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Glückliche
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Sachsen

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Insgesamt 95 Bewertungen
Bewertung vom 22.10.2023
Das achte Haus
Segtnan, Linda

Das achte Haus


gut

Kann man nach 60 Jahren einen Mord aufklären?

Der Titel des Buches hat mit dem Inhalt nur wenig gemein. Nur an einer Stelle geht es um das Kar-tenlegen und dort spielt das achte Haus eine Rolle.

Das Buch dokumentiert die aufwändigen Untersuchungen der Autorin, Linda Segtnan, zum Mord an einem neunjährigen Mädchen im Jahr 1948, der niemals aufgeklärt wurde.

Während ihrer Recherche ist die Autorin selbst mit einem Mädchen schwanger.
Im Folgenden vermischen sich die Berichte über den Fortgang ihrer Nachforschungen mit der Schil-derung ihres eigenen Lebens mit ihrem Ehrmann und dem erstgeborenen Jungen.
Diese Einblicke in ihre persönlichen Gefühle und Gedanken nehmen zeitweilig einen sehr großen Raum ein, der mich irritierte und mein Verständnis für ihre Recherche erschwerte. Hinzu kommt, dass die Autorin ziemlich spirituell veranlagt ist und mich diese Ausflüge ins Mystische eher abstie-ßen.

Leider hat mich die Handlung nicht so in ihren Bann gezogen, wie ich es mir gewünscht hätte. Zu sehr verwoben sich beide Erzählstränge und zu detailliert schilderte die Autorin ihr Privatleben.

Resümierend schätze ich ein, dass die Autorin ihre Recherche über einen längeren Zeitraum sehr aufwendig und akribisch betrieben hat. Sie hat tatsächlich auch neue Aspekte eingebracht, die in den früheren Ermittlungen nicht berücksichtigt wurden. Die Vermischung mit der Beschreibung ihres Privatlebens behindert jedoch das eigentliche Anliegen des Buches.

Bewertung vom 07.10.2023
Ach herrje!
Godau, Angelika;Aldenhoven, Axel

Ach herrje!


ausgezeichnet

Ach herrje - Ein Roman über das Alter und seine Tücken, mit Herzblut und Witz geschrieben

Das Cover lässt auf ein romantisches Abenteuer eines betagten Pärchens schließen. Doch weit gefehlt. Das Buch behandelt ein ernstes Thema, das Altern, in einer gut verpackten Erzählung.
Es geht um Jupp, fast 90, ehemals Arzt und schwer krank, und um Maggie, seine demente 84-jährige Ehefrau.

Um dem immer schwerer zu bewältigenden Alltag und dem weiteren Verfall zu entgehen, beschließt Jupp, mit seiner Maggie im alten Porsche, seiner „Prinzessin“, eine letzte Reise nach Amsterdam zu unternehmen.

Was den beiden bei dieser Unternehmung alles widerfährt, muss man selber lesen. Es ist unterhaltsam, komisch und es macht nachdenklich.

Auf sehr nachvollziehbare Art und Weise wird der Lesende mit den Bildern einer fortschreitenden Demenz konfrontiert. Das ist nicht immer angenehm. Auch das Thema, wie und ob die erwachsenen Kinder willens und bereit sind, sich um ihre Eltern zu kümmern, findet im Buch Beachtung.

Ich habe das Buch interessiert gelesen, es hat mich gut unterhalten und mich sehr betroffen zurückgelassen. Dafür bin ich dankbar, kann man doch vor den Fragen Alter und Krankheit nicht einfach die Augen verschließen.

Da der Inhalt dennoch optimistisch und komisch daherkommt, gebe ich überzeugte fünf Sterne und kann es nur wärmstens empfehlen.

Bewertung vom 04.10.2023
Und Sie sind also der Künstler?
Bill, Simon

Und Sie sind also der Künstler?


sehr gut

Spagat zwischen Roman und Fachliteratur

Wir lernen einen nicht mehr ganz jungen Künstler kennen, der es im Leben noch zu nichts gebracht hat. Er hangelt sich so durchs Leben.
Durch einen Freund bekommt er den Tipp, dass in einem Institut eine Stelle für einen Künstler angeboten wird. Durch glückliche Umstände erhält er den Zuschlag und arbeitet fortan in einem Institut, das sich der Neurowissenschaft verschrieben hat. Seine Aufgabe ist es, die Patienten zu künstlerischen Aktivitäten anzuregen.

Leider ist der Künstler ziemlich unstetig, hat keine Struktur in seinem Leben und die Stelle aus purer Geldnot angenommen.

