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Aischa

Bewertungen

Insgesamt 575 Bewertungen
Bewertung vom 15.02.2018
Dorweiler, Ralf H.

Das Geheimnis des Glasbläsers


sehr gut

Was sind für mich die unverzichtbaren Zutaten für einen hervorragenden Historienroman? Ich mag es, wenn die geschichtlichen Details im Großen und Ganzen stimmen, der Autor muss also gründlich recherchiert haben. Neben der Wissensvermittlung möchte ich aber auch gut unterhalten werden, am liebsten durch eine bildreiche Sprache, die mich unversehens in die beschriebenen Szenerien versetzt. Ganz wichtig: viel Spannung, zahlreiche Twists, die mich überraschen, die aber die Erzählung dennoch nicht unlogisch erscheinen lassen. Eine Liebesgeschichte ist nicht unbedingt nötig, aber auch nicht störend.
Alles in allem bin ich also durchaus eine anspruchsvolle Leserin. Ralf H. Dorweiler hat mich dennoch sehr positiv überrascht, ich habe den vorliegenden Roman außerordentlich genossen.
Dazu tragen in erster Linie die hervorragend gezeichneten Protagonisten Simon und Ulf bei. Der Schwarzwälder Simon, ein junger Glasbläser, fällt durch eine unglückliche Verliebtheit in die Tochter des Waldvogts bei diesem in Ungnade und muss um sein Leben fürchten. Einziger Ausweg: Er soll das Geheimnis der Herstellung des hochwertigen Kristallglases lüften und die Rezeptur nach Hause bringen. Für die überaus gefährliche Reise stellt man ihm den einfältigen Scherbensammler Ulf samt Esel Lilly an die Seite. Ulf und Simon sind sich anfangs spinnefeind. Doch das bleibt nicht so, und es ist für mich eines der Highlights des Buchs - die sensible Schilderung dessen, wie sich die Beziehung der beiden im Verlauf der gemeinsam bestandenen Abenteuer ändert, ist dem Autor hervorragend gelungen.
Die Spannung kommt durch eine Reihe mysteriöser Morde nicht zu kurz, auch ist der lange Weg zu Fuß über die Alpen bis nach Venedig, später auf dem Seeweg bis nach Konstantinopel voller atemberaubender Gefahren. Dorweilers Schreibstil ist überaus anschaulich und kurzweilig, manchmal geradezu poetisch. Wenn in der Geschichte "Spaghetti alla puttanesca" gekocht werden, steigt einem der Duft förmlich in die Nase - muss Simon in einem Schlafsaal voller verschwitzter, ungewaschener und betrunkener Männer nächtigen, leider ebenso ...
Die Handwerkskunst der Glasbläser wird so detailliert beschrieben, dass ich beim Lesen das Gefühl hatte, zumindest theoretisch so gut Bescheid zu wissen, dass ich selbst ein Trinkgefäß herstellen könnte. Ich habe in diesem Roman - quasi nebenbei - viel gelernt: über die politischen Verhältnisse im Europa Mitte des 15. Jahrhunderts, über Handwerk und Handelsrouten oder die Behandlung und Ächtung Pestkranker. Und ganz besonders viel über die Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 durch die Osmanen.
Meine einzigen Kritikpunkte sind sehr von meinem persönlichen Geschmack geprägt: Die Schilderung der Seeschlacht und einiger Kampfhandlungen sind mir etwas zu langatmig geraten. Und die Hauptfigur Simon hat beim Bestehen der zahlreichen Abenteuer einfach ein bisschen zu viel Glück. Aber was soll es - es handelt sich ja um einen Roman und keine Biografie, daher: klare Leseempfehlung für alle Liebhaber anspruchsvoller Historienromane.

