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holdesschaf

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Insgesamt 593 Bewertungen
Bewertung vom 20.11.2021
Ringlein, Birgit

Blinder Zorn und Blaue Zipfel


ausgezeichnet

Charmant-fränkisches Krimistückla
Weil die Spitzenköchin Dora sich an ihrem bisherigen Arbeitsplatz, dem Restaurant "Eppelein" nicht mehr wohl fühlt, erfüllt sie sich zusammen mit ihrer Freundin und Kollegin Marie den Traum vom eigenen Restaurant im fränkischen Lauenburg. Die Eröffnung der "Hexenküche" ist ein voller Erfolg, doch schon am nächsten Morgen finden die beiden Restaurantbesitzerinnen eine Leiche vor der Tür, erschlagen mit dem Absatz eines Stilettos. Dora macht sich gleich daran bei den Ermittlungen mitzumischen.

Blinder Zorn und Blaue Zipfel war mein erster Krimi um die liebenswürdige, aber schlagfertige Köchin Dora Dotterweich und sicher nicht der letzte. Die Hauptpersonen in diesem Kriminalfall lernt man sehr schnell kennen und lieben, vor allem Dora und den ihr immer die neuesten Ermittlungsergebnisse weitertratschenden Kriminalkommissar Maunzer. So wird gekocht, gegessen, ermittelt und geschnüffelt, so dass sich langsam die Puzzleteilchen im Mordfall zusammensetzen. Verdächtige gibt's in Lauenburg genug und der spannende Showdown lässt nicht lange auf sich warten.

Selbst als Fränkin musste ich mich erst ein bissel an den Dialekt in geschriebener Sprache gewöhnen, doch das ging recht fix und hat dazu beigetragen, dass ich mich gefühlt haben, als würde ich in Doras Hexenküche sitzen und alles aus der Nähe beobachten. Da das fiktive Dorf aus dem Buch nur ein paar Kilometer von meinem Wohnort entfernt sein kann, darf ich anmerken, dass die Autorin wirklich die Gegend sehr authentisch beschreibt. Die Fränkische Schweiz ist wirklich so schön, wie sie rüberkommt und die meisten Orte (den Golfclub, die Rodelbahn etc.) und sogar manche Personen gibt es wirklich. Die Biere uns Schnäpse auch. Das macht das Buch für mich zu einem sehr charmanten Krimi mit viel Lokalkolorit. Dass wir dazu oder danach sämtliche Rezepte von Dora nachkochen und genießen können ist wirklich noch das Sahnehäubchen oben drauf. 5 Sterne

Bewertung vom 20.11.2021
Sampson, Freya

Die letzte Bibliothek der Welt


ausgezeichnet

Leidenschaftliches Plädoyer für alle Bibliotheken
Seit Jahren arbeitet die stille und schüchterne June Jones in der Bücherei von Chalcot, in der auch ihre Mutter schon tätig war. Seit diese jedoch vor etwa acht Jahren starb, schart June lieber Bücher um sich, als Menschen. Ihre Freizeit verbringt sie meist mit Lesen. Von der Ankündigung der Kreisverwaltung, dass die Bücherei und fünf weitere auf dem Prüfstand stehen und vermutlich geschlossen werden sollen, ist sie geschockt. Doch damit ist sie nicht allein, denn die Bücherei ist das Herz von Chalcot, der Ort, wo sich die unterschiedlichsten Menschen zusammenfinden und den man unbedingt retten will. Doch dazu muss June erstmal aus dem Schneckenhaus herauskommen, in das sie sich zurückgezogen hat. Vielleicht hilft es, dass gerade ihr ehemaliger Schulkamerad Alex ins Dorf zurückgekehrt ist.

Es handelt sich hier um eine wunderbare Geschichte und ein leidenschaftliches Plädoyer für öffentliche Büchereien, die natürlich nicht nur ein Ort sind, an dem man Bücher ausleiht. Sie haben soviel mehr Potential und das bringt die Autorin sehr eindrücklich ins Bewusstsein. Die Peronen, die sie als Büchereibenutzer beschreibt, sind genauso vielfältig, wie die Bücher, die sie leihen und die Beschäftigungen, die sie sonst zum Besuch der Bücherei bringen. Die Protagonistin June ist zunächst sehr sehr zurückhaltend, trauert noch um ihre Mutter und hätte am liebsten, dass sich nichts ändert, doch mit der drohenden Schließung und auch durch das Auftauchen ihres ehemaligen Schulkameraden Alex, beginnt sie ihr Leben zu überdenken. Mir gefällt die Entwicklung, die sie in der Geschichte durchmacht. Dabei ist die Stimmung eher kämpferisch und nicht zu romantisch oder gar kitschig. Auch wenn es um Junes Gefühle einige Irrungen und Wirrungen gibt.

