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Glüxklaus
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Franken

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Insgesamt 628 Bewertungen
Bewertung vom 29.09.2020
Gowda, Shilpi Somaya

Was uns verbindet


sehr gut

Trauer trennt und verbindet: die bewegende Geschichte einer multikulturellen Familie

„Es gibt so viele Arten zu sterben, ohne die Welt tatsächlich zu verlassen: Du kannst ein Stück von dir selbst oder deinen Gefühlen abschneiden. Du kannst aufhören, die Sachen zu machen, die du liebst, oder deine Träume und Ziele aus den Augen verlieren. Du kannst dich von den Menschen lossagen, die dich lieben, oder niemals bereit sein, überhaupt Liebe zu finden. Du kannst dich von der Welt zurückziehen, oder du kannst durchs Leben gehen, ohne irgendetwas zu suchen, das größer ist als du selbst. Manche halten das vielleicht für unterschiedliche Lebensweisen, aber das sind sie nicht. Es sind nur Arten zu sterben.“

Karina Olander ist dreizehn Jahre alt, als eine schreckliche Tragödie, ihre Familie in den Grundfesten erschüttert. Karina, ihr Vater, der amerikanische Banker Keith, ihre Mutter, die aus Indien stammende Diplomatentochter Jaya, versuchen alle, auf ihre eigene Art mit dem Verlust umzugehen und zurück ins Leben zu finden. Doch keiner von ihnen kann alleine wirklich richtig verarbeiten, was geschah.

Die kanadische Autorin Shilpi Somaya Gowda schreibt flüssig, angenehm, klar und präzise. Sie nimmt im Wechsel die Sicht der verschiedenen Familienmitglieder ein, befasst sich allerdings am intensiven und ausführlichsten mit Karinas Situation.

Die Olanders, die Hauptfiguren in „Was uns verbindet“ sind von dem schrecklichen Ereignis schockiert, tief verletzt und zerissen. Sie alle suchen einen Ausweg aus einer zunächst ausweglosen Situation. Die Vergangenheit hat sich tief eingebrannt, ist das, was Karina, Keith und Jaya ausmacht. Während Karina mit niemandem darüber spricht, was sie bewegt und sich nach außen in Schularbeiten und später ihr Studium flüchtet, sucht Mutter Jaya Hilfe in der Spiritualität, in ihrem traditionellen Glauben, und verliert dabei ihre Tochter aus dem Blick. Vater Keith lehnt Jayas Trauerbewältigung ab, kehrt der Familie immer mehr den Rücken zu. Alle Figuren, ihre unterschiedlichen Gefühle und ihr Verhalten wurden für mich sehr nachvollziehbar, plausibel und verständlich dargestellt. Vor allem Karinas Schicksal hat mich emotional sehr berührt, mit ihr habe ich gelitten. Auch wenn es ein Unglück ist, was die drei Charaktere verbindet, schaffen sie es doch zunächst nicht, gemeinsam damit zu leben.

Nichts schmerzt so sehr, wie der Verlust eines geliebten Menschen. Shilpi Somaya Gowda schildert eindringlich, was Trauer für eine Familie bedeuten kann. „Was uns verbindet“ ist die sehr bewegende Geschichte einer Familie, die zunächst getrennt wird, aber für die es am Ende noch eine Chance gibt. Vom Prolog bis hin zum Ende eine runde, stimmige Handlung. Der Schluss hätte allerdings noch ein wenig ausführlicher, etwas differenzierter ausfallen können, wirkte etwas überhastet. Trotz der traurigen Umstände vermittelt der Roman letztendlich doch Optimismus. Auch wenn mancher Schmerz für immer bleibt, die Vergangenheit nicht zurückgelassen werden kann, kommt schließlich doch irgendwann die Zeit, in der es möglich wird, sich dem Erlebten und seinen Schuldgefühlen, zu stellen, wieder ins Leben, in die Gegenwart zurückzukehren und mit neuem Mut in die Zukunft zu blicken. Trauern ist ein langer Prozess, mit dem niemand alleingelassen werden sein sollte, dies wird hier sehr greifbar dargestellt. Authentisch, realistisch, emotional, tieftraurig und deprimierend, aber trotzdem gleichzeitig hoffnungsvoll. Echt lesenswert!

