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Aischa

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Insgesamt 571 Bewertungen
Bewertung vom 02.12.2018
Lahayne, Olaf

Schöne Bescherung!


sehr gut

Wer sich die Wartezeit aufs Christkind mit gut gemachten weihnachtlichen Short Stories der etwas anderen Art verkürzen möchte, dem lege ich diese Anthologie wärmstens ans Herz.
Lahayne legt eine erfrischend abwechslungsreiche Geschichtensammlung vor: Vom Kurzkrimi zu Mystischem, von Erzählungen in naher Zukunft über solchen die zur Geburt Christi spielen, ob Witzig-Ironisches oder Besinnliches zum Nachdenken - der Autor beherrscht eine große Bandbreite an Genres und Themen.
Nur eines wird man (erfreulicherweise) vergeblich suchen: Kitsch.
Leser, die mit dem österreichischen Sprachraum bislang wenig Berührungspunkte hatten, müssen vermutlich das ein oder andere Wort nachschlagen ("Mistkübel", "fladern"), aber ein wenig Bildung kann ja nie schaden ...
Mich haben die Geschichten bestens unterhalten, daher habe ich auch großzügig über einige Rechtschreibfehler hinweggelesen und es gibt eine klare Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 08.11.2018
Youngson, Anne

Das Versprechen, dich zu finden


ausgezeichnet

Anne Youngson ist eine Spätberufene: Im Alter von 70 Jahren legt sie mit "Das Versprechen, dich zu finden" ihren Debütroman vor.
Und dieser ist mehr als überzeugend, er gehört definitiv zu meinen Lesehighlights in diesem Jahr.
Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt: Zwischen Tina, einer britischen Bauersfrau, und Anders, der Kurator in einem dänischen Museum ist, entsteht mehr oder weniger zufällig ein Briefwechsel, der langsam aber stetig in eine Freundschaft übergeht.
Die beiden Anfang 60jährigen sind völlig verschiedene Charaktere, haben aber gemeinsam, dass sie einen lieben Menschen verloren haben.
Über die Monate hinweg nähern sie sich durch die Briefe einander an, teilen Gedanken und Gefühle, eröffnen gerade durch ihre Unterschiede dem anderen einen neuen Blickwinkel auf das eigene Leben. Dabei werden unterschiedlichste Aspekte des Lebens thematisiert: Kindererziehung, Ablösung vom Elternhaus, Trauer um geliebte Personen oder die Distanz innerhalb einer Liebesbeziehung. Die Protagonisten stellen Fragen wie: Hat eine Frau das Recht, dem Vater Ihres Kindes vorzuenthalten, dass er Vater wird, wenn er nicht mit ihr zusammen wohnt? Habe ich rückblickend mein Leben so gelebt, wie ich es als junger Mensch wollte?
Youngson hat für die Geschichte die Form des Briefromans gewählt. Dadurch ist der Stil an manchen Stellen etwas gewöhnungbedürftig, etwa wenn Tina von einem Gedanken zum anderen springt. Aber für mich hat es gerade einen besonderen Reiz des Buchs ausgemacht, wie verschieden die beiden Protagonisten ihre Gedanken zu Papier gebracht haben (oder vielmehr: wie gut die Autorin dies umgesetzt hat) und wie sie sich dennoch nach und nach, beinahe zaghaft, einander annähern.
Es ist ein zarter Roman über das Leben in seinen vielen Facetten, der mich sehr berührt hat.
Bleibt zu hoffen, dasss Youngson noch viele gute Jahre als Schriftstellerin vergönnt sind, denn ich warte sehnsüchtig auf Nachschub aus ihrer literarischen Feder.

Bewertung vom 31.10.2018

Eben noch unter Kronleuchtern ...


