Benutzer
Benutzername: 
Aischa

Bewertungen

Insgesamt 570 Bewertungen
Bewertung vom 08.09.2018
Pale, Leveret;Skrobisz, Nikodem

Das Erwachen des letzten Menschen


sehr gut

Das Buch hat mich gleich zwei Mal zum Erstaunen gebracht: Zum einen hatte ich aufgrund des Klappentextes einen deutlich größeren Umfang erwartet und war zunächst (aber nur ganz kurz) enttäuscht, dass die Geschichte in gerade mal 53 Seiten erzählt wird. Aber keine Sorge, mehr braucht der Autor auch gar nicht, die Story ist gut, so wie sie ist.
Meine zweite Überraschung betrifft den Autor: Nikodem Skrobisz ist gerade einmal 19 Jahre alt. Die wichtigsten Fragen für manche seiner Altersgenossen sind da, in welchen Club man am Samstagabend geht, oder wie man die Eltern am geschicktesten anpumpt, weil das bewilligte Taschengeld für das luxuriöse Studentenleben einfach nicht reichen will.
Skrobisz hingegen legt mit "Das Erwachen des letzten Menschen" eine dystopische Novelle vor, die sich einer der ganz großen existenziellen Fragen widmet: der Frage nach dem Sinn des Lebens.
Sein Protagonist Edgar findet unterschiedliche Antworten, mal in der Kreativität, im Erschaffen von Neuem, mal in der Zerstörung, in der Machtausübung, doch dann ...
Keine Sorge, ich werde hier nicht spoilern, sondern möchte nur neugierig machen.
Auf ein erstaunliches Buch, das absolut lesenswert ist und trotz seines knappen Umfangs viel Anregung zum Nachdenken und Stoff für Diskussionen bietet.
Über einige kleine Grammatik- oder Logikfehler habe ich daher gerne hinweggesehen.

Bewertung vom 07.09.2018
Jenoff, Pam

Töchter der Lüfte


ausgezeichnet

Pam Jenoff ist mit diesem Roman eine großartige Geschichte gelungen.
Eine Geschichte über Freundschaft, über Menschlichkeit in den unmenschlichen Zeiten des zweiten Weltkrieges, inmitten der Schrecken der Naziherrschaft.
Die Autorin nimmt uns mit in das für die meisten von uns fremde Milieu der Zirkusartisten. Dabei versteht sie es, Klischees zu vermeiden und hilft dabei, eventuell vorhandene Vorurteile abzubauen.
Die Figuren wie auch die Szenerien werden so anschaulich geschildert, dass ich schon nach wenigen Seiten gebannt war.
Die Story erzählt von Schicksalsschlägen, Verrat und ganz großen Gefühlen, aber ohne in Kitsch abzudriften.
Für mich ist "Töchter der Lüfte" ein wundervoller Roman, der dazu beitragen kann, die Gräuel der NS-Diktatur ins Gedächtnis zu rufen. In diesem Sinne wünsche ich dem Buch möglichst viele Leser!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.09.2018
Allende, Isabel

Ein unvergänglicher Sommer


ausgezeichnet

Nachdem das Feuilleton Allende bei den letzten Büchern eine gewisse Nähe zu Groschenromanen vorgeworfen hatte, hat sie mit dieser Erzählung in meinen Augen wieder zu ihrer früheren literarischen Größe zurück gefunden.
"Ein unvergänglicher Sommer" behandelt große Themen: Schuld, Verzeihen, Sühne. Der Alltag südamerikanischer Diktaturen, in denen brutale Gangs und nicht die Polizei die Regeln aufstellen, in denen Menschen durch das Regime verschleppt, gefoltert und hingerichtet werden, wird anhand zweier Protagonistinnen so anschaulich geschildert, dass mir beim Lesen der Atem stockte.
Das ist eine der Stärken Allendes, für die ich sie als Autorin so schätze: Sie vermag es einerseits, ihre Figuren so anschaulich und empathisch darzustellen, dass man von Anfang an mit ihnen mitfühlt, egal ob es sich um Sympathieträger handelt oder, wie im Fall des Protagonisten Richard, um einen sehr kauzigen Eigenbrötler, der sich unter der Last einer riesigen persönlichen Schuld jahrzehntelang einigelt.
Aber Allende verweilt nicht auf einer persönlichen Ebene, nein, Gesellschaftskritik ist ihr ein ebenso großes Anliegen. Als Diplomatentochter schon früh eine Globetrotterin, lernte sie bereits in jungen Jahren unterschiedliche politische Systeme kennen. Später lebt und arbeitet sie in Chile, bis sie nach dem Putsch 1973 in die USA emigriert. Allende heroisiert kein Regierungssystem; die Machenschaften Pinochets kritisiert sie ebenso wie das FBI.
Besonders gelungen ist in meinen Augen außerdem die unaufgeregte Schilderung von Verliebtheit und Sex bei Senioren.
Für meinen Geschmack glitt die Erzählung teils etwas zu sehr ins Mystisch-Spirituelle ab. Auch telie ich Allendes Sicht auf Selbstjustiz nicht: Meiner Meinung nach muss ein Verbrechen immer zur Anzeige gebracht werden, auch wenn man die Motive des Täters verstehen und Mitleid mit ihm haben mag.
Dennoch hat mich der Roman sehr gut unterhalten, und ich habe viel über Gesellschaft, Kultur und das unsagbare Leid der Bevölkerung Chiles und Guatemalas erfahren. Daher: unbedingte Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 27.08.2018
Lehner, Marie L.

