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Urte Köhler

Bewertungen

Insgesamt 78 Bewertungen
Bewertung vom 16.07.2020
Willkommen im Flanagans / Das Hotel unserer Träume Bd.1 (eBook, ePUB)
Hellberg, Åsa

Willkommen im Flanagans / Das Hotel unserer Träume Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Asa Hellberg zu lesen ist immer wieder ein Vergnügen. Ihre Charaktere sind lebensnah und echt, nicht gefangen in Klischees oder veralteten Wertvorstellungen. Sie stehen mit beiden Beinen im Leben und wachsen mit und an ihren Aufgaben.
Das Erzähltempo ist zunächst gemächlich und teilweise lahm, nimmt nach Zweidritteln aber gewaltig an Fahrt auf und entwickelt sich zum Pageturner, der den Leser davon abhält, auf die Uhr zu sehen.
Der interessierte Leser sollte jedoch nicht von dem Cover auf den Inhalt schließen. Die fade Blondine auf dem Titel kann unmöglich die tatkräftige und entschlossene Linda in der Geschichte sein. Diese sieht gut aus und alle Blicke richten sich auf sie, wenn sie auftaucht. Das Blondchen vom Titelbild würde von dem fiesen Laurence zermalmt werden.

Wir habe es hier mit einer Hotelgeschichte zu tun, in der sich allerlei Skandale, Probleme und Widrigkeiten ergeben. Gesellschaftliche Kritik findet nur am Rande Gehör, wie Frauen in Führungspositionen, Rassismus und Fremdgehen quer durch die Betten. Ebenso die Dekadenz des britischen Hochadels klingt nur leise an. Genauso leise wie das Leben von Bediensteten der unteren Schichten.

Die verschiedenen Handlungsstränge werden alle mehr oder weniger geschickt aufgelöst, das Böse bekommt, was es verdient und die Liebe bleibt nicht auf der Strecke.
Insgesamt wünschte ich mir manchmal etwas mehr emotionale Nähe zu den Charakteren, die gelegentlich ziemlich unnahbar herüberkommen. Das liegt sicher auch daran, dass einige Szenen besser in realer Handlung erzählt worden wären, statt das Ergebnis daraus dem Leser in einem kurzen Dialog mit einer anderen Person mitzuteilen. Das erhöht zwar kurzfristig die Spannung, doch nimmt es viel Dramatik aus der Geschichte heraus. Das ist schade.

Insgesamt eine lohnenswerte Lektüre, die gegen Ende einen Wohlfühlfaktor aufweisen kann und das ist doch immer wieder ein Genuss.

Bewertung vom 22.06.2020
City of Girls (eBook, ePUB)
Gilbert, Elizabeth

City of Girls (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Schon die literarische Umsetzung des Stoffes, nämlich den gesamten Roman als einen Brief an die Tochter eines ihr nahestehenden Verstorbenen zu schreiben, ist selten. So entsteht für die Heldin der Geschichte die Möglichkeit, das Geschehen aus der eigenen Sicht aber mit einem gewaltigen Abstand zu betrachten. Das ermöglicht psychologische Erkenntnisse auf das eigene Verhalten und die Analyse der eigenen Person.
In ihren jungen Jahren steht die Heldin Vivian gewissermaßen neben sich und schildert ihre Erlebnisse als eigene Beobachtungen. Sie ist meistens nicht mittendrin im Geschehen. Damit nimmt sie genau die gleiche Perspektive wie der Leser ein, dem es damit möglich wird mit der Heldin zu verschmelzen.
Später im Buch verschiebt sich die Perspektive vom Neben-sich-Stehen hin zur Persönlichkeitsanalyse und dem Verstehen des eigenen Handelns. Vivian lernt ihr Handeln zu verstehen, in dem sie durch ihre Lebenserfahrung reifer geworden ist. Sie findet ihren Platz im Leben, ihre Aufgabe, ihre Freunde und den Menschen, der ihr alles bedeuten wird. Die Gespräche mit diesem Menschen werden am Ende des Buches das zentrale Thema und die Leitspur für Vivian, ihr Leben und sich selbst zu ergründen.

