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Frankfurt

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Insgesamt 789 Bewertungen
Bewertung vom 06.09.2022
Schindler, Anna

Pinguine in der Sushi-Bar


ausgezeichnet

Ein Zeitungsartikel gab den Anstoß zu diesem Bilderbuch…

Das Bilderbuch „Pinguine in der Sushi-Bar“ ist ein herrlich gelungenes Gesamtkunstwerk aus einem kleinen feinen Verlag: Edition Pastorplatz. Ich finde es immer großartig tolle Bücher aus kleineren Verlagen zu entdecken wie dies hier. Es ist geschrieben von Anna Schindler und illustriert von Katrin Dageför. Und die Idee kam ohne Witz durch eine Zeitungsrandnotiz, die auch im Buch abgedruckt ist!
Dieses Bilderbuch ab 5 Jahren überzeugt vor allem mit der kreativen Idee der Geschichte und der tollen bildlichen Umsetzung. Es geht um ein Pinguinpaar, dass Nachwuchs erwartet und glaubt in der Stadt wäre ein sicherer Ort als die raue Natur. Sie landen in einer Sushi-Bar, der leider das leuchtende S fehlt und nur „Ushi-Bar“ genannt wird. Die Pinguine hauen rein und haben aber leider kein Geld, es eskaliert und just in diesem Moment schlüpft das Pinguinbaby und es wendet sich natürlich alles zum Guten. Der langjährige Koch möchte in Rente gehen und überlässt den Pinguinen die Bar und es gibt noch mehr Nachwuchs und die Suhsi-Bar verändert sich.
Dies oberflächlich einfache Bilderbuch ist in der Tat vielschichtiger und komplexer als man erwarten würde. Aber keine Sorge, ich meine es hat viele Themen zu bieten, die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind. Das Bilderbuch ist ab 5 Jahren, kann aber auch schon mit pfiffigen 3-4 jährigen erkundet werden, auch wenn sie die unterschwelligen Themen noch nicht greifen können, die sie aber mit den Jahren auch erfassen werden. Was sind diese Themen aus meiner Sicht? Abwanderung, Migration in städtische Regionen oder andere Länder mit der naiven Ansicht, dass das Leben dort einfacher ist. Ohne Moss ist nix los! Adoption und jeder kann sein wie er will und wo er sich geborgen fühlt. Außerdem und sehr wichtig: Mit Kreativität kann man viele Situationen lösen.
Uns hat das Bilderbuch überzeugt und meine Kinder, die schon in die Grundschule gehen, fanden es auch immer noch total niedlich und haben es sich sehr gerne vorlesen lassen. Wir haben natürlich mehr über die impliziten Themen gesprochen, was zu einem guten Austausch geführt hat.
Am Ende ist und bleibt es ein gelungenes nettes Bilderbuch!

