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Aischa

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Insgesamt 569 Bewertungen
Bewertung vom 01.02.2018
Kellerman, Faye

Dein Tod komme / Peter Decker & Rina Lazarus Bd.24


gut

"Dein Tod komme" war für mich der erste Roman von Erfolgsautorin Faye Kellermann. Er ist zwar auch unabhängig von den vorhergehenden Bänden um Ermittler Decker und McAdams zu lesen, aber ehrlich gesagt war es als Neueinsteiger für mich etwas schwierig, mit den vielen Namen zurecht zu kommen. Hier wäre ein Personenverzeichnis hilfreich gewesen.
Rina, Ehefrau von Detective Peter Decker, findet bei einer Wanderung im Wald zufällig eine bereits skelettierte, verscharrte Leiche. Ihr Mann nimmt - unterstützt von Jurastudent Tyler McAdams - die Ermittlungen auf. Bald werden in dem Waldstück weitere Leichen gefunden. Vieles deutet darauf hin, dass es sich um Studenten des nahe gelegenen Universitätscampus handeln könnte.
Der Plot ist interessant, es geht auch um die LGBT-Szene, allerdings werden leider psychische Belastungen der Suche nach der eigenen geschlechtlichen Identität oder einer geschlechtsangleichenden Operation nur gestreift.
Anfang und Ende des Romans sind sehr spannend, in der Mitte gibt es einige Längen, so dass meine anfängliche Begeisterung beim Lesen etwas auf der Strecke blieb.
Interessant ist, dass man quasi nebenbei einiges über den Alltag orthodoxer Juden erfährt, da das Ehepaar Rina/Peter streng nach diesen Regeln lebt (wie die Autorin selbst übrigens auch). Etwas amerikanisch-verkitscht wirkte auf mich leider die Beziehung zwischen Rina und Peter, auch nach Jahrzehnten sind die beiden noch frisch verliebt, es gibt Blumen für die Gattin, beide haben ständig Lust auf Sex und sie begleitet ihn selbst auf Dienstreisen - nun ja.
Ebenso läuft die Polizeiarbeit an mancher Stelle doch etwas zu glatt, untergetauchte Personen werden blitzschnell ausfindig gemacht, keine Ermittlung verläuft im Sande, auch hier: etwas unglaubwürdig.
Für das überraschende Ende gibt es dennoch drei Sterne.

Bewertung vom 29.01.2018
Dragnic, Natasa

Einatmen, Ausatmen


gut

Der Plot hat viel Potenzial: Giorgia, venezianische Jazzsängerin, liegt nach einem Autounfall in einem Krankenhaus in Houston im Koma. An ihr Krankenbett eilen nacheinander: Ehemann Konrad, Philosophieprofessor aus München, von dem sie sich bereits vor Jahren getrennt hatte, Schlagzeuger und Liebespartner Ben, in dessen Band Giorga bis zum Unfall sang und schließlich Césco, Brückenbauer aus Venedig, mit dem die Sängerin bis dato eine ausschließliche online-Beziehung pflegte.
Die drei Männer wussten nicht bzw. nur wenig voneinander, und es entwickeln sich höchst emotionsgeladene verbale wie auch physische Schlagabtausche der Konkurrenten um Giorgias Gunst. Es kommt zu Allianzen, Eifersuchtsszenen, aber auch rührenden Annäherungen der so grundverschiedenen Typen, deren einzige Gemeinsamkeit das Bangen um Giorgia ist.
Stimmige Ideen sind, dass die Autorin jedem Protagonisten ein Instrument zuordnet und die Kapitel nach bekannten Jazz-Songs benennt. Allerdings erfordern die "Vocals"-Passagen von Giorgia vom Leser viel Geduld und Aufmerksamkeit. Denn ihre Gedanken(fetzen) werden, wohl um den zwischen Wachen und Traum angesiedelten komatösen Bewusstseinszustand zu charakterisieren, ohne Zeichensetzung wiedergegeben, in teil wirrer, scheinbar endloser Wiederholung. Anfangs erschien mir das noch als interessantes Stilmittel, ab der Hälfte des Buches hat es mich nur noch angestrengt.
Auch haben mich Leseprobe und Klappentext andere Schwerpunkte erwarten lassen: "Ein Roman über Freundschaft, Liebe und Schuld" heißt es dort. Ich finde es geht fast ausschließlich um Schuld, darum wie jemand mit Schuld leben kann, wie Schuld Beziehungen zerstört, ja unmöglich macht.
Der Roman wurde im Rahmen eines "Writer-in-Residence"-Programms in nur 21 Tagen geschrieben - vielleicht hätten ihm ein paar Tage mehr gut getan ...