Die Facetten der unterschiedlichen Menschen, die Vivians Lebensweg kreuzen und mehr oder weniger stark beeinflussen sind vielfältig. Alle wundervoll gezeichnet und so lebensnah, dass ihre einzelnen Schicksale die Ergänzung zu Vivians Leben darstellen und damit das Gesamtbild abrunden, dass der Leser am Ende der Lektüre vom Leben der Vivian Morris erhält.
Als fiele jedes Puzzleteil an seinen Platz, hat der Leser auf der letzten Seite das Gefühl, eine eigenwillige, etwas sperrige aber auch durch das Leben geläuterte Frau kennengelernt zu haben.
Eine Frau, die es lohnt kennenzulernen und sei es nur, um ihre Fähigkeit, das Leben zu meistern zu bewundern.

Manch Leser wird nicht immer einverstanden sein mit gewissen Zügellosigkeiten und dem endlosen Partyleben im New York von 1940. Der Ziel- und Ehrgeizlosigkeit, der Haltlosigkeit und der bodenlosen Naivität der Heldin.
Doch sind diese Monate der Auslöser für einen skandalösen Fehler, der sie mit Macht in eine Realität katapultiert, die sie lernt anzunehmen um ihr neues Leben darauf aufzubauen und am Ende als gestandene Erwachsene ihr Alter zu genießen.

Bewertung vom 11.06.2020
Unter den Linden 6 (eBook, ePUB)
Kaiser, Ann-Sophie

Unter den Linden 6 (eBook, ePUB)


weniger gut

Drei bildungshungrige, junge Frauen suchen im Berlin der Zwanziger Jahre ihren Weg. Obwohl alle drei sich zunächst fremd sind, freunden sie sich an, weil sie alle das erklärte Ziel haben, als Frau in den Genuss von Bildung zu kommen.
Die sehr verschiedenen Frauen bringen unterschiedliche gesellschaftliche und bildungstechnische Voraussetzungen mit.
Lise hat einen Uni-Abschluss in Physik und will in Berlin an der Uni weiterstudieren.
Hedwig ist verheiratet, erschleicht sich aber ein Semester an der Uni.
Anni arbeitet als Dienstmädchen, ist aber lernbegierig und extrem neugierig.
Alle drei geraten in den Sog des bildungspolitischen Wandels Berlins um 1910. Ganz unterschiedlich sind ihre Erlebnisse und ihr Umgang mit den Herren der Schöpfung, die sich zunächst vehement gegen Frauenbildung wehren.
Aber alle lassen sich nicht unterkriegen.
Der Schreibstil des Romans ist sehr erzählerisch, zuweilen langatmig und es dauert viele Seiten, bis die Handlung gravierend weitergebracht wird. Dann wird die Erzählung straffer, kommt aber über eine gewisse Langeweile nicht heraus, die sich aus den vielen Nebensächlichkeiten die Charaktere betreffend ergeben.
Die Frauen an sich haben unterschiedlich viel Biss und Temperament. Sie stecken die bisweilen diskriminierenden Bemerkungen und gesetzlichen Regelungen zwar weg, man hat als Leser jedoch nicht den Eindruck, das es ihnen besonders nahe geht. Das Kämpferische fehlt an so vielen Stellen. Vielfach ist wohlwollendes Handeln seitens freundlicher Männer vorteilhafter als aufsässiges Verhalten der Protagonistinnen.
Insgesamt hat mir das Buch mäßig gefallen. Da es aber mit interessanten Details und Wissensergänzungen zum Thema Radioaktivität aufwartet und historische Personen auftreten, kann der geneigte Leser etwas lernen.
Wer nach einem eher epischen Lesevergnügen sucht, das nebenbei gesellschaftspolitische Themen streift, ist mit diesem Roman gut bedacht.
Wer allerdings den Fokus auf Frauenrechte und den Kampf um Frauenbildung legt, wird von den drei Heldinnen enttäuscht werden.

