er, der erfahrene Kommissar und sie, die unbedingt im Polizeidienst bleiben will. Schon „Der Künstler“ hat ihr viel angetan und auch hier wird sie gefordert. „Der Selfie-Killer“ nimmt sich eines aktuellen Themas an und kann ohne Vorkenntnisse des ersten Falles gelesen werden. Auch wenn ich nicht unbedingt zur Zielgruppe dieses Social-Media-Phänomens gehöre, war ich doch sofort dabei. Einmal angefangen, konnte ich mich dem Grauen nicht mehr entziehen. Es werden so einige zwielichtige Gestalten geliefert, jede davon könnte der Selfie-Mörder sein. Was treibt den an, warum wanzt er sich regelrecht ran an bestimmte Figuren? Ein erschreckendes Szenario mit glaubhaften, gut gezeichneten Charakteren. Die Story entwickelt einen Sog, der einen gefangen hält und man gebannt weiterlesen muss. Unbedingt.

Paul Buderath sorgt mit seinem „Selfie-Killer“ wiederum für mörderisch gute Unterhaltung. Eine Geschichte über ein Phänomen unserer vernetzten Welt, eingebettet in einen Thriller, der den Irrsinn hinter der allzu perfekten Fassade durchleuchtet.

Bewertung vom 27.12.2021
Persson Winter, Fredrik

Der Gräber


sehr gut

In der Nacht auf den 6. November verschwindet Jahr für Jahr ein Mensch, allesamt gut situierte Singles aus den Göteborger Villenvierteln.

Die Polizei tappt im Dunkeln - Cecilia Wreede und Jonas Andren bilden die Soko „Gräber“. An den Tatorten findet sie ausnahmslos DNA der Opfer, nie wurde eine Leiche gefunden. Wäre da nicht eine große Menge Blut gewesen, die Polizei würde anstatt von Mord von Menschenraub ausgehen. Er, der Gräber genannt, verschleppt seine Auserwählten in die Unterwelt, wühlt sich regelrecht durch die Erde, um sich sein für dieses Jahr auserwählte Opfer zu holen. So die Annahme.

Annika, die Lektorin eines Verlages, der kurz vor dem Aus steht, bekommt auf mysteriöse Weise ein völlig verschmutztes Manuskript, in dem viel Potential für einen Bestseller steckt. Keiner weiß, wer der Verfasser ist, die Rechte sind ungeklärt, sie greifen dennoch zu. Wer treibt hier sein Unwesen, beschreibt detailliert die Taten des Gräbers?

Hier will Annika nicht wohnen, das Haus hat einen Keller. Soviel weiß ich schon mal, aber warum will sie das nicht? Fredrik P. Winter baut seine Story gut auf, gibt seinen Lesern genau so viel mit, dass man neugierig auf das Treiben des Gräbers wird. Den Kapiteln vorangestellt sind irre und wirre Gedanken, die auf den Täter schließen lassen. Aber ist das wirklich er, der Gräber?

Eine überforderte Polizei trifft auf ein Buch, das von einem Insider stammen könnte, beschreibt es doch detailliert den Schrecken des 6. November Jahr um Jahr. Die Verzweiflung scheint allerorten, der Horror nimmt zuweilen groteske Züge an. Man bekommt Gänsehaut, spürt regelrecht, wie das Kratzen an der Wand (und nicht nur da)überhand nimmt. Der Autor führt seine Leser am Gängelband, verunsichert sie, alles wäre denkbar, aber eigentlich doch nicht. Unlogisch, total irre und dennoch rasant und spannend. Um dann im Stillstand zu verharren – jeder scheint verdächtig, hier kommt die Story nicht recht vorwärts. Sehr langatmig, hier wäre weniger mehr gewesen.

Ein guter Einstieg, eine interessant aufgebaute Handlung, die im mittleren Teil abflacht und später wieder Fahrt aufnimmt. Der Gräber scheint schon immer wieder durch, aber ist er es wirklich? Und das Cover passt sich dem Untergrund an, die mystische Stimmung ist hier gut eingefangen.

