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Benutzername: 
hasirasi2
Wohnort: 
Dresden

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Insgesamt 1215 Bewertungen
Bewertung vom 16.02.2025
Haus der Geister
Goldammer, Frank

Haus der Geister


ausgezeichnet

Geisterstunde

„Ich weiß, was er gesehen hat, meine Herren. Er sah einen Geist!“ (S. 17)
Als im August 1881 ein Kommerzienrat während einer Séance an einem Herzinfarkt stirbt, sollen Kriminalrat Gustav Heller und Kriminalassistent Adelbert Schrumm den Tod untersuchen. Die Villa, in der es passiert ist, steht in einem verwilderten Garten und hat eindeutig schon bessere Zeiten gesehen, genau wie die Besitzerin Frau Blumfeld, die behauptet, ein Medium zu sein. Heller glaubt ihr keine Sekunde, aber weil Medizinalrat Löbbers den Herztod bestätigt, müssen sie den Fall ein stellen. Wenige Monate später werden sie wieder zu der Villa gerufen, erneut ist die Teilnehmerin einer Séance gestorben. Und das ist erst der Auftakt einer Reihe rätselhafter Todesfälle ...

Ich bin von Frank Goldammer ja schon einiges gewöhnt, aber mit „Haus der Geister“ hat er den Gruselfaktor auf die Spitze getrieben. Da ist zum einen die Blumfeld-Villa, immer komplett verdunkelt, vollgestellt mit uralten Möbeln, überall knarzt es, Türen quietschen plötzlich, in der auch außerhalb der Séancen Geister umzugehen scheinen und Heller bei den Ermittlungen behindern wollen. Der lässt sich davon aber nicht einschüchtern. Er ist überzeugt, dass Frau Blumfeld mit Tricks arbeitet oder ihr Dienstmädchen darin verwickelt ist. Das blutjunge, stumme, durch einen Unfall entstellte Mädchen taucht jedes Mal lautlos wie aus dem Nichts auf, scheint ansonsten aber harmlos. Schrumm hingegen ist leichter zu beeinflussen, fürchtet sich bald vor jedem Knistern oder Rascheln. Doch dann kommen sie der grausamen Gemeinsamkeit auf die Spur, die die Opfer verbindet, und nicht nur den Ermittlern das Blut in den Adern gefrieren lässt. Da wird Heller dann doch unsicher. „Ich beginne selbst, Geister zu sehen, und frage mich: Kann es sein, dass geschundene Seelen wie diese Rache oder Gerechtigkeit verlangen? Ich beginne ernsthaft, an mir zu zweifeln.“ (S. 232)

Frau Blumfeld, das Medium, schart immer mehr Anhänger um sich, vor allem die Frauen einflussreicher Männer. Die Gatten wollen das gern unterbinden und Frau Blumfeld loswerden, aber Heller kann ihr nichts nachweisen. Sie nimmt ja nicht mal Geld für ihre Dienste. Heller verbeißt sich wie ein Pitbull in dem Fall (und Frau Blumfeld), doch sie kommen bei den Nachforschungen einfach nicht weiter, wie sie die Fälle auch drehen und wenden. Selbst, als sie die Verbindung zwischen den Toten entdecken, wissen sie trotzdem nicht, wer hinter allem steckt, bzw. können es Frau Blumfeld nicht beweisen. Liegt Heller doch komplett falsch?!

Ich fand es faszinierend, wie fortschrittlich Heller ist, wie er versucht, Erklärungen und Beweise für die unerklärlichen Phänomene zu finden und sich dafür auch selbst in Gefahr begibt. Zusammen mit Medizinalrat Löbbers treibt er die medizinische Forschung und Kriminalmedizin voran, zieht ihn so oft wie möglich hinzu, damit dieser Daten und Fakten sammelt und z.B. Tabellen über die Ausprägung der Totenstarre zu verschiedenen Zeitpunkten sammelt.

Hellers Privatleben spielt diesmal nur eine Nebenrolle. Doch auch bei ihm zu Hause scheint es zu spuken, eine Weiße Frau wird nachts mehrfach in der Nähe der Kirche und direkt in seinem Gehöft gesehen. Dazu kommen die Sorgen um seine Kinder. Sein Sohn will sich abnabeln und eine eigene (nicht standesgemäße) Familie gründen, die Gesundheit seiner Tochter hängt wie immer am seidenen Faden. Zum Glück hält ihm seine Frau den Rücken frei und rückt ihm den Kopf zurecht, wenn er sich wieder mal im Ton vergreift.

„Haus der Geister“ ist wieder ein extrem spannender Pageturner voller überraschender Wendungen und Tricks. Aber Vorsicht: man sollte sich gern Gruseln oder beim Lesen lieber nicht allein sein …

Bewertung vom 13.02.2025
Das Pestmädchen
Stolzenburg, Silvia

Das Pestmädchen


ausgezeichnet

Hexe oder Heilige?