gut

Es waren stürmische Zeiten in Bayern vor genau 100 Jahren: König Ludwig III. floh mit seiner Familie vor den Revolutionären, die den Volksstaat ausgerufen hatten.
Dabei ging es fast slapstickartig zu: Auf die Fluchtautos mussten erst noch Reifen montiert werden, die Krönchen auf dem Kühler wurden von Wildlederhandschuhen einer Prinzessin verdeckt.
Ein überaus filmreifes Szenario, das der Leser hier anhand von Tagebucheinträgen vor allem von Prinzessin Wiltrud, aber auch ihrer Schwestern Helmtrud und Hildegard sowie der Bediensteten Fanny Scheidl nachvollziehen darf.
Trotz der umfangreichen Recherche von Christiane Böhm, die unzählige Originalschriften im Wittelsbacher Hausarchiv sichten konnte, bin ich vom veröffentlichten Werk ein wenig enttäuscht. Zum einen hätte ich mir eine umfangreichere Einführung gewünscht, nicht jedem Leser sind die damaligen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Bayern ausreichend präsent, um die Notizen der Königstöchter entsprechend einordnen zu können. Zum anderen scheint mir die Auswahl der veröffentlichten Textpassagen nicht optimal, die Prinzessinnen neigen teils zu literarischen Längen, hier hätte man zugunsten des Leseflusses manches kürzen können. Die Aufzeichnungen Fanny Scheidls sind dagegen erfrischend knapp, sie kommt schnell und direkt auf den Punkt. (Leider finden sich nur wenige Texte von ihr im Buch.)

Eine wirkliche Bereicherung stellen die vielen historischen, teils bislang unpublizierten Fotos dar, die die Geschichte noch anschaulicher machen als allein der Text. Die Gestaltung des Büchleins ist hochwertig, mit viel Liebe zum Detail. Allerdings mindern zwei Landschaftskarten mit extrem schlechter Auflösung sowie eine sehr dunkle Abbildung den guten Gesamteindruck; hier ist auf eine verbesserte Neuauflage zu hoffen.
Einen weiteren Kritikpunkt stellen für mich die extrem häufigen Anmerkungen dar. Dies hemmt durch das permanente Hin- und Herblättern den Lesefluss doch sehr, da hilft auch das Lesebändchen nur bedingt. Zudem sind einige Anmerkungen banal, um nicht zu sagen: überflüssig. Und es gibt Anmerkungen, die wiederum auf das Personenverzeichnis weiterverweisen - noch mehr Blättern ...
Die Personenverzeichnisse an sich sind sehr gut. Ungewöhnlich aber sehr hilfreich fand ich, dass sich dort die jeweilige Altersangabe der Person im Herbst 1918 findet. So muss man nicht erst anfangen zu rechnen, sondern sieht gleich, wie alt die Protagonisten zum Zeitpunkt des Geschehens waren.

Mein Fazit: Für Geschichtsfans sicher ein Muss, für alle anderen ist die Perspektive aus Sicht der bayerischen Prinzessinnen auf die Revolution interessant, man sollte aber bereit sein, selbst einige Hintergrundinformationen zu recherchieren. Jedenfalls hat das Buch meine Neugierde auf den weiteren Lebensweg von Prinzessin Wiltrud geweckt, dafür danke ich!

Bewertung vom 28.10.2018
Meyer-Burckhardt, Hubertus

Frauengeschichten


sehr gut

Hubertus Meyer-Burckhardt war mir bislang vor allem als Fernsehtalker bekannt, vor allem durch die NDR Talk Show.
Hier nun legt er das Begleitbuch zu seiner Radiosendung "Meyer Burckhardts Frauengeschichten" vor. Dafür wurden zehn der 46 bis zum Erscheinen des Buchs geführten Interviews ausgewählt. Wer die Auswahl traf und nach welchen Kriterien hätte mich interessiert, bleibt aber leider unerwähnt.
Dafür liefert der Autor zu jedem Gespräch einen kurzen, persönlichen Epilog, der manchmal nur haarscharf der Lobhudelei entgeht. Hier hätte ich mir stattdessen eine kurze Vita der Gesprächspartnerin gewünscht. Denn nicht jede der Frauen könnte ich sofort einordnen, weder der Name Leslie Malton noch Ulrike Murmann sagten mir etwas.
Die Interviews selbst sind unterhaltsam und von Meyer-Burckhardts tiefem Interesse an seinen Gesprächspartnerinnen geprägt. Wobei ich so manche Frage intelligenter als die zugehörige Antwort fand ...
Auch ein wenig Gossip gibt es zu entdecken: Wer hätte etwa gedacht, dass Elke Heidenreich Mal als Pressesprecherin von Gerhard Schröder im Gespräch war?
Ein unterhaltsames Buch von einem Mann, der stark genug ist, von starken Frauen zu lernen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.10.2018
Draesner, Ulrike

