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Aischa

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Insgesamt 576 Bewertungen
Bewertung vom 25.04.2018
Ndjimbi-Tshiende, Olivier

Und wenn Gott schwarz wäre ...


sehr gut

In Bayern dürfte Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende den meisten bekannt sein - nicht unbedingt namentlich, aber als der Zornedinger Geistliche, der in seinem Amt unmenschlichen, rassistischen Anfeindungen ausgesetzt war. Er hatte sich für eine menschlichere Flüchtlingspolitik eingesetzt und löste dadurch eine beispiellose Hetze auf ihn aus, auf deren Höhepunkt er letztlich sein Amt aufgab.
Was mir nicht ganz klar war: Ndjimbi-Tshiende hatte für dieses Buch einen Co-Autor, Christoph Fasel. Dieser hat wohl auch den ersten Teil verfasst, denn dort wird über den afrikanisch-stämmigen Pfarrer in der dritten Person erzählt. Das hat mich anfangs sehr irritiert, da auf dem Cover ja nur er selbst als Autor genannt ist.
Ndjimbi-Tshiende geht nicht direkt auf den Konflikt rund um seine Person ein, das hatte ich so nicht erwartet.
Vielmehr schildert er seine Vision einer zeitgemäßen und dennoch ganz auf dem Evangelium basierenden christlichen Kirche. Einer Kirche, die mit ihrem Reichtum die Armut auf der Erde bekämpft, einer Kirche ohne den Zwang des Zölibats, einer Kirche, die auch weibliche Priester zulässt und natürlich auch: einer Kirche, sie sich aktiv gegen Rassismus einsetzt.
Ich habe diese Forderungen nicht nur gerne gelesen (es ist alles auch für Laien sehr verständlich formuliert), sondern kann auch als Muslima nahezu alle Wünsche aus ganzem Herzen unterstützen.
Möge das Buch viele Leser finden und die darin enthaltenen Vorschläge auch in der Amtskirche auf offene Ohren und Herzen stoßen!

Bewertung vom 23.04.2018
Couillez, Gabrielle C. J.

Die Rückkehr der Störche


gut

Das Buch hat es mir anfangs nicht leicht gemacht. Weniger wegen der zahlreichen wörtlichen Reden im badischen bzw. fränkischen Dialekt - im Gegenteil, das wirkt sehr authentisch und erfrischend auf mich. Aber die ersten Kapitel sind voller Längen und Wiederholungen: Wilhelm unterstützt nicht nur seine verarmte und dem Alkohol verfallene Mutter, sondern auch seinen älteren Bruder Karl immer wieder finanziell. Er fühlt sich so sehr für das Wohl der Familie verantwortlich, dass er seine eigene Leidenschaft für die Naturwissenschaften hintenan stellt und nach der Drechslerlehre zunächst zum Militär geht.
Seite um Seite lesen zu müssen, wie Wilhelm ausgenutzt wird und leidet hat es mir sehr schwer gemacht, den Roman zu genießen. Aber mein Durchhaltevermögen wurde belohnt: Denn im letzten Drittel nimmt die Geschichte deutlich an Fahrt auf. Ein verständnisvoller Vorgesetzter ermöglicht Wilhelm das Studium. Er kann auf abenteuerliche Forschungsreise durch Europa gehen und lernt echte Freundschaft kennen. Nur mit der Liebe hat er weiterhin kein Glück.
Autorin Couillez hat für den vorliegenden Roman umfangreich recherchiert, das merkt man unter anderem an den zahlreichen fundierten Details zu Zeitgeschehen, gesellschaftlichen Verhältnissen und Kultur. Die Sprache ist anspruchsvoll und unterhaltsam zugleich.
Ich bin sehr gespannt auf die Fortsetzung und vergebe 3,5 Sterne.

Bewertung vom 23.04.2018
Löschner, Antonia

Alltagsperlen (eBook, ePUB)