Bewertung vom 15.02.2018
Zinßmeister, Deana

Der Turm der Ketzerin / Hugenottentrilogie Bd.2


sehr gut

Die Geschwister Pierre und Magali wachsen im 16. Jahrhundert in einem französischen Dorf als Halbwaisen auf. Nachdem ihre Mutter in der Bartholomäusnacht in Paris den Tod gefunden hatte, floh der Vater mit den beiden kleinen Kindern und erzog sie im katholischen Glauben, um der weiteren Verfolgung als Hugenotten zu entgehen.
Erst als Erwachsene erfahren sie dieses Familiengeheimnis. Während Magali im katholischen Glauben tief verwurzelt ist, möchte Pierre seinen ursprünglichen Glauben wieder annehmen. Er verliebt sich in die junge Hugenottin Florence und sieht sich schon bald vielfältigen Herausforderungen und Gefahren gegenüber.
Der spannende Roman bietet mehrere Erzählstränge. Mithilfe eines ausführlichen Orts- und Personenregisters konnte ich dem Geschehen mühelos folgen. Und das, obwohl ich den ersten Band der Erzählung, "Das Lied der Hugenotten", nicht gelesen habe. Der vorliegende Roman ist aber auch eigenständig sehr gut verständlich.
Der sehr anschauliche, bildhafte Stil lässt den Leser mühelos ins Geschehen eintauchen. Zahlreiche Twists halten die Spannung bis zum Schluss aufrecht.
Auch mit diesem Buch ist Deana Zinßmeister wieder sehr gute Unterhaltung gelungen. Wer hervorragend recherchierte Historienromane zu schätzen weiß, ist hiermit sicher gut beraten. Geschichtliche Details sind ebenso stimmig eingebaut, wie die Handwerkskunst der Glasbläserei. Der Roman bietet Spannung, Liebe, Verrat und Verfolgung. Einzig über den Glauben der Hugenotten und die Gründe und Ursachen der damaligen Glaubenskriege hatte ich mir mehr Details erhofft.

Bewertung vom 10.02.2018
Bonilla, Rocio

Welche Farbe hat ein Kuss?


ausgezeichnet

Die kleine Minimia malt leidenschaftlich gerne, und mit allen Farben, die ihre Buntstifte,. Kreiden und ihr Malkasten so hergeben.
Aber als sie einen Kuss malen möchte, kommt sie ins Grübeln: Zu jeder Farbe findet sie positve, aber leider auch negative Assoziationen. Gar nicht so leicht zu bestimmen, welche Farbe ein Kuss hat.
Mehr wird hierzu zum Inhalt nicht verraten.
Das Buch ist qualitativ sehr hochwertig gestaltet. Die großen Seiten erlauben es, dass man das Buch auch einer ganzen Gruppe von Kindern vorlesen kann, und trotzdem jeder etwas sieht. Als Geschenk wiederum eignet sich das zauberhafte Buch auch deswegen besonders gut, weil vor der eigentlichen Geschichte ein kleiner Rahmen abgebildet ist, in den ein Name geschrieben werden kann. Außerdem soll die letzte Seite im Innenteil selbst bemalt werden. Und als besonderes Gimmick findet sich noch eine heraustrennen are Postermesslatte fürs Kinderzimmer.
Sehr empfehlenswert für alle großen und kleinen Leser, die Spaß an Farben haben und den Zusammenhang zwischen Farben und Gefühlen entdecken wollen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.02.2018
Haberland, Hannah

Letzte Begegnungen


ausgezeichnet

Sterben und Humor - passt das zusammen? Ist das nicht pietätlos?
Nein, keineswegs, Autorin und Palliativmedizinerin Hannah Haberland tritt mit dem vorliegenden Buch den Beweis an.
Selbst an sich zweifelnd, mit der anstrengenden Arbeit vielleicht etwas überfordert erinnert sie sich an einige außergewöhnliche Patienten, deren letzte Tage sie und ihr Team begleitet haben.
Die acht geschilderten Schicksale sind höchst unterschiedlich, allen gemeinsam ist, dass Haberland es schafft, eine schwere Thematik leicht zu erzählen, man findet viel humorvolles Augenzwinkern zwischen den Zeilen, dabei geht aber nie der Respekt vor den todkranken Menschen verloren.
Und das, obwohl die Nerven der Medizinerin bis aufs Äußerste strapaziert werden: Ob eine türkische Familie den sterbenden Vater noch mit Döner füttert, in einem sehr spirituellen Haushalt noch schnell Engelswasser versprüht wird, bevor die Ärztin das Zimmer der Patientin betreten darf, oder ob die schwerst lungenkranke ältere Dame neben dem Sauerstoffgerät eine Zigarette raucht ... Hannah Haberland hat ein beneidenswertes Gespür für den richtigen Umgang mit Menschen.
Die wenigen medizinischen Fachausdrücke, die im Buch vorkommen, werden knapp und gut erklärt, Irrtümer aus dem Weg geschafft. Besonders zwei wiederkehrende Sätze haben sich mir eingeprägt: "Wir helfen nicht zu sterben, aber wir helfen Ihnen beim Sterben" erklärt Haberland, wenn sie und ihr Team mal wieder mit "die von der Sterbehilfe sind da" angekündigt werden.
Und die Sichtweise "jeder hat ein Recht auf Unvernunft" lässt Fachpersonal und Angehörige völlig unverständliche Patientenwünsche leichter ertragen.
Ich empfehle die Lektüre jedem, der mit Sterbenden zu tun hat, egal ob Fachpersonal oder Angehörige und Freunde. Aber auch für alle, die sich mit dem eigenen Lebensende rechtzeitig auseinander setzen möchten, ist es hervorragend geeignet. Die Autorin gibt dem Leser zahlreiche Denkanstöße, verzichtet dabei jedoch völlig auf einen erhobenen Zeigefinger.

