Benutzer
Benutzername: 
dorli
Wohnort: 
Berlin
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 894 Bewertungen
Bewertung vom 11.11.2015
Loibelsberger, Gerhard

Der Henker von Wien


ausgezeichnet

Wien im Winter 1916. Der anhaltende Krieg hat enorme Auswirkungen auf das zivile Leben. Die miserable Versorgung mit Lebensmitteln lässt die Bevölkerung hungern und ist Antriebsfeder für Schleichhandel und Wuchergeschäfte. Das bekommt auch Oberinspector Joseph Nechyba zu spüren. Für den Genussmenschen und Nimmersatt sind die kargen Zeiten ein mächtiges Problem. Nicht sein einziges, wie sich bald zeigen soll – ein Schleichhändler, der sich „die Quelle“ nennt, zieht eine blutige Spur durch die Stadt und murkst jeden gnadenlos ab, der seinen Schwarzmarktgeschäften im Weg steht…

In seinem historischen Kriminalroman „Der Henker von Wien“ nimmt Gerhard Loibelsberger den Leser mit auf eine Zeitreise mitten hinein in das dritte Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs.

Der Autor hat die historischen Ereignisse in Wien von Oktober 1916 bis Januar 1917 mit einem spannenden Kriminalfall verknüpft und ein sehr vielschichtiges und vor allen Dingen glaubwürdiges Bild der damaligen Zeit gezeichnet – einer schweren Zeit, in der Hunger, Entbehrungen, Verzweiflung an der Tagesordnung waren.
Dass da so mancher alle moralischen Bedenken über Bord wirft, zeigt das Verhalten der 14-jährigen Marie. Das Mädchen lässt sich auf einen viel älteren Mann ein. Sie genießt den Luxus, den er ihr bietet, ist naiv genug, um zu glauben, dass er sie liebt und hat daher auch lange Zeit keine Gewissensbisse und Schuldgefühle, ihn bei seinen dubiosen Geschäften zu unterstützen. Man möchte über ihre Handlungsweise den Kopf schütteln und doch ist absolut nachvollziehbar, warum Marie sich verführen lässt.

Gerhard Loibelsberger schickt mit Josef Nechyba einen sehr liebenswürdigen Ermittler ins Rennen. Nechyba weiß es sich gemütlich zu machen, während andere sich um die Erledigung der anstehenden Aufgaben kümmern. Eigentlich eine unsympathische Eigenart, sich auf Kosten anderer auszuruhen, aber bei dem Oberinspector wirkt das irgendwie charmant. Nechybas größte Sorge gilt meist der nächsten Mahlzeit, so dass die Auflösung des Kriminalfalls eher langsam vorangeht. Dramatisch wird es, als Nechyba selbst in die Fänge des Henkers gerät.

Das damalige Wien wird durch detailreiche Beschreibungen ganz wunderbar in Szene gesetzt. Die Dialoge sind in Mundart geschrieben und verleihen der Geschichte damit eine Extraportion Lokalkolorit.
Besonders gut hat mir gefallen, dass die Wiener Ausdrücke nicht nur in einem umfangreichen Glossar am Ende des Buches aufgelistet werden, sondern die Erläuterungen/Übersetzungen zum Teil auch als Fußnote auf der entsprechenden Seite zu finden sind.

„Der Henker von Wien“ lässt sich angenehm zügig lesen und hat mir nicht nur spannende Lesestunde beschert, sondern mir auch sehr interessante Einblicke in den Schleichhandel während des Ersten Weltkriegs ermöglicht - Historie, spannend verpackt und durchweg kurzweilig erzählt.

Bewertung vom 27.10.2015
Marschall, Anja

Lizzis letzter Tango / Lizzi Bd.1


ausgezeichnet

Hamburg. Die 70-jährige Elisabeth „Lizzi“ Böttcher will eigentlich nur ihre Ruhe haben und den wunderschönen Elbblick von ihrem Balkon in der noblen Seniorenresidenz „Hanseatica“ genießen. Doch das gemütliche Leben endet jäh, als ihre Tochter einen räuberischen Freund anschleppt, der mit Lizzis gesamtem Geld das Weite sucht. Unterstützt von der quirligen Pflegerin Mareike macht die Rentnerin sich auf die Suche nach dem Banditen. Als dann in der Residenz ein Mord geschieht, ist es um Lizzis ersehnte Ruhe vollends geschehen…

Anja Marschall erzählt Lizzis ersten Einsatz als unfreiwillige Detektivin in den Straßen von Hamburg mit viel Pep und Schwung. Es geht in diesem humorvollen Krimi frisch, locker und lebhaft zu, die Autorin präsentiert eine muntere Ermittlerin, die mich von der ersten Seite an begeistert hat.