„Ihr Platz war am Fuß der Gesellschaft, und bereits die Hoffnung, irgendwann ein besseres Leben zu führen, erschien gotteslästerlich.“ (S. 101)
Augsburg 1462: Lina ist 16 und ein Findelkind, lebt und arbeitet seit fast 10 Jahren im Heilig-Geist-Spital. Obwohl ihr Alltag von harter Arbeit, strengem Gehorsam und Gottgefälligkeit geprägt ist, ist sie dafür dankbar, denn andere Findelkinder landen in Frauenhäusern oder als Bettler auf der Straße. Trotzdem träumt sie manchmal von einem besseren Leben. Ihr gefällt Ulrich, der Wundarzt, der sich auch in sie verguckt zu haben scheint.
Als die Pest ausbricht, kämpft Lina mehrere Wochen mit dem Tod. Sie überlebt, während alle anderen Erkrankten sterben. Die Meisterin des Spitals sagt, das sei die Belohnung Gottes für Linas reine Seele, eine andere Magd schiebt es auf den Teufel und verbreitet das Gerücht. Dann wird ein reicher junger Mann getötet und Lina dabei schwer verletzt. Da sonst niemand in der Nähe war, wird sie des Mordes angeklagt – kann Ulrich sie retten und ihre Unschuld beweisen?

Lina ist eine sehr spannende Figur. Sie stammt zwar aus dem Findelhaus und gilt damit als unehrlich, scheint aber einen reichen Fürsprecher zu haben, der hier am Rand auftaucht – vielleicht doch ein Verwandter?! Sie steht in der Hierarchie des Spitals ganz unten, eine ewige Dienerin, die die schmutzigsten und gefährlichsten Arbeiten übernehmen muss. Gerade weil sie so genügsam und gottesfürchtig ist, ist sie einer anderen Magd mit ehrlicher Abstammung ein Dorn im Auge.
Ulrich steht als Wundarzt nur eine Stufe über den Badern, die z.B. Zähne zogen oder Gelenke wieder einrenkten. Doch durch viel Fleiß, seinen guten Ruf und die Pest verdient er sehr gut und könnte es sich leisten, Lina trotz der Standesunterschiede zu heiraten.

„Das Pestmädchen“ ist der Auftakt einer neuen Trilogie von Silvia Stolzenburg und entführt ins mittelalterliche Augsburg. Sehr bildlich beschreibt sie die Stadt und gibt Einblicke in den Alltag im Spital, erklärt Behandlungsmöglichkeiten, Arzneimittel und die Unterschiede zwischen Bader, Stadtarzt, Wundarzt und Henker, die jeweils nur bestimmte Gebrechen mit festgelegten Methoden behandeln durften. Besonders die Heilmittel, die der Henker herstellt und verkauft, haben mir Gänsehaut beschert.
Das Buch ist eine Mischung aus historischem Roman und Krimi, wobei ich denke, dass der nächste Teil noch spannender wird, da sich Linas Situation am Ende des Buches noch einmal dramatisch ändert. Ich bin sehr gespannt, wie es mit ihr und Ulrich weitergeht.

Bewertung vom 09.02.2025
Crime im Heim
Tannert, Ida

Crime im Heim


ausgezeichnet

Shakespeare statt Sauerstoffmaske

„Wie viele sterben denn in dem Stück?“ „So gut wie alle …“ (S. 20)
Das Seniorenheim Haus Silberblick liegt ruhig in einem Park – zu ruhig, finden einige der Bewohner, die mehr wollen als Bastelnachmittage, Akkordeonkonzerte, Spaziergänge und die pünktliche Medikamentenausgabe. Darum will der ehemalige Feuilletonchef Friedhelm mit anderen Theaterbegeisterten Hamlet aufführen. Die Hauptrolle gibt er seiner heimlichen Angebeteten, Katia, und auch die restlichen Rollen verteilt er nicht passend zum Geschlecht, sondern den Eigenschaften der Mitspieler. Doch schon die erste Probe geht schief – Ophelia wurde ermordet! Nein, nicht die Darstellerin, sondern deren Mops. Und tatsächlich hat sie recht, ein ehemaliger Zahnarzt holt mithilfe eines Nagelsets eine Patrone aus der Leiche. Aber hat wirklich einer von ihnen den Hund erschossen? „Ich bitte Sie: Die eine Hälfte ist zu blind, um zu zielen, und die andere zu zittrig, um zu treffen. So oder so hätten sie es alle inzwischen wieder vergessen.“ (S. 40) Als sie dann auch noch eine menschliche Leiche finden und die Polizei den Fall recht schnell einstellt, gehen sie selber auf Mörderjagd.

