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Glüxklaus
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Franken

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Insgesamt 629 Bewertungen
Bewertung vom 31.03.2021
Franz, Cornelia

Calypsos Irrfahrt


sehr gut

Eine spannende Abenteuergeschichte und gleichzeitig ein Plädoyer für Mitgefühl und Hilfsbereitschaft

Der vierwöchige Mittelmeer-Segeltörn, den Oscar mit seinen Eltern auf der Calypso unternimmt, entwickelt sich völlig anders als erwartet. Die Familie entdeckt auf offener See zwei Kinder, Nala und Moh, die auf einem Rettungsring treiben und zieht die beiden aufs Schiff. Nala und Moh stammen aus dem Kongo, sind Geschwister und wollten mit weiteren Menschen auf einem Boot flüchten, fielen dabei aber über Bord. Oscars Eltern versuchen, die Geschwister in einem Auffanglager für Flüchtlinge unterzubringen. Doch in keinem der angesteuerten Häfen sind Flüchtlinge willkommen. Während der Fahrt gewinnt die Familie, allen voran Oscar, die beiden Kinder immer lieber. Doch die Kinder können nicht einfach bei ihren Rettern bleiben, der unvermeidliche, schmerzliche Abschied rückt jeden Tag ein Stück näher...

Cornelia Franz schreibt kindgemäß und sehr flüssig. Meine Kinder und ich fühlten uns sofort von der Geschichte angesprochen und hatten keine Schwierigkeiten, uns in das Geschehen hineinzuversetzen. Kinder ab zehn Jahre können das Buch sicher schon selbstständig lesen und verstehen. Sie werden aber vermutlich Fragen zum Thema, zu rechtlichen Regelungen und zu Mohs und Nalas Situation haben, daher empfiehlt es sich für die Eltern, das Buch ebenfalls zu lesen.

Alle Figuren in „Calypsos Irrfahrt“ sind sympathische, angenehme Charaktere. Da ist Oscar mit seinem großen Herz, der offen und neugierig auf andere, in diesem Fall auf Moh und Nala, zugeht, sofort bereit ist, mit ihnen zu teilen und auf ihre Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Auch Oscars Eltern zeigen viel Mitgefühl, setzen sich engagiert für die Kinder auf der Flucht ein und tun alles, was in ihrer Macht steht, um es für die Geschwister so angenehm und erträglich wie möglich zu machen. Moh und Nala haben Dinge erlebt, die kein Kind erleben sollte. Nala wirkt für ihr Alter erstaunlich reif und gefasst, sie ist selbstständig und zupackend und liebt ihren Bruder über alles. Moh hingegen kann die Erlebnisse der Vergangenheit nicht vergessen, er wirkt zappelig, sehnt sich nach seinen Eltern, findet einfach keine Ruhe. Im Laufe der Geschichte verändert sich die Beziehung der Familien untereinander, sie kommen einander näher und näher. Auch die Charaktere entwickeln sich durch die Geschehnisse weiter.

Ganz schön abenteuerlich und spannend geht es auf der Calypso zu. Unterwegs gerät die Familie in einen lebensgefährlichen Sturm. Über allem steht aber die Frage, wie es mit Moh und Nala weiter geht. Und was die beiden von ihren früheren Erlebnissen berichten, lässt sicher keinen Leser kalt.
Anfangs war ich skeptisch, ob das hochkomplexe, vieldiskutierte politische Thema „Flüchtlinge“ wirklich für ein Kinderbuch geeignet ist. Wie können Kinder etwas verstehen, das selbst Erwachsenen überfordert? Cornelia Franz ist es gelungen, einen ganz individuellen Bezug zum Thema herzustellen. Sie sensibilisiert ihre Leser dafür, dass es Menschen gibt, die nicht so eine privilegierte Ausgangsposition haben wie sie selbst, dass es manche Menschen alleine nicht schaffen können und auf die Hilfe anderer angewiesen sind und dass wir es trotz aller Umstände in der Hand haben, sie in irgendeiner Form zu unterstützen. Cornelia Franz Buch ist genauso eine mitreißende Abenteuergeschichte wie Plädoyer für Hilfsbereitschaft und Mitgefühl. Die Geschichte erhebt sicher nicht Anspruch, komplett realistisch zu sein, aber sie zeigt einfühlsam und ohne zu laut zu werden, dass es im Hinblick auf globale Probleme auch und vor allem im Kleinen darauf ankommt, an andere zu denken, sich für andere einzusetzen und ganz intuitiv für sie da zu sein. Für mich wurde das Buch ganz zu recht mit dem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2021
Johann, Petra