gut

Das kleine Büchlein habe ich innerhalb von zwei Tagen durchgelesen. Es wird aber nicht im Bücherregal verstauben, sondern mich sicher immer mal wieder durch den Tag begleiten - mit seinem kleinen Format passt es praktisch in jede Handtasche.
Kurzgeschichten und kleine Gedichte wechseln sich ab. Thema der Lyrik ist in der Regel die Natur: Wald, Wasser oder Wind. Im Fokus der Kurzgeschichten stehen Menschen, die an einem Umbruch in ihrem Leben stehen, die Schuldgefühle haben, verloren geglaubte Talente wieder entdecken oder endlich die Sprachlosigkeit innerhalb der eigenen Familie beenden möchten.
Autorin Antonia Löschner ist promovierte Ethnologin und arbeitet als Mediatorin und Lebensberaterin. Dies erklärt vielleicht, wieso in vielen der Kurzgeschichten der überaus deutliche Ratschlag auftaucht: "Wenn du psychische Probleme hast, dann hol dir professionelle Hilfe." Dies ist ohne Zweifel sachlich richtig und gut gemeint; für meinen Geschmack kam diese Aufforderung zu wiederholt. Auch die auktoriale Erzählperspektive fand ich bei manchen Geschichten nicht passend; ich muss nicht jede Handlung, jede einzelne Gefühlsregung der Protagonisten aufs genaueste erklärt bekommen, ich möchte als Leser auch etwas gefordert werden.
Dennoch lesen sich die kleinen Geschichten aus dem Alltag recht kurzweilig. Sie sind gut geeignet, um das eigene Verhalten zu reflektieren und Anstösse für Diskussionen zu bieten.
Noch besser haben mir allerdings die Gedichte gefallen, hier trifft der Titel "Alltagsperlen" wirklich zu. Löschner schafft es mit wenigen Zeilen Naturszenen so zu schildern, dass man völlig in die beschriebenen Szenerie eintauchen kann. Ich konnte für einen Moment alles um mich herum vergessen und die Schönheit der Natur war - selbst an der U-Bahnhaltestelle inmitten der Großstadt - zum Greifen nah.
Mein Fazit: Passable Kurzgeschichten und wundervolle Poesie, Literatur für Zwischendurch, die zum Nachdenken anregt.

Bewertung vom 27.03.2018
Niven, Larry;Pournelle, Jerry

Komet - Der Einschlag


sehr gut

Die Geschichte wurde seit Ersterscheinung von "Lucifers Hammer" (so der Titel des amerikanischen Originals) in zahlreichen Varianten erzählt: Ein Komet rast auf die Erde zu und droht unseren Planeten zu vernichten.
Aber das Autorenteam Niven-Pournell zeichnet nicht nur reißende Weltuntergangsszenarien à la Roland Emmerich, sondern zeigt auf großartige, spannende Weise, wie es durch die Katastrophe zum Untergang der Zivilisation kommt und wie unterschiedlich die Überlebenden damit umgehen.
Anfangs braucht der Leser ein wenig Durchhaltevermögen, da sehr viele Charaktere in die Geschichte eingeführt werden. Die Liste der handelnden Personen ist sehr hilfreich dabei, den Überblick zu behalten, ich habe hier oft nachgeschlagen. Aber man wird für die Geduld belohnt. Die Autoren zeichnen die verschiedenen Charaktere sehr gut, auch wird viel Wert auf zahlreiche Details gelegt, die der Absturz des Kometen zur Folge hat. (Wetter, Klima, Gesellschaft, Regierung, Kommunikation, Flucht u.v.m.)
Der Mantikore-Verlag legte den Klassiker in neuer Übersetzung auf. Einerseits sehr löblich, das Buch gehört in jedes gut sortierte Regal. Andererseits ist es gerade die Übersetzung, die mich dazu gebracht hat, bei meiner Bewertung einen Stern abzuziehen. Es gibt einfach einige Fehler, die einem guten Übersetzer nicht passieren sollten. So lässt etwa "Buffalo Chips" den deutschen Leser eher an einen kalorienreichen Snack denken und weniger an "getrockneten Büffelmist", der zum Heizen verwendet wurde. Schade, der Roman hätte eine Top-Übersetzung verdient!
Dennoch: sehr lesenswert, auch noch über 40 Jahre nach Ersterscheinung!

Bewertung vom 27.03.2018
Lüdders, Kai

Mutwille


sehr gut

Kai Lüdders legt mit seinem Erstlingsroman einen dystopischen Politthriller vor, der in naher Zukunft spielt.
Zentrales Thema ist die Gesundheitspolitik, es geht um Lobbyismus der Pharmaindustrie wie auch Manipulation der und durch die Medien. Intrigen, Machtmissbrauch und Rache einzelner Mächtiger zeichnen ein erschreckendes Bild davon, wie bröckelig Demokratie und Rechtsstaat sein können.
Die beschriebene Bedrohung wächst in meinen Augen noch dadurch, dass die meisten Szenerien durchaus realistisch erscheinen.
Der Spannungsbogen wird geschickt aufgebaut und auf hohem Niveau gehalten, die Geschichte gewinnt durch einen völlig überraschenden Twist zum Ende erneut an Fahrt.
Die Sprache ist einerseits sehr bildhaft und hat mir dadurch gut gefallen; ich finde, der Roman eignet sich auch für eine Verfilmung.
Andererseits gibt es leider zahlreiche Grammatik- und Rechtsschreibfehler, die meinen Lesegenuss so sehr getrübt haben, dass ich einen Punkt abziehe.
(Anmerkung: Laut Autor sollen diese Fehler in der kommenden, zweiten Auflage bereinigt sein.)