Bewertung vom 29.09.2020
Barns, Anne; Below, Christin-Marie

Hilfe, mein Kater kann sprechen! / Mirella Manusch Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Die vermutlich friedfertigste Vampirin der Welt

Die fast zehnjährige Mirella Manusch kann es nicht fassen. Sie bekommt über Nacht einen neuen Eckzahn, der verdächtig nach einem Vampirzahn aussieht und glaubt zudem plötzlich, ihren Kater Langstrumpf verstehen zu können. Tante Elly und ihrer Mutter weihen sie daraufhin in ein streng gehütetes Familiengeheimnis ein: In der Familie gab es schon öfter Vampire und Mirella scheint wie Tante Elly ebenso eine Vampirin zu sein. Tante Elly zeigt ihr, wie sie sich nachts in eine Fledermaus verwandeln und umherfliegen kann. Mirellas erster nächtlicher Ausflug führt sie in den Zoo und dabei stellt sich heraus, dass sie tatsächlich die Sprache der Tiere beherrscht. Doof nur, dass das Mädchen nicht weitersagen darf, was es von den Tieren erfährt, denn Mirellas Vater, der Tierarzt des Zoos soll unter keinen Umständen wissen, dass Mirella kein normales Mädchen ist.

Christin-Marie Below und Anne Barns schreiben aus der Sicht von Mirella flüssig, gut verständlich und altersgemäß in der ersten Person Singular. Manche Formulierungen waren meinen Kindern und mir allerdings zu „gewollt“ modern. Ausdrücke wie „mega“ mögen vielleicht im Gespräch von Kindern üblich sein, vorgelesen wirken sie allerdings mitunter etwas deplatziert und ein wenig penetrant.

Mirella ist eigentlich ein ängstliches Mädchen, dem Dunkelheit nicht geheuer ist und das sich auch nicht traut, mit seiner besten Freundin Klara im Baumhaus zu übernachten. Ausgerechnet sie wird zur Vampirin. Das ist natürlich eine besonders große Herausforderung. Aber nach und nach fasst Mirella immer mehr Mut. Da sie nur nachts die Tiere verstehen kann und Mirella sehr hilfsbereit und tierlieb ist, bleiben nächtliche Ausflüge natürlich nicht aus. Immer mit von der Partie ist dabei ihr Kater Langstrumpf, ihr tierischer Beschützer. Der kann ganz schön bissig und direkt sein und sorgt für einige amüsante Situationen, vor allem im Streit mit Iggy, Tante Ellys Frettchen. Tante Elly ist für Mirella eine echter Glücksfall: Sie ist ziemlich locker, hat eigene Erfahrungen mit dem Vampirsein und zeigt sich viel gelassener, traut Mirella mehr zu, als ihre Mutter.
Besonders phantasievoll und interessant natürlich die Auftritt der unterschiedlichen Zootiere. Ganz schön viele spezielle Figuren, auf die Mirella trifft. Und dann ist da ja noch ihre beste Freundin Klara, die von den neuesten Entwicklungen keine Ahnung hat..

Vampire sind bösartige, gefährliche Blutsauger? Nicht Mirella, Mirella ist einfach nur nett, erinnert eher an eine unfreiwillige, sehr menschliche Superheldin mit Herz als an eine Gruselgestalt. Natürlich möchte man da wissen, wie sich eine unerfahrene, frischgebackene Vampirin so schlägt, was sie nachts alles erlebt. Ihre Abenteuer sind jedenfalls ziemlich aufregend, die Kabbeleien rund um Langstrumpf und Frettchen Iggy echt komisch. Langweilig wird es mit Mirella definitiv nicht. Das Ende kam für uns leider sehr abrupt, wirkte nicht ganz rund, vermutlich soll hier gleich neugierig auf die Fortsetzung gemacht werden. Trotz kleiner Schwächen ein recht unterhaltsames, lohnendes Kinderbuch mit herzensguter Hauptfigur für Leserinnen ab acht Jahren, zum Vorlesen für Kinder ab sechs geeignet.