Lizzi ist frech, unangepasst und schlagfertig – sie besticht durch eine hervorragende Beobachtungs- und Kombinationsgabe, lässt sich weder von der Leiterin der Residenz noch von der Polizei bremsen und behält auch in brenzligen Situationen die Ruhe.
Gemeinsam mit Mareike und Kommissar im Ruhestand Ewald Pfeiffer grübelt und beratschlagt sie über Spuren und Hinweise, um die hinterhältigen Machenschaften rund um den Mord an Bankier Jens Jessen aufzudecken und dem Täter auf die Spur zu kommen.

„Lizzis letzter Tango“ bietet ein durchweg kurzweiliges Lesevergnügen. Es hat mir großen Spaß gemacht, gemeinsam mit Lizzi und ihren Co-Ermittlern auf Verbrecherjagd zu gehen.

Bewertung vom 22.10.2015
Bracker, Jörgen

Spielmanns Fluch


ausgezeichnet

In seinem historischen Roman „Spielmanns Fluch“ entführt Jörgen Bracker den Leser in die ersten Jahre des Dreißigjährigen Krieges nach Hamburg und erzählt von den Abenteuern des Bauernjungen Jonas von Have.

Jonas lebt bei seinem Bruder Detert auf dem Hadeler Hof in den Vierlanden. Nach der geglückten Abwehr eines Überfalls auf den Hof wird Festungsbaumeister Johann van Valckenburgh auf Jonas aufmerksam und nimmt den umsichtigen und gewieften Jungen in seine Dienste. Jonas sprüht vor Tatendrang und macht sich engagiert an seine neuen Aufgaben. Bei einem Fest lernt Jonas den aus Prag geflohenen Spielmann Václav kennen und lieben – eine Verbindung, die für den Jungen aus den Hamburger Vierlanden ungeahnte Verwicklungen bereithält…

Jörgen Bracker hat die historischen Ereignisse zwischen Februar 1620 und Juli 1622 in Hamburg und Umgebung mit einer fiktiven Geschichte verknüpft und ein umfassendes und glaubwürdiges Bild der damaligen Zeit gezeichnet. Die politischen Verwicklungen und Hintergründe werden anschaulich und nachvollziehbar dargestellt. Hamburgs fragwürdige Rolle während des Krieges wird dabei besonders deutlich hervorgehoben.

Jörgen Bracker wartet mit einer geballten Ladung an historischen Fakten auf, die aber sehr spannend verpackt sind, so dass man schnell mittendrin ist in dem Strudel aus Intrigen, Korruption und Verrat, Liebe und Leidenschaft, Waffenschmuggel, Habgier und Mord.

Zahlreiche historische und fiktive Figuren werden geschickt miteinander kombiniert, das Zusammenspiel aller Akteure ist ausgeklügelt und funktioniert prima.
Valckenburghs ganzes Tun ist auf Frieden ausgerichtet, die Verbesserungen der Stadtbefestigungen sind sein oberstes Ziel, um die Katholische Liga auf Abstand zu halten.
Jonas, von Valckenburgh mit geheimdienstlichen Aufgaben betraut, soll den aufblühenden Waffenhandel in der Stadt auskundschaften, damit den illegalen Machenschaften der skrupellosen Waffenschmuggler ein Ende gesetzt werden kann.
Václav, Sohn des Rektors der Prager Universität Jan Jessenius, sinnt nach der Enthauptung seines Vaters vor dem Altstädter Rathaus in Prag auf Rache und will Jonas zu seinem Werkzeug machen.

Die Geschehnisse finden ihren schrecklichen Höhepunkt am 02. Juli 1622, als auf der Elbe bei Neumühlen ein Waffenschmugglerschiff mit 37 Personen an Bord in die Luft fliegt. Eine Katastrophe, die Jonas trotz aller Bemühungen nicht verhindern kann.