Während der Leser die Patienten kennenlernt, erfährt er mehr über deren besondere Krankheiten und ganz viel über das Gehirn und seine Bestandteile, über deren Funktionen und Leistungsfähigkeit.

Das ist das Besondere an diesem Buch: die Verbindung von Romanhandlung und fachlichen Erläuterungen. Dieser Spagat zwischen den zwei Genres ist einigermaßen gelungen. Allerdings hat mir zum Teil der rote Faden gefehlt. Auch war mir der Künstler nicht sympathisch. Über das Leben eines Künstlers oder über moderne Kunst erfährt man nur am Rande. Gefallen hat mir beim Lesen der ab und an durchblitzende trockene Humor des Autors.

Im Verlauf der Handlung macht der Künstler eine gewisse positive Entwicklung durch und ich habe viel über das menschliche Gehirn gelernt. Insofern betrachte ich den Roman als Bereicherung.

Bewertung vom 17.09.2023
Die Regeln des Spiels
Whitehead, Colson

Die Regeln des Spiels


ausgezeichnet

Ein Sittenbild vom Harlem der Siebziger - hervorragend beschrieben

Ein Buch wie eine Wucht, wie ein Gemälde. Ein Abbild der Zustände im New York der Siebziger Jahre. Gewalt, Niedergang, Rassismus sind an der Tagesordnung.

In diesem Umfeld lernen wir Ray Carney kennen. Ihn und seine Frau Elizabeth sowie seine beiden Kinder May und John. Um an Karten für ein Konzert der Jackson Five zu kommen - d e r Herzenswunsch seiner Tochter - rutscht der seit vier Jahren „saubere“ Möbelhändler wieder in dunkle Geschäfte, die er neben seiner Tätigkeit als Geschäftsmann tätigt.

Im Folgenden treiben korrupte, gewalttätige Cops, Schläger und dunkle Gestalten ihr Unwesen. Wir erfahren, was Rassismus heißt und wie klug man als Schwarzer Mensch im Amerika der Siebziger sein muss, um zu überleben.

Collin Whitehead beschreibt das so klar, dass man die Menschen und die Gebäude, die Straßen und die Stimmung sehr lebhaft nachempfinden kann. Ein Bild des Verfalls, der Verarmung, der Verzweiflung. Die Schwarzen Menschen werden immer weiter aus dem Zentrum verdrängt, Häuser werden entmietet, verfallen und werden angezündet. So entsteht Platz für neue Häuser und bessere Wohngebiete für die mehr verdienenden Weißen.

Obwohl das alles scheinbar eher abschreckt, versteht es der Autor doch, auch dem Menschlichen eine Sprache zu geben. Wir erleben Liebe, Harmonie und Beständigkeit in dieser unruhigen Zeit. Und auch ein leichter, eher subtiler Humor kommt nicht zu kurz. Ich verspürte beim Lesen der Geschichte neben Entsetzen und Abwehr auch eine Wärme, die mir ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

So auch, wenn ich von Pepper las, einem einfachen, körperlich aber starken Mann. Ein Gangster mit viel Kraft, nicht der höchsten Intelligenz, aber mit einem starken Gerechtigkeitsgefühl und einem guten Herz. Er redet nicht viel, er macht. Pepper hat bereits mit dem Vater von Ray gelegentlich zusammengearbeitet. Inzwischen ist er eine Art Familienmitglied der Familie Carney.
Über die Freundschaft von Carney und Pepper und die Sache, die sie gemeinsam untersuchen, zu lesen, war für mich große Unterhaltung. Ich habe viel über diese Zeit und die Umstände erfahren.

Es ist ein geniales Buch von betörender Klarheit, welches das Harlem der siebziger Jahre anhand persönlicher Ereignisse und Schicksale wundervoll begreifbar macht. Ich bin von der Handlung an sich und dem überragenden Schreibstil von Colson Whitehead restlos begeistert. Gern würde ich mehr als fünf Sterne vergeben.

Bewertung vom 07.09.2023
Herr Tschie und ich
Koch, Jens Olaf

Herr Tschie und ich


ausgezeichnet

Sensationell! Wissen zu sprachbasierter KI erwerben und riesigen Spaß dabei haben - Erfahrungen mit ChatGPT

Ja, ich hatte von ChatGPT gehört. Und ja, ich habe ein Buch gelesen, das Kurzgeschichten enthält, die von KI (gemeinsam mit Menschen!) verfasst wurden. Aber viel mehr wusste ich nicht. Mir fiel nur auf, dass ich in ganz verschiedenen Zusammenhängen immer mal wieder von ChatGPT hörte.