Bewertung vom 29.09.2020

Guinness World Records 2021


sehr gut

Geballtes unterhaltsames Angeberwissen

Wer kennt es nicht das Guinness Buch der Rekorde? Ich habe als Kind Stunden damit verbracht, darin zu schmökern und über verschiedenste Bestleistungen zu staunen.
Das Guiness Buch gibt es jetzt auch zum Hören. Auf vier CDs erfährt man von unzähligen Rekorden aus dem Bereichen Sonnensystem, Natur, Tiere, Menschen, Kultur und Gesellschaft, Abenteuer, Technologie, Gaming, Popkultur, Sport und und und. Musik, diverse Soundeffekte und Interviews sorgen dabei für Abwechslung. Außerdem werden die Hörer dazu aufgefordert, selbst aktiv zu werden, sich selbst an konkreten Rekorden wie der Bau einer Dosenpyramide zu versuchen.
Sehr skurril, welche Rekorde alles in diesem einzigartigen Buch verewigt sind: Die „größte Klappe“ eines Menschen, der kleinste Busfahrer, der Vogel, der die meisten Tanzschritte beherrscht, der schwerste Rotkohl oder der längst Tag, den ein Mensch je erlebt hat. Viele Themen sind wirklich sehr unterhaltsam und witzig umgesetzt. Eine Auflistung vieler beeindruckender und gedanklich meist gut nachvollziehbarer Höchstleistungen.

Einige Fakten, wie die über Planeten und das Sonnensystem oder aus dem Bereich Sport werden allerdings recht „trocken“ vermittelt, da blieb bei mir und meinen Kinder recht wenig „hängen“, manche Themen waren uns zu abstrakt und recht schwer vorstellbar.
Bestimmte Kapitel, wie das über medizinische Wunder, sind für Kinder ab sieben Jahre definitiv nicht geeignet, Hauttransplantation z.B. ist ein Thema, das jüngeren Kindern Angst machen könnte. Vielleicht hätte man die „prekäreren“ Themen auf einer extra gekennzeichneten CD zusammenfassen können. Die Altersangabe ab sieben halte ich für das Hörbuch in dieser Form nicht für passend, ich würde eine Altersempfehlung ab 12 Jahren bevorzugen.

Insgesamt trotzdem eine überwiegend unterhaltsame Sammlung voller bedeutender, spannender und vor allem unglaublicher Rekorde. Massenhaft geballtes interessantes Angeberwissen, das sich in Gesprächen gut einsetzen lässt, falls mal Langeweile aufkommen mag.

Bewertung vom 29.09.2020
Dickmann, Nancy

Das Buch mit der Lupe: Mein Körper


sehr gut

Wunderwerk Körper mit einer besonderen Lupe betrachtet

Der Körper ist ein erstaunliches Wunderwerk. Das stellt „Das Buch mit der Lupe- Mein Körper“ auf beeindruckende Weise dar.
Hier erfahren Kinder ab fünf Jahren auf 23 Seiten Wichtiges über Zellen, das Skelett, Knochen und Gelenke, Muskeln, den Blutkreislauf, die Verdauung, die Lunge und die Atmung, Entwicklung von Babys, Abwehrkräfte, das Nervensystem, das Gehirn und die Sinne und erhalten auf der letzten Seite noch Tipps zum Gesundbleiben.
Auf vier Seiten können sie mit einer festinstallierten, verschiebbaren Lupe verschiedene Ausschnitte des Körpers genauer betrachten. Auf der ersten Seite zeigt die Lupe das Herz, die Lunge, das Skelett und die Verdauungsorgane gemeinsam. Auf den weiteren Seiten werden unabhängig voneinander das Skelett des Rumpfes (Wirbelsäule), das Verdauungssystem und das Nervenssystem intensiver einzeln beleuchtet. Es ist nur möglich, kleinere Ausschnitte eines Bildes anzusehen, das gesamte Bild z.B. die Wirbelsäule als Ganzes ist nicht erkennbar. Die Illustrationen sind bewusst sehr schlicht, klar, plakativ und farbenfroh gehalten. Das jeweilige Thema steht im Fokus und wird nicht überlagert von anderen Illustrationen, die ablenken könnten. Fast ein wenig „retro“ wirken die großflächigen, teils gekörnten Bilder, sie erinnern an die 70er Jahre, was ich durchaus ansprechend finde. Kinder haben immer wieder Spaß daran, die Lupe hin und her zu bewegen und einzelne Bildausschnitte genauer zu erkunden, dieser besondere Mechanismus sorgt für Motivation und Abwechslung.