Die Charaktere waren bis auf Annika unnahbar, direkt leblos und wenn es nicht so makaber wäre, könnte ich sie als blutleer beschreiben. Allen voran die Wreede. Geschickt hingegen hat der Autor seinen verschwundenen Schriftsteller in der Story herumgeistern lassen, die Lektorin facettenreich von normal und ungerecht, ja selbstherrlich bis verworren und hilflos beschrieben. Das Ende hätte ich so nie und nimmer erwartet, es gefällt mir richtig gut. Schmutzig, überraschend, unterirdisch - open end.

Bis auf den Mittelteil war und ist „Der Gräber“ von Fredrik P. Winter ein kurzweiliger Trip ins Grauen, geprägt von Abscheu und Widerwillen, der so manchen Schauder verursacht.

Bewertung vom 24.12.2021
Hausmann, Romy

Perfect Day


ausgezeichnet

Berlin leuchtet im Festtagsglanz - es ist Weihnachten, wir schreiben das Jahr 2017. Ann fühlt sich als einzig Überlebende, übrig geblieben sozusagen. Vor sechs Wochen hat man ihr das Herz herausgerissen. Ihr Vater – man beschuldigt ihn. Sie kann es nicht glauben. Ist wütend. Hat furchtbare Angst. „Wach auf, Prinzessin.“

Romy Hausmann liebt „das Spiel mit der Oberfläche, mit Erwartungen und subjektiven Wahrheiten, das Sezieren bis tief zum hässlichen Kern der menschlichen Psyche.“

Wir lesen von ihrer Traurigkeit, von ihren Ängsten, Nöten und Sorgen, von ihrer Einsamkeit. Eine Stimme aus dem Hintergrund erzählt wem? Seiner Prinzessin? Die 7jährige Ann vernehmen wird immer mal wieder zwischendurch. Durchleben mit der erwachsenen Ann ihre Suche nach dem wahren Schleifenmörder. Genauso lesen wir bruchstückhaft von einem Interview. Es nimmt zuweilen surreale Züge an. Ist es ein Traum, ist es Wirklichkeit?

Romy Hausmann spielt mit ihren Lesern. Sie schafft es mühelos, sie bei Laune zu halten durch ihren rasanten Schreibstil, der zuweilen grauenvoll und bedrückend daherkommt. Bereitet die Bühne für ihre so vielschichtigen Charaktere geschickt, inszeniert bedrückende und gänzlich entrückte Szenarien. Wie mag es sein, emotionslos durch diese Welt zu gehen, nicht das zu empfinden, was als normal angesehen wird?

Das Cover – perfekt im Stil der Romy Hausmann-Thriller. Als Einstimmung kommt auf der blutrot hinterlegten Innenseite die kleine und die erwachsene Ann zu Wort.

„Perfect Day“ ist düster und geheimnisumwittert, voller Emotionen und doch von Gefühllosigkeit geprägt. Immer in Gefahr, dass die mühsam errichtete äußere Fassade einzustürzen droht, abgestumpft und herzlos, zuweilen aber sehr liebevoll und fürsorglich.

Ein fesselnder Thriller, der mich von der ersten bis zur letzten Seite nicht losgelassen hat. It´s a perfect Thriller.

Bewertung vom 22.12.2021
Nordby, Anne

Eis. Kalt. Tot.


ausgezeichnet

Eiskalt ist der Tod. Und das mitten in Kopenhagen. Eine männliche Leiche wird gerade aus dem Hafenbecken gefischt – die Kriminalkommissarin Kirsten Vinther ahnt, dass einiges auf sie zukommen wird.

Kirsten holt sich Marit Rauch Iversen in ihr Team, auch der neue Kollege Jesper Bæk will beschäftigt sein, dazu der Pathologe Dr. Bostrup. Ganz eigenwillige Charaktere stoßen hier aneinander. Die resolute Kirsten leitet die Ermittlungen, sie begegnet Bæk aus Jütland mit sehr viel Misstrauen. Er hat sich aus privaten Gründen hierher versetzen lassen, sein Ego ist sowieso schon sehr angekratzt und Kirsten macht es ihm zusätzlich schwer. Mit der Super-Recognizerin Marit holt Kirsten sich eine ehemalige Polizistin dazu. Sie erkennt Gesichter, die sie einmal gesehen hat, immer wieder. Marit stammt aus Grönland, ist mit der unwirtlichen Gegend von Kindesbeinen an bestens vertraut. Die beiden Frauen kennen sich, mögen sich.

