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TochterAlice
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Köln

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Insgesamt 1464 Bewertungen
Bewertung vom 11.11.2021
Roth, Mari

Nico - Die Sängerin der Nacht / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.19


weniger gut

Ich liebe Nicos Musik bzw. die von ihr gesungenen Songs von Velvet Underground seit Jahrzehnten - in gewissen Lebensphasen sind sie mir immer wieder mal näher gerückt. Auch über ihr extremes Leben wusste ich so einiges - Christa Päffgen aus Köln, die später zu Nico wurde, hat so Einiges durchmachen müssen - und hat auch von sich aus nichts ausgelassen. Aber dennoch: viel über ihr Wesen als solches war mir nicht bekannt, sie wirkte - auch schon durch ihre Art zu singen - immer sehr geheimnisvoll.

Eine interessante Persönlichkeit - so dachte ich bisher und habe mich sehr gefreut, diesen Roman zu entdecken und ihr dadurch näherzukommen, wenn auch in fiktiver Artund Weise.

Pustekuchen: weder die 1960er, in denen die Handlung hier weitestgehend spielte, noch Nicos Persönlichkeit wurden in irgendeiner Form zum Leben erweckt. Ihre Die Autorin Mari Roth rattert ihre Historie anhand bekannter Daten und Begegnungen einfach so runter - so mein Empfinden. Daher ist es klar, das sie auf Leser, die sie vorher nicht kannten, zutiefst unsympathisch wirkt.

Ich, für die Nico quasi eine alte Bekannte ist, habe von der Persönlichkeit Nicos während der Lektüre leider nicht viel mitbekommen, da diese aus meiner Sicht nicht rübergebracht wurde - Lebensdaten und Begegnungen mit Berühmtheiten - vorzugsweise im Bett - wurden leider nur so runtergerattert. Ein Romen aus einer interessanten Reihe, aus der ich so einige Bücher empfehlen könnte. Dieses hier leider nicht!

Bewertung vom 08.11.2021
Weber, Tanja

Betongold


weniger gut

Smokey ist nicht der Hit

Smokey ist ein Mordermittler bzw. war er es, jetzt hat er Morbus Bechterow und kriegt kaum mehr was gebacken. Wenn sie diese Krankheit vergessen - denn auf der nächsten und übernächsten Seite wird sie wieder erwähnt - und so geht es weiter und weiter.

Smokey hängt mit drin in dem Fall, denn der, der dran glauben musste, das war der Schani, sein Kumpel seit Kindertagen. Früher mehr, jetzt etwas weniger, denn mehr und mehr standen die beiden auf unterschiedlichen Seiten des Gesetzes. Bis Schani mitsamt seinen silbernen Cowboystiefeln in einer Baugrube lag und auf eigenen Füßen nicht mehr raus konnte. Überhaupt nie mehr irgendwohin konnte außer auf den letzten Weg.

Ich mag Bücher von Tanja Weber, einige jedenfalls und ich mag auch Regionalkrimis, gerade auch bayrische, bspw. die mit dem Eberhofer Franz. Aber beides zusammen, das kommt irgendwie nicht gut, jedenfalls nicht in dieser Aufmachung. Der Stil ist umständlich und irgendwie aufgesetzt, so dass ich schnell den Spaß am Lesen verloren habe und es für mich nur noch Pflicht war. Schade eigentlich!

Bewertung vom 07.11.2021
Balzano, Marco

Wenn ich wiederkomme


gut

In einem anderen Land befindet sich Daniela und steckt dort fest, als es keine andere Möglichkeit mehr für ihre Familie gibt, zu überleben: die Rumänin ist nach Italien, genauer: nach Mailand aufgebrochen, um dort etwas Geld zu verdienen - das kann man nämlich zu Hause nicht mehr.

Und sie macht sich quasi zur Leibeigenen durch ihren Job als Pflegekraft bei einem alten, dementen Mann: das ist eine Arbeit, die sie rund um die Uhr fordert. Nicht anders wird es beim nächsten Job als Kindermädchen: und das, obwohl sie dort sogar einen Vertrag hat.