„Crime im Heim“ ist mein erstes Buch von Ida Tannert (dem Pseudonym von Tessa Korber), aber garantiert nicht mein letztes. Ich hoffe, die „Grauen Stars“ gehen in Serie, denn ich habe mich über ihren trockenen Humor köstlich amüsiert („So hab ich mir die Hölle vorgestellt. Basteln für immer.“ (S. 178)) und extrem spannend war es auch.

Die Pensionäre sind alle etwas eigen und herrlich skurril. Katja, die frühere Yogalehrerin, sorgt dafür, dass sich alle wohlfühlen, während sie ermittelt. Friedhelm, Spitzname Impresario, appelliert an die Eitelkeiten der Schauspieler und nutzt jede Chance, um das Stück voranzubringen. So eignet sich das Vergraben des Hundes doch prima, um die Beerdigungsszene zu proben. Und eine demente Bewohnerin würde die perfekte, dem Wahnsinn verfallende Ophelia abgeben, wenn er ihr nur irgendwie den Text beibringen könnte. Überhaupt interessiert er sich leider viel mehr für Hamlet, als für die Nachforschungen. Doch Katia lässt nicht locker und kommt zusammen mit den anderen Senioren einigen Ungereimtheiten auf die Spur. So klären sie einen jahrzehntealten Bankraub auf und kommen einem Enkeltrick-Erpresser auf die Spur. Aber wer ist der Mörder?! Am Ende versuchen sie, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, denn: „Was hatten sie schon zu verlieren? Nichts als ihre Prothesen und die wenigen Jahre, die ihnen noch blieben.“ (S. 247)

Ein extrem komischer und sehr spannender Krimi, mein Tipp für Fans von Tatjana Kruse.

Bewertung vom 07.02.2025
Die Schwestern von Krakau (eBook, ePUB)
Storks, Bettina

Die Schwestern von Krakau (eBook, ePUB)


sehr gut

Das große Schweigen

Paris 2017: Nach dem Tod ihres Vaters Simon entdeckt Édith, dass er deutsch-polnisch-jüdische Eltern hatte, in den Wirren des 2.WK aber in der französische Familie Mercier gelandet und aufgewachsen ist. Édiths Tante Adi, Simons (Zieh?-)Schwester ist älter als er und behauptet, er wäre nicht adoptiert, sondern ihr richtiger Bruder. Doch in Simons Unterlagen findet Édith die Namen seiner leiblichen Eltern, Samuel Altmann und Helene Wagner, und den Hinweis auf Verwandte in Fellbach. Dort leben Dora und Tatjana, die Tochter und die Enkelin von Helenes schon verstorbener Schwester Lilo. Sie wussten, dass Helene ein Kind hatte, das aber angeblich mit ihr zusammen mit 4 Jahren gestorben ist. Dora geht das alles zu nah, sie kann sich (noch) nicht damit befassen. Aber Édith und Tatjana forschen in Paris und Krakau, wo die Familie Wagner damals gelebt hat, nach. Dabei stoßen sie auf die „Apotheke unter dem Adler“, in der Lilo gearbeitet hat, die aber auch eine Anlaufaufstelle für Verfolgte und Widerständler war.

Bettina Storks verbindet die Geschichte des polnische Widerstandes mit der einer deutschen Familie, die schon mehrere Generationen vor dem 2. WK in Krakau lebte und plötzlich von einer Minderheit zur Besatzungsmacht wird, sowie deren Nachfahren Jahrzehnte später, die so gut wie nichts aus dieser Zeit wissen. „Für mich war Krakau immer eine Stadt, die wir unter einer Nebelglocke liegt. Fremd, undurchdringbar, geheimnisvoll. Auf diese Weise habe ich das Schweigen meiner Großmutter mitgetragen.“ (S. 113)
Dabei wird die Handlung überwiegend aus Lilos Sicht ab 1941 und Tatjanas und Édiths heutigem Blickwinkel erzählt. Die historischen Rückblicke stützen sich auf das Tagebuch der Widerstandskämpferin Gusta Draenger und die Memoiren des Krakauer Apothekers Thadeusz Pankiewicz, die wichtige Rollen im Buch spielen.