Bewertung vom 28.04.2020
Kann Gelato Sünde sein? (eBook, ePUB)
Hennig, Tessa

Kann Gelato Sünde sein? (eBook, ePUB)


weniger gut

Auf den ersten Blick würde diese Frage doch jeder mit NEIN beantworten. Doch in dem Roman gibt es dazu verschiedene Auffassungen. Ob ehrlich oder nicht, das darf der geneigte Leser herausfinden.
Ich war nach der Lektüre des Klappentextes sehr von der Idee angetan, alten Leuten das Sterben zu verbieten, ihnen Kuchen zu verbieten und dafür Sport zu verordnen. Neugierig auf die Umsetzung des Themas geworden, habe ich die Lektüre des leicht-lockeren Romans begonnen.
Nun sollte man Büchern die Gelegenheit geben, zu offenbaren, was in ihnen steckt. Darauf habe ich hier lange gewartet, denn das so witzig angelegte Thema wabert an der Oberfläche und entwickelt nicht wirklich lustigen Tiefgang. Es dient im Grunde nur der Verschleierung von persönlichen Problemen einer Figur.
Die Protagonisten und alle anderen Figuren bleiben bis auf die Mutter der Heldin farblos und langweilig. Sie haben zwar einen Haufen Probleme zu bewältigen, die aber nicht tief gehen und keinen Einfluss auf das weitere Leben der Figuren haben.
Die Sprache ist flüssig lesbar, lässt aber witzige Formulierungen vermissen, die der Plot eigentlich hergegeben hätte. Eine gute Portion Sarkasmus hätte der Geschichte nicht geschadet und hätte mit Sicherheit viele Lacher provoziert.
Einen Spannungsbogen habe ich ebenfalls vermisst, wobei es immerhin gelungen ist, so etwas Ähnliches wie ein dramatisches Ende zu schaffen. Das verpufft allerdings und verliert sich am Ende. Insofern hört die Story auch nur auf, ohne ein wirkliches Ende zu haben.
Derjenige Leser, der anspruchslos-oberflächliche Unterhaltung ohne Tiefgang sucht, ist hier an der richtigen Adresse.
Ich bin etwas enttäuscht, dass dieser wundervolle Plot so schwach ausgearbeitet worden ist.

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Bewertung vom 26.03.2020
Rendezvous in zehn Jahren
Pinnow, Judith

Rendezvous in zehn Jahren


ausgezeichnet

Hätte ich fünf Daumen an jeder Hand, würde ich sie alle hochstrecken, um diesem Roman zu versichern, er ist wundervoll.
Einfühlsam, aber auch ein wenig schnodderig in manchen Ausdrücken der Helden schildert die Autorin eine faszinierende Idee wie sich zwei Fremde nicht mehr aus dem Kopf kriegen, sich aber erst in zehn Jahren wieder treffen wollen.
Das dauert beiden zu lange. Eine Suche beginnt.
Dieses Suchen und es begleitende Lebensumstände werden dem Leser als gelebter Alltag nahe gebracht. In einer leichten Sprache, die den Leser in das Geschehen hineinzieht und ihn mit fiebern lässt, wird das Buch zu einem Pageturner, den man in zwei Tagen durchgelesen hat.
Bewundernswert ist das Verhalten der Helden, die sich ihren Weg zueinander nicht verbauen lassen und letztlich sich Gott sei Dank nicht gezwungen sehen, auch durch schwerwiegende Veränderungen, von ihrer Liebe abzuweichen.
Dieser Roman ist eine Hommage an die Liebe und was sie alles möglich macht. Keine fragwürdigen Zweifel - so nach dem Motto: ich bin einmal enttäuscht worden und muss mein Leben lang allein bleiben, weil eine zweite Enttäuschung nicht auszuhalten wäre - quälen die Helden, sie sehen die Liebe und ihr eigenes Wohlbefinden in der Nähe des anderen. Es werden keine Probleme geschaffen, um Dramatik zu erzeugen, sondern es werden Lösungen gesucht und gefunden.
Wenn jemand auf der Suche nach einem Roman ist, der ohne Umwege und nervtötendes Hinhalten, die Liebe als Ziel vor Augen hat, der sollte unbedingt zu diesem Buch greifen.