Ein außergewöhnlich grausamer Mord, dem weitere folgen werden - führt eine Spur ins Grönlandeis? Der Fall verlangt ihnen alles ab, sie sind am Rande der Erschöpfung, lassen aber nicht locker. Auch wenn Rückschläge vorprogrammiert sind, kämpfen sie sich mühsam vorwärts. Sehr schockierende Szenen wechseln sich ab mit Fabelwesen der Grönländer. Zwischendurch ein wenig Privatleben von Marit, Jesper und Kirsten.

Ich war dicht an den Ermittlern, konnte ihr Handeln, aber auch ihre Befürchtungen gut nachvollziehen. Die Landschaftsbeschreibungen – und nicht nur diese - sind plastisch geschildert. Die undurchsichtige Story hat eine Sogwirkung, deren man sich beim Lesen schwerlich entziehen kann. Man spürt direkt die Eiseskälte. Brutal, brillant, nichts für dünnhäutige Gemüter.

„Eis. Kalt. Tot.“ von Anne Nordby - ein gelungener Reihenauftakt um die Privatermittlerin Marit Rauch Iversen. Ich werde ihr weiterhin folgen und spreche eine klare Leseempfehlung aus.

Bewertung vom 20.12.2021
Hector, Wolf

Die Brücke der Ewigkeit / Die Baumeister Bd.1


ausgezeichnet

Das Gewitter zerstört vieles, die Wassermassen reißen alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist. Jan Otlin muss zusehen, wie seine Mutter durch das Unwetter rennt, den Ziegendieben hinterher und dann - die Judithbrücke war eingestürzt, tief unten klammert sich Jans Mutter noch fest. Da schwört der 12jährige, dass er eine neue Brücke bauen wird, sollte sie diesem Inferno entkommen.

Die historisch bedeutsame Karlsbrücke über die Moldau, welche die Prager Altstadt mit der Kleinseite verbindet, wird im 14. Jahrhundert errichtet. Die Grundsteinlegung der Karlsbrücke erfolgte 1357 durch Kaiser Karl IV. Eine Brücke für die Ewigkeit sollte es werden, Vorbild war die Steinerne Brücke zu Regensburg.

Der verantwortliche Architekt Pater Parler war mit anderen Bauwerken voll ausgelastet und in Jan Otlin fand er einen Baumeister, der „Die Brücke der Ewigkeit“ für den Kaiser ganz nach dessen
Wünschen erbauen konnte. Ein mühsames Unterfangen, immer wieder wurden Pfeiler beschädigt, Rückschläge gab es genug und doch war Aufgeben keine Option.

Der historische Hintergrund bildet das Gerüst und der oftmals beschwerliche Alltag der einfachen Leute, all das Zwischenmenschliche, die Freuden aber auch das Leid und die Boshaftigkeit so mancher werden gut dargestellt. Es gab sie schon immer, die ehrlichen Leutchen, aber auch diejenigen, die danach trachteten, den anderen zu schaden, sie zu vernichten. Wolf Hector hat ein gutes Gespür, solche Szenen glaubhaft darzustellen, verwebt die historischen Figuren mit seinen fiktiven Akteuren. So ist ein unterhaltsames Gesamtwerk entstanden, das mich so manches Mal staunen ließ. Wurde doch der Mörtel nicht nur mit herkömmlichen Materialien angemischt, sondern dank Eiern, Quark und Wein in seiner Festigkeit nochmal verstärkt. Die beiden letzteren Zugaben sind als römischer Mörtel historisch nachgewiesen, es ist eine kleine, aber feine Anekdote, die sehr passend ins Geschehen eingeflochten wird.

Prag um 1400 - das Cover zeigt die vollendete Brücke, das Gesamtbild passt zum Roman. Der Stadtplan auf der Innenseite, das Personenverzeichnis und die Zeittafel sind gerade für ein historisches Buch hilfreich, ebenso das Glossar im Anhang.