Die Texte sind strukturiert, kurz, verständlich und altersgemäß formuliert. Wie in einem Lexikon finden sich in dem Buch nähere Informationen zu den einzelnen Unterthemen. Das Buch von vorne bis hinten komplett durchzulesen, wird für kleinere Kinder vermutlich ein wenig „trocken“ sein. Die einzelnen Seiten sind sehr übersichtlich gestaltet, Text und Bild stehen in einem ausgewogenen Verhältnis.

Hervorzuheben ist noch die stabile Aufmachung des Buchs, die dicken Pappseiten im DIN A4-Format halten sicher einiges aus. Die Lupenfunktion ist ein toller Effekt, ich hätte mir allerdings noch mehr davon gewünscht und eine bessere, präzisere Handhabung - mitunter hakt die Lupe ein wenig. Insgesamt ein faszinierendes Bildersachbuch zum immer wieder Betrachten, das das Wunderwerk Körper sehr anschaulich näher bringt.

Bewertung vom 28.09.2020
Roslund, Anders

Geburtstagskind / Ewert Grens ermittelt Bd.6


sehr gut

Aufwühlender Skandinavienkrimi um internationale Bandenkriminalität

Zana wird ihren fünften Geburtstag nie vergessen. An diesem Tag wird ihre gesamte Familie zu Hause auf brutalste Weise ermordet. Der Stockholmer Kommissar Ewert Grens ist der erste am Tatort und bringt Zana in Sicherheit. Das Mädchen beginnt unter anderem Namen bei Pflegeeltern ein ganz neues Leben. Fast zwanzig Jahre später wird Ewert Grens in dieselbe Wohnung zu einem ominösen Einbruch ohne Beute gerufen, außerdem verschwinden die Akten zum frühere Fall spurlos aus dem Polizeiarchiv. Irgendjemand scheint nach Zana zu suchen. Anschließend kommt es zu weiteren Morden, die offensichtlich im Zusammenhang mit dem früheren Verbrechen stehen. Der komplexe Fall fordert Ewert auf besondere Weise heraus. Und nicht nur das: Der ehemalige Kriminelle und Aussteiger Piet Hoffman, der undercover für die Polizei arbeitet, bittet Grens zudem um Hilfe, denn seine Familie wird ernstlich bedroht...

Anders Roslund schreibt flüssig, klar und gut verständlich, aus der Sicht von Ermittler Ewert Grens, Piet Hoffman und dem Mädchen Zana. Die verschiedenen Perspektivwechsel sorgen immer wieder für große Spannung und Abwechslung.

Ewert Grens leistet seinen Dienst nicht nur nach Vorschrift ab. Er lebt für seinen Beruf, „beißt“ sich regelrecht an seinen Fällen fest, gibt nicht auf. Auch seine Freizeit verbringt er häufig im Büro, möchte er doch so wenig Zeit wie möglich alleine in seiner großen Wohnung sein. Anders Piet Hoffman mit der prekären Vergangenheit, dem seine Familie über alles geht, und der nun abtauchen muss, um sie zu schützen. Die beiden ungleichen Hauptfiguren kennen sich schon lange und gehen einen hochbrisanten Pakt unter enormen Zeitdruck ein.

„Geburtstagkind“ beginnt mit einem unheimlich starken Prolog, der den Leser fassungslos und schockiert zurücklässt. Erst im Lauf der Geschichte ergeben sich aus den scheinbar unabhängigen folgenden Erzählsträngen Zusammenhänge, die völlig überraschen. Insgesamt logisch und nahezu perfekt konstruiert. Allerdings führt der Roman in eine ganz andere Richtung als anfangs angedeutet. Das schreckliche Einzelschicksal Zanas mündet in einem komplizierten Fall von organisierter Kriminalität, der letztendlich lückenlos aufgeklärt wird. Mir persönlich sind Kriminalromane mit Themen wie Infiltration von Polizei oder internationaler Waffenschmuggel mit zahlreichen weiteren Verwicklungen oft zu komplex. Mich hat der spannende Roman erstaunlicherweise dennoch gepackt, die individuellen Figuren und ihre teils unerwarteten Entwicklungen haben mich überzeugt. Im Mittelteil empfand ich manche Szenen, in denen es z.B. um Bandenkriminalität geht, als ein wenig langatmig und hatte Schwierigkeiten, diese mit voller Aufmerksamkeit zu verfolgen.
Für Fans von skandinavischen Krimis (mit vielen dubiosen Figuren und organisiertem Verbrechen) absolut empfehlenswert. Ich persönlich hoffe allerdings, dass es im nächsten Fall für Ewert Grens etwas „klassischer“ und weniger international verwickelt zugeht, wünsche mir mehr von der beeindruckenden Klarheit des Prologs. Ich bin sicher, das kann Anders Roslund auch.