Im Blick


weniger gut

Der Roman hat mich sehr enttäuscht. Mag sein, dass ich von Autorin Marie Luise Lehner als Alpha-Literaturpreisträgerin 2017 sprachlich mehr als Durchschnitt erwartet habe.
Es mag auch an dem für mich missverständlichen Klappentext liegen, der von der Wut der Protagonistinnen spricht. Einer Wut aufgrund sexueller Übergriffe, die Antrieb zum Kampf gegen Sexismus ist.
Doch genau diesen Kampf habe ich im Buch vermisst. Ich glaube nicht, dass Wut allein Veränderungen bewirken kann, dazu muss sie konstruktiv genutzt werden, und das kann ich in dieser Erzählung nicht erkennen.

Die Sprache ist in Ordnung, mit den sich abwechselnden Erzählebenen Kindheit/Jugend und aktuelle Beziehung bin ich klar gekommen, aber eine überdurchschnittliche schriftstellerische Leistung konnte ich darin nicht erkennen.
Über den Inhalt habe ich lange nachgedacht, sehr lange. Eigentlich ein gutes Zeichen, wenn mir ein Buch nicht gleich nach der letzten Seite aus dem Sinn gerät.
In diesem Fall allerdings bleiben einfach zu viele offene Fragen, allen voran: Was will mir die Autorin sagen?
Ja, es gibt zu viele sexuelle Übergriffe, und nein, Frauen und Mädchen (im Übrigen auch Jungen und Männer) sind nicht selbst daran schuld.
Aber dennoch heiße ich es nicht gut, wenn sich die Protagonistin derart mit Drogen zudröhnt - und das in der Wohnung mit einem Zufallsbekannten, dessen Namen sie noch nicht einmal weiß - dass sie nicht mehr nach Hause gehen kann und es daher zu nicht einvernehmlichem Sex, sprich: einer Vergewaltigung, kommt. Wo bleibt hier der Kampf gegen Sexismus? In der Schilderung des Vorgefallen?
Ja, auch ich denke, dass sich Frauen noch viel mehr solidarisieren müssten. Aber hier fehlen mir im Buch außer einem manifestartigen Aufruf am Schluss hilfreiche Vorschläge. Wie muss Erziehung aussehen, damit junge Mädchen selbstbewusst NEIN sagen und Grenzüberschreitungen benennen und gegebenenfalls anzeigen? Wie können wir Zivilcourage stärken?
Was ich außerdem vermisse: Wie geht es der Protagonistin damit, Zeugin und Mitwisserin von zahlreichen Übergriffen zu sein, die nicht verfolgt wurden?
Für mich ein außergewöhnliches Buch, aber (bis auf die für den Verlag gewohnt hochwertige Gestaltung) leider im negativen Sinn. Der Roman hat mich weder gut unterhalten noch habe ich aus feministischer Sicht dazu gelernt oder Anregungen für ein besseres Miteinander der Geschlechter erhalten. Von mir daher keine Leseempfehlung.

