Benutzer
Benutzername: 
Aischa

Bewertungen

Insgesamt 575 Bewertungen
Bewertung vom 13.12.2018
Vedder, Björn

Reicher Pöbel


sehr gut

Der Philosoph Björn Vedder legt mit "Reicher Pöbel" eine aktuelle Gesellschaftskritik vor.
Das Ganze ist - zumindest ohne größere Vorkenntnisse in Philosophie - recht anspruchsvoll, um nicht zu sagen: schwierig zu lesen. Die Abhandlung ist keine leichte Kost, nichts zum Abschalten, im Gegenteil. Vedder fordert die volle Aufmerksamkeit seiner Leser.
Wer dazu bereit ist, wer gegebenenfalls auch mal etwas nachschlägt, der wird mit zahlreichen Denkanstößen und erfrischend neuen Betrachtungsweisen belohnt.
Am Anfang steht eine Analyse der westlichen reichen Gesellschaften. Vedder zeigt recht anschaulich auf, wie sich das Bild der Reichen in den letzten Jahren gewandelt hat. Dazu finden sich immer wieder Hinweise auf Fotos, Film, Musik und Literatur. Die unterschiedlichen Strömungen in der Portraitfotografie von Reichen sind zwar sehr gut beschrieben, jedoch hätte ich mir hier ein paar Abbildungen gewünscht, auch wenn dies vermutlich die Herstellungskosten erhöht hätte.
Eine Kernthese lautet sinngemäß:
Der reiche Pöbel und der brave Bürger sind dem Wesen nach gleich, beide verhalten sich habgierig, lediglich die Möglichkeiten dazu sind verschieden. Auch Komfort und Luxus sind im Grunde gleich, nur im Ausmaß verschieden. Ja, da könnte was dran sein.
Wenn der Homo oeconomicus nur dann sittlich ist, wenn er dazu gezwungen ist, dann frage ich mich allerdings, wieso es Superreiche gibt, die einen Großteil ihres Vermögens spenden, wie etwa Warren Buffet. Wie konnte dann die Bewegung "Giving Pledge" entstehen?
Alles in allem sehr interessante Thesen, wenn ich auch nicht alles verstehe bzw. teile. An mancher Stelle für meinen Geschmack fast schon zu sehr Fachbuch und zu wenig Sachbuch. Daher vier von fünf Punkten und klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 13.12.2018
Niedernolte, Tim