Die Frau vom Strand


sehr gut

Wie weit würdest Du gehen, um Dein Glück zu schützen?

Nachdem sie einen schweren Schicksalsschlag überwunden hat, geht es Rebecca endlich richtig gut. Sie führt mit ihrer Frau Lucy eine glückliche Beziehung und lebt mit ihrer fünf Monate alten Tochter Greta in Rerik an der Ostsee. Eines Tag erlebt sie bei einem Strandspaziergang eine merkwürdige Begegnung. Eine junge Urlauberin, Julia, steht splitterfasernackt vor Rebecca und bittet sie um Hilfe, ihr wurden die Kleider gestohlen. Rebecca befreit Julia aus dieser misslichen Lage, leiht ihr Kleidung und lädt sie daraufhin zum Kaffee ein. Die beiden Frauen verstehen sich auf Anhieb, werden rasch zu Freundinnen. Als Rebecca Julia zu einem Abendessen einlädt, erscheint diese ohne Erklärung nicht, obwohl sie fest zugesagt hatte. Rebecca sucht daraufhin überall nach Julia, doch diese bleibt spurlos verschwunden. Und dann kommt es zu einem weiteren tragischen Unglück.

Dank Petra Johanns angenehmen, flüssigen und lebendigen Schreibstils fiel es mir sehr leicht, mich auf die Geschichte einzulassen. Die Autorin erzählt anfangs aus Rebeccas Perspektive in Ich-Form, später schildert sie den Fall aus Sicht der Polizei, in Person der ermittelnden Kommissarin Edda Timm.

Autorin Petra Johann hat zweifelsohne interessante, reizvolle Figuren gezeichnet. Zunächst fühlte ich mich der Protagonistin Rebecca ziemlich nahe. Ihre Schilderung, wie sie Julia kennenlernt, ihre Gefühle dabei, fand ich gut verständlich und plausibel. Rebecca spricht die Leser direkt an, nimmt sie durch ihre sehr persönliche Darstellung der Vorkommnisse für sich ein. Doch ab dem zweiten Teil erfahren die Leser die Handlung nicht mehr aus Rebeccas Sicht, sondern aus der der Polizei. Dabei wird ein ganz anderes Licht auf Rebecca geworfen, verschiedene Zeugen betrachten und beurteilen sie von außen, dadurch wird das Bild der Person Rebecca immer verschwommener, zwiespältiger und unklarer.
Auch den Charakter von Rebeccas Freundin Lucy bekommen die Leser nicht aus ersten Hand mit, sie müssen sich erneut auf die Aussagen von anderen verlassen. Das macht diese Figuren für die Leser natürlich sehr spannend und rätselhaft.
Kommissarin Edda Timm ist ebenso eine Person mit Ecken und Kanten. Sie hat kaum Privatleben, lebt für die Arbeit, aber vielleicht trübt gerade das fast besessene Fokussiertsein auf den Fall ihre Sinne?

Was für ein packender, kurzweiliger Krimi! Nichts ist hier klar, immer wieder werden falsche Fährten gelegt und am Ende kommt doch alles wieder ganz anders und vieles ziemlich unerwartet. Obwohl der Roman weitgehend ohne Blut und Gewalt auskommt, ließ er mich des Öfteren richtig schaudern. Denn auch eiskalte Berechnung und Skrupellosigkeit kann Gänsehaut verursachen.
„Die Frau vom Strand“ ist für mich ein gut konstruierter, komplexer, aber dennoch klar nachvollziehbarer Krimi mit überzeugender, überraschender Auflösung. Ein Thriller, der einmal mehr zeigt, dass so mancher Unschuldiger ganz schnell zum Kriminellen werden kann, wenn das bedroht ist, was er liebt. Fesselnde Unterhaltung!