Auch herrlich sind die Erwähnungen vieler Buchtitel, die in keiner Bücherei fehlen dürfen. Sie sorgen dafür, dass man sich auch irgendwie zugehörig fühlt, weil man sie kennt oder sogar einige gelesen hat. Nur mit dem Teetrinken hat es die Autorin etwas übertrieben, aber das gehört bei dem Setting vermutlich dazu.

Vorgelesen wird das Ganze sehr facettenreich von Laura Maire. Ihre für June bringt sehr gut die Schüchternheit und die Zurückhaltung rüber. Auch die anderen Personen trifft sie meist perfekt, ob die aufrührerische Mrs B, die Teenagerin Chantal, die biestige Vera, den freundlichen Rentner Stanley oder Jackson, einen kleinen Jungen. Alle haben ihre eigene, sehr passende Stimme, so dass sie einem schon bald wie alte Bekannte vorkommen und man bei ihrem Kampf mitfiebert. Alles in allem ein Hörbuch, das ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 20.11.2021
Kirsch, Rainer

Wie die Mathematik in die Welt kam


sehr gut

Aufwendig gereimte Geschichte der Mathematik
Wie kam die Mathematik in die Welt? Dieser Frage geht der Autor Rainer Kirsch in seinem Kinderbuch nach. Doch wer jetzt denkt das klingt langweilig, wird überrascht sein, denn der Text steht nicht etwa kleingedruckt und dichtgedrängt auf hunderten Seiten, sondern kommt in Reimform daher. So erläutert der Autor die Meilensteine der Entwicklung mathematischer Strukturen von den ersten Zahlen bis hin zur höheren Mathematik. In einem Nachwort werden dann auch aktuelle Errungenschaften von Mathematiker kurz erläutert. Eine Seite mit Worterklärungen rundet das Ganze ab. Die Illustrationen sind ein kunstvoller Mix aus Zeichnungen und Collagen.

Von einem Buch, das in Reimform mathematische Zusammenhänge aufzeigt, war ich sehr angetan. Hier handelt es sich aber vornehmlich um ein recht langes Gedicht, das die Entwicklung mathematischer Strukturen im Laufe der Zeit aufzeigt. Die Verse erläutern, wie Zahlen entstanden sind, Maßeinheiten, Rechenarten, Geometrie usw. Auch wichtige Personen, denen wir diese Erkenntnisse zu verdanken haben, werden erwähnt. Natürlich kann ein Kinderbuch da keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, es soll eher zeigen, dass Mathematik allgegenwärtig ist. Die Reime sind teilweise witzig, manchmal aber auch etwas holprig, weil das Versmaß nicht ganz passt. Es besteht beim Vorlesen die Gefahr, dass man mal hängenbleibt oder das Ganze zu sehr herunterleiert.

Die Illustrationen waren für mich etwas gewöhnungsbedürftig, aber mittlerweile finde ich sie doch sehr künstlerisch gemacht. Es gibt sehr viel zu entdecken, manches nicht ganz zum Reim passend. Ich könnte mir vorstellen, dass jüngere Kinder sich eher weniger angesprochen fühlen. Für meine Tochter im Grundschulalter war es jedenfalls etwas zu viel. Das Buch empfehle ich eher für größere Kinder und mathematikinteressierte Erwachsene. Sicher auch ein witziges Geschenk für den gymnasialen Mathelehrer.

Bewertung vom 20.11.2021
Schulz, Robin

Rob's Barbecue


sehr gut

Grillen aus Leidenschaft
Der bekannte DJ Robin Schulz grillt mehr als gerne. Es ist seine Leidenschaft. In Rob's Barbecue - Meine besten Rezepte erklärt er zunächst, warum er das Grillen liebt. Die wichtigsten Utensilien für die perfekte Grillausstattung werden ebenso dargestellt wie typische Fehler, die vor und beim Grillen passieren können. Verschiedene Grillarten und Techniken des Grillens, auch das Räuchern werden vorgestellt.