Eine Frau wird älter


gut

Ulrike Draesner hat ein erfrischend ehrliches Buch über das Älterwerden und alt sein als Frau geschrieben.
Gespickt mit persönlichen Anekdoten aus ihrer Familie und dem Bekanntenkreis lässt sie uns an ihrer Selbstwahrnehmung als junges Mädchen teilhaben, sie erzählt Intimes wie ihre erste Periode und erlittene Fehlgeburten.
Draesner schreibt witzig und unterhaltsam, sie gibt Anregungen für neue Betrachtungsweisen des (weiblichen) Alterns. Etwa, das Fortschreiten des Lebens nicht als Besteigen eines Berges zu verstehen, bei dem der Weg nach Erklimmen des Gipfels in der Lebensmitte nur noch stets bergab führt. Sondern sie regt an, das Leben als eine Wanderung in der Ebene zu begreifen, mit Wegen voller Kurven und Wendungen, die man vorwärts, seitwärts und auch rückwärts begehen kann, vielleicht auch Mal in einer Sackgasse landet, um dann einen neuen Weg zu suchen.
Andere Gedanken der Autorin hingegen finde ich falsch, etwa die Idee, in der Demenz würde sich der eigentliche Kern der Betroffenen zeigen, würden Wesenszüge zu Tage treten, die zuvor unterdrückt wurden.
Draeger schreibt über viele Aspekte des Alterns, ein essentielles Thema habe ich jedoch vermisst: die veränderte weibliche Sexualität. Schade, dass dieser Lebensbereich auch hier einmal mehr Tabu bleibt.
Fazit: Gut zu lesen, manches Klischee wird hinterfragt, aber Wichtiges gar nicht behandelt.

Bewertung vom 22.10.2018
Steinthaler, Evelyn

Mag's im Himmel sein, mag's beim Teufel sein


sehr gut

Zu den unfassbaren Verbrechen wider die Menschheit, die die Nationalsozialisten während des Dritten Reiches verübten, gehört auch die Ächtung bzw. das Verbot von interkonfessionellen Liebesbeziehungen. Selbst in einer Ehe, die nicht von allen gesellschaftlich akzeptiert wird (mein Mann ist Afrikaner), interessierte es mich sehr, wie Stars der 1930er Jahre ihre Beziehungen zu Jüdinnen unter den Repressionen lebten.
Dennoch konnten mich die Schicksale der porträtierten Paare nur teilweise fesseln. Etwas mehr Zitate oder wörtliche Reden hätten die beschriebenen Beziehungen für mich anschaulicher werden lassen. So entstand durch die nüchterne, sachliche Sprache Steinthalers doch eine recht große Distanz zu den geschilderten Lebensläufen. Klar herausgearbeitet hat die Autorin die verschiedenen Strategien der Paare: Emigration, Trennung und Schutzheirat der jüdischen Partnerin mit einem Ausländer, Widerstand unter Ausnutzung der eigenen Popularität, aber auch Anpassung an das System, ja sogar Resignation bis hin zum Selbstmord.
Positiv hervor heben möchte ich die Abbildung zahlreicher zeitgenössischer Fotos.
Allein schon wegen des großartigen Nachworts empfehle ich dieses Sachbuch. Denn hier schlägt die Autorin den Bogen von den Verbrechen der NS-Diktatur zum derzeitigen Rechtsruck in Europa. Sie zeigt auf, dass es nötig ist, Stellung zu beziehen und gegen Neonazis die Stimme zu erheben, um dem Erstarken rassistischer Ideologien Einhalt zu gebieten. Ein wichtiger Appell, allein schon dafür wünsche ich dem Buch möglichst viele Leser.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.10.2018
Fazis, Birgit