Historie – eingebettet in den Brückenbau zu Prag. Ein Stück Zeitgeschichte, lebendig dargestellt mit all den Ängsten, Sorgen und Nöten vor gut 650 Jahren. In vier Bücher ist die Handlung gegliedert, es gibt Rückblenden und immer dann, wenn es am spannendsten ist, wird der Focus auf einen anderen Handlungsstrang gelenkt. Dabei bildet der Anfang eines jeden Buches den Ist-Zustand von Jan und seiner Familie ab. Diese jeweils auf wenigen Seiten verfassten Berichte lassen viel Spielraum für Spekulationen, die Dramatik wird erst gegen Ende entschärft.

Das finstere Mittelalter kam des Öfteren klar zum Vorschein mit all seinen schlimmen Seiten, das Blutgerüst sei erwähnt, auf dem so mancher sein Leben aushauchte, obwohl unschuldig. (Gift)Mord und Totschlag in all seiner Grausamkeit war allgegenwärtig, die Frauen, die nichts galten, waren oftmals Freiwild.

Wolf Hector erzählt in seinem historischen Roman „Die Brücke der Ewigkeit“ die Entstehungsgeschichte der Karlsbrücke im 14. Jahrhundert. Ein Garant für kurzweilige und unterhaltsame Lesestunden.

Bewertung vom 14.12.2021
Völler, Eva

Was die Hoffnung verspricht / Die Dorfschullehrerin Bd.1


sehr gut

Durch eisige Kälte und hohen Schnee kämpft sich Helene vorwärts, sie hat die Orientierung verloren. Nach Kirchdorf will sie, das gefühlt am Ende der Welt liegt, direkt an der deutsch-deutschen Grenze. Tobias, der ortsansässige Arzt, ist unterwegs, um einem Baby auf diese Welt zu helfen und nimmt kurzerhand diese durchgefrorene Fremde mit. Ein kleines Mädchen wird geboren, ein neues Leben beginnt - für die kleine Helene, die gerade geboren wurde und auch die große Helene, die Dorfschullehrerin. Wir schreiben das Jahr 1961.

Helene kommt hierher, die Dorfbewohner begegnen ihr zunächst äußerst reserviert, aber schnell erobert sie diese mit ihrer herzlichen Art. Das Zonenrandgebiet ist nicht besonders attraktiv und doch wollte sie genau hierher – warum? Das ist ihr Geheimnis, sie hütet es wohlweislich.

Die Autorin nimmt ihre Leser mit in den Osten, kehrt dann wieder zurück nach Westdeutschland. Helenes Familie hüben wie drüben lerne ich kenne, fiebere mit, hoffe mit ihnen. Das Leben in der damaligen DDR kenne ich nur aus Büchern und Erzählungen, kann mich aber gut in deren Ängste und Nöte hineinversetzen. Immer schön aufpassen, dass man kein falsches Wort sagt, sich mit keiner Geste verrät. Wem ist zu trauen, wer spioniert hier wen aus?

Derweilen ist Helen im Westen die toughe Lehrerin, die ihrer Zeit weit voraus ist. Sie managt ab dem ersten Tag den Schulbetrieb, die Kinder lieben sie. Eine Überfliegerin, die viel Gutes bewirkt, auch die Liebe wird geschickt eingeflochten, nimmt neben der Ost-West-Geschichte einen großen Raum ein. Es kommt zu allerlei Missverständnissen und falschen Beschuldigungen. Attraktiv war das Gebiet entlang der innerdeutschen Grenze nicht mehr, die Handelsgeschäfte sind weggebrochen, viele weggezogen und doch bleiben viele ihrer alten Heimat treu.

Eva Völler hat mit ihrer Dorfschullehrerin einen sehr unterhaltsamen Roman geschrieben, so manche Träne musste ich wegblinzeln. Das Flüchtlingsschicksal, der Mauerbau (der angeblich nie im Gespräch war), Freundschaft und die Liebe bilden das Korsett, um das sich dieses Familienepos rankt. Da, wo Hessen an Thüringen grenzt, das Gebiet der Rhön, ist Schauplatz dieser deutsch-deutschen Geschichte. Das Fiktive trifft die vergangene Wirklichkeit. Zwangsumsiedelungen entlang der Grenze im Osten, Enteignungen und Massenfluchten waren ebenso real wie die allgegenwärtigen Stasikontrollen, die willkürlich vorgenommenen Inhaftierungen und das brutale Auseinanderreißen der Familien.