Der Rezeptteil beginnt mit Marinaden, Rubs, Soßen und Dips, die in verschiedenen Gerichten Anwendung finden. Der Hauptteil ist in verschiedene Kategorien eingeteilt wie z.B. Wenige Zutaten, Snacks, Lieblingsgerichte, Für Gäste usw. Auch Süße Grillrezepte sind enthalten. Alle Rezepte haben Angaben zu Zubereitungs-, Grill- und Ruhezeiten, zur Anzahl der Portionen und eine ausführliche Zutaten- und Zubehörliste. Die Anweisungen zur Zubereitung sind in Schritte unterteilt. Beim ein oder anderen Rezept gibt es Rob's Special Tipps. Zwischendurch kann man immer mal wieder etwas über den DJ uns eine Einstellung zum Grillen als Lifestyle lesen. Am Ende findet sich ein Register.

Rob's Barbecue ist ein sehr hochwertiges Buch, das recht edel wirkt mit den teils schwarzen Seiten mit weißer Schrift. Auch die Aufmachung im Buch gefällt mir sehr gut, alles ist verständlich erklärt und mit Bildern verdeutlicht. Zum Beispiel zeigt eine Seite ein Foto mit dem Zubehör, auf der andern wird erklärt, wozu die Gegenstände gebraucht werden. Die Seite zur Auswahl des Grills ist sehr einfach gehalten. Hier hatte ich doch den Eindruck, dass nicht jeder Grill (nicht Smoker) für jedes Rezept gleich gut geeignet ist. Schon allein zum indirekten Grillen sollte er aber einen Deckel haben. Der Rezeptteil ist sehr modern unterteilt und allein die Fotos sind allesamt Hingucker. Auch die Marinaden Soßen und Dips sind vielfältig und lecker. Natürlich gibt es auch einige Beilagen. Hin und wieder hat es mich gewundert, dass es auch Rezepte gibt, bei denen man den Grill nur für die Soße oder auch gar nicht braucht, weil frittiert wird. Manchmal braucht man den Grill auch nur zum Räuchern.

Der Autor weist immer wieder daraufhin, dass er gerne regionale Zutaten nutzt und auch regional kauft, was sehr löblich ist. Bei den teilweise recht exklusiven Fleisch- und Fischsorten sind die Rezepte nicht gerade günstig oder in größerer Menge herzustellen, sondern schon etwas sehr Besonderes. Daneben gibt es jedoch auch Gerichte aus Hack oder Wurst, die preislich machbarer sein dürften. Es ist also für jeden Geldbeutel etwas dabei. Ich muss allerdings gestehen, dass es mir bei manchen Gerichten zu aufwendig ist, dafür den Grill anzuwerfen. Das Buch drückt schon einen gewissen Lifestyle aus, der vielleicht nicht jedem liegt.

Fazit: Wer mal etwas wirklich Besonderes auf seinem Grill zaubern möchte, für den ist das Buch genau das Richtige, wer eh nur Steaks und Bratwürste grillt, braucht es nicht, wobei diese Griller dann die leckeren Soßen und Marinaden verpassen. Wäre schade.

4 Sterne

Bewertung vom 20.11.2021
Farnaby, Simon

Merdyns magische Missgeschicke: Zaubern will gelernt sein! / Merdyn Bd.1


ausgezeichnet

Wer Merdyn nicht kennet, leset ihn
Das Urteil ist gefällt: Sieben Jahre soll Hexenmeister Merdyn für seine Taten im Strom der Verdammnis verbringen. Doch durch die List seines Erzfeindes Jeremiah Jerabo landet er in unserer Gegenwart, genauer gesagt in einem englischen Einkaufszentrum. Vollkommen überfordert von dieser Hölle flieht er in den Wald und trifft dort auf Rosie, die Sängerin werden möchte, sich aber in der Schule blamiert hat und bei der es auch zu Hause gerade gar nicht gut läuft. Sie soll dem Hexenmeister helfen, in seine Zeit zurückzukehren. Doch das möchte Erzfeind Jerabo auf keinen Fall.