Bewertung vom 29.01.2018
Hudek, Marc

Ich schwöre!


sehr gut

"Ich schwöre!" ist die Geschichte von Lenny, einem jungen Sportstudenten und dessen muslimischen Freunden Yussuf und Faris, die in die Fänge von IS-Rekrutierern gelangen.
Lenny versteht die Welt nicht mehr, denn weder der philosophisch veranlagte Yussuf noch Faris, der in der Mucki-Bude den Mädels hinterher gafft, sind bislang großartig als praktizierende Moslems in Erscheinung getreten. Ein Fundamentalist, der für den IS rekrutiert, findet über einen "Literaturkreis" im örtlichen Jugendtreff Zugang zu den beiden, die sich rasant radikalisieren und schon bald als IS-Kämpfer nach Syrien gehen wollen.
Lenny möchte die beiden davon abhalten, ihnen auf eigene Faust helfen und gerät dabei in absurd komische Situationen. So findet er sich mit angeklebtem Bart an einem Infostand in der Fußgängerzone wieder, wo er erklären soll, wieso Moslems in ihrer Religionsausübung unterdrückt werden. Oder er versucht sich in Tarnklamotten und mit Platzpatronen mit seinen Kumpels bei einer Schießübung im Unterholz.
Der Autor veröffentlicht diesen Roman unter Pseudonym - und das kommt nicht von ungefähr: Die Geschichte wird mit einer großen Portion Witz und Ironie erzählt - und spätestens seit dem Anschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" nach Veröffentlichung einer Mohammed-Karrikatur wissen wir, dass Salafisten nur bedingt über sich selbst lachen können.
Der Witz ist aber eine der großen Stärken des Romans: Die Sprache ist sehr locker, humorvoll, der erhobene Zeigefinger fehlt völlig. Ja, auch ein so (bedeutungs)schweres Thema wie islamischer Fundamentalismus und Radikalisierung Jugendlicher kann mit Scherzen und Leichtigkeit behandelt werden.
Was mich etwas gestört hat ist, dass gleichzeitig noch die Liebesgeschichte zwischen Lenny und Anna, einer jungen Rollstuhlfahrerin, eingeflochten wird. Für mich ist dies ohne wirklichen Bezug zum eigentlichen Thema, eher wird noch ein Nebenschauplatz ("Umgang mit Behinderten") eröffnet. Lieber wäre mir stattdessen gewesen, wenn man mehr Einblick in die Gefühlswelt von Yussuf und Faris erhalten hätte. So kann man leider über ihre Beweggründe, sich dem IS anzuschließen, nur spekulieren.
Schön wäre auch - bei aller Leichtigkeit - ein kurzer Anhang mit Beratungs- und Anlaufstellen zur Problematik gewesen.
In jedem Fall aber ist "Ich schwöre!" ein sehr unterhaltsamer Roman zu einer ernsten Thematik, der viel Anlass zu Diskussionen bietet.

Bewertung vom 27.01.2018
Winter, C'Rysta

Eine Leiche für Perrot


sehr gut

Autorin C'rysta Winter ist Agatha-Christie-Fan mit Leib und Seele. Und so ist der vorliegende Kriminalroman denn auch eine Hommage an die britische Erfolgsautorin.
Das Ermittlerteam in "Eine Leiche für Perrot" besteht aus Achille Perrot, Enkel des großartigen Hercule Poirot, und John Harold Jeff, Nachkomme von Scotland-Yard-Chefinspector James Jepp.
Winter schafft es, obwohl der Tatort ein idyllischer See mit Ausflugslokal inmitten der niedersächsischen Heide ist, ihre Geschichte wie einen klassischen englischen Krimi zu erzählen. Die nötigen Zutaten sind: eine britische Hochzeitsgesellschaft, schrullige Damen (teils mit großem Sonnenhut), Airdaleterrier Terrier, ein Welsh Corgie und mehr Verdächtige als einem lieb sein kann.
Die Autorin streut zahlreiche Hinweise, nach jedem Kapitel hat man eine neue Person im Verdacht, und die Spannung hält bis zum fulminanten Ende. In schöner Poirot-, Verzeihung, Perrot-Manier kombiniert der Detektiv geschickt und fügt die Puzzleteile zur richtigen Lösung zusammen.
Fazit: Gute Unterhaltung für alle Fans britischer Krimis, hochspannend und stets mit einem Augenzwinkern erzählt. Ich hoffe auf baldige Fortsetzung.