Und jetzt dieses klasse Buch, geschrieben von einem IT-versierten, sprachbegabten und wissbegierigen Autor, der mit Tatendrang und Entdeckerfreude daran geht, mit der künstlichen Intelligenz, ChatGPT, zu kommunizieren und dabei ihre Fähigkeiten auszutesten.
Zur Vereinfachung erhält die Software den Namen Herr Tschie verpasst und dann geht es auch schon los.

Immer neue Aufgaben ersinnt der Autor für Herrn Tschie. Gebannt und gut kann ich als Leser der Kommunikation zwischen dem Menschen und der Maschine folgen. Aus den vielen Versuchen und Anläufen des Autors, wenn die gestellte Frage eine Antwort bringt, die nicht in die gewünschte Richtung geht, konnte ich ersehen, wie wichtig es ist, die Software (ein wenig) zu kennen und die Fragen und Aufträge richtig zu formulieren.

Ein Höhepunkt war für mich die „Zusammenarbeit“ der beiden am Entstehen eines „Neuen Zauberlehrlings“, das auf dem Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe basiert und modernen Inhalt (IT-Nerd als Zauberlehrling und die KI als Besen) enthält.

Das Buch hat mir viele Erkenntnisse offenbart. Ich erhielt ein tieferes Verständnis einer sprachbasierten KI. Ich erlebte, was man mit ChatGPT anfangen kann und wie sie den Menschen von lästigen Routinearbeiten entlasten kann. Und ich lernte, was sie (noch) nicht kann und wann sie beginnt, zu fabulieren. Ich lernte mehr über die ethischen Grundsätze, die ChatGPT den Rahmen setzen. Und schließlich: ich hatte unendlichen Spaß beim Verfolgen der Bemühungen des Autors, wenn er „in Aktion“ mit Herrn Tschie war.

Ich bin nicht mehr berufstätig. Dennoch betrachte ich es als wichtig, mehr über sprachbasierte Systeme zu wissen. In Zeiten, in denen diese und andere solcher Anwendungen um sich greifen und im Alltag Einzug halten, sollte man über die Möglichkeiten und Grenzen solcher Produkte informiert sein. Dafür ist dieses Buch bestens geeignet. Ich empfehle die Lektüre all jenen, die ChatGPT näher kennenlernen und dabei noch Spaß haben wollen.

Bewertung vom 29.08.2023
Die Farbe der Sprachlosigkeit
Antelmann, Corinna

Die Farbe der Sprachlosigkeit


sehr gut

Im Roman von Corinna Antelmann dreht sich alles um Angst. Es geht um die Angst der Heldin Dana vor dem Versagen im Beruf und im Folgenden dann um die Angst vor einer schweren Krankheit. Sie entdeckt eine Hautveränderung, geht zum Arzt und gerät durch die bevorstehende Untersuchung total aus dem Gleichgewicht.

In dem Buch, das allein schon durch den Titel und ein interessant gestaltetes Cover auf sich aufmerksam macht, begleiten wir die Heldin, eine eher erfolglose Autorin von Fernsehserien, durch ihre Hölle der Angst. Die Angst hat bei ihr eine Farbe und die Angst macht sie sprachlos. Dieser Zustand ist hervorragend beschrieben.

Für mich war es neu, so an den Verwirrungen eines anderen Menschen teilzuhaben. Die Ausmaße ihrer Befürchtungen nahmen schon beachtliche Züge an.

Das Ende der Geschichte über Dana, über das ich hier nicht näher berichten möchte, hat mich versöhnt und mir den Glauben zurückgegeben, dass der Mensch stark ist und seine Ängste überwinden kann.

Bewertung vom 25.08.2023
Tochterland (eBook, ePUB)
Mateescu, Mike

Tochterland (eBook, ePUB)


sehr gut

Eine Fiktion über politische Entwicklungen in der Schweiz, geschichtsträchtig verpackt

Der Roman von Mike Mateescu handelt in der Schweiz. Er ist aus meiner Sicht eine Mischung aus Geschichte, Politik, Reiseführer und Action.

Mir fiel es nicht leicht, in die Geschichte hinein zu finden, zu abstrus erschienen mir die ersten Abschnitte. Die Handlung kam dann doch noch in Fahrt und nahm an Tempo zu, sie wurde interessant und unterhaltsam.

Bundesagent Glarus Greif, der positive Held der Geschichte, erscheint mir schon als eine Art James-Bond-Verschnitt, da ihm gefühlt Nichts etwas anhaben kann. Er besiegt alle Widersacher und überlebt einen Absturz mit dem Auto nur mit einigen Kratzern. Ihm steht bei seinen Abenteuern eine Journalistin, Franka Feist, zur Seite, die nach meinem Empfinden ein wandelndes Geschichtslexikon ist und über ähnliche Stehauf-Qualitäten wie Greif verfügt.