Allein die Idee hinter dieser Geschichte und die sehr besonderen Charaktere sorgen dafür, dass hier so einige urkomische und vollkommen verrückte Dinge passieren. Sprechende Meerschweinchen, rappende Hexenmeister und jede Menge Tränke und Zauber mit unglaublicher Wirkung bringen den Leser zum Lachen. Merdyn ist wirklich ein schräger Typ, man kann aber gar nicht anders, als ihn zu mögen, obwohl er mitunter auch sehr arrogant ist. Rosie kann einem wirklich leid tun, sie hat es in der Schule nicht leicht und auch in der Familie interessiert sich gerade niemand wirklich für sie. Alle sind wie betäubt, weil der Vater vor nicht allzu langer Zeit gestorben ist. So enthält die Geschichte auch ernstere Töne. Beide Hauptcharaktere machen im Laufe der Zeit aber eine Entwicklung durch. Voller Sprachwitz erzählt der Autor über Freundschaft, über das, was uns wichtig sein sollte und ein bisschen über die Naturverbundenheit, die uns heute fehlt. Dabei lässt er es sich nicht nehmen, sich auch immer wieder mit Kommentaren und Erklärungen selbst in die Geschichte einzumischen. Sehr lustig ist dabei das kleine Sammelsurium an mittelalterlichen Schimpfwörtern, das man kennenlernt. Die Illustrationen sind witzig und passen super zu dieser skurilen und actionreichen Zeitreise.

Meine Tochter (7) fand das Buch toll und lauschte fasziniert, wenn ich ihr vorgelesen habe. Mit fast 400 Seiten ist das Buch nicht gerade dünn und durch die teils nachempfundene mittelalterliche Sprechweise nicht immer einfach, so dass ich das Buch zum Selberlesen eher ab 10 Jahren empfehle. Ich würde 4,5 Sterne geben, meine Tochter (bei Kinderbüchern maßgeblich) gibt glatte 5. So gehet hin und leset es endlich, ihr Tranfunzeln! Hehe

Bewertung vom 20.11.2021
Mbue, Imbolo

Wie schön wir waren


gut

Konnte ich trotz des interessanten Themas nur wenig fesseln
Vor Jahrzehnten erlaubte die Regierung eines afrikanischen Landes der amerikanischen Ölfirma Pexton das Bohren nach Öl auf dem Land, das seit Generationen den Einwohnern des Dorfes Kosawa gehörte. Die Folgen wiegen schwer: Die Verschmutzung des Wassers und des Bodens durch Lecks an Pipelines und die Verpestung der Luft durch das Abfackeln der Gase machen die Menschen krank, immer wieder Sterben Kinder an den Folgen der Vergiftungen. Versprechungen der Ölfirma, die Lebensituation der Bevölkerung zu verbessern, werden nie eingehalten. So beginnt ein Kampf, der sich hinzieht und in dem alle Hoffnungen in die kluge, in sich gekehrte Thula gesetzt werden.

Das Buch hat mich thematisch sehr angesprochen, da man sich immer wieder vor Augen führen sollte, welche Folgen unser Konsumverhalten für die Bevölkerung und die Umwelt in ärmeren und ärmsten Ländern hat, nicht erst in der Gegenwart, sondern schon seit Jahrhunderten. Ich hatte sehr große Erwartungen an das Buch, welche leider nur zum Teil erfüllt wurden.

Es war sehr interessant etwas über die Denk- und Lebensweise der Menschen von Kosawa zu erfahren, ihre Bräuche, ihren Glauben an den großen Geist, der in jedem Einzelnen wohnt, das Hochhalten der Traditionen, die schon die Ahnen kannten. Schrecklich hingegen auf der anderen Seite die Ölfirma, die sich darum überhaupt nicht schert und aus reiner Profitgier den ganzen Landstrich vergiftet. Ebenso schrecklich das Verhalten der Regierung und eines machthungrigen Anführers, der sich kein bisschen für die Bevölkerung seines Landes interessiert. Imbolo Mbue hat da wirklich einen starken Konflikt als Thema gewählt.