Aus Frauensicht wird das nicht immer einfache Leben nachgezeichnet, deren Weg gesellschaftlich vorgegeben war. Arbeiten, heiraten, Kinder kriegen, ohne eigene Bedürfnisse anzumelden. Da war Helene in ihrer Eigenständigkeit so manchem ein Dorn im Auge. Die Figur der Dorfschullehrerin war deutlich überzeichnet so nach dem Motto – sie kam, sah und siegte. Das hätte ich mir ein wenig dezenter gewünscht, auch wenn ich ihr ansonsten sehr gerne gefolgt bin.

„Die Dorfschullehrerin. Was die Hoffnung verspricht “ ist der vielversprechende erste Teil um Helene und ihre Lieben. „Was das Schicksal verspricht“ lässt hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten, ich werde Helenes Weg weiterverfolgen.

Bewertung vom 13.12.2021

Geld Oder Lebkuchen. Fast Ein Krimi (Ungekürzt)


ausgezeichnet

Genau richtig für die Vorweihnachtszeit, so dachte ich mir und hörte 6 Stunden und 31 Minuten in diesen Fast-Krimi, vertont von GOYALiT Jumbo Neue Medien und Verlag GmbH, hinein.

Ein wenig schlitzohrig ist er schon, dieser Ernst Mannsen. Es passt ihm so gar nicht, dass der langweilige Filialleiter der Bank ihm vorgezogen wird, dabei hat er - Ernst - seiner Meinung nach alles, was man so braucht, um eine erfolgreiche Dorfweihnacht organisieren zu können. Es war immer so, dass die bedürftigen Kinder sich zu Weihnachten was wünschen dürfen und ihre Wünsche erfüllt werden, dafür wurde extra ein Bankkonto eröffnet, Kassensturz ist angesagt und das Konto hoffentlich gut gefüllt. Aber – oh Schreck, es gibt gar kein Konto, der Filialleiter ist weg, Geld ist natürlich keins da – was nun?

Katja Danowski passt sich dieser herrlich frech-forsch-tragischen Komödie ausdrucksstark an. Mit viel Feingefühl erzählt sie davon, wie sie alle versuchen, das kommende Desaster aufzuhalten und in Bahnen zu lenken, die zwar nicht immer ganz legal sind, nicht so richtig hinterfragt werden dürfen, aber sie doch irgendwie versuchen zu retten, was noch zu retten ist. Bildreich und lebensnah skizziert sie das beinahe skurrile Geschehen, ich lausche ihrer Stimme, die kraftvoll und ungestüm, dann wieder gelangweilt und ein wenig eingeschnappt ist, aber immer ganz nah an den Protagonisten bleibt.

Dora Heldt, die Autorin dieser bezaubernden Mär, schaut genau hin, denn hier erkennt sich jeder in irgendeiner Form wieder. Nein, nicht jeder – ich natürlich nicht, aber die anderen sind so, ganz bestimmt! Vielleicht überzeichnet sie das Miteinander ein wenig, kratzt an der Oberfläche und unter so manch rauer Schale verbirgt sich tief drinnen ein weicher Kern, der im Laufe der Zeit nur ein wenig verschüttet war. Warmherzig sind sie, ihre Akteure, natürlich auch mal ungestüm und energiegeladen, bisweilen ungerecht. Und doch haben sie alle das gleiche Ziel – sie sorgen sich um diejenigen, denen es nicht so gut geht, öffnen ihr Herz.

Eine Geschichte, wie das Leben sie zuweilen schreibt, charmant und augenzwinkernd ausgeplaudert von Katja Danowski. „Geld oder Lebkuchen“ – peng… Eine amüsante Weihnachtsgeschichte, ein kurzweiliges Hörerlebnis, das ich gerne weiterempfehle.