Wunderwaffe Wertschätzung


weniger gut

Moderator und Journalist Tim Niedernolte hat sein erstes Buch veröffentlicht.
Er zeigt in seinem Ratgeber auf, wie man mit Wertschätzung den Mitmenschen gegenüber den leider vielen negativen Trends im Alltag etwas Positives entgegensetzen kann. Zumindest hatte ich das nach Lektüre des Klappentextes und der Leseprobe erwartet.
Doch meine Erwartung wurde leider nur zum Teil erfüllt: Vorwort und Einleitung sind eine tolle Einstimmung aufs Thema, und Niedernolte kann mit Worten umgehen, keine Frage.
Es gibt Alltagstipps, wie wir mit kleinen Aufmerksamkeiten großes bewirken können. Etwa indem wir Kollegen, oder gerne auch mal dem Chef, ein ebenso ernst gemeintes wie unerwartetes Kompliment machen. Wenn wir im Wartebereich einer Behörde zwei Nummern ziehen und sobald wir aufgerufen werden die zweite Nummer weiter verschenken. Oder indem wir uns täglich zehn Minuten Zeit nehmen, um all der Dinge, Umstände und Menschen dankbar zu gedenken, die unser Leben schön machen.
Aber leider verlor sich dieser positive Grundgedanke teilweise in Allgemeinplätzen. Ja, ich bin auch der Meinung, dass wir in unserer Gesellschaft weder alten Menschen noch denjenigen die sie pflegen ausreichend Anerkennung zukommen lassen. Aber die Missstände in der Pflege anzuprangern, das ist mir hier einfach zu billig, das wurde schon tausendfach beschrieben. Was wir brauchen sind Lösungen, oder zumindest Lösungsansätze, und die habe ich in vielerlei Hinsicht vermisst. Was soll ich tun, damit Altenpfleger besser bezahlt werden, und was ist nötig, damit die Pflege nicht zuallererst rentabel sein muss, sondern auch hier wieder mehr Menschlichkeit einzieht?
Desweiteren beschreibt Niedernolte etwa eine Werbeagentur, die besondere Wertschätzung ihren Mitarbeitern gegenüber zeigt. Etwa indem der Chef nach 10 Jahren Betriebszugehörigkeit einen Monat bezahlten Urlaub gewährt. Aber mal ehrlich: Bringt mich das im Alltag weiter? Nein.
Gut hingegen fand ich die Kritik an den Sozialen Medien, den Aufruf, dem ganzen Hass und der Häme auf Facebook & co. etwas Positives entgegen zu setzen. Auch dem Kapitel mit Christian Rach konnte ich etwas Gutes abgewinnen, schön zu sehen, wie Teambildung auch über Kulturgrenzen hinweg funktionieren kann.
Aber mit dem Ende kam ich gar nicht klar: Tolle Bar da im Berliner Ritz-Carlton, wirklich kreative Idee, Cocktails nach den bevorzugten Düften der Gäste zu mischen. Und ja, natürlich ist es schön, dass der Autor sich bei seinen vier "Mitwertschätzern" bedankt. Aber muss ich dies in aller Detailverliebtheit lesen? Nein. Genauso wenig wie zehn Seiten Dank am Ende des Buches. Sorry, aber das ist mir einfach zu viel. Ich kam mir beim Lesen ein wenig vor wie bei der Fernsehübertragung der Oscar-Verleihung, wenn die Preisträger auf der Bühne minutenlang danken ("dem Regisseur, dem Beleuchter, dem Kabelträger und ... und ... und ... und meinen Eltern"). Natürlich ist das für die Betreffenden wertschätzend, aber für mich ehrlich gesagt irgendwann nur noch langweilig.
Ich bleibe also nach dieser Lektüre mit unerwartet gemischten Gefühlen zurück. Den Einstieg fand ich wirklich klasse, es gibt ein paar gute Anregungen, wie man den eigenen Alltag ohne viel Aufwand so gestalten kann, dass man den Mitmenschen wertschätzender begegnet. Aber im Verlauf des Buchs habe ich mich immer öfter gefragt, was ich konkret aus dem Text ziehen kann, und es war leider weniger als erwartet. Schade.

Bewertung vom 06.12.2018
Kundermann, Michaele

Emotionale Stresskompetenz


gut

Eins gleich vorneweg: Ich stehe als Naturwissenschaftlerin Esoterik, Homöopathie und anderen Parawissenschaften recht skeptisch gegenüber.
Leser, die sich in diesen Bereichen wohl fühlen, werden Kundermanns Ratgeber daher wahrscheinlich noch hilfreicher finden als ich.
Die Thematik an sich ist sehr interessant. Die meisten von uns kennen entweder stressige Phasen oder sind sogar dauerhaft "unter Strom". Doch kaum jemand von uns lernt, wie man mit Gefühlen, die negativen Stress hervorrufen, so umgeht, dass sie einem nicht schaden.
Hier verspricht das Buch Abhilfe. Und dies bleibt kein leeres Versprechen: Neben den physiologischen Grundlagen zur Stressentstehung und den Auswirkungen auf unseren Körper enthält der Ratgeber zahlreiche Praxistipps und Übungen, wie man entspannter durch Leben kommt.
Der Text ist angenehm zu lesen, lediglich das mangelhafte Lektorat hat mich etwas geärgert: Zahlreiche Fehler haben meinen Lesefluss immer wieder gehemmt. Dafür ist die Sprache meist gut verständlich und viele Fallbeispiele veranschaulichen die geschilderten Sachverhalte. Gestört hat mich persönlich, dass das Buch insgesamt einen sehr wissenschaftlichen Eindruck vermittelt, dennoch leider einige Behauptungen wie Tatsachen in den Raum gestellt werden, ohne dass sie wirklich untermauert werden. (Stichworte: Herzenergie, Herzkohärenz)
Dennoch: Wer bereit ist, sich auf Neues einzulassen und die Zeit für kritische Selbstreflexion mitbringt, der wird diesen Ratgeber sicher schätzen. Aber auch hier gilt: Übung macht den Meister. Man muss schon etwas Zeit investieren, wenn man wirklich lernen möchte, beruhigter durch den Alltag zu kommen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.12.2018
Lahayne, Olaf