Bewertung vom 14.03.2020
Die Kleider der Frauen
Lester, Natasha

Die Kleider der Frauen


ausgezeichnet

Als ich diesen Roman angefangen habe zu lesen, war das Ende das letzte, womit ich gerechnet habe und ich bin sehr begeistert von diesem unvorhergesehenen Handlungsverlauf. Ein Roman, über den ich nach Ende der letzten Zeile noch tagelang nachgedacht und mich gefreut habe, auf ihn gestoßen zu sein.
Die Figuren sind wunderbar gezeichnet und von einer so beeindruckenden Charakterstärke, dass man sich veranlasst sieht, über den eigenen Umgang mit den Unbilden des Lebens nachzudenken. Manch einer kann sich davon eine dicke Scheibe abschneiden.
Furchtlos und stets das Ziel vor Augen kämpfen die Figuren um den eigenen Erfolg und für ihr ganz privates Lebensglück. Es gilt Umwege zu nehmen, häufig auch mal einige Schritte zurückzugehen, aber immer stetig dem Ziel entgegen.
Freunde sind dabei unerlässlich. Und sie erweisen sich als echte Freunde, die in jeder Lebenssituation zusammenstehen, einander auffangen und unterstützen. Jeder zieht Nutzen aus dem Anderen und kann sich vollständig auf ihn verlassen.
Familie ist ein weiterer Baustein dieses Romans, der im Leben der Protagonisten wichtig ist. Sie wird als lebensnotwendige Basis angesehen, die aber gleichzeitig aus Menschen bestehen kann, die anderen Mitgliedern das Leben zur Hölle gemacht hat. Der Umgang damit ist eine weitere Aufgabe, der sich die Figuren stellen müssen. Und das in Vergangenheit und Gegenwart, denn es gibt zwei Handlungsstränge, die durch die Heldin Estella verbunden sind.
Das die Liebe in einem solchen Gesellschaftsroman nicht fehlen darf, versteht sich beinahe von selbst. Die Helden treffen in dieser wundervollen Geschichte auf den zweiten Teil ihrer selbst, den Teil, der sie ganz werden lässt. Das das Leben aber manchmal richtig dazwischen kommen kann mit all seiner Tragik, Hoffnung und Zweifeln, das bleibt den Figuren nicht erspart und macht den Roman zu einer spannenden Geschichte.
Das Buch abends vor dem Einschlafen auf den Nachttisch zu legen wird zu einer Vernunftfrage. Weiterlesen und den folgenden Tag nicht so wirklich auf die Reihe zu bekommen oder schlafen und sich vor Ungeduld unruhig im Bett zu wälzen. Auf jeden Fall lässt diese Geschichte einen nicht mehr los.

Bewertung vom 06.03.2020
Zu wahr, um schön zu sein
Engelmann, Gabriella

Zu wahr, um schön zu sein


gut

Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn dieser kurzweilige, unterhaltsame Frauenroman nicht so voller Sarkasmus stecken würde, dass der geneigte Leser nicht wirklich Zugang zu der Heldin Caro finden kann.
Was die gute Frau ab dem Tag ihrer Silberhochzeit so alles erleben muss, ist schon starker Tobak und normalerweise steckt Frau solche Dinge nicht mal so eben weg, als wäre nur eine Blumenvase der Ming-Dynastie zerschellt.
Die gute Caro wird ohne ihr Zutun in ihr Schicksal katapultiert und hat jetzt bitte schön das Beste daraus zu machen und das soll ihr durch handfesten Sarkasmus gelingen. Tut es aber nicht, denn der Leser weiß nicht wirklich wie es um ihr Gefühlsleben bestellt ist und was sich in ihrem Inneren abspielt. Sicher, sie hat Weinkrämpfe und ruft die beste Freundin um Hilfe, aber von wirklicher Trauer ist hier keine Spur. Caro tut locker und lässig, als wäre es völlig normal am 25. Hochzeitstag zu erfahren, dass der Ehemann… . Ihr Verhalten danach wirkt wenig 'echt' und auch ihr Umfeld steckt diese Info eher locker weg.
Was dann einsetzt, wenn Caro ihr Leben wieder 'entdeckt' erinnert mich streckenweise an einen schlechten Roman, der unter Klischees erstickt und an das verhalten verliebter Teenager erinnert. Ich meine Caro ist eine gestandene Frau von Mitte 40 mit entsprechend Lebenserfahrung (nehmen wir mal an, denn in 40 Jahren geschieht schon eine Menge) und die soll sich die Nacht um die Ohren schlagen, weil sie nicht weiß, was sie zu ihren ersten Date anziehen soll? Ehrlich? In dem Alter zu glauben, dass das Aussehen eine ausschlaggebende Rolle spielt, ist naiv. Entweder der andere nimmt mich so, wie ich bin oder er lässt es bleiben. Wenn nur das Aussehen den Ausschlag gibt, dann hat die gute Caro aber eine ganze Menge nicht gelernt.
Das Ende ist ziemlich typisch für Romane von Gabriella Engelmann. Wer andere von ihr gelesen hat, wird wissen wie es läuft.
Ich hätte es schöner gefunden, wenn die Heldin den Leser mehr an sich heran gelassen hätte. Der Sarkasmus verhindert letztlich auch, dass Caro einen Reifungsprozess durchläuft. Das Leben geht einfach weiter (fast so wie vorher) und einige Veränderungen, die sich ergeben haben sind eben normal und nicht zwangsläufig durch den Big Bäng am Silberhochzeitstag bedingt.