Man merkt „Spielmanns Fluch“ die intensive Recherche an. Jörgen Bracker lässt mit dieser gelungenen Mischung aus Historie und Fiktion ein Stück Hamburger Geschichte wieder aufleben – ein durchweg spannendes Leseerlebnis.

Bewertung vom 22.10.2015
Mette, Jürgen

Gnadenzeit


sehr gut

Allgäu. Im Oytal wird die Leiche einer jungen Frau gefunden. Lydia Weber wurde erwürgt. Hauptkommissar Alois Bachhuber und seine Kollegin Maria Sonnlaitner nehmen die Ermittlungen auf und stoßen bei ihren Nachforschungen auf eine Glaubensgemeinschaft, deren Leiter die Gemeindemitglieder mit einem despotischen Führungsstil und Prophezeiungen vom Weltuntergang in die Ecke drängt…

Jürgen Mette schickt in seinem Kriminalroman „Gnadenzeit“ einen sehr sympathischen Kommissar ins Rennen – Alois Bachhuber wirkt so normal und ausgeglichen; ein Mann, der mit sich und seinem Umfeld rundum zufrieden ist. Immer wenn Bachhuber die Bühne betritt, schwingt in den Formulierungen eine Prise Humor mit – das hat mir sehr gut gefallen.

Der eigentliche Kriminalfall kommt für meinen Geschmack etwas zu kurz. Die Aufklärung des Mordes an Lydia Weber war nicht so spannend, wie ich erwartet habe. Die Spurensuche verläuft ruhig, Bachhuber und seine Kollegen leisten solide, aber wenig spektakuläre Ermittlungsarbeit.

Dafür haben mich die Hintergründe, die zu dem Mord an Lydia geführt haben, umso mehr in den Bann der Geschichte gezogen. Jürgen Mette ermöglicht dem Leser Einblicke in eine sektenartige Gemeinschaft, deren Mitglieder isoliert und manipuliert werden. Der Autor erläutert die Entstehung einer solchen fanatischen Glaubensgemeinschaft und schildert, wie nachhaltig die Angehörigen durch die Machenschaften geprägt werden, so dass sie auch nach ihrem Ausstieg noch lange darunter zu leiden haben.
In einem Rückblick lässt Jürgen Mette das spätere Mordopfer ausführlich berichten, wie es ihr in dieser Glaubensgemeinschaft ergangen ist. Auch nachdem Lydia der Gemeinde den Rücken gekehrt hatte, fühlte sie sich beschädigt und belastet.

Die Handlungsorte werden von Jürgen Mette sehr detailliert beschrieben, so dass man sich ein gutes Bild von den Schauplätzen machen kann. Die Dialoge sind zum Teil in Mundart geschrieben und verleihen der Geschichte damit eine Extraportion Authentizität.

Die Handlung nimmt zum Schluss einen Verlauf an, mit dem ich so nicht gerechnet habe. Überraschend und erstaunlich.
Die Beteiligten machen sich auf in ein neues Leben - einige lösen sich vom christlichen Glauben, andere finden einen neuen Weg zu Gott.

Auch wenn es mir im Krimiteil etwas an Spannung gefehlt hat, hat mir „Gnadenzeit“ sehr gut gefallen. Die Einblicke in die durch ein engstirniges Bibelverständnis geknechtete Gemeinschaft sind sehr interessant.

Bewertung vom 15.10.2015
Baecker, Sybille

Der Verräter


ausgezeichnet

Stuttgart. Kirstin Schwarz bekommt spätabends von Dominik eine Nachricht – sie soll zum Bahnhof kommen und einen Jungen treffen, der eine Unterkunft benötigen würde. Kirstin macht sich auf den Weg und sieht, wie ein Jugendlicher von Skinheads verprügelt wird. Noch während sie den Notruf wählt, wird sie selbst angegriffen. Wenig später ist die Polizei da, die Schläger sind verschwunden. Kirstin lässt das Schicksal des jungen Opfers keine Ruhe. Sie beginnt zu ermitteln und gräbt nach und nach immer mehr überraschende Hintergründe aus, die den Vorfall in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen…

„Der Verräter“ ist der zweite Fall für die IT-Spezialistin Kirstin Schwarz, der Krimi ist aber auch ohne Kenntnis des ersten Bandes bestens verständlich.