Erzählt wird das Ganze aus Sicht verschiedener Menschen aus Kosawa, oft in ganz einfachen Gedanken und Sätzen. An der ein oder anderen Stelle habe ich mich gefragt, ob die Denkstrukturen wirklich so primitiv oder auch naiv sind. Natürlich führen die Leute im Buch ein sehr einfaches Leben nach alten Traditionen, nur glaube ich schon, dass auch sie die Folgen ihres Handelns besser abschätzen können. Jedenfalls wirkt alles etwas esoterisch, beinahe märchenhaft und ruhig. Emotionen kamen nur selten bis zu mir durch. Wegen der unterschiedlichen Perspektiven wiederholte sich das ein oder andere Detail auch. Zudem gab es viele Zeitsprünge, die Personen greifen in ihren Erzählungen oft mehrmals Ereignisse in ihrer Vergangenheit auf, die für mich das Ganze sehr in die Länge gezogen haben. Sehr schade eigentlich.

Mag sein, dass das beabsichtigt war, um den jahrelangen, ausweglosen Kampf zu verdeutlichen, das nützt aber nichts, wenn ich mich dann stellenweise zum Weiterlesen zwingen muss. Ich habe sehr lang für das Buch gebraucht, weil es mich bedingt durch die Erzählweise einfach nicht sehr gefesselt hat. Erst auf den letzten 100 Seiten wurde es dann etwas besser. Für die Länge der Vorgeschichte kam das Ende für mich dann auch etwas zu kurz. Dennoch nehme ich einiges aus der Geschichte mit, das mein Handeln beeinflussen kann, auch wenn der Traum von einer Welt ohne Macht- und Geldgier wohl ein solcher bleiben wird. Und trotz aller Längen konnte ich so manchen sehr weisen Satz in diesem Buch lesen.

Bewertung vom 20.11.2021
Balzano, Marco

Wenn ich wiederkomme


sehr gut

Was von der Familie übrigbleibt
Weil die Eltern arbeitslos sind und die Familie in Rumänien kaum genug zum Leben hat, verlässt Mutter Daniela eines Nachts ohne Abschied ihre Kinder und ihr Heimatdorf, um in Italien als Pflegekraft in einem Privathaushalt zu arbeiten. Das Geld, das sie sich schwer verdient, schickt sie nach Hause, damit Tochter Angelica studieren und Sohn Manuel in eine gute Schule gehen kann. Als auch der Vater im Ausland eine Arbeit findet, bleiben die beiden allein mit den Großeltern und jede Menge Verantwortung zurück. Das Verlassenwerden durch die Mutter lastet schwer, vor allem auf Manuel und die Kluft zwischen den Familienmitglieder wird immer größer. Dann passiert ein Unfall und Daniela muss entscheiden: Bleiben oder wiederkommen?

Das Thema dieses Romans ist ein hochaktuelles und wichtiges. Auch in Deutschland bedienen wir uns ausländischer Arbeitskräfte, die unsere Alten und Kranken pflegen, weil es hierzulande nicht genügend Personal gibt. Zu selten machen wir uns Gedanken darüber, was mit den Familien, vor allem den Kindern der Mütter passiert, die wir beschäftigen. Wie kommen sie ohne Mutter zurecht? Macht das Geld, das die Mütter schicken ihre Abwesenheit weniger schlimm? Was möchten die Kinder? Mit all diesen Fragen und Gedanken spielt der Autor in seinem Roman und konstruiert ein Einzelschicksal, dass uns aufmerksam macht auf die Probleme, die durch die reicheren Länder in den Familien der ärmeren entstehen.

Mit drei Erzählstimmen, Sohn, Mutter und Tochter, lässt er uns in die Köpfe der Betroffenen schauen. Es gelingt ihm gut, den Schreibstil an die jeweilige Person anzupassen, so dass man sich besser in sie hineinversetzen kann. Die Geschichte liest sich sehr flüssig und ich finde sie auch sehr fesselnd. Was mir allerdings gefehlt hat, sind Emotionen, die mich tief im Innersten berühren, so dass mich das Schicksal trifft, ich länger darüber nachdenke und mich verantwortlich fühle oder den unbändigen Willen verspüre, etwas zu verändern. Dennoch waren vor allem die Eindrücke, die uns Daniela zur Arbeit mit alten, verwirrten und senilen Menschen vermittelt hat, wichtig, um zu zeigen, was all jene täglich leisten, die die Pflege übernehmen, weil sie häufig nur zu gerne übersehen werden. 4 Sterne