Bewertung vom 25.01.2018
Spitzeder, Adele;Nebel, Julian

Adele Spitzeder


gut

Julian Nebel legt mit seinem Debüt ein gleichermaßen kurzes wie interessantes Sachbuch über Adele Spitzeder vor.
Die erfolglose und verschuldete Schauspielerin gründete 1869 eine Privatbank, mit der sie sich selbst aus ihren finanziellen Nöten retten möchte. Anfangs sieht alles danach aus, als ob der Plan aufgehen würde: Indem sie zehn Prozent Zinsen sowie die jederzeitige Auflösung der Einlage verspricht, laufen ihr die Leute bald die Tür ein. Ihr geschicktes Schneeballsystem - wer neue Kunden bringt, erhält eine Provision - sowie die Tatsache, dass die Anleger aus den unteren Gesellschaftsschichten als eine der ihren ansehen, lässt Spitzeder ihren Betrug drei Jahre lang aufrechterhalten.
Doch der Zusammenbruch lässt sich nicht beliebig verzögern, 1872 fliegt der Schwindel auf und mehr als 30.000 Opfer in und um München verlieren ihre - meist hart verdienten - Ersparnisse. Es kommt zu zahlreichen Selbstmorden, Spitzeder wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Nebel versteht es, Idee und Umsetzung des Spitzederschen Kreditsystems gut verständlich zu vermitteln. Fotos, Originalzitate aus Zeitungen und Spitzeders eigenen Memoiren lockern den Text auf. Gegen Ende gibt es einige Längen und Wiederholungen, außerdem vermisse ich Anmerkungen, welche gesellschaftlichen Konsequenzen dieser Skandal nach sich zog. Gab es so etwas wie Verbraucherschutz, wurden Gesetze verschärft, fanden sich Trittbrettfahrer, die die Idee von Adele Spitzeder nachzuahmen versuchten?
In jedem Fall macht das Buch neugierig, Spitzeders eigene Aufzeichnungen zu studieren.

Bewertung vom 25.01.2018
Özdogan, Selim

Wo noch Licht brennt


sehr gut

Özdogans letzter Teil der Trilogie rund um die Deutschtürkin Gül ist auch ohne Kenntnis der ersten beiden Bände gut zu lesen.
Gül kehrt nach einigen Jahren in der Türkei erneut nach Deutschland zurück, um wieder bei ihrem Mann Fuat zu leben. Die Familie ist verstreut, ihre bereits erwachsenen Kinder leben teils in Deutschland, teils in der Türkei. Wo sich Gül zu Hause fühlt ist lange unklar, sie scheint irgendwo zwischen der türkischen und der deutschen Gesellschaft zu hängen.
Özdogan schildert die Gefühlswelt seiner Protagonistin sehr einfühlsam und mit ungewöhnlichen Bildern. Seine Sprache ist blumig, geradezu poetisch. So werden etwa Gefühle mit Farben assoziiert, und man findet noch weitere Synästhesien, die jedoch nie ins Kitschige abdriften.
Gül wird von mehreren Schicksalsschlägen getroffen, ihr so sehr geliebter Vater stirbt in der Türkei, ohne dass sie ihn noch einmal sprechen kann, Güls Tochter wird jung Witwe. Gül muss nicht nur mit der Untreue ihres Ehemannes fertig werden, nein, er verspielt auch noch das gemeinsame Ersparte. Gül reagiert wenig, meist erträgt sie ihr Schicksal, sie ist gottergeben, bescheiden und doch sehr stark. Diese Stärke ist ihr selbst wohl kaum bewusst, sie ist zugleich in vielen Ängsten gefangen und begehrt nur selten auf.
Als Rentnerin geht sie wieder zurück in die Türkei, doch auch dort ist es nicht wirklich ein "nach Hause kommen".
Der Roman ist weniger eine Geschichte über kulturelle denn über individuelle Unterschiede. Ich habe sehr mit Gül gelitten, ihre Melancholie zieht sich fast wie ein roter Faden durch die Geschichte. Beeindruckt hat mich, wie sie ihr Schicksal anzunehmen vermag.
Ein großer Roman über eine leise Frau.