Bewertung vom 27.03.2018
Reiners, Marie

Frauen, die Bärbel heißen


gut

Ich kann mich nicht erinnern, bei einem Krimi schon einmal derart viel gelacht zu haben wie bei diesem.
Protagonistin Bärbel ist aber auch eine schräge Figur: Die 54jährige Tierpräparatorin lebt seit dem Selbstmord ihrer Eltern ein äußerst zurückgezogenes Leben. Ihre Freizeit verbringt sie überwiegend mit Mischlingshündin Frieda und dem Zusehen bei Verkaufssendungen auf Teleshopping-Kanälen. Sie ernährt sich fast ausschließlich von Milch und Fleisch, hat kein Internet und ihre Sozialkontakte beschränken sich auf ein absolutes Minimum.
Liebhaber rabenschwarzen Humors kommen in diesem Roman voll auf ihre Kosten, es geht teilweise recht derb zur Sache. Ein besonderer Glücksfall für das Hörbuch ist Katja Riemann, die als Sprecherin Ich-Erzählerin Bärbel optimal verkörpert, ich habe ihr jeden - noch so skurrilen - Gedankengang abgenommen.
Der Roman besticht weniger durch die Kriminalgeschichte an sich, als vielmehr durch die (fast durchweg weiblichen) Figuren. Diese sind - alle auf ihre eigene Weise - sehr extreme Charaktere, eigenartig und auch sehr eigenwillig.
Marie Reiners (bislang als Drehbuchautorin sehr erfolgreich) gelingt mit ihrem ersten Roman ein großartiges Psychogramm der gestörten Bärbel; vor allem ihre Versuche, mit anderen Menschen klar zu kommen, nachdem sie so plötzlich aus der selbstgewählten Isolation gerissen wurde, sind für mich gut nachvollziehbar.
Leider konnte sich meine Begeisterung nach dem ersten Drittel der Geschichte nicht halten. Im weiteren Verlauf gibt es leider einige unnötige Längen, und ich ertappte mich mehrfach, dass ich nicht mehr so konzentriert zuhören konnte. Über acht Stunden Hörzeit sind aber auch eine Herausforderung, eine Kürzung hätte der Story gut getan. Dennoch gute Unterhaltung, dreieinhalb Sterne!

Bewertung vom 22.03.2018
Marly, Michelle

Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.5


sehr gut

Der Roman erzählt die Entstehungsgeschichte des wohl bekanntesten Parfums der Welt, Chanel No 5.
Wir begleiten die Selfmade-Millionärin Gabrielle "Coco" Chanel, erfahren nach einem kurzen Rückblick in ihre von Armut geprägte Kindheit, wie sie trotz immensen Erfolgs ihres Modeimperiums in die Pariser Gesellschaft aufgrund ihrer nicht standesgemäßen Herkunft stigmatisiert blieb. Marly konzentriert sich in ihrer Geschichte auf die kurze Zeit von 1919 - 1922, vom Tod Cocos großer Liebe Arthur "Boy" Capel bis zur Herstellung des berühmten Parfums, das sie als Hommage an ihre Liebe zu ihm entwickelte.
Der Leser lernt unterschiedlichste Facetten Cocos kennen, sie wird als ehrgeizige und disziplinierte Geschäftsfrau mit kreativen Ideen fürs Marketing beschrieben, ihre Verletzlichkeit und ihre zahlreichen Liebschaften zeigen andere Seiten ihres Charakters.
Der Roman ist reich an unterhaltsamen Anekdoten, nicht immer ist klar, was real war und was eher aus dem reichen Schatz der Legenden stammt, die Coco fleißig erfunden und immer weiter ausgeschmückt hat. Aber das ist auch nicht nötig, schließlich ist das Buch mehr Liebesroman denn Biografie.
Ein Anhang zu den wichtigsten im Roman vorkommenden realen Persönlichkeiten ist eine schöne Ergänzung.
Ich habe die Geschichte gerne gelesen, sie hat mir für mich bis dato unbekannte Seiten der prominenten Modeschöpferin näher gebracht.