Mich haben vor allem Gustas und Lilos Geschichten gefesselt. Gusta wird zusammen mit ihrem Mann zu einer Leitfigur des jüdischen Widerstandes, schreibt nach ihrer Verhaftung heimlich ihre Erlebnisse auf und kann sie vor den Nazis verstecken.
Lilo ist schon 30 aber noch ledig, lebt bei ihren Eltern und arbeitet in Pankiewicz‘ Apotheke. Lilo und ihre Schwester Helene wurden streng katholisch erzogen. Helene ist aber schon vor Jahren aus der Familie ausgebrochen und nach Paris gegangen. Seitdem ist sie zu Hause einerseits eine Persona non grata, wird Lilo wegen ihrer Schönheit und Intelligenz andererseits aber immer als Vorbild hingestellt. „Je länger Helene fort war, desto stärker schien deren Aura in der Villa zu strahlen, und Lilo blieb nur der Schatten.“ (S. 282) Dass sie weiter in der Apotheke des Ghettos arbeitet, stört ihre Eltern besonders, auch, weil es gefährlich ist. Als sie entdeckt, welche Rolle Thadeusz im Widerstand spielt, muss sie sich entscheiden, auf welcher Seite sie stehen will. „Haltung und Handeln sind oft zwei verschiedene Dinge. Besonders in diesen Zeiten, wo alles verdreht ist.“ (S. 202) Sie ist zwischen der Pflicht gegenüber ihren Eltern und dem von der Kirche gepredigten Mitgefühl und Nächstenliebe hin- und hergerissen. Und nur das polnische Hausmädchen Zofia scheint zu sehen, was sie alles leistet.

Während mir die Erzählstränge der Vergangenheit gut gefielen, hatte ich mit denen in der Gegenwart so meine Probleme. Édith und Tatjana sind um die 50, gestandene Frauen, leben aber unbewusst mit den Erlebnissen, Erfahrungen und vor allem dem Schweigen ihre Vorfahren. Sie kreisen viel um sich selbst, alles wird bis ins Detail analysiert. Tatjana lernt in Krakau den Historiker Adam kennen, der Pankiewicz‘ Nachlass verwaltet und in meinen Augen ein sehr voreingenommener und unsympathischer Charakter ist. Obwohl sie das ähnlich empfindet, wehrt sie sich kaum, sondern gibt ihm in allem Recht.

Bettina Storks „Die Schwestern von Krakau“ ist ein bewegendes Buch #gegendasvergessen, ein Zeitzeugnis des jüdischen Widerstandes gegenüber dem „normalen“ Leben in Krakau, beruhend auf wahren Begebenheiten. Lilo, Gusa, Pankiewicz und ihre Weggefährten haben mir imponiert.
Aber leider haben mich der häufige Wechsel der insgesamt 4 Erzählstimmen und die verschiedenen Zeitstränge etwas gestört, da der Lesefluss dann immer unterbrochen wurde. Es hätte mir gereicht, wenn die Handlung auf die Vergangenheit beschränkt worden wäre.

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Bewertung vom 06.02.2025
Deep End - Die unausweichliche Unanständigkeit von Liebe
Hazelwood, Ali

Deep End - Die unausweichliche Unanständigkeit von Liebe


ausgezeichnet

Kontrolle und Vertrauen

„Früher war ich ein Student Athlete mit Topnoten. Früher hatte ich alles unter Kontrolle. Früher habe ich nach Spitzenleistungen gestrebt. Jetzt versuche ich nur noch, explosive Misserfolge zu vermeiden.“ (S. 21)
Scarlett ist im dritten Studienjahr an der Stanford University und Leistungssportlerin im Wasserspringerin. Vor 15 Monaten hat sie sich bei einem Wettkampf schwer verletzt. Körperlich ist sie längst wieder fit, aber ihr Kopf steht ihr im Weg, wenn sie einen Delphinsprung machen soll. Auch ihre schulischen Leistungen lassen zu wünschen übrig, dabei braucht sie braucht Bestnoten für das Medizinstudium. Und ihr Liebesleben liegt schon lange brach. Sie ist in Lukas verliebt, den besten Schwimmer Stanfords, der mit Disziplin und Leichtigkeit sämtliche Rekorde bricht und eine Goldmedaille nach der anderen erringt. Leider ist er der Freund ihrer Teamchefin Pen, aber dann trennen sie sich, weil sie sexuell nicht harmonieren. Als Pen erfährt, dass Scarlett auf die gleichen Kinks wie Lukas steht, kommt sie auf die Idee, sie für unverbindlichen Sex zu verkuppeln.

Scarlett bleibt gern für sich, ist sehr kopflastig, kann schlecht abschalten und hat neben dem Sprungunfalltrauma auch noch eines aus ihrer Kindheit zu verarbeiten. Sie galt als absolutes Sporttalent, jetzt hat sie Angst, ihren Platz in der Mannschaft zu verlieren.
Lukas ist das genau Gegenteil, der erfolgreichste Sportler der Uni, Mittelpunkt jeder Party, sieht wahnsinnig gut aus, hat viele Freunde – und einen entzückenden schwedischen Akzent, der nicht nur Scarlett schwach werden lässt. Außerdem ist er ein guter Teamführer, nimmt stets auf andere Rücksicht und will, dass sich alle wohl fühlen.
Wider Erwarten werden sie wirklich Sex-Partner. Das Zusammensein nach festen Regeln gibt ihnen die Freiheit und Auszeit von Alltagswahnsinn, die sie brauchen. Doch dann kommt es zu Missverständnissen und ihre Verbindung bleibt nicht ganz so unverbindlich, wie es geplant war.