Bewertung vom 23.02.2020
Das Geheimnis von Ray's Rock / Silberflut Bd.1
Falkner, Alex

Das Geheimnis von Ray's Rock / Silberflut Bd.1


ausgezeichnet

Ein wundervolles Abenteuerbuch. Anders lässt sich diese schöne und aufregende Geschichte über Freundschaft, Unterstützung, Hilfe und Teamwork nicht beschreiben. Nach einem merkwürdigen Naturphänomen plötzlich auf sich allein gestellt, ist eine Schülergruppe gezwungen auf einer Insel mitten im Meer zu überleben.
Zunächst hocherfreut, ohne "blöde" Erwachsene zu sein, schlägt dieses sehr schnell in Ernüchterung um, als die Realität sie mit hoher Geschwindigkeit einholt. Survival ist angesagt und die Schüler müssen sich zusammenraufen. Was gar nicht so einfach ist, denn ein Mädchen hat schwere Probleme, die sie zur Einzelgängerin werden lassen. Tough aber unzugänglich zeigt sie Charakter und weiß die Dinge zu nehmen.
Die anderen lernen ihren Kopf einzusetzen, greifen auf ihr Wissen zurück und warten in schwierigen Situationen mit guten Lösungen auf. Der Gruppenzusammenhalt wächst, auch wenn es Zeiten gibt, wo sie sich gegenseitig auf die Nerven gehen und Streit in der Luft liegt.
Die vielen Rückschläge, die die Kinder in der Geschichte erleben und gezwungen sind hinzunehmen, verleiht viel Spannung und lässt den Leser am Buch haften.
Die Charaktere kommen lebensecht rüber und meistern die ihnen auferlegten Schwierigkeiten auf beeindruckende Weise.
Wunderbar in dem Zusammenhang ist das komplette Fehlen von Strom und Netzempfang. Die Kinder müssen begreifen, ohne diese Segnungen auszukommen. Die zwangsläufige Rückführung auf das "einfache Leben" bringt sie in einen Überlebensmodus, der ihnen zeigt, dass es nach wie vor ein schwieriges, aber machbares Leben außerhalb der Zivilisation gibt.
Sehr empfehlenswert, da Freundschaft und Teamwork der hohe Wert beigemessen wird, den er trotz Digitalisierung und Pseudogemeinschaft von Social Media immer noch hat.

Bewertung vom 12.02.2020
Goodbye, Bukarest
Seeberger, Astrid

Goodbye, Bukarest


sehr gut

Als ich begann diesen Roman zu lesen, fand ich mich in einer erzählten Welt wieder, die es versteht, den Leser in diese Welt hineinzuziehen. Eine dichte Erzählweise lässt den Leser in einer gefühlsgeladenen Stimmung zurück, die ihn zwangsläufig über das Gelesene nachdenken lässt.
Dabei gerät der eigentliche rote Faden manchmal aus dem Fokus, nämlich die Suche nach dem Onkel, der angeblich gestorben sein soll. Erste Spuren aus dem Nachlass der Mutter geben den Weg vor, den die hartnäckige Tochter einschlagen wird, weil sie nie geglaubt hat, dass ihr Onkel damals gestorben ist.
Auf ihrer Suche trifft die Tochter auf Menschen und deren Lebensschicksale, die alle mehr oder weniger mit dem Onkel zusammenhängen und die das Leben und Schicksal des Onkels beschreiben.
Diese Lebensschicksale sind ergreifend, bewegend, meist bedrückend, aber immer voller Hoffnung und von dem Willen zu überleben gekennzeichnet. Es findet sich immer ein Weg, immer ist jemand da, der hilft und das Wenige Eigene teilt.
Starke familiäre, freundschaftliche aber auch sexuell begründete Bindungen zwischen den Protagonisten zeichnen ein Bild gegenseitiger Abhängigkeiten und Annäherungen. Dabei sind Musik und Kunst der Kitt zwischen den Menschen. Aus diesen kulturellen Dingen ziehen alle Halt und finden ihre Bestimmung im Leben.