Bewertung vom 01.02.2018
Kellerman, Faye

Dein Tod komme / Peter Decker & Rina Lazarus Bd.24


gut

"Dein Tod komme" war für mich der erste Roman von Erfolgsautorin Faye Kellermann. Er ist zwar auch unabhängig von den vorhergehenden Bänden um Ermittler Decker und McAdams zu lesen, aber ehrlich gesagt war es als Neueinsteiger für mich etwas schwierig, mit den vielen Namen zurecht zu kommen. Hier wäre ein Personenverzeichnis hilfreich gewesen.
Rina, Ehefrau von Detective Peter Decker, findet bei einer Wanderung im Wald zufällig eine bereits skelettierte, verscharrte Leiche. Ihr Mann nimmt - unterstützt von Jurastudent Tyler McAdams - die Ermittlungen auf. Bald werden in dem Waldstück weitere Leichen gefunden. Vieles deutet darauf hin, dass es sich um Studenten des nahe gelegenen Universitätscampus handeln könnte.
Der Plot ist interessant, es geht auch um die LGBT-Szene, allerdings werden leider psychische Belastungen der Suche nach der eigenen geschlechtlichen Identität oder einer geschlechtsangleichenden Operation nur gestreift.
Anfang und Ende des Romans sind sehr spannend, in der Mitte gibt es einige Längen, so dass meine anfängliche Begeisterung beim Lesen etwas auf der Strecke blieb.
Interessant ist, dass man quasi nebenbei einiges über den Alltag orthodoxer Juden erfährt, da das Ehepaar Rina/Peter streng nach diesen Regeln lebt (wie die Autorin selbst übrigens auch). Etwas amerikanisch-verkitscht wirkte auf mich leider die Beziehung zwischen Rina und Peter, auch nach Jahrzehnten sind die beiden noch frisch verliebt, es gibt Blumen für die Gattin, beide haben ständig Lust auf Sex und sie begleitet ihn selbst auf Dienstreisen - nun ja.
Ebenso läuft die Polizeiarbeit an mancher Stelle doch etwas zu glatt, untergetauchte Personen werden blitzschnell ausfindig gemacht, keine Ermittlung verläuft im Sande, auch hier: etwas unglaubwürdig.
Für das überraschende Ende gibt es dennoch drei Sterne.