„Deep End“ verbindet das MINT-Setting mit sehr spicy Sports Romance. Scarlett und ihre MitstudentInnen sind nicht nur hervorragende Sportler, sondern streben auch wissenschaftliche Karrieren an. Dabei die Balance zu halten, fällt ihnen nicht immer leicht und erfordert ausgeklügelte und genau aufeinander abgestimmte Trainings- und Unterrichtspläne. Ich fand es faszinierend, mit welcher Leichtigkeit Ali Hazelwood diese Aspekte in die Handlung einbaut und einen genauen Einblick ins Wasserspringen und die Wettkämpfe gibt. Sie schafft es, dass es trotzdem nie langweilig wird. Ganz im Gegenteil, ich habe die 554 Seiten an nur zwei Tagen inhaliert. Ali Hazelwood schreibt gewohnt witzig, spannend und sehr unterhaltsam. Nur die Sexualpraktiken waren nicht immer meins, aber es müssen ja nicht alle auf das Gleiche stehen.

Bewertung vom 04.02.2025
Salute - Die letzte Fahrt
Kalpenstein, Friedrich

Salute - Die letzte Fahrt


ausgezeichnet

Der letzte Beweis

„Tote in Ihrem Café, Sie finden Tote im Wasser… und weil das nicht reicht, kleben Ihre Fingerabdrücke auf Mordwaffen. … Es bleibt stets ein Beigeschmack, ob Sie nicht doch etwas damit zu tun haben.“ (S. 292)
Zeitler macht gerade einen gemütlichen Morgenspaziergang als er sieht, wie ein Hundebesitzer in den Gardasee springt, weil jemand im Wasser treibt. Zusammen holen sie den Mann an Land, doch ihre Hilfe kommt zu spät. Der Tote hat eine große Kopfverletzung und jede Menge Bargeld dabei. Ein Raubmord scheint es also nicht gewesen sein. War es ein Unfall? Ist der Mann betrunken von einem Steg oder Boot gefallen? Zeitler ist skeptisch, und auch Commissario Lorenz Lanza, den er seit den Ermittlungen zu dem Toten in seinem Café kennt, tippt, dass da nachgeholfen wurde. Der Tote war für seine ausgeprägte Spielsucht und die horrenden Schulden bekannt, mit der er die Bootsbaufirma, die er mit seinem Bruder hatte, langsam in den Ruin trieb.
Natürlich könnte sich Zeitler zurückhalten und auf sein Café konzentrieren, aber so ganz kann der ehemalige Münchner Kommissar das Ermitteln dann doch nicht lassen.

„Salute – die letzte Fahrt“ ist der zweite Teil der Gardasee-Krimireihe von Friedrich Kalpenstein und punktet neben der traumhaften Kulisse und den spannenden Ermittlungen auch mit dem Zwischenmenschlichen.

Zeitler ist mit seinem Café inzwischen schon eine echte Institution in Bardolino, wahrscheinlich auch, weil er Stammgästen gegenüber zu freigiebig ist, wie ihn die Vorbesitzerin immer wieder warnt. Außerdem könnte er langsam Hilfe brauchen, es ist doch sehr viel Arbeit für einen allein. Der nächste Tourist, der ihn an einem besonders stressigen Tag nach einer hübschen Verzierung im Cappuccino oder einem warmen Snack fragt, bekommt sicher Hausverbot.
Da ist so eine klitzekleine Ermittlung doch eine schöne Abwechslung, zumal er sich dank seiner Nachbarn, Freunde und Bekannten wieder ein umfangreiches Informationsnetzwerk aufgebaut hat. Zu dem gehört auch die Journalistin Antonia, die längst zu ahnen scheint, dass er nicht immer nur Barista war, und ihn gern für ihre Nachforschungen (aus)nutzt – aber das beruht schließlich auf Gegenseitigkeit.

Die Ermittlungen führen zur Konkurrenz der Brüder, ins Casino und zu den Kredithaien, mit denen sich der Tote eingelassen hatte. Es gibt viele Spuren, aber alle scheinen ins Leere zu führen, bis Zeitler etwas ein- bzw. auffällt.