Geschildert wird die Geschichte aus zwei Perspektiven: aus ihrer eigenen und aus der ihres Sohnes, der noch ein Kind ist und sich komplett alleingelassen fühlt. Nicht nur von seiner Mutter, sondern auch von seinem Vater und seiner Schwester Angelica. Und dann stirbt auch noch der geliebte Opa.

Eine Geschichte von Verlorenheit, von Ausweglosigkeit, von Ohnmacht. Dies alles, also das, was die Atmosphäre ausmacht, wird aus meiner Sicht eindringlich und schlüssig präsentiert. Nicht so die eigentliche Geschichte, bei der ich oft mal ins Stolpern geriet. Sie hat mich nicht so recht erreicht, diese traurige Geschichte, die in der Europäischen Union der Gegenwart wahrscheinlich Tag für Tag hunderte von Malen durchlebt wird.

Bewertung vom 06.11.2021

Die hohe Kunst der Politik


sehr gut

Nachruf zu früher Stunde
Denn noch ist sie ja im Amt, wenn auch "nur" kommissarisch, unsere langjährige Kanzlerin Frau Dr. Angela Merkel. Ihre langjährige Weggefährtin, die ehemalige Bildungsministerin Annette Schavan (nicht mehr Dr.) hat sich auf den Weg gemacht, um Beiträge aus verschiedenen Perspektiven zur Kanzlerin zusammenzutragen.

Und tatsächlich fallen diese so unterschiedlich aus wie ihre Autoren. Unter ihnen sind Parteifreunde wie Ursula von der Leyen, Volker Kauder und der gerade etwas tief(er) gefallene Armin Laschet, Mitregenten aus Koalitionen wie Sigmar Gabriel, aber auch bzw. gerade politisch andersdenkende wie Wilfried Kretschmann und Annalena Baerbock. Dazu kommen Mitstreiter vom internationalen Parkett wie Donald Tusk und Emmanuel Macron, aber überraschenderweise sind auch Vertreter vollkommen anderer Bereiche präsent wie der Ex-Fußballer Philipp Lahm und Vertreter anspruchsvoller kultureller Genüsse wie Daniel Barenboim und Ulrich Matthes.

So bunt wie die Liste der Autoren sind auch die Beiträge selbst, wobei sie eines gemeinsam haben. Allen ist daran gelegen (sicher liegt das auch in der Absicht der Herausgeberin) die Kanzlerin würdig zu verabschieden. Das war mir aber schon vor der Lektüre klar, ich habe nichts anderes erwartet. Wer ein kritisches Werk erwartet, dem steht eine Fülle zur Verfügung, aus der er wählen kann.

Bewertung vom 03.11.2021
de Moor, Marente

Phon


gut

Zunächst einmal: ich bin froh, dieses Buch gelesen zu haben. Einen wahrhaft russischen Roman, einen, der die russische Seele aufleben lässt, wenn nicht sogar feiert. Einen, der die Atmosphäre des nachsowjetischen Russland in seiner Tiefe ergründet, von Beginn an.

Es geht um ein Paar, das im westrussischen Wald lebt, bereits seit drei Jahrzehnten, Nadja und Lew. Sie sind Zoologen, beziehungsweise ist es Lew. Nadja war seine Studentin, sie hat das Studium nie abgeschlossen, sondern sich dem deutlich älteren akademischen Lehrer in die Arme geworfen - mir Erfolg. Denn er verließ sofort seine langjährige Ehefrau und zog mit ihr in die Wälder zwecks Führung eines idealistischen Lebens, das die Organisation praktischer zoologischer Sommerkurse beinhaltete. Berichtet wird aus Nadjas Sicht - es ist eine ausgesprochen subjektive Wahrnehmung, eine sprunghafte noch dazu. Wie es eben so ist, wenn man seine eigene Geschichte erinnert - man springt vom Hölzchen aufs Stöckchen und kann sich nicht immer auf sich selbst verlassen.

Dies hat die Autorin Marente de Moor - eine Niederländerin wohlgemerkt - aus meiner Sicht sehr gelungen dargestellt, wenngleich es das Lesen mitunter durchaus erschwert. Allerdings bleibt der Leser desöfteren auf der Strecke - so erging es mir zumindest: ich konnte weder den Entwicklungen noch den Emotionen der Erzählerin folgen, fühlte mich von ihr wieder und wieder allein gelassen, wenn sie bestimmte Erzählstränge - und zwar nicht wenige - ins Nichts verlaufen ließ.