Sybille Baecker hat mich mit diesem Krimi von der ersten bis zur letzten Seite fest im Griff gehabt. Die Geschichte wird flüssig und spannend erzählt und der gesamte Handlungsverlauf ist sehr gut durchdacht und ausgefeilt. Die Autorin greift ein ganz aktuelles Thema auf: es geht um eine Schlepperbande und den Missbrauch von Flüchtlingskindern.

Man kann durchweg bestens nachempfinden, wie sehr Ich-Erzählerin Kirstin die ganze Geschichte mitnimmt und wie heftig es in ihr brodelt. Die schrecklichen Bilder, die sie auf einer Webseite findet. Die Wut auf die Menschenhändler. Die Vermutung, dass in den Reihen der Polizei jemand ein falsches Spiel spielt. Die wilden Gerüchte, die jemand über sie in Umlauf bringt.
Nicht zu wissen, wer im Hintergrund die Fäden zieht und wem sie wirklich vertrauen kann, lassen Kirstin auf eigene Faust ermitteln – doch die Polizei ist ihr auf den Fersen, die Schlepper haben sie im Visier, ihr Mentor Dominik scheint jemand ganz anderes zu sein, als er vorgegeben hat und Gio sind ihre Alleingänge sowieso ein Dorn im Auge.

Ich finde es bewundernswert, wenn jemand sich so selbstlos für das Wohl anderer einsetzt. Ich mag Kirstins etwas störrische Art und finde es klasse, dass sie keinen Gegenwind scheut, egal aus welcher Richtung dieser weht. Dennoch ist Kirstin keine Superheldin. Die Angst vor den Gespenstern ihrer Vergangenheit sitzt tief und macht ihr immer wieder schwer zu schaffen. Dann wirkt sie ruhelos und gehetzt und der Schutzwall, den sie um sich herum errichtet hat, droht zu brechen. Das wiederum macht sie aggressiv und angriffslustig. Gio will ihr helfen, doch Kirstin ist hin- und hergerissen von Gios manchmal überbordender Fürsorge – sie will sie nicht und braucht sie doch.
Mit Kirstin Schwarz hat Sybille Baecker eine interessante, facettenreiche Figur erschaffen, von der ich gerne mehr lesen möchte.

Der Fall selbst entwickelt sich im Verlauf der Handlung zu einem komplizierten Geflecht aus Geldgier, Missbrauch, Intrigen, Verrat und Mord und nimmt ungeahnte Dimensionen an. Das Geschehen ist mit einigen Wendungen und Überraschungen gespickt, besonders die Identität des Drahtziehers hat mich am Ende verblüfft.

„Der Verräter“ hat mich durchweg begeistert. Die stets fesselnde Handlung und die ausdrucksstarken Figuren bieten spannende Unterhaltung und lassen zu keiner Zeit Langeweile aufkommen.

Bewertung vom 14.10.2015
Rademacher, Miriam

Der Tanz des Mörders


sehr gut

In „Der Tanz des Mörders“ entführt Miriam Rademacher den Leser in ein kleines Dorf in Mittelengland – ein idyllisches Fleckchen möchte man meinen, doch es geht hier alles andere als beschaulich zu. Gleich zwei Morde erschüttern die Einwohner des Dorfes – im Wald wurde ein unbekanntes junges Mädchen gefunden, brutal erschlagen mit einem Fleischklopfer. Bei der zweiten Toten handelt es sich um Agathe Summers. Eine böse Schreckschraube, die ihre Nachbarn ausspioniert, fotografiert und erpresst hat. Niemand weint der alten, mit einem Bratenthermometer ermordeten Dame auch nur eine Träne nach.

Miriam Rademacher erzählt den Krimi mit viel Pep und Schwung. Es geht in diesem Buch frisch, locker und lebhaft zu. Die Autorin präsentiert ein munteres Ermittlertrio, das mir schnell ans Herz gewachsen ist. Neben Tanzlehrer im Ruhestand Colin Duffot sind auch Pfarrer und Dartkoryphäe Jasper Johnson sowie die kleinwüchsige Krankenschwester Norma Dooley mit von der Partie.