Schöne Bescherung!


sehr gut

Wer sich die Wartezeit aufs Christkind mit gut gemachten weihnachtlichen Short Stories der etwas anderen Art verkürzen möchte, dem lege ich diese Anthologie wärmstens ans Herz.
Lahayne legt eine erfrischend abwechslungsreiche Geschichtensammlung vor: Vom Kurzkrimi zu Mystischem, von Erzählungen in naher Zukunft über solchen die zur Geburt Christi spielen, ob Witzig-Ironisches oder Besinnliches zum Nachdenken - der Autor beherrscht eine große Bandbreite an Genres und Themen.
Nur eines wird man (erfreulicherweise) vergeblich suchen: Kitsch.
Leser, die mit dem österreichischen Sprachraum bislang wenig Berührungspunkte hatten, müssen vermutlich das ein oder andere Wort nachschlagen ("Mistkübel", "fladern"), aber ein wenig Bildung kann ja nie schaden ...
Mich haben die Geschichten bestens unterhalten, daher habe ich auch großzügig über einige Rechtschreibfehler hinweggelesen und es gibt eine klare Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 08.11.2018
Youngson, Anne

Das Versprechen, dich zu finden


ausgezeichnet

Anne Youngson ist eine Spätberufene: Im Alter von 70 Jahren legt sie mit "Das Versprechen, dich zu finden" ihren Debütroman vor.
Und dieser ist mehr als überzeugend, er gehört definitiv zu meinen Lesehighlights in diesem Jahr.
Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt: Zwischen Tina, einer britischen Bauersfrau, und Anders, der Kurator in einem dänischen Museum ist, entsteht mehr oder weniger zufällig ein Briefwechsel, der langsam aber stetig in eine Freundschaft übergeht.
Die beiden Anfang 60jährigen sind völlig verschiedene Charaktere, haben aber gemeinsam, dass sie einen lieben Menschen verloren haben.
Über die Monate hinweg nähern sie sich durch die Briefe einander an, teilen Gedanken und Gefühle, eröffnen gerade durch ihre Unterschiede dem anderen einen neuen Blickwinkel auf das eigene Leben. Dabei werden unterschiedlichste Aspekte des Lebens thematisiert: Kindererziehung, Ablösung vom Elternhaus, Trauer um geliebte Personen oder die Distanz innerhalb einer Liebesbeziehung. Die Protagonisten stellen Fragen wie: Hat eine Frau das Recht, dem Vater Ihres Kindes vorzuenthalten, dass er Vater wird, wenn er nicht mit ihr zusammen wohnt? Habe ich rückblickend mein Leben so gelebt, wie ich es als junger Mensch wollte?
Youngson hat für die Geschichte die Form des Briefromans gewählt. Dadurch ist der Stil an manchen Stellen etwas gewöhnungbedürftig, etwa wenn Tina von einem Gedanken zum anderen springt. Aber für mich hat es gerade einen besonderen Reiz des Buchs ausgemacht, wie verschieden die beiden Protagonisten ihre Gedanken zu Papier gebracht haben (oder vielmehr: wie gut die Autorin dies umgesetzt hat) und wie sie sich dennoch nach und nach, beinahe zaghaft, einander annähern.
Es ist ein zarter Roman über das Leben in seinen vielen Facetten, der mich sehr berührt hat.
Bleibt zu hoffen, dasss Youngson noch viele gute Jahre als Schriftstellerin vergönnt sind, denn ich warte sehnsüchtig auf Nachschub aus ihrer literarischen Feder.