Zudem kam mir es mir zum Ende hin mehr und mehr vor, als würden doch so einige Klischees aufgefahren. Dennoch: wer gerne Romane über Russland liest, in denen es auch ein wenig schräg zugeht, könnte hier an der richtigen Adresse sein!

Bewertung vom 30.10.2021
Schweppe, Ronald;Long, Aljoscha

Die Kunst, einen Elefanten zu reiten


schlecht

Die Kunst, einen Elefanten zu reiten
Schweppe, Ronald;Long, Aljoscha

Die Kunst, einen Elefanten zu reiten

schlecht

Leider werden diese Glücksbücher zumeist - und hier leider auch - in einer stark vereinfachten Sprache geschrieben. Warum eigentlich? Es ist etwas, das mich nervt und wo ich mich als Leserin ein wenig für dumm verkauft fühle. Als ob ich komplexere Gedanken zu dem Thema nicht bewältigen könnte.

Max und Balduin führen ein Luxusleben, finde ich: wer hat schon Zeit und Geld, es sich fast täglich für eine längere Zeit im Café gut gehen zu lassen. Mit Kaffee und Kuchen, Speisen, Wein und Sekt.

Ich glaube, ich mag sie nur ein bisschen, denn auf mich wirken sie ausgesprochen oberflächlich, ebenso wie ihre Schlussfolgerungen zum Glück. Gut, in Österreich haben die Menschen vielleicht etwas mehr Zeit, sich in den schönen Kaffeehäusern herumzutreiben - dennoch ist es eine komplett andere Welt. Irgendwie eine, in die der Ernst des Lebens, der graue Alltag, nicht immer Eingang findet.

Bewertung vom 29.10.2021
Barratt, Amanda

Geliebter Dietrich


sehr gut

Eine ernsthafte Liebe in schweren Zeiten

Nein, diese Liebe war absolut kein Jokus und auch keine Romanze. Hier verfolgen wir, wie aus tiefer Zuneigung Liebe wird - in ernsten und überaus schweren Zeiten. Die besonders schwer waren für Dietrich Bonhoeffer, der sich in vollem Bewusstsein gegen das nationalsozialistische Regime stellte und immer wieder todesmutig zurück nach Deutschland kehrte, obwohl es ihm, der international so viele Kontakte und dadurch auch Möglichkeiten hatte, ein Leichtes gewesen wäre, sich ins Ausland zu retten.

Hätte er es doch in den letzten Kriegsjahren getan, wollte ich wieder und wieder während dieser Lektüre ausrufen!

In dieser schweren Zeit widerfuhr ihm aber auch Schönes - die Liebe zu Maria von Wedemeyer und die Verlobung mit ihr. Das alles ist hier sehr bewegend geschildert und ist zudem sehr wirkungsvoll in den historischen Rahmen eingebettet. Das Bewusstsein, dass der gesamte Roman auf realen Unterlagen aus dem Nachlass des Paares basierte, ließ mich den Roman noch gespannter lesen.

Nur an manchen Stellen empfand ich ihn dann doch als ein bisschen zu rührselig geraten!

Bewertung vom 25.10.2021
Küpper, Michaela

Die Edelweißpiratin


sehr gut

Peter Kühlem ist Kölner, Arbeiter und ein denkender Mensch und er ist schon lange Kommunist - aus Überzeugung. Seine Frau Gudrun, eine Apothekerin, hat quasi unter ihrem Stand geheiratet, was ihre Eltern, vor allem die Mutter, eine Französin, auch nach vielen Jahren noch nicht verwunden hat. Ihr selbst macht es nichts aus, sie genießt das Leben mit ihrem wunderbaren Mann und der gemeinsamen Tochter Mucki. Und mit ihren zahlreichen Freunden.

Allerdings ist das nicht mehr so einfach, denn die Nationalsozialisten haben die Macht ergriffen und Peter weigert sich, sie sie erstzunehmen, was ihm mehrfach zum Verhängnis wird. Irgendwann wird er dann in ein Konzentrationslager zur Zwangsarbeit gesteckt.

Gertrud und Mucki haben es auch nicht leicht, Gertrud kann immer weniger in ihrem Beruf arbeiten und dadurch auch immer weniger die Freunde und den Mann unterstützen.