Bewertung vom 22.09.2020
Till, Jochen

Ein Geschenk der Hölle / Luzifer junior Bd.8


ausgezeichnet

Wenn der Geburtstag zum Höllentrip wird: hochdramatisch, actionreich und dabei teuflisch komisch

Luzie freut sich schon seit Tagen auf seine erste Geburtstagsparty. Doch die Feier bei Onkel Wolfram wird jäh von einer schlimmen Nachricht unterbrochen, noch ehe Luzie sein Geschenk auspacken kann: In der Hölle gibt es einen Aufruhr, Onkel Azrael versucht erneut Luzifer Senior zu stürzen, um die Herrschaft zu übernehmen. Das können Luzie, Lilly, Aaron, Gustav und Cornibus natürlich nicht einfach so geschehen lassen. Also reisen sie in die Unterwelt, um Luzifer zu retten. Der Höllentrip wird diesmal noch gefährlicher, lebensbedrohlicher und dramatischer als alles bisher Dagewesene. So hatte sich Luzie seinen Geburtstag absolut nicht vorgestellt.

Jochen Till schreibt wie immer klar, gut verständlich, flüssig und absolut witzig. Die meiste Zeit nimmt er dabei Luzies Perspektive ein, lediglich der Prolog aus der Hölle stellt einen Dialog zwischen Luzifer und Steven dar. Die Einleitung, in der Luzifer mit diversen Widrigkeiten zu kämpfen hat, diesmal mit Geschenkpapier, ist für uns schon besondere Kult. Kult auch Raimund Freys phantastische Illustrationen, comicartig, ausdrucksstark und urkomisch. Sehr hilfreich für Neueinsteiger ist die Vorstellung der wichtigsten Charaktere am Anfang.

Was für ein Spaß, die Freunde aus St. Fidibus endlich wieder zu treffen! Luzie mit seiner unbeholfenen naiven Art, der eigentlich herzensgut und alles andere als diabolisch böse ist, muss man einfach mögen. Anders seine Zwillingsschwester Lilly, die in der Oberwelt aufgewachsen trotzdem unverkennbar die Tochter ihres Vaters Luzifer ist - vor allem dann, wenn es um Rachegelüste, ihre Unbeherrschtheit und Wutanfälle geht. Der hochintelligente Aaron mit seinen herrlich skurrilen Ticks ist ein ebenso guter Freund wie Gustav. Beide gehen für Luzie sogar -im wahrsten Sinne des Wortes- durch die Hölle. Heimlicher Star ist wie immer der drollige Hausdämon Cornibus mit seinen wunderbar witzigen Versprechern und der genialen Fähigkeit, sich in alles mögliche verwandeln zu können. Die Freunde sind schon eine einzigartiges Team. Immer wieder zum Totlachen auch der ebenso böse wie tollpatschige Luzifer Senior oder der eigentlich völlig unlustige, spröde Lehrer Holzapfel.

Ui, ist dieses neue Abenteuer spannend! Manche Szenen sind derart packend, dass es einem den Atem raubt. Luzie und seine Freunde geraten bis zum überraschenden Ende in mehr als eine extrem brenzlige Situation. Wir haben mit dem armen Luzie, der doch eigentlich nur eine schöne Geburtstagsfeier erleben möchte, ziemlich gelitten. Bei der ganzen Aufregung schafft es Autor Jochen Till trotzdem immer wieder, irre witzige Momente einzubauen: Cornibus drollige Ausdrucksweise, skurrile teuflisch-dämliche Dämonen, wiederholte Diskussionen über die Tragedauer von Unterhosen oder Rettungsaktionen der besonders bizarren Art. Erneut ein bitterböses, total komisches, schräges neues Höllenabenteuer. Für Leser von 8 bis 99 und jüngere Zuhörer ab sechs, die schwarzen Humor mögen und das Leben nicht ganz so ernst nehmen.