Bewertung vom 25.08.2018
Köhler, Falc-Moritz

Die Reise in die Freiheit


sehr gut

Es ist ein kleines Büchlein mit gerade einmal gut 120 Seiten, eigentlich schnell zu lesen.
Aber davon rate ich ab. Man sollte sich für "Die Reise in die Freiheit" ausreichend Zeit lassen, die einzelnen Kapitel auf jeden Fall über mehrere Tage verteilt lesen.
Falc-Moritz Köhler erzählt seine märchenhafte Geschichte voller Gleichnisse zwar in einfacher Sprache. Dies sollte aber nicht dazu verleiten, das Buch am Stück zu konsumieren. Denn Köhler hat viel mitzuteilen.
Der Autor hat über sechs Jahre lang immer wieder an diesem philosophisch-spirituellen Roman gefeilt, bevor er ihn publiziert hat.
Er hat einen hohen Anspruch an sein Werk, er möchte dem Leser Antworten geben, Antworten auf grundlegende Fragen des Lebens. Der Text handelt davon, dass die meisten von uns mit einer Maske durch den Alltag gehen, dass unsere Begierden nicht immer die besten Ratgeber sind und um den großen Einfluss der Gedanken auf unsere Gefühle.
Dabei kommt das Buch erfreulicherweise ohne erhobenen Zeigefinger aus, es gibt Denkanstöße und regt zur Selbstreflexion an, aber der Autor vermittelt keineswegs, die Weisheit gepachtet zu haben: "Es gibt keine endgültige Wahrheit. Alle Erklärungen sind immer nur eine Annäherung an die Wahrheit."
Zu Beginn jedes Kapitels steht jeweils ein thematisch passendes Gedicht, das mir Mal mehr, mal mal weniger gefallen hat. Hier zeigen sich die sprachlichen Grenzen des Autors, große Lyrik darf man nicht erwarten.
Etwas gestört haben mich einige Rechtschreibfehler, über die ich leider nicht einfach hinweg lesen kann. Hier wünsche ich künftigen Auflagen ein professionelles Korrektorat.
Fazit: Keine große Literatur, aber für jeden, der einen schonungslosen Blick in den Spiegel werfen möchte, für alle, die vor Selbstkritik nicht zurückschrecken, gibt es eine unbedingte Leseempfehlung von mir.

Bewertung vom 23.08.2018
Raupach, Melissa;Lill, Felix

Regrow your veggies


sehr gut

Gemüse aus Küchenresten selbst ziehen, das sprach mich sofort an. Ich esse gern gesund, liebe meine Pflanzen auf Fensterbrett und Balkon und bin immer bereit, Neues auszuprobieren. Und da ich seit einiger Zeit versuche, möglichst viel Abfall zu vermeiden, hat mich auch dieser Aspekt des "Regrowing" interessiert.
Und der Ratgeber hat mich nicht enttäuscht:

Zunächst erhält man allgemeine Tipps zur Anzucht, wie das passende Substrat, Pflanzgefäße, Licht, Wärme, Gießen etc. Dann folgen die detaillierten Regrow-Anleitungen für 21 verschiedene Pflanzen, von Ingwer über Rote Beete bis Chinakohl, die Bandbreite ist groß. Die Anzucht ist ausführlich beschrieben, und jeder Schritt wird durch ein Foto gut illustriert.
Ein weiteres Kapitel widmet sich der Pannenhilfe: Was ist zu tun, wenn es mit dem pflanzlichen Nachwuchs Probleme gibt? Kompakt und gut verständlich werden Schädlingsbefall, Vergeilung, Schimmel und andere Schwierigkeiten bei der Aufzucht erklärt und Lösungen vorgestellt.

Einen Extrapunkt gibt es von mir für das hervorragende Literaturverzeichnis. No Waste und Low-cost living sind definitiv Themen, die mich rund ums Regrowing auch interessieren.

Die optische Gestaltung des Buchs ist modern und übersichtlich.
Allerdings ist der Klappentext in zweierlei Hinsicht etwas irreführend:
Erstens werden nicht alle der vorgestellten Pflanzen beim Nachwachsen wieder Verwendung in der Küche finden können. Avocado, Mango und Ananas geben zwar hübsche Zierpflanzen ab, werden aber in unserem Klima kaum Früchte tragen.
Und zweitens gilt die Ankündigung "eine Fensterbank reicht aus" zwar für Zwiebeln und Kräuter, für den Anbau von Süßkartoffeln sollte das Pflanzgefäß dann aber doch mindestens 50 Liter fassen und auf dem Balkon stehen.

Persönlich hat mich am ansonsten perfekt formulierten Text gestört, dass unnötig oft von "Regrowen" die Rede ist. Ich bin kein Fan von Anglizismen, zumal sie hier ohne Bedeutungsverlust auch durch die deutsche Übersetzung ersetzt werden hätten können, z.B. "nachwachsende Pflanzen" statt "regrowte Pflanzen".

Beide Kritikpunkte sind jedoch marginal, so dass ich als Resümee voller Überzeugung sage: Das Buch ist ein empfehlenswerter Ratgeber für alle Hobbygärtner, die ein Faible für Nachhaltigkeit haben. Kaufen, schmökern, ausprobieren und mit viel Spaß Neues entdecken und ernten!