Bewertung vom 29.01.2018
Dragnic, Natasa

Einatmen, Ausatmen


gut

Der Plot hat viel Potenzial: Giorgia, venezianische Jazzsängerin, liegt nach einem Autounfall in einem Krankenhaus in Houston im Koma. An ihr Krankenbett eilen nacheinander: Ehemann Konrad, Philosophieprofessor aus München, von dem sie sich bereits vor Jahren getrennt hatte, Schlagzeuger und Liebespartner Ben, in dessen Band Giorga bis zum Unfall sang und schließlich Césco, Brückenbauer aus Venedig, mit dem die Sängerin bis dato eine ausschließliche online-Beziehung pflegte.
Die drei Männer wussten nicht bzw. nur wenig voneinander, und es entwickeln sich höchst emotionsgeladene verbale wie auch physische Schlagabtausche der Konkurrenten um Giorgias Gunst. Es kommt zu Allianzen, Eifersuchtsszenen, aber auch rührenden Annäherungen der so grundverschiedenen Typen, deren einzige Gemeinsamkeit das Bangen um Giorgia ist.
Stimmige Ideen sind, dass die Autorin jedem Protagonisten ein Instrument zuordnet und die Kapitel nach bekannten Jazz-Songs benennt. Allerdings erfordern die "Vocals"-Passagen von Giorgia vom Leser viel Geduld und Aufmerksamkeit. Denn ihre Gedanken(fetzen) werden, wohl um den zwischen Wachen und Traum angesiedelten komatösen Bewusstseinszustand zu charakterisieren, ohne Zeichensetzung wiedergegeben, in teil wirrer, scheinbar endloser Wiederholung. Anfangs erschien mir das noch als interessantes Stilmittel, ab der Hälfte des Buches hat es mich nur noch angestrengt.
Auch haben mich Leseprobe und Klappentext andere Schwerpunkte erwarten lassen: "Ein Roman über Freundschaft, Liebe und Schuld" heißt es dort. Ich finde es geht fast ausschließlich um Schuld, darum wie jemand mit Schuld leben kann, wie Schuld Beziehungen zerstört, ja unmöglich macht.
Der Roman wurde im Rahmen eines "Writer-in-Residence"-Programms in nur 21 Tagen geschrieben - vielleicht hätten ihm ein paar Tage mehr gut getan ...

Bewertung vom 29.01.2018
Hudek, Marc

Ich schwöre!


sehr gut

"Ich schwöre!" ist die Geschichte von Lenny, einem jungen Sportstudenten und dessen muslimischen Freunden Yussuf und Faris, die in die Fänge von IS-Rekrutierern gelangen.
Lenny versteht die Welt nicht mehr, denn weder der philosophisch veranlagte Yussuf noch Faris, der in der Mucki-Bude den Mädels hinterher gafft, sind bislang großartig als praktizierende Moslems in Erscheinung getreten. Ein Fundamentalist, der für den IS rekrutiert, findet über einen "Literaturkreis" im örtlichen Jugendtreff Zugang zu den beiden, die sich rasant radikalisieren und schon bald als IS-Kämpfer nach Syrien gehen wollen.
Lenny möchte die beiden davon abhalten, ihnen auf eigene Faust helfen und gerät dabei in absurd komische Situationen. So findet er sich mit angeklebtem Bart an einem Infostand in der Fußgängerzone wieder, wo er erklären soll, wieso Moslems in ihrer Religionsausübung unterdrückt werden. Oder er versucht sich in Tarnklamotten und mit Platzpatronen mit seinen Kumpels bei einer Schießübung im Unterholz.
Der Autor veröffentlicht diesen Roman unter Pseudonym - und das kommt nicht von ungefähr: Die Geschichte wird mit einer großen Portion Witz und Ironie erzählt - und spätestens seit dem Anschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" nach Veröffentlichung einer Mohammed-Karrikatur wissen wir, dass Salafisten nur bedingt über sich selbst lachen können.
Der Witz ist aber eine der großen Stärken des Romans: Die Sprache ist sehr locker, humorvoll, der erhobene Zeigefinger fehlt völlig. Ja, auch ein so (bedeutungs)schweres Thema wie islamischer Fundamentalismus und Radikalisierung Jugendlicher kann mit Scherzen und Leichtigkeit behandelt werden.
Was mich etwas gestört hat ist, dass gleichzeitig noch die Liebesgeschichte zwischen Lenny und Anna, einer jungen Rollstuhlfahrerin, eingeflochten wird. Für mich ist dies ohne wirklichen Bezug zum eigentlichen Thema, eher wird noch ein Nebenschauplatz ("Umgang mit Behinderten") eröffnet. Lieber wäre mir stattdessen gewesen, wenn man mehr Einblick in die Gefühlswelt von Yussuf und Faris erhalten hätte. So kann man leider über ihre Beweggründe, sich dem IS anzuschließen, nur spekulieren.
Schön wäre auch - bei aller Leichtigkeit - ein kurzer Anhang mit Beratungs- und Anlaufstellen zur Problematik gewesen.
In jedem Fall aber ist "Ich schwöre!" ein sehr unterhaltsamer Roman zu einer ernsten Thematik, der viel Anlass zu Diskussionen bietet.