Bewertung vom 21.09.2020
Seeburg, Uta

Der falsche Preuße / Offizier Gryszinski Bd.1


sehr gut

Kulturclash 1894 in München: skurriler Krimi mit sehr spezieller Atmosphäre
„Einige der Gaffer hielten mittlerweile sogar Bierkrüge in den Händen. Es gibt wirklich kaum etwas, dachte Gryszinski bei sich, das den Bayern von seiner geliebten Gemütlichkeit abbringt.“
Der Preuße Wilhelm Freiherr von Gryszinski arbeitet 1894 erst seit kurzem in München als Sonderermittler für die Königlich Bayerische Polizeidirektion. Für ihn eine Herausforderung, sich den bayerischen Gepflogenheiten anzupassen. Und auch sein erster Kriminalfall hat es in sich: An der Isar wird ein Toter gefunden, eingehüllt in einen wertvollen Federumhang, daneben der Abdruck eines Elefantenfußes. Schon bald stellt sich heraus, dass die Aufklärung des Mordes über die Landesgrenze hinaus von politischem Interesse ist. Gryszinski muss sich entscheiden, wem seine Loyalität gilt: Bayern oder Preußen?

Dass Uta Seeburg das Schreiben Vergnügen bereitet, ist beim Lesen spürbar. Sie erzählt mit Witz und bringt trocken allerlei Kuriositäten auf den Punkt. Ihr Spiel mit der Sprache sorgt allerdings dafür, dass der Lesefluss mitunter ein wenig ins Stocken gerät, der Sprachstil stellenweise etwas sperrig wirkt. Trotzdem wird dadurch eine spezielle Atmosphäre erzeugt. Fast als würde ein nüchterner Preuße versuchen, sich den bajuwarischen Gepflogenheiten anzupassen...

Seeburgs Charaktere haben großen Unterhaltungswert: Da ist zunächst der sympathische preußische, etwas ungeschickte Ermittler Gryszinski, der stets korrekt ganz nach Vorschrift arbeiten möchte und in der theoretischen Wissenschaft der Kriminalistik bewandert ist. Er erkennt schnell, dass in Bayern die Uhren anders ticken. Seine Begeisterung für regionale kulinarischen Spezialitäten mutet fast bayrisch an. Seine Frau Sophie hat mir ebenfalls gut gefallen, sie hegt leidenschaftliches Interesse für die Literatur und steht ihrem Gatten öfter mit Ratschlägen aus Romanen zur Seite. Immer wieder amüsant auch die Auftritte der unbemerkt schleichenden Haushälterin Frau Brunner.
Der interessanteste Charakter ist wohl ein weiterer Preuße, der Verdächtige Eduard Lemke. Seine Villa sagt alles über den Mann mit der außergewöhnlichen Biographie aus.
Freilich setzt die Autorin allerhand Klischees ein, aber gerade das macht die einzelnen Figuren und bizarren Szenen so amüsant. Auch die Stadt München spielt hier eine besondere Hauptrolle. Gryszinski nennt sie „Kulissenstadt“, „als hätte jemand eine Schneekugel bis zum Rand mit Palästen, Tempeln und ganzen Boulevards vollgestopft“.

Der Mordfall scheint recht unspektakulär. Die Schatten, die der Fall wirft, sind hingegen alles andere als unbedeutend. Da geht es um weit mehr als um einen Todesfall, Verbrechen, Mord von größerem Ausmaß. Spannend, welche Verwicklungen und Zusammenhänge ans Tageslicht gelangen. Gryszinskis moralische Zwickmühle fasst ein Freund für ihn zusammen: „ (,,,) ein furchtbares Paradoxon. Halten sie sich an die die Wahrheit, richten Sie sich nach den urpreußischen Tugenden: Redlichkeit, Ehrlichkeit, Pflichtbewusstsein, Unbestechlichkeit, Gewissenhaftigkeit. Aber wenn sie diesen preußischen Tugenden treu bleiben, verraten Sie Preußen“.
Da fragt man sich als Leser natürlich: Wie wird sich Gryszinski entscheiden? Wem gehört seine Loyalität, Bayern oder Preußen? Und wer ist eigentlich „Der falsche Preuße“?
Wie kurios bayrische und preußische Eigenarten mitunter ausarten, zu welchen bizarren Verrücktheiten Größenwahn und Geld führen können, das ist alles höchst amüsant dargestellt. Und auch die allgegenwärtige Präsenz von bayrischen Köstlichkeiten wirkte auf mich äußerst anregend. Uta Seeburg lebt als Berliner selbst in München. Trotz aller Klischees macht es den Eindruck, als weiß sie, wovon sie schreibt, auch wenn Gryszinskis Fall fiktiv ist und zudem über 100 Jahre zurückliegt. Alles in allem hat mir ihr unterhaltsames, ungewöhnliches Debüt jedenfalls Spaß gemacht.