Bewertung vom 31.10.2018

Eben noch unter Kronleuchtern ...


gut

Es waren stürmische Zeiten in Bayern vor genau 100 Jahren: König Ludwig III. floh mit seiner Familie vor den Revolutionären, die den Volksstaat ausgerufen hatten.
Dabei ging es fast slapstickartig zu: Auf die Fluchtautos mussten erst noch Reifen montiert werden, die Krönchen auf dem Kühler wurden von Wildlederhandschuhen einer Prinzessin verdeckt.
Ein überaus filmreifes Szenario, das der Leser hier anhand von Tagebucheinträgen vor allem von Prinzessin Wiltrud, aber auch ihrer Schwestern Helmtrud und Hildegard sowie der Bediensteten Fanny Scheidl nachvollziehen darf.
Trotz der umfangreichen Recherche von Christiane Böhm, die unzählige Originalschriften im Wittelsbacher Hausarchiv sichten konnte, bin ich vom veröffentlichten Werk ein wenig enttäuscht. Zum einen hätte ich mir eine umfangreichere Einführung gewünscht, nicht jedem Leser sind die damaligen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Bayern ausreichend präsent, um die Notizen der Königstöchter entsprechend einordnen zu können. Zum anderen scheint mir die Auswahl der veröffentlichten Textpassagen nicht optimal, die Prinzessinnen neigen teils zu literarischen Längen, hier hätte man zugunsten des Leseflusses manches kürzen können. Die Aufzeichnungen Fanny Scheidls sind dagegen erfrischend knapp, sie kommt schnell und direkt auf den Punkt. (Leider finden sich nur wenige Texte von ihr im Buch.)

Eine wirkliche Bereicherung stellen die vielen historischen, teils bislang unpublizierten Fotos dar, die die Geschichte noch anschaulicher machen als allein der Text. Die Gestaltung des Büchleins ist hochwertig, mit viel Liebe zum Detail. Allerdings mindern zwei Landschaftskarten mit extrem schlechter Auflösung sowie eine sehr dunkle Abbildung den guten Gesamteindruck; hier ist auf eine verbesserte Neuauflage zu hoffen.
Einen weiteren Kritikpunkt stellen für mich die extrem häufigen Anmerkungen dar. Dies hemmt durch das permanente Hin- und Herblättern den Lesefluss doch sehr, da hilft auch das Lesebändchen nur bedingt. Zudem sind einige Anmerkungen banal, um nicht zu sagen: überflüssig. Und es gibt Anmerkungen, die wiederum auf das Personenverzeichnis weiterverweisen - noch mehr Blättern ...
Die Personenverzeichnisse an sich sind sehr gut. Ungewöhnlich aber sehr hilfreich fand ich, dass sich dort die jeweilige Altersangabe der Person im Herbst 1918 findet. So muss man nicht erst anfangen zu rechnen, sondern sieht gleich, wie alt die Protagonisten zum Zeitpunkt des Geschehens waren.

Mein Fazit: Für Geschichtsfans sicher ein Muss, für alle anderen ist die Perspektive aus Sicht der bayerischen Prinzessinnen auf die Revolution interessant, man sollte aber bereit sein, selbst einige Hintergrundinformationen zu recherchieren. Jedenfalls hat das Buch meine Neugierde auf den weiteren Lebensweg von Prinzessin Wiltrud geweckt, dafür danke ich!

Bewertung vom 28.10.2018
Meyer-Burckhardt, Hubertus

Frauengeschichten


sehr gut

Hubertus Meyer-Burckhardt war mir bislang vor allem als Fernsehtalker bekannt, vor allem durch die NDR Talk Show.
Hier nun legt er das Begleitbuch zu seiner Radiosendung "Meyer Burckhardts Frauengeschichten" vor. Dafür wurden zehn der 46 bis zum Erscheinen des Buchs geführten Interviews ausgewählt. Wer die Auswahl traf und nach welchen Kriterien hätte mich interessiert, bleibt aber leider unerwähnt.
Dafür liefert der Autor zu jedem Gespräch einen kurzen, persönlichen Epilog, der manchmal nur haarscharf der Lobhudelei entgeht. Hier hätte ich mir stattdessen eine kurze Vita der Gesprächspartnerin gewünscht. Denn nicht jede der Frauen könnte ich sofort einordnen, weder der Name Leslie Malton noch Ulrike Murmann sagten mir etwas.
Die Interviews selbst sind unterhaltsam und von Meyer-Burckhardts tiefem Interesse an seinen Gesprächspartnerinnen geprägt. Wobei ich so manche Frage intelligenter als die zugehörige Antwort fand ...
Auch ein wenig Gossip gibt es zu entdecken: Wer hätte etwa gedacht, dass Elke Heidenreich Mal als Pressesprecherin von Gerhard Schröder im Gespräch war?
Ein unterhaltsames Buch von einem Mann, der stark genug ist, von starken Frauen zu lernen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.10.2018
Draesner, Ulrike