Fingerfood - bayerisch gut


gut

Beim ersten Durchblättern dieses Kochbuchs kam mir der urbayerische Ausdruck "Mogndratzerl" in den Sinn: wörtlich übersetzt ein "Magenreizerchen", also ein Appetithäppchen, ein Amuse-Gueule.
Birgit Fazis unterteilt ihre Sammlung bayerischer Mini-Leckereien in vier Kapitel: aufs Brot, am Spieß, am Stück und im Glas. Vor allem die Rezepte in letzer Kategorie haben mich etwas verwundert - unter Fingerfood im eigentlichen Sinn verstehe ich Speisen, die man eben mit den Fingern und ohne Besteck essen kann. Dies trifft auf einige der vorgestellten Häppchen leider nicht zu.
Wer vor allem Rezepte für ein leckeres Picknick oder die Brotzeit beim Wandern sucht wird eventuell etwas enttäuscht sein. Hingegen bietet das Buch sehr viele kreative Ideen für ein bayerisches Buffet oder schnell gezauberte kleine kulinarische Köstlichkeiten für Überraschungsbesuch.
Die Zutaten sind bodenständig und in jedem gut sortierten Supermarkt erhältlich, vieles dürfte der Durchschnittshaushalt ohnehin vorrätig haben. Die Rezepte kommen mit einigen wenigen Zutaten aus, sind in der Kombination und/oder Zubereitung dennoch originell. Die Anleitungen sind gut verständlich, die angegebenen Zeiten stimmig. Auch Kochanfänger dürften mit den Rezepten gut zurechtkommen, es werden weder besondere Küchengeräte noch jahrelange Erfahrung in der Küche benötigt.
Ich hätte mir noch Nährwert- und Kalorienangaben gewünscht; außerdem wird für meinen Geschmack zu viel auf Fertigprodukte zurückgegriffen (z.B. Apfelmus, Knödelteig), hier wäre eine Anleitung fürs Selbermachen schön gewesen.
Ein weiterer Kritikpunkt sind einige sehr einfach gestrickte, fast schon banale Rezepte: Salzbrezelchen mit Kuvertüre zu beträufeln oder einen Apfel mit Schokolade zu überziehen kann man machen - ein Rezept braucht es dafür meines Erachtens nicht.
Andererseits finden sich aber auch wirklich kreative "Mogndratzerl": etwa die Breznknödel-Tapas oder gefüllte Minikartoffelknödel in verschiedensten Variationen.
Mein Tipp: Vor dem Kauf einen ausführlichen Blick in das Inhaltsverzeichnis werfen und dann entscheiden, ob man für sich genügend interessante Rezepte findet.

Bewertung vom 12.10.2018
Bruns-Bode, Marie

Mit einem Mann möcht ich nicht tauschen


sehr gut

Rainer Noltenius legt eine außergewöhnliche Biografie über seine ebenso außergewöhnliche Großmutter vor:
In jahrelanger Kleinstarbeit hat er sich durch 18 Tagebücher und Hunderte von Briefen von Marie Bruns-Bode gearbeitet, die diese hinterlassen hat.
Entstanden ist ein anschauliches Porträt nicht nur der Person Marie Bruns-Bode, sondern ebenso ein Stück Zeitgeschichte, angefangen von Ihrer Kindheit und Jugend während der Kaiserzeit, über Ihre Ehe mit Volker Bruns, dem Gründer des Berliner Instituts für Völkerrecht, bis zu ihrem dramatischen Tod nach einem Sturz in einer psychiatrischen Klinik. Wir begleiten die Protagonistin durch die Weimarer Republik, das NS-Regime, den zweiten Weltkrieg und die ersten Nachkriegsjahre.
Der Herausgeber hat das vorliegende Werk in zwei große Teilen gegliedert: Einmal bekommt der Leser Einblick in Maries Leben anhand von Tagebucheinträgen, im zweiten Teil folgen dann Auszüge aus Briefen an Verwandte und Freunde. Mir wäre eine chronologische Anordnung unter Mischung dieser beiden Quellen lieber gewesen.
Das Nachwort liefert wertvolle Hinweise zur damaligen Nutzung von Tagebüchern und Briefen, die sich von der heute üblichen deutlich unterscheidet. Mein Tipp: das Nachwort vor dem Hauptteil lesen, man erfährt hier wichtige Hintergründe und kann so einiges besser verstehen bzw. anders werten.
Im Anhang findet sich ein Überblick über die zahlreichen Familienmitglieder. Dies hätte ich als Stammbaum übersichtlicher gefunden.
Positiv hervorheben möchte ich die äußerst hochwertige Ausstattung des Buches: Hardcover mit Lesebändchen, zahlreiche farbige Abbildungen, Zeichnungen, die Marie Bruns-Bode angefertigt hat und Fotografien sind eine wunderbare Ergänzung des Texts.
Die Sprache wirkt erstaunlich aktuell, die Biografie war für mich gleichermaßen unterhaltsam wie lehrreich. Einzig über Maries Lebensjahre nach dem zweiten Weltkrieg hätte ich gerne mehr erfahren, zumal sie hier eine charakterliche Wandlung vollzogen hat, ihr Leben mit Volker Bruns nun auch kritisch sah und letzlilet eine Depression entwickelte.
Insgesamt aber ein wirklich lesenswertes Buch!