Bewertung vom 22.01.2018
Steigerwald, Christopher

Der Tag an dem David Bowie starb (eBook, ePUB)


sehr gut

Eigentlich waren seine Rahmenbedingungen für einen guten Start ins Leben ganz o.k., das stellt der Protagonist selbst fest.
Dennoch studiert er eher, weil es von ihm erwartet wird, als aus eigenem Antrieb. Was zunächst noch wie ein typisches Studentenleben mit Parties und wechselnden Beziehungen wirkt, driftet schließlich ab. Ohne genau zu wissen wieso, zieht sich der Erzähler immer mehr zurück.
Es ist eine Geschichte, die manches nur andeutet und doch vieles sagt. Es ist keine farbenfrohe Geschichte, sie ist zunehmend grau. Vielleicht sind aber auch nur mir beim Lesen die Farben abhanden gekommen. Möge sich jeder Leser selbst einen Eindruck verschaffen, es lohnt sich.
Steigerwalds Sprache ist eigen, manchmal spricht der Protagonist den Leser unvermittelt direkt an. Das ist ungewohnt, aber gut. Ich habe dadurch mehr nachgedacht, nicht so leicht über Dinge hinweg gelesen. Leider nicht hinweg lesen konnte ich auch über einige Rechtschreibfehler, daher ziehe ich einen Stern ab. Dennoch empfehlenswert, nicht zuletzt für alle, die ihren Weg noch suchen, die jemanden kennen, der immer mehr an sich zweifelt.

Bewertung vom 18.01.2018
Treber, Friedrich

Immer wieder Licht ein Fenster


ausgezeichnet

Eins vorneweg: Ich bin kein großer Lyrik-Kenner, seit der Schulzeit habe ich zwar sehr viel gelesen, aber darunter waren nur wenige Gedichtbände.
Aber dieses kleine Büchlein habe ich in den letzten Wochen sehr oft und zunehmend freudiger zur Hand genommen. Friedrich Trebers Gedichte sprechen mich an, sie berühren meine Seele. Die Verse handeln von Hoffnung, Sehnsucht, Glauben und Politik. Von Menschlichkeit, davon wie wir einander begegnen (könnten), im Kleinen wie im Großen. Treber skizziert Bilder aus der Natur, die für sich stehen, aber auch als Gleichnis interpretiert werden können. Die Gedichte, die über mehrere Jahre hinweg entstanden sind, wurden im vorliegenden Band als Jahrkreis angeordnet.
Ein immer wiederkehrendes Motiv ist die Verletzlichkeit von Kindern, ein Thema das dem pensionierten Lehrer sichtlich sehr am Herzen liegt. Dabei klagt er auch an, weist auf Missstände hin, aber ohne zu moralisieren.
Und dann gibt es wieder Worte, die zu ganz zarten Zeilen gesponnen sind, Zeilen, die ineinander verwoben ein luftiges, leichtes Lyriktuch ergeben, in das sich der Leser weich einschmiegen darf.
Das Buch hat nicht nur einen Platz in meinem Regal, sondern auch in meinem Herzen gefunden.

Bewertung vom 15.01.2018
Barker, J. D.

Geboren, um zu töten / The Fourth Monkey Bd.1


ausgezeichnet

Ein Psychothriller allererster Klasse: der psychopathische Serienkiller mit seinem außerordentliche Schrecken verbreiteten Folter- und Tötungsmuster, der bei der Auswahl seiner Opfer indirekte Selbstjustiz verübt, das schräge Ermittlerteam, hervorragend charakterisiert, das geheimnisvolle Tagebuch des Täters, das die memschlichen Abgründe, in denen er aufwachsen musste, nach und nach Preis gibt - ja, Barker ist ein Meister seines Faches.
Ein hervorragendes Lektorat und die gelungene Übersetzung runden den Lesegenuss für jeden deutschsprachigen Thrillers ab. Ich kann die Fortsetzung kaum erwarten!