Bewertung vom 20.11.2021
Turton, Stuart

Der Tod und das dunkle Meer


ausgezeichnet

Teuflische Verstrickungen auf hoher See
Schon bevor die Saardam, ein Schiff der Ostindienflotte, sich im Jahr 1634 auf den langen Weg von Batavia nach Amsterdam macht, steht die Fahrt unter düsteren Vorzeichen. Ein Aussätziger ohne Zunge verflucht das Schiff und geht in Flammen auf. Trotzdem legt das Schiff auf Geheiß des Generalgouverneurs, der mit seiner Frau Sara und der gemeinsamen Tochter reist, ab. Auch mit an Bord sind der Detektiv Sammy Pipps, den man in Ketten gelegt hat und sein treuer Begleiter Arent Hayes. Schon bald mehren sich mysteriöse Vorkommnisse, die nur dämonischen Ursprungs sein können. Arent und Sara tun sich zusammen, um den Fall zu lösen, bevor sich der Fluch des Aussätzigen erfüllt.

Stuart Turton legt hier einen bildgewaltigen, düsteren Roman vor, der nicht nur Züge eines Kriminalromans trägt, sondern ebenso als historischer Roman oder Mystery durchgeht. Auffällig gut sind seine Beschreibungen der Zustände auf dem Schiff, der rauhen See und der Mannschaft aus Matrosen und Musketieren, die alles andere als vertrauenerweckend wirken. An Bord herrscht zudem das Gesetz des Stärkeren, so dass es auch die ein oder andere brutale Szene gibt. Es gelingt Turton eine bedrohliche Atmosphäre aufzubauen, die einem das Gefühl gibt, mittendrin statt nur dabei zu sein. Auch die Abgehobenheit und Machtgier einiger Charaktere schwingt überall mit.

Personen, die eine Rolle spielen, gibt es nicht wenige, so dauerte es etwas, bis ich einen Überblick über die Beteiligten hatte. Sehr schön war da die Möglichkeit im kleinen Personenverzeichnis nachzuschauen. Doch wenn man erstmal mit den Leuten vertraut ist, stört nichts mehr den Lesegenuss. Ein Plan des Schiffes sorgt dafür, dass man sich auf diesem besser zurechtfindet.

Die Spannung ist mal größer, mal zieht sich die Handlung auch etwas in die Länge, da die Ermittlungen eher schleppend anlaufen. Die Vorkommnisse auf der Saardam sind so mysteriös, dass man sich häufig fragt, ob es auf eine natürliche oder eine übernatürliche Lösung hinausläuft. Gelegenheiten zu kombienieren und mitzurätseln gibt es immer und mit der Zeit wird klar, dass nicht alle das Ziel der Reise erreichen werden. Gegen Ende spitzt sich die Lage immer mehr zu und man fiebert regelrecht dem Showdown entgegen.

Insgesamt waren es die sympathischen Ermittlercharaktere, die düstere Stimmung und das doch überraschende Ende, die das recht umfangreiche Buch zu einem tollen Leseerlebnis gemacht haben. Leseempfehlung und 5 Sterne

Bewertung vom 27.10.2021
Krien, Daniela

Der Brand


ausgezeichnet

Aufgeben oder weitermachen?
Rahel und Peter sind seit fast 25 Jahren verheiratet, haben den Zenit des Lebens schon etwas überschritten, die Kinder sind aus dem Haus. Eigentlich haben sie es sich schön eingerichtet, ihr Dasein. Doch seit einiger Zeit sind sie sich nicht mehr so nah, wie Rahel es sich wünschen würde. Steht ihre Ehe kurz vor dem Aus? Zu allem Überfluss brennt die gebuchte Alpenhütte für den präzise durchgeplanten Urlaub ab. Stattdessen geht es, weil eine Freundin Hilfe braucht, auf einen kleinen Hof in der Uckermarck. Drei Wochen lang nur Peter, Rahel und die Distanz zwischen ihnen.