Bewertung vom 25.03.2021
Weber, Susanne

Kiwi, Kalle und das Stadtgeflüster


sehr gut

Von Schnudeln und merkwürdigen Geheimnissen aus der Nachbarschaft: rätselhaft und fast ein Krimi

„Ein Leben ohne Schnudel ist möglich, aber sinnlos.“

Pelle ist ein Schnudel, eine Mischung aus Schnauzer und Pudel, er gehört Oma Matz. Da die nicht mehr so gut zu Fuß ist, geht Kalle jeden Tag mit Pelle Gassi. Die beiden sind beste Freunde und lernen eines Nachmittags Kirsten kennen, die für Oma Matz Einkäufe erledigt. Anfangs glaubt Kalle, dass sie eine typische, eingebildete Ballett-Prinzessin ist, doch das stimmt gar nicht. Als in der Nachbarschaft lauter seltsame Dinge passieren -die Frau vom Luftballonladen verschwindet, schwarze Ballons mit kleinen Döschen schweben herum und ein Fremder möchte Omas Matz Wohnung kaufen- ist Kirsten, die Kalle jetzt Kiwi nennt, mindestens genauso neugierig wie Kalle selbst. Die zwei versuchen gemeinsam mit Pelle, herauszufinden, was hinter den Vorkommnissen steckt. Dabei taucht immer wieder der gruselige Bestatter auf, der ständig vor seinem Geschäft Ausschau hält. Ob der mit all den Merkwürdigkeiten zu tun hat?

Susanne Weber schreibt kindgemäß und gut verständlich im Präsens, abwechselnd aus der Sicht von Kalle und Kiwi. Vor jedem Abschnitt ist jeweils der Schatten des entsprechenden Kindes abgedruckt, das aus seiner Perspektive erzählt, wie sich die Geschichte aktuell weiterentwickelt.
Mädchen und Jungen ab acht Jahren können das Buch sicher schon selber lesen. Motiviert werden sie dabei von den amüsanten, treffenden Illustrationen der Zeichnerin Julia Dürr. Die Lagepläne der Nachbarschaft bspw. helfen den Vorstellungen der Leser vom Schauplatz der Geschichte anschaulich auf die Sprünge.

Die witzigste Figur ist natürlich Pelle, der Schnudel. Ein Schnudel muss dem Namen nach schon einfach ein lieber, gemütlicher Zeitgenosse sein. Das ist bei Pelle, der nicht mehr der jüngste ist, definitiv der Fall. Aber auch die beiden menschlichen Hauptcharaktere Kalle und Kiwi sind nette, unkomplizierte, patente Kinder mit viel Phantasie. Mit ihnen werden sich die Leser leicht identifizieren. Die beiden beobachten sehr genau, ihre Neugier ist ansteckend. Schön auch, hautnah mitzuerleben, wie die noch junge Freundschaft von Kiwi und Kalle jeden Tag mehr wächst und sich die beiden immer besser verstehen und ergänzen.

Geschehen im Viertel wirklich Verbrechen?
Der Enthusiasmus der beiden Kinder bei ihren Ermittlung lässt sicher kaum einen Leser kalt, die Geheimnisse des Viertels entwickeln sich fast zum Krimi, Kalle und Kiwi werden beinahe zu Detektiven. Auch der Alltag gibt manchmal ganz unverhofft viele spannende Rätsel auf, wenn man sich nur richtig umguckt, das zeigen die drei Freunde eindrücklich. Und manche Leute sind ganz anders als sie wirken, man muss ihnen nur eine Chance geben. Eine sehr unterhaltsame Geschichte über eine neue Freundschaft und besondere Nachbarn. Es hat immer was für sich, sich für andere zu interessieren und auf sie zuzugehen. Eigentlich kann man dabei nur gewinnen. Und auch dieses Buch ist ein Gewinn für alle, die was für Rätsel übrig haben.