Bewertung vom 28.09.2018
Andrea van Bebber

Töne durch die Wand


ausgezeichnet

Eigentlich ist es eine Geschichte, die schon tausendfach erzählt wurde:
Der Großvater, als Veteran des zweiten Weltkrieges ein psychisches Wrack, tyrannisiert seine Familie, auch die Enkelin hat noch darunter zu leiden.
(Auf Details muss an dieser Stelle verzichtet werden, um nicht zu spoilern.) Das Mädchen ist - auch durch den autoritären Vater - extremem Druck ausgesetzt. Trost findet sie im Gitarrenspiel. Die Story begleitet die junge Anne durch ihre Kindheit und Jugend bis in ihre junge Ehe, die von einem weiteren Trauma überschattet ist.
Wie gesagt, inhaltlich ist hier wenig Neues zu finden. Und dennoch hat mich dieser Roman durchgehend gefesselt, er hat mich auf eine ganz besondere Art und Weise berührt.
Dies liegt auch nicht am Aufbau der Erzählung, die in zwei Zeitebenen stattfindet - der Gegenwart, in der ein nebulöser Schleier über Annes Erinnerung liegt, der sich nur allmählich lichtet, und Rückblicken in Kindheit und Jugend. Nein, wirklich innovativ ist der Wechsel zweier Erzählebenen nicht, auch wenn er der Autorin handwerklich gut gelungen ist.
Was mich aber durchgehend begeistert hat, ist die Sprache van Bebbers. Mit pointierten Neologismen amüsiert sie mich einerseits und erzeugt beim Lesen andererseits eine Nähe, die mich völlig in die Handlung eintauchen lässt: "Hörst-du-mir-auch-zu-Schläge" auf den Oberarm - eine großartige Beschreibung der penetranten Mutter am Krankenbett. Überhaupt ist der Roman gefüllt mit großartigen Formulierungen, z.B. "Elisabeth litt wie ein ausgekühltes Baby." Auf derartige Vergleiche zu kommen ist für mich große Literatur.
Der ein oder andere Nebenschauplatz hätte für meinen Geschmack noch etwas mehr Beachtung verdient. So etwa die Probleme des Bruders, da habe ich nicht alles verstanden.
Insgesamt aber ein vor allem sprachlich großartiger Roman, der wichtige Themen behandelt und unter die Haut geht.

Bewertung vom 12.09.2018
Stieler, Jana

Der Stoff, aus dem Träume sind


gut

Nein, das war leider kein gutes Buch für mich.
Dabei hatte der Klappentext eine interessante Geschichte versprochen.
Und der Plot ist auch gar nicht Mal schlecht. Die beiden Protagonistinnen könnten unterschiedlicher nicht sein: Zum einen die taffe Designerin Claire, die ihre Karriere vor die Familie gestellt hat. Und zum anderen das graue Mäuschen Vivian, alleinerziehende Studienabbrecherin, voller Selbstzweifel, mit starker Tendenz zur Helikoptermutter.
Gut recherchiert und umgesetzt sind die Rückblenden in Claires Vergangenheit im London der Nachkriegszeit.
Dagegen musste ich mich durch den Erzählstrang in der Gegenwart streckenweise regelrecht quälen. Vivian permanentes Analysieren ihrer Zeitgenossen nervt, ebenso wie ihre extreme Unsicherheit. Dann wiederum handelt sie plötzlich völlig unglaubwürdig, nur weil sie auf einmal ein Kleid trägt, das eigens für sie entworfen wurde. Das ist mir selbst für einen Liebesroman zu kitschig, wir sind ja nicht im Märchen!
Auch sprachlich konnte ich mit dem Roman nicht warm werden: "Sie erinnerte Vivian an den Farn in dunklen Wäldern, in denen Efeu knorrige Bäume im liebkosenden Würgegriff hielt und durch die Äste gebündelte Sonnenstrahlen die Staubkörner in der Luft glitzern ließen." Wie bitte??? Liebkosender Würgegriff? Eine S/M-Beziehung zwischen Efeu und Baum?! Sorry, aber gute Literatur ist für mich etwas anderes.
Leider nur Durchschnitt.