Mucki, die in der bündischen Jugend aktiv ist und von dort gegen die Nazis kämpft, wie sie es von ihren Eltern gelernt hat, wird in einer sehr schweren Zeit groß. Ihr als denkendem jungen Menschen werden mehr und mehr Knüppel zwischen die Beine geworfen. Ihren Freunden ergeht es nicht besser. Zum Ende des Krieges hin verlassen Mutter und Tochter ihre geliebte, inzwischen ausgebombte Heimatstadt Köln und machen sich auf in den Süden, wo es etwas ruhiger ist.

Ein eindrucksvoller Roman über eine harte Zeit, der mich natürlich besonders gefesselt hat, weil es um meine Heimatstadt Köln und deren Umgebung ging und ich alle Handlungsorte vor dem Wegzug wie meine Westentasche kenne und die Ausbombungen leider auch - noch heute wird mindestens einmal pro Monat eine Bombe aus Kriegzeiten entschärft, die während Baumaßnahmen entdeckt wurde.

Die Autorin schreibt weniger atmosphärisch und anschaulich als bpw. ihre Kolleginnen Heidi Rehn und Brigitte Riebe, um nur zwei Beispiele zu nennen, zu selten werden die Edelweißpiraten beim Namen genannt, die Schilderung ihrer Aktionen konnte ich manchmal nur als solche erkennen, weil mir das Thema vertraut war. Dennoch ein lesenswertes Buch um starke Menschen unterschiedlichen Alters in schweren Zeiten. Um Zusammenhalt und um Verrat.

Mögen die Rechtsradikalen nie wieder erstarken - bereits jetzt fühlen sie sich bspw. im Bundestag wohl wie ein Fisch im Wasser, was noch vor zehn Jahren niemand gedacht hätte!

Bewertung vom 22.10.2021
Maxian, Beate

Das Collier der Königin


sehr gut

Im Besitz eines königlichen Colliers befindet sich auf einmal Lea, eine junge Wienerin, die einen ungeliebten Job, gute Freundinnen und viele Träume hat. An einem Sonntag in aller Hergottsfrüh - zumindest aus ihrer Sicht - steht auf einmal ein junger Mann namens Elias vor, der selbiges bei ihr abgibt, mit den Worten, es sei von ihrer Tante Gloria und hätte mal der Königin Marie Antoinette gehört, die im Zuge der Revolution in Paris so unglücklich ihr Leben lassen musste.

Die allerdings hat sich schon vor Jahr und Tag von der Familie abgenabelt und selbst Leas Mutter hat nicht die geringste Ahnung, wo sich ihre große Schwester seitdem befindet.

Lea ist neugierig, macht sich sowohl auf die Suche nach der Tante wie auch nach der Herkunft der Kette, die sich - wie sich herausstellt, bereits seit Generationen in ihrer Familie befindet und stets an die älteste Tochter weitergereicht wird.

Bald ist auch Elias mit im Boot und wir tauchen mit den beiden ein in eine spannende Geschichte, die ihren Anfang Ende des 18 Jahrhunderts nimmt und zwar nicht bei Hofe, sondern in einer bürgerlichen Familie. Und es ist diese hervorragend recherchierte Geschichte, die mich ganz besonders begeistert und fasziniert hat.

Den Teil, der im 20. Jahrhundert spielt, fand ich eher ein bisschen langweilig, da wenig originell und vor allem sehr vorhersehbar. Schade, denn Beate Maxian, eine meiner Lieblingsautorinnen historischer Romane, kann es eigentlich besser. Wie man dem historischen Erzählstrang auch entnehmen kann.

Ich würde Ihnen eher zu den anderen Romanen der Autorin raten, wobei dieser natürlich auch unterhält. Meine Kritik erfolgt auf hohem Niveau, da man an Schriftsteller, die man sehr schätzt, bekanntlich besonders hohe Anforderungen stellt. Am besten, Sie überzeugen sich selbst!