Bewertung vom 22.03.2018
Wingate, Lisa

Libellenschwestern


ausgezeichnet

Was für ein Roman! Was für eine Geschichte, nein - was für eine brutale, erschreckende, grausame Realität!
Denn die Geschichte, die Lisa Wingate in wunderbarer Weise erzählt, ist leider keine reine Fiktion, sondern basiert auf Tatsachen. Georgia Tann und ihre Tennessee Children´s Home Society haben zwischen 1920 und 1950 geschätzte 5.000 Babies und Kinder verkauft. Viele waren keine Waisenkinder, sondern sind zuvor von Geburtsstationen der Krankenhäuser oder aus Hinterhöfen entführt worden. Regelrechter Menschenhandel also, und das in den USA bis Mitte des 20. Jahrhunderts!
Der Roman verbindet zwei Handlungsstränge, einmal zu der Zeit, als die unfassbaren Machenschaften der Adoptionsvermittlung passierten, und dann in der Jetztzeit, als die Protagonistin Avery sich auf Spurensuche in die Vergangenheit begibt und ein Familiengeheimnis zu Tage bringt, das mit den Adoptionen zusammen hängt.
Die Story ist sehr vielschichtig, es geht um unmenschliche Verbrechen, aber auch darum, was eine Kinderseele auszuhalten vermag. Es geht um familiäre Verbundenheit, Geschwisterliebe und die Fragen, was zu einer glücklichen Kindheit gehört und ob es auch angebracht sein kann, seiner Familie nicht immer alles zu verraten.
Die Autorin beherrscht das Spiel mit leisen Tönen, es wird vieles nur angedeutet, die Spannung manchmal durch Weglassen statt durch ein zu Viel an Details erzeugt. Und doch lässt sie uns tief in die Gefühle der kleinen und großen Protagonisten eintauchen, so tief, dass mir das Auftauchen schwer viel. Denn es ist nicht angenehm, sich am Ende nicht mit einem "ist ja bloß eine Geschichte" zurücklehnen zu können. Nein, es ist schwere Kost, die sich hinter dem zarten Einband mit der filigranen Libelle verbirgt. Nicht leicht zu verdauen, aber es bleibt die Hoffnung, dass dieser Roman noch viele weitere Leser erreicht, Leser, die das Buch nicht einfach zur Seite legen, sondern die Geschichte weiter erzählen. Denn ein Recht haben die Kinder von damals sicher: Das Recht, nicht einfach vergessen zu werden!

Bewertung vom 22.03.2018
Weisz, Lea

Die Bärenführerin


weniger gut

Eines gleich vorweg: Dies ist der erste Teil einer Reihe. Wer das vorliegende Buch als eigenständigen Roman lesen möchte, wird wohl nach dem abrupten Ende mit sehr vielen unbeantworteten Fragen da stehen. Zumindest ging es mir so.
Aber zurück zum Anfang: Die Erzählung liest sich recht flüssig, die kurzen Kapitel sind handwerklich gut geschrieben. Einziger Kritikpunkt hier: Es finden sich manchmal Formulierungen in den Dialogen, die Mitte des 14. Jahrhunderts noch nicht gebräuchlich gewesen sein dürften. Aber darüber kann man sicherlich hinwegsehen, die Geschichte soll ja in erster Linie unterhalten. Allerdings habe ich aufgrund des Klappentextes etwas komplett anderes erwartet, als ich dann zwischen den Buchdeckeln entdeckt habe. Die Handlung spielt zwar im Mittelalter, aber die Charaktere könnten auch ohne allzu große Änderungen in die Jetztzeit übertragen werden. Vom mittelalterlichen Alltag erfährt man als Leser nur wenig. Für meinen Geschmack zu wenig, ich würde das Buch auch weniger als Historienroman denn als Märchen für Erwachsene einordnen. Und das ist mein zweiter großer Kritikpunkt: Lea Weisz kann zwar gut schreiben, die Sprache ist bildhaft und sie versteht es durchaus, Spannung aufzubauen. Aber dieser Roman enthält für mich zu viel unrealistische Fiktion. Ich möchte mir bei einem Historienroman zumindest vorstellen können, dass sich alles so zugetragen haben könnte. Und das ist hier einfach nicht der Fall. Auf Agnes`besondere Verbundenheit zu Tieren wird ja auf dem Buchrücken hingewiesen, aber dass sie mal eben zu einem ihr völlig fremden Löwen in den Käfig steigt, ihn füttert und am Bauch krault, das ist mir einfach zu viel. Es gäbe mehr Beispiele dieser Art, aber ich möchte nicht unnötig spoilern.
Dennoch, wer die Geschichte eher märchenhaft auffasst, eine LIebesgeschichte mit Spannung und Dramatik mag und gerne Reihen liest wird sicher auf seine Kosten kommen.