Bewertung vom 18.03.2021
Ephron, Hallie

Hüte deine Zunge


sehr gut

Solide konstruierter, spannender Krimi

Emily unterstützt ihre Kunden professionell dabei, zu entrümpeln und Ordnung zu schaffen. Sie arbeitet aktuell an zwei prekären Aufträgen. Die ältere Mrs. Murphy bittet Emily darum, ein Lager ihres verstorbenen Mannes auszuräumen. Im Lager befinden sich lauter Dinge aus Museen und Büchereien. Diebesgut? Und dann verschwindet auch noch der Ehemann einer zweiten Kundin auf mysteriöse Weise. Emily ist zur falschen Zeit am falschen Ort und ehe sie sich versieht, gerät sie selbst unter Verdacht, mit dem Vorfall zu tun zu haben.

Autorin Hallie Ephron schreibt gut verständlich und unkompliziert. „Hüte Deine Zunge“ liest sich angenehm und flüssig. Ich hatte keine Mühe, mich ins Geschehen hineinzuversetzen.

Protagonistin Emily ist eine sympathische, recht gutgläubige Frau. Sie ist von einigen Personen umgeben, die alles andere als berechenbar sind. Allen voran ihr eigener Ehemann Frank mit seinem ausgeprägten Sammeltrieb. Während Emily tolerant, ordnungsliebend und verlässlich erscheint, wirkt er eher bestimmend, chaotisch und wankelmütig. Beim Lesen wusste ich nie, woran ich bei ihm bin, ändert er doch seine Stimmung oft ganz plötzlich von einem Moment auf den anderen. Kann eine Beziehung zwischen zwei derart verschiedenen Partnern wirklich gutgehen?
Auch Emilys Kundinnen sind schwer einzuschätzen. Quinn beispielsweise verhält sich extrem seltsam, oft nicht nachvollziehbar und zieht Emily ganz selbstverständlich in eine Angelegenheit hinein, die diese eigentlich überhaupt nicht betrifft. Mit Emily litt ich daher besonders mit. Sie hat das große Pech, an die falschen Menschen zu geraten und weiß nicht mehr, wem sie überhaupt noch vertrauen kann. Echt vertrackt! Aber insgesamt eine sehr interessante Personenkonstellation.

Die Handlung entwickelt sich anfangs gemächlich, im Verlauf dann etwas drastischer bis zum extrem spannenden Finale. Es dauert länger, bis das eigentliche Verbrechen direkt zum Thema wird. Trotzdem ist der Roman nie langweilig, denn immer hat man das Gefühl, dass es in jeder Sekunde zum „Knall“ kommen könnte, permanent schwingt eine leise Bedrohung mit. Ich ahnte von Anfang an, dass Emily ganz unvermittelt und ohne ihr Zutun in Verdacht geraten könnte, dass sich die „Schlinge“ um sie ganz schnell „zuziehen“ könnte. Das macht „Hüte deine Zunge“ zu einem packenden, unterhaltsamen, solide konstruierten Kriminalroman, den ich wirklich gerne gelesen habe.

Bewertung vom 15.03.2021
Kempen, Sarah M.

Wenn Wahrsagen so einfach wäre / Akademie Fortuna Bd.1


sehr gut

Vielversprechender Auftakt: ein bisschen Harry Potter, noch mehr Magie und ganz viel Spannung