Die Geschicke der Schweiz hängen am Ende nur noch von den beiden ab. Das Finale wird dann noch richtig spannend und führt, wer hätte es gedacht, zu einem erfolgreichen Abschluss der Rettungsaktion.

Das Buch enthält viel Sachkunde, viel Brisanz und viel Bezug zu den politischen Verhältnissen. Was da gekungelt, getrickst und manipuliert wird, ist an der Tagesordnung. Wie die Presse missbraucht wird bzw. eifrig mit trickst, passiert nicht nur in diesem Buch. Auch in anderen Ländern gibt es Abspaltungsinteressen bzw. Abgrenzungsbestreben.
Vieles an dem Buch hat mich zum Nachdenken angeregt. Danke dafür.

Bewertung vom 14.08.2023
Der lila Seeteufel / Eliza Roth-Schild Bd.2
Huwyler, Marcel

Der lila Seeteufel / Eliza Roth-Schild Bd.2


ausgezeichnet

Ermittlungen auf die etwas andere Art

Eliza Roth-Schild, kürzlich verwitwet, muss nun für ihr Auskommen selbst sorgen und hat sich auf Wirtschafts-Ermittlungen spezialisiert. Sie beschafft ihren Auftraggebern auf diskrete Art und Weise die gewünschten Informationen.

Dieses Mal soll sie aufklären, auf welche Art und Weise der künftige Schwiegersohn eines schwerreichen Abwasser-Unternehmers so viel Geld verdient. Ihr dabei über die Schulter zu schauen, ist äußerst unterhaltsam und sehr erheiternd. Gewitzt und nie um gute Ideen verlegen, findet sie befähigte Unterstützer und löst den kniffligen Fall mit ganzem Körpereinsatz.

Mir hat die Situationskomik sehr gefallen. Auch der Einfluss des Schweizer Dialekts bzw. vom Schwyzerdütsch in den Konversationen waren einfach großartig. Eliza selbst ist eine liebenswerte Person, die stets selbstkritisch, aber couragiert und mit viel Phantasie ans Werk geht.

Nebenbei erfahren wir, wem ihre Liebe gehört und lernen ihren Mitbewohner und dessen aktuelle Liebesverwicklungen kennen.

Mord, Totschlag und Blutvergießen braucht man nicht zu befürchten. Dennoch ist die Auflösung ihres Falles spannend und weist mehrere interessante Wendungen auf.

Insgesamt ein Buch, das mich prima unterhalten hat und viel zu schnell endete. Ich freue mich auf weitere Aufträge, die Eliza erhält und an deren Lösung ich teilhaben kann. Ich kann das Buch aus vollem Herzen empfehlen.

Bewertung vom 31.07.2023
Die Frau im Trauerkleid
Simon, Stefan

Die Frau im Trauerkleid


gut

Seelenvoller Wechsel zwischen Realität und Phantasie

Das Buch „Die Frau im Trauerkleid“ enthält eine sehr spezielle Erzählung und zwei Kurzgeschichten.
Die Schreibweise des Autors ist von langsamer, ruhiger Art. Ich brauchte einige Seiten, um mich auf die Erzählung einlassen zu können. Alles im Buch erschien mir morbid, vergehend, tragisch.

So will der Erzähler während der Corona-Zeit sein Leben in Italien beenden. Dort durchlebt er in seinen Gefühlen und Gedanken eine Symbiose von Wirklichkeit und Phantasie. Durch verschiedene Ereignisse und Umstände wendet sich der Mann von seinem Vorhaben ab und trifft am Ende die Frau im Trauerkleid. Dieses Ende erscheint mir als eine Art Hoffnungsschweif am Firmament.

Die im Buch des Weiteren enthaltene erste Kurzgeschichte überzeichnet die Begrenzungen der Menschen während der Corona-Epidemie sehr grotesk. Es gibt selbst innerfamiliär keine körperlichen Kontakte mehr. Als die Hauptperson dagegen aufbegehrt und die Mauern und Glaswände einreißt, wird sie durch die Staatsmacht daran gehindert.

Die zweite Kurzgeschichte beschreibt die Erinnerungen eines Filmvorführers an frühere Zeiten. Der alte Mann wird im längst geschlossenen Kinosaal später leblos aufgefunden.

Man merkt den Geschichten den Einfluss der Kontakt-Beschränkungen während der Corona-Pandemie auf die Menschen an. Über allem liegt eine große Melancholie. Sie sind mit viel Gefühl geschrieben. Gedichte sind sehr passend in den Text eingeflochten.
Dennoch haben diese Geschichten mein Herz nicht erreicht. Eventuell lese ich sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.