Auch dieser Fall ist wieder sehr spannend, obwohl ich diesmal etwas eher als Zeitler auf die Lösung gekommen bin, wobei mir der letzte Beweis für meinen Verdacht gefehlt hat. Ich bin sehr gespannt, über wessen Leiche er als nächstes stolpert.

Bewertung vom 29.01.2025
Fernwehland
Naumann, Kati

Fernwehland


ausgezeichnet

12 Namen

… hatte die Astoria im Laufe ihres Lebens, „… das älteste noch fahrende Passagierschiff der Welt. …, aber für Simone und Henri würde sie immer die Völkerfreundschaft bleiben, das erste Kreuzschiff der Deutschen Demokratischen Republik. Vor über vierzig Jahren hatten sie sich darauf kennen gelernt. Es war ihr Schiff. Und es hat ihr Schicksal bestimmt.“ (S. 9).
Jahrelang hat Henri gespart, um noch einmal mitfahren zu können, jetzt ermöglicht ihnen das der Tod seines Vaters Erwin und das damit verbundene Erbe. Erwin und dessen Mutter Dora hatten Henri auch den Wunsch, zur See zu fahren, in die Wiege gelegt. Im Gegensatz zu ihnen hatte er es geschafft und die Welt hinter dem Eisernen Vorhang bereist. Doch dann ist etwas passiert, und er durfte nicht mehr zur See fahren. Simone hofft, dass er sich jetzt endlich mit der Vergangenheit aussöhnt.
Auf der Fahrt lernen sie die Schwedin Frida kennen, die 1946 bei der Schiffstaufe dabei war und jetzt zum 20. Mal mitfährt. Auch sie hat eine sehr emotionale Verbindung zur Astoria.
Und dann stößt Elli zu ihnen. Sie ist erst 19, interessiert sich aber sehr für die Geschichten, die Simone, Frida und vor allem Henri von früher erzählen.

Ich hätte nicht gedacht, dass mich „Fernwehland“ von Anfang an so mitnimmt und so viele Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend in der DDR und das Dresden von früher weckt. Ich wohne nur wenige Kilometer von Kötzschenbroda entfernt, wo ein großer Teil der Handlung spielt, und bin schon mit der Diesbar gefahren, auf der Dora viele Jahre gearbeitet hat. Nur von der Völkerfreundschaft hatte ich bisher noch nicht gehört, dabei war sie berühmt und berüchtigt, weil es fast unmöglich war, einen Urlaubsplatz auf ihr zu bekommen.
Katie Naumann erzählt auch die Geschichte der Seehandelsflotte und Überseefahrt der DDR, die sich die Bevölkerung damals mit Planübererfüllungen und unzähligen unbezahlten Überstunden erkämpft und verdient hat.

„Manchmal müssen alte Wunden aufgerissen werden, damit sie endlich heilen können.“ (S. 378)
Neben den Erinnerungen haben mich auch die Biographien ihrer Protagonisten gefesselt und mitfiebern lassen. Frida erlebt auf ihrer Hochzeitsreise etwas, was sie für den Rest ihres Lebens an dieses Schiff bindet. Sie reist nie woanders hin oder mit einem anderen Schiff, es muss das Astoria sein.
Dora, mit der alles beginnt, hat ihre Wünsche und Träume nie verwirklichen können, darum gibt sie diese an Henri weiter. Der tut alles, um Matrose zu werden und weiß auch, wie privilegiert er ist. Er bringt seiner Familie, vor allem seiner Schwester Karin, von jeder Fahrt Geschenke mit. Aber das reicht dieser irgendwann nicht mehr. „Manchmal habe ich das Gefühl, blind zu sein. Und du bist mein Blindenführer, der mir von der Welt erzählt, die ich niemals sehen werde.“ (S. 338)
Simone musste sich um ihre jüngeren Brüder und den Haushalt kümmern, wenn ihre Eltern arbeiten waren. Auch sie träumt seit der Kindheit davon, zur See zu fahren, und erkämpft sich das gegen den Willen ihrer Eltern.
Und Elli? Die gibt sich nicht ohne Grund sehr geheimnisvoll …

Ich war fasziniert, als Henri, Simone und Frida rückblickend entdecken, dass sie mehrfach zur selben Zeit am gleichen Ort waren (nicht nur auf dem Schiff). Das schafft eine besondere Verbindung, einen Gleichklang zwischen ihnen. Sie wachsen zu einer Einheit zusammen, und Frida und Henri beschäftigen sich endlich auch mit ihren Traumata.

Geschickt bindet Katie Naumann dramatische Ereignisse ein, welche die Völkerfreundschaft bei den Fahrten erlebt hat. Sie geriet in gefährliche Stürme, fuhr durch die Blockade während Kuba-Krise und wurde von anderen Schiffen gerammt – im Gegensatz zur Titanic ist zum Glück wirklich unsinkbar.