Annivarsary Fortune, genannt Sorry, ist aufgeregt. Endlich wird sie die Akademie Fortuna, die Schule für Wahrsagerei, besuchen. Als Tochter der Schulleiterin steht sie unter besonderer Beobachtung. Von ihr werden selbstverständlich gute Leistungen erwartet. Leider hatte Sorry bisher noch nie eine „große Vision“, sie kann nur voraussehen, was sich in ein paar Sekunden ereignen wird, kleinere Unfälle im Alltag, aber keine wegweisenden Voraussagen. Das darf aber niemand wissen. Wie soll sie da an der Schule bestehen können? Die Sterndeuterfamilie Astra wittert ihre Chance, endlich die Schulleitung übernehmen zu können. Und dann taucht auch noch unvermittelt ein neuer Schüler auf, Ben Dulum, ein Nekromant. Sorry sollte Ben eigentlich meiden, doch der lässt sich davon nicht beirren. Auch Hausmeistertochter Missy Harp, eine Nichtseherin, schließt bald Freundschaft mit Sorry.

Sarah M. Kempten schreibt humorvoll, unkompliziert und recht verständlich. Für ihre Figuren hat sie sich besonders originelle Namen ausgedacht wie Euphoria Fortune, Crystal Glass oder Estrella Taurus, die oft voller Anspielungen stecken. Die Namen machen Spaß, verwirren aber jüngere Leser, die kein Englisch können, sicher ein wenig. Daher ist das Buch frühestens für Leser ab zehn Jahren zu empfehlen.
Die Aufmachung des Buch ist sehr ansprechend. Das Cover mit den Hauptfiguren in der Mitte ist ein Hingucker, wirkt sowohl düster und geheimnisvoll, hat aber auch helle, freundliche Aspekte. Alicia Räths Illustrationen sind sehr individuell. Sie geben die Grundstimmung und die Emotionen der Figuren treffend wieder.

Sorry kann einem anfangs nur leid tun. Sie hat eine für den Alltag äußerst praktische Fähigkeit. Ihre Visionen kleiner Alltagsunfälle kann verhindern, dass sich Leute verletzen. Aber diese Gabe gilt in der Akademie nichts. Klar, dass sie da über kein Selbstbewusstsein verfügt und in ständiger Angst lebt, entlarvt zu werden. An ihren Vater erinnert sich Sorry gern: „Jede Vorhersage ist ein Wunder“, hatte er Sorry getröstet, wenn sie es wieder einmal nicht geschafft hatte, eine große Vision heraufzubeschwören. „Jede deiner Vision wichtig: egal wie klein. Und wer weiß: Vielleicht bist du ja die Begabteste von allen.“ Doch leider ist ihr Vater tot und nun hat Sorry niemanden mehr, der an sie glaubt. Die Bekanntschaft zu Hausmeistertochter Missy Harp kommt gerade recht. Missy, die ziemlich tollpatschig ist, der ein Missgeschick nach dem anderen passiert und die lieber in der Akademie herumstreunt, anstatt in die Schule zu gehen, erkennt sofort, dass Sorrys Talent besonders ist und Unglück verhindern kann. Sie bestärkt Sorry. Und dann ist da auch noch der geheimnisvolle Ben, der Außenseiter mit dem Pendel, den Sorry mehr mag als sie dürfte.
Mitschülerin Estrella Taurus erweist sich bald als Sorrys Feindin. Sie sieht wie ihre gesamte Familie auf Sorry herab und lässt keine Gelegenheit aus, Sorry zu demütigen.

Ein wirklich interessantes Setting mit originellen Personen hat Autorin Sarah M. Kempen da konstruiert. Ähnlichkeiten mit Harry Potter sind unverkennbar. Hier gibt es keine verschiedenen Häuser, dafür treten aber Vertreter der verschiedene Wahrsagedisziplinen in Konkurrenz zueinander. Und Estrella Taurus erinnert mit ihrer unangenehmen Arroganz stark an Draco Malfoy, der ebenso stark unter dem Einfluss seines dominanten Vaters steht wie Estrella.
Ganz schön aufregend geht es in Sorrys Leben zu. Wird jemand hinter Sorrys Geheimnis kommen? Schaffen es die Taurus mit ihren Intrigen, an die Schulleiterstelle zu kommen? Und wer ist Ben Dulum wirklich und was hat er vor?
„Akademie Fortuna- Wenn Wahrsagen so einfach wäre“ ist eine packende Geschichte über eine starke Freundschaft, die nicht sein soll, mit viel Magie und Figuren, die mitreißen. Kein neuer Harry Potter, aber der gelungene, unterhaltsame Auftakt einer vielversprechende Reihe.