Bewertung vom 21.10.2021
Sandgren, Lydia

Gesammelte Werke


sehr gut

Denn heute, im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts - da reflektiert man doch sowohl die Punk-Kultur als auch die Geistesgeschichte und Philosophie vorhergehender Jahrhunderte ganz anders! Und ich kann es wirklich aus Erfahrung (charmanterweise sogar sowohl in Schweden als auch in Deutschland den beiden Ländern bzw. Kulturkreisen, die im Roman eine Rolle spielen) behaupten, bin ich der Autorin doch um gute 20 Lebensjahre voraus.

Aber nein, weder hätte ich das breite geisteswissenschaftliche Fundament noch das Vermögen, Ton, Raum und Zeit so genau zu treffen. um Martin Berg und seiner Familie bis tief hinein in Details zu Themen der letzten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts zu folgen.

Um diese hier nämlich geht es in dem stellenweise doch sehr ausufernden Roman, zudem noch um Martins Jugendfreund Gustav, mit dem zusammen er einen Verlag hat. Berichtet wird aus den Perspektiven Martins und seiner Tochter Rakel, die im Gegensatz zu ihm des Deutschen perfekt mächtig ist und sich nach einer bestimmten Lektüre der Mutter, die vor rund 15 Jahren spurlos verschwand, auf den Spuren wähnt. Sie meint, diese im Chrakter eines Romans wiederzuerkennen.

Lydia Sandgren hat einen anbetungswürdigen Stil, sie ist klug und witzig - aber muss sie denn wirklich das gesamte Füllhorn über ihre Leser ausgießen? Ganz klar war es mir nämlich des Guten zu viel und das nicht nur ein bisschen. Ich denke, dass einige der vorkommenden Gestalten getrost etwas marginaler hätten abgehandelt werden, einige Geschehnisse etwas mehr im Ungenauen hätten gelassen werden können.

Möglicherweise hätte das den Roman sogar noch aufgewertet. Er hat mir wirklich gut gefallen, aber dennoch zögere ich damit, bekanntzugeben, dass ich keine Zeile der Lektüre bereue.
Tolle Autorin, toller Stil, keine Frage. Und ist sie tatsächlich erst 1987 geboren, diese Lydia Sandgren, die so kundig und vor allem unglaublich atmosphärisch über die 1970er und 1980er zu berichten vermag? So, als wäre sie bei all den Punk-Konzerten und Diskussionen über Wittgenstein - um nur mal zwei Beispiele zu nennen - in Personam dabei gewesen?

Denn heute, im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts - da reflektiert man doch sowohl die Punk-Kultur als auch die Geistesgeschichte und Philosophie vorhergehender Jahrhunderte ganz anders! Und ich kann es wirklich aus Erfahrung (charmanterweise sogar sowohl in Schweden als auch in Deutschland den beiden Ländern bzw. Kulturkreisen, die im Roman eine Rolle spielen) behaupten, bin ich der Autorin doch um gute 20 Lebensjahre voraus.

Aber nein, weder hätte ich das breite geisteswissenschaftliche Fundament noch das Vermögen, Ton, Raum und Zeit so genau zu treffen. um Martin Berg und seiner Familie bis tief hinein in Details zu Themen der letzten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts zu folgen.

Um diese hier nämlich geht es in dem stellenweise doch sehr ausufernden Roman, zudem noch um Martins Jugendfreund Gustav, mit dem zusammen er einen Verlag hat. Berichtet wird aus den Perspektiven Martins und seiner Tochter Rakel, die im Gegensatz zu ihm des Deutschen perfekt mächtig ist und sich nach einer bestimmten Lektüre der Mutter, die vor rund 15 Jahren spurlos verschwand, auf den Spuren wähnt. Sie meint, diese im Chrakter eines Romans wiederzuerkennen.

Lydia Sandgren hat einen anbetungswürdigen Stil, sie ist klug und witzig - aber muss sie denn wirklich das gesamte Füllhorn über ihre Leser ausgießen? Ganz klar war es mir nämlich des Guten zu viel und das nicht nur ein bisschen. Ich denke, dass einige der vorkommenden Gestalten getrost etwas marginaler hätten abgehandelt werden, einige Geschehnisse etwas mehr im Ungenauen hätten gelassen werden können.

Möglicherweise hätte das den Roman sogar noch aufgewertet. Er hat mir wirklich gut gefallen, aber dennoch zögere ich damit, bekanntzugeben, dass ich keine Zeile der Lektüre bereue.