„Fernwehland“ ist ein sehr mitreißender und bewegender Roman über Familie, Freundschaft, Sehnsucht und Freiheit, der ein spannendes Kapitel DDR-Geschichte wieder lebendig werden lässt. Ein echtes #lesehighlight

Bewertung vom 26.01.2025
Der Tod, der am Dienstag kommt / Das Mörderarchiv Bd.2
Perrin, Kristen

Der Tod, der am Dienstag kommt / Das Mörderarchiv Bd.2


sehr gut

Geld macht einsam

„Mal sehen wie gut Sie darin sind, Geheimnisse aufzudecken. Sie sind immerhin Frances‘ Erbin. Vielleicht kommen sie ein paar Mördern auf die Spur.“ (S. 23)
Seit den Ermittlungen zum Tod ihrer Großtante Frances will Annie die Wahrsagerin kennenlernen, deren Prophezeiung Frances‘ Leben geprägt hatte. Eines Morgens steht sie ihr plötzlich gegenüber, Peony will auch ihr die Zukunft voraussagen. Annie hat kein Interesse, doch Peony lässt nicht locker. Dann soll sich Annie wenigstens mit dem Tod von Olivia Gravesdown befassen, die vor fast 60 Jahren zusammen mit ihrem Mann, dem Erben des Gravesdown-Vermögens, und dessen Vater bei einem Autounfall umgekommen ist. Frances war nämlich der Meinung, dass Olivia ermordet wurde. Und auch Peony würde gern wissen, was damals wirklich passiert ist. „Schauen sie unter U wie Untreue und vielleicht noch unter B wie Betrug nach. Ich bin wirklich gespannt, ob Frances über die ganze Sache Bescheid wusste.“ (S. 21) Doch noch bevor Annie im Mörderarchiv nach den Akten schauen kann, findet sie Peony erstochen mit einem antiken Dolch der Gravesdowns bei sich in der Orangerie. Kein Wunder, dass sich der neue Chief Inspektor sofort auf sie als Täterin konzentriert, zumal es nicht bei einem Mord bleibt und alles auf Annie als Täterin hindeutet ...

Wie schon im ersten Band verbindet Kristen Perrin hier einen alten und einen aktuellen Fall. Schnell wird klar, dass Annie erst das Geheimnis um Olivias Tod und den ihrer Mitfahrer lösen muss, um Peonys Mörder auf die Spur zu kommen. Helfen könnten ihr dabei Frances‘ Akten, doch die wichtigsten fehlen! Wer konnte sie wann und wie aus dem Mörderarchiv entwenden? Und wie kamen Peony und ihr Mörder in Annies Haus? Sobald eine Frage gelöst scheint, kommen neue Varianten und Verdächtige ins Spiel.

Und über allem schwebt die Frage, ob sich Annie langsam zum Spiegelbild ihrer Tante entwickelt, einer einsamen Millionären in einem alten Herrenhaus, die von niemandem im Ort gemocht wird und selbst keinem traut. „… ich habe das Gefühl, dass mein Leben hier auf Gravesdown Hall quasi eine Blaupause des Lebens ist, das Tante Frances geführt hat. Dieses Haus mit all den Akten im Zentrum ist eine Zielscheibe für Verbrecher. (S. 218)

Auch der zweite Band der Reihe ist wieder sehr spannend, da die Fälle der Gegenwart und Vergangenheit diesmal extrem ineinander verschachtelt sind. Dazu kommen die vielen Beteiligten (ich musste ganz schön aufpassen, dass ich den Überblick nicht verliere) und ein grausamer Hintergrund für die Morde. Ich bin gespannt, ob Annie im nächsten Teil vielleicht doch noch erfährt, was Peony ihr vorhersagen wollte.

Bewertung vom 11.01.2025
Seven Years From Now
Poston, Ashley

Seven Years From Now


sehr gut

Am richtigen Ort, aber zur falschen Zeit

„Sie hatte behauptet, die Wohnung sei verzaubert, aber mir kam sie nur einsam vor.“ (S. 40) Nach dem Tod ihrer Tante Analea erbt Clementine deren New Yorker Wohnung. Als eines Morgens ein fremder junger Mann aus ihrem Schlafzimmer kommt und Clementine auf den Kalender sieht, entdeckt sie, dass Analea recht hatte. Sie ist 7 Jahre in die Vergangenheit „zurückgereist“.
Iwan ist neu in New York, will Sternekoch werden und becirct Clementine dem Zitronenkuchen seines Opas. „Mit Essen kann man Dinge sagen, die man mit Worten manchmal nicht ausdrücken kann.“ (S. 129) Es prickelt zwischen ihnen, aber sie können kein Paar werden, denn sobald sie die Wohnung verlässt, ist sie wieder in der Gegenwart.