Bewertung vom 09.03.2021
Lloyd, Sam

Der Mädchenwald


sehr gut

Düster und rätselhaft

Die dreizehnjährige Elissa ist eine begabte Schachspielerin. Während eines Schachturniers wird sie entführt und in einen dunklen Keller gesperrt. Eines Tages entdeckt Elijah ihr Gefängnis und besucht sie von nun an regelmäßig, aber heimlich, niemand sonst weiß Bescheid. Elissa wird von der Polizei gesucht, die noch ziemlich im Dunkeln tappt. Gleichzeitig versucht Elissa, sich selbst zu befreien und zu fliehen. Ob sie auf Elijahs Unterstützung bauen kann?

Autor Sam Lloyd schreibt verständlich und flüssig aus drei Perspektiven, aus Elissas, Elijahs und der der ermittelnden Polizistin Detective Superintendent Mairéad MacCullagh. Je mehr die Figuren erzählen, desto komplexer und „verstrickter“ wird der Fall.

Für die allesamt „tragischen“ Figuren im Roman „Der Mädchenwald“ empfand ich großes Mitleid. Polizistin Mairéad muss private Schicksalsschläge verarbeiten und ist nun mit diesem Entführungsfall beauftragt, der starke Nerven fordert. Elijah ist in völliger Isolierung aufgewachsen, kennt weder Internet noch Handys, er hat keine Ahnung von der realen Welt. Wie er mit dem Wissen um Elissa und ihren Aufenthaltsort verfahren soll, weiß er genauso wenig. Elissa selbst schwebt in tödlicher Gefahr. Was haben die Entführer vor? Das Mädchen ist hochintelligent, schmiedet detaillierte, durchdachte Pläne für ihre Flucht, sie gibt nicht auf. Aber reicht das, um ihr Leben zu retten? Was bedeutet die Beziehung von Elijah und Elissa für die weitere Handlung? Und welche Rolle spielt die mysteriöse Zauber-Annie aus der Schrottstadt?

Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, in das Geschehen hineinzufinden. Es herrscht eine dunkle, deprimierende Grundstimmung. Mir fiel es schwer, die Situation der einzelnen Figuren genau einzuschätzen. Immer mehr Geheimnisse kommen im Verlauf des Romans ans Tageslicht, gleichzeitig wurde für mich trotzdem alles immer verworrener. Ich tappte noch mehr im Dunkeln. Ab der Mitte entwickelte der Plot Anziehungskraft. Ich wollte unbedingt wissen, wie alles zusammenhängt. Vieles wird am Schluss klarer, aber einige Rätsel behält der „Mädchenwald“ noch für sich.
„Der Mädchenwald“ spielt nach anfänglichen Längen gekonnt mit den Erwartungen der Leser. Wie in „Hänsel und Gretel“, auf das im Buch immer wieder angespielt wird, wirft der Autor seinen Lesern Brotkrumen hin, auf dass sie einen Weg aus dem Handlungswirrwarr finden. Aber wie im Märchen irren die Leser noch tiefer in den Sümpfen und Abgründen des „Mädchenwalds“ herum. Was ist überhaupt noch wahr und wirklich? Was findet nur in den Köpfen der Figuren statt?
„Der Mädchenwald“ ist ein komplex konstruierter, düsterer Roman. Schwer einzuordnen, aber durchaus interessant zu lesen. Weit entfernt von heiler Welt, eher die Hölle auf Erden, aber ein faszinierendes, geheimnisvolles literarisches Experiment, das herausfordert. Wer sich gerne überraschen lässt und mit Unausgesprochenem umgehen kann, dem sei dieser Roman empfohlen.