Daniela Kriens Roman ist kein Spannungs- oder Liebesroman im engsten Sinne. Trotzdem zog es mich schon nach kurzer Zeit vollkommen in das Leben und die Ehe der beiden Protagonisten hinein. Aus der Sicht der doch recht lebenslustigen Psychologin Rahel erfahren wir so einiges, was in der Ehe bisher passiert ist. Oft geht es auch um die Arbeit von Peter, der als Uniprofessor sehr belesen ist und eher der ruhige Typ. Man merkt, dass die Prioriäten bei beiden in der Ehe etwas anders liegen. Dennoch hat man das Gefühl, die beiden verstehen sich und kennen sich in- und auswendig.

Aber es geht nicht nur um die Ehe der beiden, es geht auch um die Familie: ihre Eltern, ihre gemeinsamen Kinder und die Enkelkinder. Es geht darum, was der Mensch braucht, um sich wohlzufühlen, darum, mit der Veränderung und der Zukunft umzugehen, um die heutige Generation, um Treue, auch Sterben ist ein Thema. Daniela Krien hat meiner Meinung nach gut beobachtet und analysiert, denn was sie schreibt ist sehr realistisch und trifft in vielen auch kleinen Facetten genau ins Schwarze. Alles wirkt so alltäglich und realistisch, dass man sich irgendwo wiederfindet. Und dabei sind es die ruhigen Töne, die sie anschlägt, die mir persönlich das Gefühl gegeben haben, ich könnte eine ihrer Figuren sein. Das hat mich sehr fasziniert. Zudem nehme ich die Erkenntnis mit, dass es im Leben einfach so ist, dass manches gut ausgeht und anderes eben nicht. Manchmal haben wir Einfluss darauf und manchmal nicht. Trotzdem sollte man das Beste daraus machen.

Bewertung vom 25.10.2021
Lecoat, Jenny

Die Übersetzerin


sehr gut

Liebe in Zeiten des Krieges
Aus Angst vor den Nazis wanderte die österreichische Jüdin Hedy aus und lebt seitdem auf der Kanalinsel Jersey. Doch als die Deutschen auch diese in Beschlag nehmen sitzt Hedy in der Falle. Um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, bleibt ihr nichts anderes übrig, als eine Stelle als Übersetzerin beim Feind anzunehmen, wo sie stillen Widerstand leistet. So lernt sie auch den jungen Leutnant Kurt kennen und die beiden kommen sich näher. Doch die aufkeimende Liebe bringt nicht nur Hedy in Gefahr.

Die Autorin Jenny Lecoat, deren Großmutter selbst von den Inseln stammt, zeichnet mit ihrem Roman ein eindrucksvolles Bild von der Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg. Natürlich wurden schon unzählige Romane, die im Krieg spielen verfasst, das Schicksal der Kanalinseln und der dort lebenden Bevölkerung war mir bisher jedoch nicht bekannt. Es ist eine Geschichte voller Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Leids, aber auch leisen Widerstands, großer Gefühle und Hoffnung.

Die Gefühle ihrer Protagonisten sind eindrücklich, bewegend und lassen den Leser abtauchen in eine schockierende Zeit, die wir uns heute gar nicht wirklich vorstellen können. Dabei ist Lecoats Schreibstil ruhig, ihre Schilderungen mehr als fair gegenüber allen Beteiligten. Sie zeigt, das, was wichtig ist: Es gibt nicht nur Gut und Böse, es gibt immer etwas dazwischen, das je nach Situation mal zur einen, mal zur anderen Seite tendiert. Da ist der Deutsche Kurt, der eine Jüdin liebt, da ist Hedy die mit vielen Menschen Mitgefühl hat, da sind Deutsche wie Briten, die Menschen schlecht behandeln. Mich hat das nachhaltig beeindruckt.

Auch wenn ich wegen der Beklemmung einige Längen in der Erzählung wahrnahm, ist "Die Übersetzerin" ein wichtiger, wertvoller Roman, vielleicht gerade jetzt, in einer Zeit in der einige wieder verstärkt ihre Einzelinteressen im Vordergrund sehen, anstatt das große Ganze. Daher empfehle ich in gern und vergebe 4 Sterne.

PS: Leider hat - wie ich finde - der Verlag beim deutschen Titel keine gute Arbeit geleistet. Der Originaltitel "Hedy's War" ist sehr viel treffender. Auch das Titelbild passt nicht wirklich.