„Seven Yeras From Now“ ist eine ungewöhnliche Zeitreise-Rom-Com. Einen Sommer lang weiß Clementine nie, welche Zeit gerade in ihrer Wohnung ist, Gegenwart oder Vergangenheit. Aber sie beginnt schnell, auf die Vergangenheit zu hoffen, weil dann Iwan da ist und Analea noch lebt, auch wenn sie auf Reisen ist.

Ihre Tante war ihr großes Vorbild, wild, junggeblieben, exzentrisch, unberechenbar. Jeden Sommer sind sie spontan zusammen verreist, haben schon die halbe Welt gesehen. Nach ihrem Tod fühlt sich Clementine verloren und einsam, hat die Freude am Reisen verloren und konzentriert sich ganz auf ihren Beruf. Ihre einzige Ablenkung sind die Treffen mit Iwan. Vielleicht kann sie ihn ja in der Gegenwart wiederfinden?

Ich fand das Buch traurig-schön, mit gleich zwei bitterzarten, hinreißenden Liebesgeschichten. Ashley Poston schreibt sehr empathisch über Verlust und Trauer, hat spannende Geheimnisse in die Handlung eingewoben und überrascht mit einem unerwarteten Ende.

Auch das Setting hat mir sehr gut gefallen. Ein Großteil der Handlung spielt in einem charmanten alten Appartementhaus am Central Park mit krimilesendem Portier, wie man es aus Filmen kennt (und wo man auch gern mal leben würde).

4,5 Sterne

Bewertung vom 07.01.2025
Ganz entspannt vegan - Das Jahreszeitenkochbuch
Wohlleben, Carina

Ganz entspannt vegan - Das Jahreszeitenkochbuch


ausgezeichnet

Unser neues veganes Lieblingskochbuch

Passend zum Veganuary ist im Dezember das neue Kochbuch von Carina Wohlleben erschienen. Darin zeigt sie, wie man sich ganz einfach saisonal und regional vegan ernähren kann. Ich muss zugeben, dass ich mich, um die Rezepte ausführlich testen zu können, nicht nur auf den Herbst und Winter beschränkt und z.B. eine Mango für die Möhren-Mango-Suppe gekauft habe. Zudem verwendet sie bei einigen Sommer- und Herbstgerichten Lagergemüse, die man jetzt noch ohne schlechtes Gewissen verwenden kann. Man bekommt übrigens fast alle Zutaten im Supermarkt, das ist ein weiterer Anreiz für vegane Neulinge. Allerdings sollte man einen sehr guten (Hochleistungs-)Mixer besitzen, da z.B. die rohen Karotten für die Karottentaler mit einem Pürierstab nicht klein genug bekommt.

Die Rezepte sind sehr schön Schritt für Schritt beschrieben. Es gibt (endlich mal wieder!) Zubereitungszeiten und Nährwertangaben, das findet man heute leider immer seltener in Kochbüchern.

Die Gerichte selber sind, wie der Name schon sagt, in die vier Jahreszeiten gegliedert. Innerhalb dieser Einteilung gibt es dann entsprechende Suppen & Salate, Hauptgerichte und Kuchen & Desserts.

Ich habe mich durch alle Jahreszeiten und Kategorien gekocht. Alle Rezepte waren einfach innerhalb der angegebenen Zubereitungszeit fertig und haben uns begeistert. Angefangen bei der bereits erwähnten Möhren-Mango-Suppe (bei der ich beim nächsten Mal lediglich den Balsamico reduzieren werde), über das Ofengemüse mit Linsenbällchen und Joghurtdipp, die Tomaten-Spinat-Bällchen mit Pinienkernen und weißen Bohnen in Tomatensoße (unser bisheriges Lieblingsrezept, ich mag die verschiedenen Geschmäcker und Texturen, die ein sehr harmonisches Ganzes ergeben), die Karottentaler mit Kressejoghurt und Salzkartoffeln und die deftig gefüllten Kartoffeltaschen (die wir mit Soja-Natur-Joghurt aufgepeppt haben), bis zum Apfel-Chai-Crumble, der aufgrund der Gewürze zur Weihnachtszeit besonders lecker schmeckt.

Ich war überrascht, wie viele verschiedene Bratlinge Carina Wohlleben entwickelt hat. Dadurch hat man genügend Abwechslung und weil immer auch Hülsenfrüchte verarbeitet werden, ist genügend Eiweiß im Essen.

„Ganz entspannt vegan – Das Jahreszeitenkochbuch“ bietet abwechslungsreiche, vegane, gesunde und vor allem leckere Rezepte für jede Jahreszeit und jeden Geschmack und ist unser neues Lieblingskochbuch.