Bewertung vom 03.03.2021
Goga, Susanne

Das Geheimnis der Themse


sehr gut

unkle Geheimnisse im historischen London

„Der Fluss hat viele Gesichter.“

1894 sind Tom und Charlotte Ashdown seit zwei Jahren verheiratet und gerade in ein neues Haus in London gezogen. Zum kompletten Glück fehlt nur noch ein Kind, aber das sensible Thema anzusprechen, vermeiden beide Ehepartner derzeit noch. Als Tom von einem alten Bekannten Sir Tristan Jellicoe zu einem Buchprojekt über magische Orte in London überredet wird, unterstützt auch Charlotte ihn bei den Recherchen und die beiden nähern sich einander wieder an. Ein kürzlicher Leichenfund an der Themse, dem „heiligen Fluss“, weckt in Charlotte und Tom besondere Neugier. Während ihrer Nachforschungen begeben sich die beiden in große Gefahr, merken es aber zu spät...

Susanne Goga schreibt angenehm und unkompliziert. Es war für mich nicht schwierig, in das dargestellte Geschehen hineinzufinden. Die Autorin schildert zunächst abwechselnd drei verschiedene Handlungsstränge, Charlottes und Toms Nachforschungen und ihr Eheleben, eine noch unklare, seltsame Zusammenkunft von Frauen und die Erlebnisse des Strandsuchers und Waisenjungen Alfie, der die Frauenleiche in der Themse findet. Die verschiedenen Aspekte der Geschichte werden im Verlauf stimmig miteinander verbunden.

Charlotte und Tom sind die Hauptfiguren des Romans. Sie lieben sich, haben aber Sorge, sich aufgrund ihrer Kinderlosigkeit voneinander zu entfremden. Der Auftrag Sir Tristans kommt beiden da gerade recht. Die Ehepartner sind vielseitig interessiert, gehen den Dingen auf den Grund und forschen dadurch recht effektiv und erfolgreich. Während Tom etwas bedächtiger vorgeht, agiert die umtriebige Charlotte ein wenig spontaner und mehr aus dem Bauch heraus. Trotz ihrer Kommunikationsschwierigkeiten hatte ich das Gefühl, dass Charlotte und Tom füreinander geschaffen sind und prima harmonieren.
Sehr gerne mochte ich auch die Figur des cleveren Alfie. Er schlägt sich durch, hat sich mit seinem harten Leben arrangiert und gibt dabei die Hoffnung nicht auf, eines Tages zur See zu fahren. Alfie ist kein blitzsauberer Held, eher ein sehr dreckiger, aber liebenswerter.
Mit Sir Tristan und seiner Tochter Iris bekommen Charlotte und ihr Mann es mit zwei recht undurchsichtigen Figuren zu tun. Und auch über Julia Danby, der Toten aus der Themse, gilt es noch mehr herauszufinden.

Handelt es sich beim Tod von Julia um einen Unfall, um Selbstmord oder gar um Mord? Als Charlotte und Tom während der Forschung zu Toms Buch auf den Todesfall stoßen, macht das das Ganze gleich noch spannender und erweitert den Plot um Krimielemente. Mitunter wirkt die Atmosphäre des Romans dabei ganz schön mystisch, düster, aufregend, nicht klar zu beschreiben. Dass ägyptische Mythologie bei der Aufklärung aller Geheimnisse eine so große Rolle in London spielen könnte, damit hatte ich nicht gerechnet. Und so manche Person entpuppt sich überraschenderweise als ganz anders als erwartet.
Ich wurde vom „Geheimnis der Themse“ durchgehend gut unterhalten, habe den kurzweiligen Roman mit Vergnügen gelesen. Für mich eine recht gelungene Fortsetzung von „Der verbotene Fluss“. Auch wenn Susanne Gogas neuester Roman durchaus ohne den Vorgänger zu verstehen ist, kann ich allen Lesern dennoch den Vorgänger sehr ans Herz legen. Dieser hat mir nämlich aufgrund seiner speziellen geheimnisvollen Stimmung, die mich an Jane Eyre erinnerte, noch einen winzigen Tick besser gefallen als dieses Buch, das ich aber ebenso lesenswert finde und gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 03.03.2021
Johnson, Pete