Bewertung vom 21.08.2018
Heistinger, Andrea

Das Arche Noah Gartenjahr


ausgezeichnet

"Wenn du einen Garten und dazu noch eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen."
Schon Cicero war also sowohl den Büchern wie auch dem vom Menschen gehegten Stück Land zugetan. Für alle, denen es genauso geht, hat Agrarwissenschaftlerin Andrea Heistinger einen wundervoll gestalteten immerwährenden Kalender herausgegeben.
"Das Arche Noah Gartenjahr" besticht schon von außen durch einen hochwertigen Leineneinband in grober Textur. Praktisch sind gleich zwei farbige Lesebändchen und ein grünes Gummiband, mit dem sich das Buch schließen lässt, so dass eingelegte Fundstücke, wie gepresste Blüten oder Zeitungsausschnitte nicht herausfallen. Das Papier ist stark genug, um die Strapazen des täglichen Gebrauchs lange überdauern zu können.
Der Almanach bietet auf einer DIN A5-Seite für jeden Tag des Jahres reichlich Platz für eigene Notizen, zudem gibt die Autorin ungewöhnliche Tipps (11. April: Löwenzahnknospen können in Öl gebraten und wie Kapern verwendet werden) und regt den Leser an, sich Fragen über seinen Garten zu stellen. (16. Juli: Soll es im nächsten Jahr frühe Salate geben?)
Zu Beginn jedes Monats finden sich Gedanken und Hinweise aus dem persönlichen Gartentagebuch der Autorin, oft mit Anregungen für saisonale Gerichte.
Einen ganz besonderen Charme verleihen dem Kalender die zahlreichen Aquarell- und Buntstiftzeichnungen von Pflanzen und Tieren aus dem Garten. Jede Doppelseite wurde derart kunstvoll bunt illustriert.
Übrigens: Der Verein "Arche Noah" setzt sich für den Erhalt und die Pflege gefährdeter historischer Kulturpflanzen ein. Somit kann das Buch auch eine Anregung sein, im eigenen Garten wieder alte Obst- und Gemüsesorten anzubauen und somit zur Artenvielfalt beizutragen.
Fazit: Ein außergewöhnliches Geschenk für alle Gartenliebhaber, das gleichzeitig Anregungen fürs tägliche Gärtnern bietet wie auch die Möglichkeit, persönliche Gartenmomente festzuhalten, um sich später an sie zu erinnern, oder vielleicht auch um eigene Erfahrungen an Kinder/Enkel weiterzugeben ...?

Bewertung vom 20.08.2018
Van der Linden, Sophie

Eine Nacht, ein Leben


sehr gut

Wir bekommen einen kurzen Einblick in die Liebesgeschichte zwischen Henri, einem jungen Kupferstecher und seiner Freundin Youna. Die beiden wurden durch seinen Militärdienst getrennt, sie zog auf eine bretonische Insel und irgendwann brach der Briefwechsel der beiden ab. Henri sucht Youna unangemeldet auf, er sucht nach Antworten, nach der verloren geglaubten Liebe.
Doch der Roman ist nicht nur eine Liebesgeschichte, sondern zugleich ein wundervoll atmosphärisches Inselporträt:
Autorin Sophie Van der Linden webt in Ihre Story zahlreiche Binnenerzählungen ein. Wir lernen einen Restaurantbesitzer kennen, der voller Leidenschaft für seine kulinarischen Kreationen ist, einen Läufer, der die kleine Insel bei seinem Training für einen Marathon geradezu manisch umkreist, einen Bauern, dessen Ehe an der Kinderlosigkeit scheiterte und einen Küstenfischer, der für seine Familie täglich sein Leben aufs Spiel setzt.
Van der Linden schafft mit leisen Worten ungewöhnlich intensive Szenen, sie skizziert Bewohner wie Tiere auf wenigen Seiten und doch unvergesslich. Ob es der Gang des Protagonisten am Strand entlang ist oder wie er sich Schnecken über offenem Feuer brät - selten habe ich so eindrucksvolle Sprachbilder erlebt.
Das nur rund 100 Seiten starke Büchlein ist wunderschön gestaltet. Das Cover im Stil des Pointillismus passt hervorragend zur Sprache des Romans.
Fazit: Eine kurze Erzählung, die lange nachhallt, eine Geschichte, die mir einerseits Lust auf einen Urlaub in der Bretagne gemacht hat und die andererseits zeigt, wie zerbrechlich das Glück ist.