Bewertung vom 19.09.2020
Roeder, Annette

Das schwarze Schaf


ausgezeichnet

Unkonventioneller Tierkrimi mit verzwicktem Fall und genialem Ermittlerduo

Wo steckt Gutti bloß? Gutti, der Hütehund von Baskeltorp, verschwindet von einem auf den anderen Tag fast spurlos. Texel, das schwarze Schaf des Bauernhofs und Profi im Deduzieren, möchte dringend Näheres über Guttis Verbleib herausfinden. Es fürchtet nämlich, dass sein Freund der Wolf von allen zu Unrecht des Verbrechens verdächtigt und zur Rechenschaft gezogen wird. Glücklicherweise trifft Texel auf den Maulwurf Dr. Winnewurp, der eigentlich nur gemütlich frühstücken will. Doch Texel lässt nicht locker, bis der ihm für die Aufklärung des Falls seine Unterstützung zusagt. Zu Winnewurps Leidwesen ist der Fall alles andere als einfach und unkompliziert...

Beim Vorlesen kommt man kaum zum Durchatmen, so temporeich, „dicht“ und witzig schreibt Annette Roeder. Da muss man sich schon sehr konzentrieren, um alle wichtigen Details mitzubekommen, aber darin liegt gerade der Reiz des Buchs. Kinder ab acht Jahren können die Geschichte vermutlich schon eigenständig lesen, jüngere ab sechs haben beim Vorlesen sicher großen Spaß. Stefanie Jeschkes bunte Illustrationen sehen ausgesprochen drollig und witzig aus. Bei meinen Kindern kamen sie sehr gut an, insbesondere das originelle Daumenkino des kleinen Regenwurms unten. Ein liebevolles, verstecktes Detail, das uns erst später bewusst wurde.

Individuelle, originelle Figuren gibt es viele in Kinderbüchern. Aber Annette Roeders Protagonisten sind schon etwas ganz Besonders, die stechen definitiv hervor. Da ist zunächst Schaf Texel, das sich zwar mit Deduktion prima auskennt, von Gefühlen aber keine Ahnung hat, was es manchmal auch ziemlich forsch und mutig erscheinen lässt. Dafür ist der eher bequeme Maulwurf Dr. Winnewurp Experte in Sachen Empathie. Die beiden erinnern stellenweise an Sherlock Holmes und seinen Assistenten Dr. Watson. Holmes-Fans werden sehr viele Anspielungen auf ihr Idol entdecken. Auch die anderen ungewöhnlichen Charaktere sind erwähnenswert: ein freundlicher Wolf, verliebte Schafszwillingsmädchen, der unscheinbare Hase vom Stall, eine hochherrschaftliche Katze, ein dominanter Hund oder ein durchgedrehtes Schwein, das zuviel vergorenes Obst schnabuliert hat. Eine großartige, absurd-witzige Truppe!

Wo ist denn nun Gutti? Wurde er wirklich entführt? Das spannende Rätsel von Baskeltorp hält die Leser durchgehend in Atem. Ziemlich komplex und ganz schön verzwickt! Da muss man beim Lesen ganz genau aufpassen und darf sich nicht von Vorurteilen leiten lassen, wenn man das Rätsel lösen will. Aber auch „zwischentierlich“ passiert allerhand nebenher. Der ängstliche Winnewurp wird durch den Kontakt zu Texel immer mutiger und Texel lernt Gefühle kennen. Beeindruckend, welche Kräfte Freundschaft alles so freisetzt! Und ebenso beeindruckend, dass Autorin Annette Roeder diese Botschaft ganz beiläufig, subtil und überhaupt nicht plump vermittelt. Ein freches, witziges, unkonventionelles, absolut lesenswertes Detektivabenteuer für alle Tier- und Rätselfreunde.