Eine Frau wird älter


gut

Ulrike Draesner hat ein erfrischend ehrliches Buch über das Älterwerden und alt sein als Frau geschrieben.
Gespickt mit persönlichen Anekdoten aus ihrer Familie und dem Bekanntenkreis lässt sie uns an ihrer Selbstwahrnehmung als junges Mädchen teilhaben, sie erzählt Intimes wie ihre erste Periode und erlittene Fehlgeburten.
Draesner schreibt witzig und unterhaltsam, sie gibt Anregungen für neue Betrachtungsweisen des (weiblichen) Alterns. Etwa, das Fortschreiten des Lebens nicht als Besteigen eines Berges zu verstehen, bei dem der Weg nach Erklimmen des Gipfels in der Lebensmitte nur noch stets bergab führt. Sondern sie regt an, das Leben als eine Wanderung in der Ebene zu begreifen, mit Wegen voller Kurven und Wendungen, die man vorwärts, seitwärts und auch rückwärts begehen kann, vielleicht auch Mal in einer Sackgasse landet, um dann einen neuen Weg zu suchen.
Andere Gedanken der Autorin hingegen finde ich falsch, etwa die Idee, in der Demenz würde sich der eigentliche Kern der Betroffenen zeigen, würden Wesenszüge zu Tage treten, die zuvor unterdrückt wurden.
Draeger schreibt über viele Aspekte des Alterns, ein essentielles Thema habe ich jedoch vermisst: die veränderte weibliche Sexualität. Schade, dass dieser Lebensbereich auch hier einmal mehr Tabu bleibt.
Fazit: Gut zu lesen, manches Klischee wird hinterfragt, aber Wichtiges gar nicht behandelt.

Bewertung vom 22.10.2018
Steinthaler, Evelyn

Mag's im Himmel sein, mag's beim Teufel sein


sehr gut

Zu den unfassbaren Verbrechen wider die Menschheit, die die Nationalsozialisten während des Dritten Reiches verübten, gehört auch die Ächtung bzw. das Verbot von interkonfessionellen Liebesbeziehungen. Selbst in einer Ehe, die nicht von allen gesellschaftlich akzeptiert wird (mein Mann ist Afrikaner), interessierte es mich sehr, wie Stars der 1930er Jahre ihre Beziehungen zu Jüdinnen unter den Repressionen lebten.
Dennoch konnten mich die Schicksale der porträtierten Paare nur teilweise fesseln. Etwas mehr Zitate oder wörtliche Reden hätten die beschriebenen Beziehungen für mich anschaulicher werden lassen. So entstand durch die nüchterne, sachliche Sprache Steinthalers doch eine recht große Distanz zu den geschilderten Lebensläufen. Klar herausgearbeitet hat die Autorin die verschiedenen Strategien der Paare: Emigration, Trennung und Schutzheirat der jüdischen Partnerin mit einem Ausländer, Widerstand unter Ausnutzung der eigenen Popularität, aber auch Anpassung an das System, ja sogar Resignation bis hin zum Selbstmord.
Positiv hervor heben möchte ich die Abbildung zahlreicher zeitgenössischer Fotos.
Allein schon wegen des großartigen Nachworts empfehle ich dieses Sachbuch. Denn hier schlägt die Autorin den Bogen von den Verbrechen der NS-Diktatur zum derzeitigen Rechtsruck in Europa. Sie zeigt auf, dass es nötig ist, Stellung zu beziehen und gegen Neonazis die Stimme zu erheben, um dem Erstarken rassistischer Ideologien Einhalt zu gebieten. Ein wichtiger Appell, allein schon dafür wünsche ich dem Buch möglichst viele Leser.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.