Goodbye Bukarest ist ein ergreifender, stimmungsvoller, streckenweise beklemmender Roman, der dem Leser deutlich vor Augen führt, wozu Hoffnung fähig ist und dass diese der größte Anker im Leben des Menschen ist.

Bewertung vom 06.02.2020
Hilfe, ich habe meinen Bruder im Internet getauscht!
Simmons, Jo

Hilfe, ich habe meinen Bruder im Internet getauscht!


ausgezeichnet

Die Idee, unliebsame Geschwister einfach gegen ein perfektes Wunschmodell eintauschen zu können ist wunderbar und durch das Internet 'machbar/vorstellbar' geworden; das heißt, dass es eine Plattform gibt, die es theoretisch möglich machen würde. (All die hinderlichen rechtlichen/moralischen/ethischen Probleme, die sich ergeben, lassen wir hier man in der Versenkung liegen.)
Ein nervtötendes Geschwisterkind loszuwerden, ist für manch einen gekränkten Bruder/Schwester der Himmel auf Erden. Doch sollte man vorsichtig sein, mit dem, was man sich wünscht. Es könnte sein, dass man es bekommt und dann auf einmal nicht mehr haben will. So, wie es unserem Helden Jonny ergeht. Die Austauschgeschwister erweisen sich als unbrauchbar, weil ihre Eigenarten (hier überzeichnet dargestellte Klischees) Probleme aufwerfen, die ungewohnt sind. Erst langsam dringt bei Jonny durch, dass das Gewohnte vielleicht blöd ist, aber immerhin weiß man, woran man ist. Und das ist ein ganz großer Unterschied. Zu wissen, woran man ist, bringt Sicherheit und das ist für viele Kinder der Anker schlechthin.
Die Geschichte ist gut ausgedacht und spannend gehalten bis zum Schluss.
Themen, wie Internetsicherheit (nicht alles anklicken, was auf dem Bildschirm hochpoppt), Geschwisterliebe, Angst überwinden und Freunden helfen werden in die Handlung eingebaut und als wichtige Elemente des kindlichen Lebens betont.
Es gibt jedoch zwei Dinge, die ich gerne kritisch anmerken möchte:
Jonnys Mutter ist so dämlich, dass ein Leser mit gesundem Menschenverstand den Eindruck bekommt, ihr sollte die Erziehungsberechtigung entzogen werden. Wie sie mit dem Verschwinden ihres älteren Sohnes umgeht ist äußerst fragwürdig und sonst tritt sie nur als vergessliche Person in Erscheinung, die entweder arbeitet, irgendwo im Haus herumläuft oder schläft.
Es ist klar, das im Rahmen solcher Abenteuergeschichten die Eltern immer Randfiguren bleiben und vieles nicht mitkriegen dürfen, damit die Geschichte funktioniert, aber in diesem Fall ist meiner Meinung nach die Grenze des Ahnungslosen weit (!) überschritten worden.
Dann noch ein Wort zu den Illustrationen:
Sie sind witzig und modern gezeichnet und ein klein wenig verrückt, wie die Story selber. Doch leider stimmen Handlung und Bilder nicht immer überein. So z. B. hat Jonny einen Laptop, in der Illustration aber einen Desktop-PC.
Empfehlenswert, wie auch die folgenden Anmerkungen meiner Tochter (10Jahre) aufzeigen:

Wenn ich das Buch beschreiben müsste, wäre es: `Die heutige Jugend`. Das, was die Figuren in diesem Buch tun, würden die Leute von früher noch nicht einmal in Betracht ziehen, aber es passt für die heutige Generation perfekt.
Man kann sich auch sehr gut in jeden der Charaktere hineinversetzen und zwar so, dass man auch wie sie fühlt.
Der Titel zieht einen magisch an, dass man nicht an dem Buch vorbei gehen kann, ohne dass man das Buch in die Hand nimmt oder in das Buch hineinliest oder es glatt mitnimmt. Man kann dem Sog des Buches einfach nicht Endflüchten. Man kann nicht mehr auf hören zu lesen sobald man angefangen hat . Es ist quasi an den Fingern festgeklebt.