Bewertung vom 19.09.2020
Tsang, Katie;Tsang, Kevin

Sam Wu - Hat KEINE Angst vor Geistern / Sam Wu Bd.1


ausgezeichnet

Vom erschrockensten Geisterjäger der Welt: einfallsreich, überdreht und total witzig

Nein, Sam Wu hat absolut überhaupt keine Angst vor Geistern. Höchstens ein kleines bisschen Angst vor dem Geisterkönig. Aber vor dem fürchtet sich selbst Sams Lieblingsheld Raumfahrer Jack. Und dass man Respekt vor Raubkatzen und Schlangen hat, ist ja auch nicht weiter ungewöhnlich, findet Sam. Leider halten alle anderen Kinder Sam seit dem Vorfall während des Schulausflugs, der nie wieder erwähnt werden darf, für einen Angsthasen. Das kann Sam nicht auf sich sitzen lassen und beschließt, mit einem treuen tierischen Begleiter ein heldenhaftes Abenteuer zu bestehen, um es allen zu beweisen.

Katie und Kevin Tsang schreiben sehr lebendig und extrem witzig aus Sams Sicht. Als Leser hat man das Gefühl, Sam spricht einen direkt an. Das macht das Ganze sehr interessant und abwechslungsreich, wir haben jedenfalls bei der Lektüre sofort ein besonderer Zugang zu Sam entwickelt. Das Layout des Buchs wirkt auf den ersten Blick recht wild. Im Text werden Wörter immer wieder in unterschiedlicher Schriftart oder fett gedruckt, weitere graphische Elemente wie Ausrufezeichen oder Blitze sind eingefügt, außerdem betonen Pfeile Wichtiges. Schwarze Seiten zeigen, dass es gerade dunkelt ist. Nathan Reeds comicartige Bilder passen sehr gut. Ein bisschen musste ich mich an die scheinbar unstrukturierte Gestaltung des Buchs gewöhnen, doch schließlich empfand ich sie als stimmig, eben genauso wild und aufregend wie Sams Leben. Für Leser ab sieben Jahren ist die besondere Aufmachung von „Sam Wu hat keine Angst vor Geistern“ sicher motivierend. Und auch Kinder ab fünf werden beim Vorlesen an den originellen, klaren und ausdrucksstarken Illustrationen ihre Freude haben.

Sam Wu ist überaus drollig und liebenswert, aber unter uns geschrieben ein ziemlicher Angsthase: er hat extreme Angst vor Geistern- insbesondere vor dem fürchterlichen Geisterkönig- der Katze seiner Schwester Lilly und Schlangen, auch wenn sie ganz klein sind. Sam ist der größte Fan der Fernsehserie Space Blasters, die leider keiner seiner Mitschüler kennt. Das macht ihn für seine Klassenkameraden nicht gerade interessant. Sein Einfallsreichtum, seine Echtheit, seine Phantasie sorgen aber zumindest dafür, dass ihm seine zwei besten Freunden große Sympathie entgegenbringen. Diese sind Zoe, die Größte, und Anton, der Schlauste der Klasse. Und wer will schon mit Ekel Ralf Philip Zinkermann befreundet sein? Sam Wu freut sich lieber darüber, dass er mit Lilly eine unerschrockene, sehr mutige kleine Schwester hat, die ihn notfalls beschützen kann.

Wird Sam Wu allen beweisen können, dass er kein Angsthase ist und überhaupt keine Angst vor Geistern hat? Ziemlich unterhaltsam, nur ganz selten furchterregend und gruselig, aber hauptsächlich wunderbar absurd, abgefahren und lustig, wie Sams normales Leben zum Geisterjägerabenteuer mutiert und dabei eigentlich trotzdem Alltag bleibt. Meinen Kindern hat Sam Wus erstes Abenteuer jedenfalls so gut gefallen, dass wir es in einem Rutsch ohne Pause durchlesen mussten. Für alle, die witzig überdrehte Geschichten lieben und vielleicht auch ein kleines bisschen Angst vor Geistern und allem möglichen anderen haben. Ihr seid nicht allein!