Wie man seine Eltern erzieht (Eltern 1) (eBook, ePUB)


gut

Überdrehte Geschichte, schräge Charaktere und mittelkomische Gags

Luis muss mit seiner Familie umziehen. Seine neue Schule ist leider nicht so der Brüller: viele Streber, wenig Spaß. Dabei will Luis doch eigentlich Komiker werden. Doch plötzlich möchten seine Eltern nur noch gute Schulnoten sehen und verhindern Luis künstlerische Weiterentwicklung. Die Teilnahme am Talentwettbewerb, bei dem sich Luis gute Chancen ausrechnet, verbieten sie ihm sogar. Beim Theaterkurs lernt Luis Maddy kennen, die ihm helfen will, dennoch am Wettbewerb teilnehmen zu können. Außerdem gibt Maddy Luis vielversprechende und konkrete Tipps, wie man seine Eltern richtig erzieht, damit sie einem nicht mehr so auf die Nerven fallen. Luis startet den Versuch. Ob es ihm tatsächlich gelingt, das Verhalten seiner Eltern zu steuern?

Pete Johnson schreibt aus der Sicht des zwölfjährigen Luis. Die Geschichte wird in Form von Tagebucheinträgen in der ersten Person erzählt. Die Sprache, die Formulierungen wirken recht authentisch. Luis schreibt frech, flapsig und mit Humor, gibt immer wieder Kostproben aus seinem imaginären Bühnenprogramm. Wie das so mit Witzen ist, sind manche davon für mich lustig und manche nicht, Humor ist eben Geschmacksache. Das Buch enthält ein paar wenige kleinere Illustrationen zur Auflockerung. Ich halte die Geschichte für Leser ab zehn Jahren geeignet, Jungen und Mädchen werden dabei gleichermaßen angesprochen. Leser der Zielgruppe haben für manche Gags vermutlich mehr Sinn als ihre alten Eltern.

Luis steht kurz vor der Pubertät und verhält sich so, wie sich Jungen seines Alters schon mal verhalten. Er nimmt die Schule, Erwachsene und manche Regeln weniger ernst, hat genaue Vorstellungen, die nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen und verliert nie den Humor.
Den kompletten Gegensatz zu Luis stellt sein Mitschüler der Streber Theo dar, der dem Druck seiner Eltern ausgesetzt ist und für den gute Noten alles sind.
Luis Eltern sind für Eltern nicht untypisch. Sie legen Wert auf das, was andere von ihnen denken, versuchen sich hin und wieder in Konsequenz, halten das aber auch nur hin und wieder durch. Die Figuren werden recht überspitzt dargestellt. Das ist manchmal recht komisch, manchmal zum Kopfschütteln.

Ob Luis letztendlich seine Eltern erzieht? Und kommt er seinem Traum vom Leben als Komiker näher?
„Wie man seine Eltern erzieht“ basiert auf einer originellen Grundidee, war überwiegend recht kurzweilig zu lesen. Das Buch brachte mich zum Schmunzeln, hatte aber gerade anfangs auch seine Längen, da fehlte mir mitunter der rote Faden. Bei all der schrägen Überdrehtheit schwingen auch ernste Gedanken in der Geschichte mit. Theos Problematik ist sicherlich übertrieben dargestellt, aber alles andere als frei erfunden. Leistungsdruck stellt für einige Kinder durchaus ein großes Problem dar. Und so witzig die Vorstellung, seine Eltern zu erziehen, ist, ist Erziehung doch immer eine Gratwanderung für Kinder und für Eltern genauso.

Vom Hocker hat mich das Buch nicht gerissen, aber für die schnelle Unterhaltung und Ablenkung taugt es durchaus. Kinder haben ohnehin oft einen anderen Humor als Erwachsene und Kinder sind ja die eigentliche Zielgruppe. Ich kann mir vorstellen, sie werden bei Luis Tagebuch auf ihre Kosten kommen.