Bei Bier und Bratkartoffeln im „Lost Anchor“ grübeln und beratschlagen die drei Detektive über Spuren und Hinweise. Ausgestattet mit Jaspers Hintergrundwissen über Mrs. Summers Nachbarschaft, Colins hervorragender Beobachtungsgabe und einer guten Portion Dorfklatsch, die Norma zu den Ermittlungen beisteuert, wollen die drei den Mörder überführen. Sie funktionieren den Gemeindesaal zur Tanzschule um und laden alle Verdächtigen zu Tanzstunden ein, damit Colin ganz nebenbei jeden einzelnen genauestens unter die Lupe nehmen kann. Doch eine konkrete Spur will sich einfach nicht auftun. Bis der Täter dingfest gemacht werden kann, sind viele weitere Nachforschungen und abenteuerliche Aktionen nötig.

Die drei Hobbyermittler wirken echt und natürlich – ihre Ermittlungen sind durchweg glaubwürdig und nachvollziehbar, weil sie stets im Rahmen ihrer Möglichkeiten bleiben und entsprechend ihren Eigenheiten handeln.

„Der Tanz des Mörders“ lässt sich angenehm zügig lesen und hat mir ein paar spannende und unterhaltsame Lesestunden beschert. Es hat großen Spaß gemacht, mit Colin, Jasper und Norma auf Verbrecherjagd zu gehen.

Bewertung vom 13.10.2015
Mandell, Anna

Fristlos verliebt


sehr gut

Stuttgart. Die 29-jährige Luise „Lulu“ Schäufele hat ihr Jurastudium äußerst erfolgreich abgeschlossen und eine der begehrten Stellen in der großen Wirtschaftskanzlei Hornisch, Prengles & Partner ergattert. Hoch motiviert betritt sie an ihrem ersten Arbeitstag die Kanzlei und stolpert gleich im Foyer über den gutaussehenden Carter Green. Ein Blick in dessen grüne Augen und Lulu ist wie von Blitz getroffen – ihre beruflichen Ziele werden zur Nebensache. Carter beherrscht ab dem Moment den Großteil ihres Denkens und Tuns…

„Fristlos verliebt“ ist ein frischer, fröhlicher Roman, der von Anna Mandell mit viel Pep und Schwung erzählt wird. Neben einer guten Portion Romantik erwartet den Leser vor allen Dingen ganz viel Humor und dazu ein Blick hinter die Kulissen einer renommierten Anwaltskanzlei. Die Autorin kennt sich in der Welt der Gesetze und Paragrafen prima aus und wartet hier mit allerhand Kuriositäten aus dem Alltag einer Großkanzlei auf – die teilweise sehr merkwürdigen Anordnungen und Regeln haben mich durchweg verblüfft und amüsiert. Allein die Kleiderordnung ruft kopfschüttelndes Schmunzeln hervor.

Lulu steht natürlich im Mittelpunkt dieser Geschichte. Man erlebt all die kleinen und größeren Katastrophen, die ihren Weg pflastern, hautnah mit. Anna Mandell hat wenig Mitleid mit ihrer Protagonistin und lässt Lulu von einem Fettnapf in den nächsten tapsen. Dabei ist die liebenswerte Junganwältin eigentlich gar nicht tollpatschig und ungeschickt, es sind einfach die Tücken des Alltags gepaart mit ein bisschen Unaufmerksamkeit, die die Dinge nicht so laufen lassen, wie sie laufen sollten.

Die gesamte Handlung konzentriert sich sehr auf das Miteinander von Lulu und Carter – alle anderen Mitwirkenden kommen dadurch leider etwas zu kurz. Einige Akteure in der Kanzlei hätte ich gerne etwas intensiver kennengelernt und öfter in Aktion erlebt. Gerade die unsympathischen Gestalten – polternde Chefs und fiese Kollegen – dürfen sich gerne mehr in den Vordergrund drängen, denn man kann sich so herrlich über deren Unarten und Frechheiten aufregen.

Besonders gut gefallen hat mir, dass Lulu im Verlauf der Geschichte entdeckt, dass Reichtum und Ruhm nicht alles ist und dass das Leben mehr zu bieten hat, als ein emsiges Erklimmen der Karriereleiter.

„Fristlos verliebt“ ist ein unterhaltsamer Roman mit einer sympathischen Junganwältin, die versucht, inmitten des Großkanzleitrubels ihren Mr. Right einzufangen.

Bewertung vom 06.10.2015
Plass, Adrian

Vereinte Chaoten


ausgezeichnet

„Vereinte Chaoten: 25 Jahre frommer Chaot“ von Adrian Plass beinhaltet die ersten drei Tagebücher des frommen Chaoten: „Tagebuch eines frommen Chaoten“, „Die rastlosen Reisen des frommen Chaoten“ sowie „Das Tour-Tagebuch des frommen Chaoten“.

Adrian ist Christ und erzählt in Tagebuchform von seinen Gedanken, Erfahrungen und alltäglichen Erlebnissen und gewährt dem Leser umfassende Einblicke in sein Familien- und Gemeindeleben.

Adrians Geschichten über sich und sein Umfeld sind schonungslos ehrlich und offen, aber nie verletzend. Sie sind bissig, witzig und klug, sie bringen zum Lachen und machen nachdenklich. Es sind besonders die treffenden Formulierungen, die mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht haben.

Adrian ist sehr sympathisch und hat mich von der ersten Seite an mit seinen Tagebucheinträgen begeistert. Er berichtet geradeheraus und ungeschminkt von den Dingen, die ihn bewegen. Er ist sehr selbstkritisch und hat das faszinierende Talent, jeden Fettnapf, der seinen Weg säumt, auch zu treffen.

Der Autor beschreibt seine Familie und die Mitglieder seiner Kirchengemeinde sehr detailliert und versteht es hervorragend, allen Akteuren Leben einzuhauchen. Ob nun Adrians Sprüche klopfender und Anagramme austüftelnder Sohn Gerald. Oder Prediger Edwin Burlesford, ein mitfühlender Freund, der Adrian immer wieder in seinen Vorhaben bestärkt. Oder auch Leonard Thynn, immer ein wenig neben der Spur, aber durch und durch herzlich und liebenswert. Alle wirken sehr echt und lebendig und tragen mit ihren Eigenarten kräftig zur Unterhaltung bei.

„Vereinte Chaoten“ lässt sich angenehm zügig lesen, kommt mit einer großen Portion britischen Humors daher und lädt zum Schmunzeln aber auch immer wieder zum Nachdenken ein. Ein Buch, das mich rundum begeistert hat.

Bewertung vom 01.10.2015
Frontzek, Alice

Blaues Gold


ausgezeichnet

In ihrem historischen Roman „Blaues Gold“ entführt Alice Frontzek den Leser in das 17. Jahrhundert nach Erfurt und erzählt von einem damals sehr bedeutenden Gewerbe: dem Waidhandel.

Der Autorin ist eine tolle Mischung aus Historie und Spannung gelungen. Geschickt verknüpft sie die tatsächlichen Ereignisse in Erfurt während des 30-jährigen Krieges mit einer fesselnden Geschichte rund um Neid, Missgunst und Verrat unter den Waidhändlern und zeichnet ein facettenreiches und vor allen Dingen sehr glaubwürdiges Bild der damaligen Zeit.

Als der Waidhandel durch das voranschreitende Kriegsgeschehen und durch das auf den Markt drängende, billigere Indigo aus Indien zunehmend in die Krise gerät, ist den alteingesessenen Waidhändlern das florierende Geschäft von Florian und Caterina Seber mehr und mehr ein Dorn im Auge.
Als Florian von einer Handelsreise nicht zurückkehrt, sehen die Zunftbrüder eine Möglichkeit, dass Sebersche Handelshaus auszulöschen und damit einen lästigen Konkurrenten loszuwerden. Sie pochen auf Einhaltung der Waidordnung und legen Caterina und ihrer Schwiegermutter Regine immer neue Steine in den Weg, doch die beiden Frauen kämpfen und versuchen ihr Waidgeschäft am Leben zu erhalten…

Caterina ist eine fröhliche Frau mit einem starken Willen und dem Mut, auch neue Wege zu gehen. Obwohl die gebürtige Italienerin den Feindseligkeiten und der Falschheit der Erfurter ausgesetzt ist, versucht sie sich zu behaupten.

Besonders gut hat mir das entspannte Verhältnis zwischen Caterina und Regine gefallen. Mal kein Schwiegermutter/Schwiegertochter-Zwist. Das ist selten in Büchern und daher erfrischend anders.

„Blaues Gold“ lässt sich angenehm zügig lesen und hat mir nicht nur spannende, unterhaltsame Lesestunden beschert, sondern mir auch interessante Einblicke in die Historie Erfurts und die Geschichte des Waidhandels ermöglicht.