Bewertung vom 12.08.2022
Schumacher, Claudia

Liebe ist gewaltig


ausgezeichnet

Immer draufgehauen in einer Hölle auf Erden

Häusliche Gewalt ist kein Einzelfall und schon gar kein Phänomen weniger Gebildeter und Betuchter, wie es viele gerne darstellen. Es gibt auch beim Bildungsbürgertum genauso Monster der Tyrannei, nur wissen sie wie eine Fassade zu wahren ist. Und genauso ergeht es Juli, die einen schlagenden Vater hat. Eigentlich eine Vorzeigefamilie im Stuttgarter Vorort mit großem Haus, er Anwalt in der Automobilbrache mit schlauen Kindern – klassisch schwäbisches Bildungsbürgertum. Aber die Gewalt die hinter verschlossenen Türen wütet ist roh und selbst die Mutter macht sich zur Mittäterin, wenn sie nicht eingreift und die Schläge und Tritte verharmlost. Die schwäbische Vorzeigefamilie bleibt unbefleckt und das Übel wütet im Geheimen.
Wir begegnen Juli in drei verschiedenen Zeitebenen. Zunächst 2007, als sie Klassebeste ist und der ganze Stolz der Familie. Aber wenn sie nicht die Nummer Eins ist, dann triggert das den Vater der seine ganze Wut an ihr auslässt. Juli erträgt und leidet. Mit den Jahren flüchtet sie sich in enorm brutale Videospiele und wünscht dem Vater den Tod oder zumindest das Jugendhaus auf den Hals.
Dann folgt ein Zeitabschnitt 2014 in dem sich Juli nun Jules nennt sich von der Familie unabhängig selbst finanziert als professionelle Gamerin und Mathe studiert. Sie spürt zum ersten Mal Liebe und lernt zu vergessen mit Sanyu, auch wenn die Vergangenheit sie immer wieder einholt und Jules nicht darüber sprechen kann. Zu guter Letzt springen wir mit ihr ins Jahr 2016 nach Zürich wo sie sich den Langweiler Thilo geangelt hat und nun Julia genannt wird, Geld ist vorhanden, ihre Promotion hängt sie an den Nagel und es droht ein verqueres Schicksal, denn Thilo versteht sich hervorragend mit ihrem Vater.
Die Autorin Claudia Schumacher hat hier ein mächtig starkes Debüt vorgelegt. Claudia Schumacher kommt aus der journalistischen Schiene und war bisher als Kolumnenschreiberin tätig, nun auch als Romancierin! Wirklich sprachlich sehr gelungen, wie dieser Wirbelsturm an psychologischem Terror hier zwischen den Buchdeckeln über uns schwappt. Sie macht es plastisch und greifbar, dass es einem schlecht wird. Weiterlesen möchte man trotzdem, weil sie immer wieder Köder setzt und minimal vorgreift. Da möchte ich immer gerne weiterlesen und erfahren was, warum und wieso. Auch ist Juli eine höchst spannende Figur, nicht nur als armes Kind porträtiert. Auch sie ist ambivalent und natürlich psychisch instabil. Auch die schnelle Erzählweise, die in den ersten beiden Teilen aus der Ich-Perspektive zu uns dringt und dann im dritten Teil die Wendung bekommt aus der 3. Person zu erzählen.
Fazit: Explosiv gut erzählt wird hier wie Wohlstandsverwahrlosung aussieht.

Bewertung vom 12.08.2022
Orgel, T. S.

Die Schattensammlerin - Dichter und Dämonen


ausgezeichnet

Haltet den Dieb!

Wir schreiben Februar das Jahr 1830 in Frankfurt am Main, die junge Frau Millicent Wohl arbeitet im ersten Naturkundeinstitut des Landes: Das Senckenberg Museum. Es ist unwirtlich draußen, aber das hält die Frankfurter Bürgerschicht nicht ab ausgelassen auf einem Maskenball im Museum zu feiern. Milli wird während dieser Feier Zeugin eines Schädelraubes, Schädel des berühmten Schillers! Der Direktor des Hauses schenkt dem Vorfall keine große Beachtung, also macht Milli sich auf den Täter zu suchen und bekommt Hilfe vom Geheimrat Goethe, der den Schädel zurück möchte.
Dies ist das Buch zum Hörspiel und nicht andersherum! „Die Schattensammlerin“ entstand zuerst als eine reine Hörspielproduktion und ist nun auch als Buch zu haben. Ich habe es zunächst nicht gewusst, da mein persönlicher Anreiz für diesen Roman darin lag, dass es im historischen Frankfurt spielt.
Geschrieben haben ihn die Brüder Tom und Stephan Orgel, daher die Abkürzung T.S. Orgel. Diese beiden sind wohl unter den Fantasy-Kennern ein Begriff, da ich sonst sehr wenig in diesem Genre lese, sind sie für mich ein unbeschriebenes Blatt. Dieses Buch wird als historischer Mystery-Krimi bezeichnet und trifft den Nagel auf den Kopf. Diese Geschichte hat für meinen Geschmack genau die richtige Menge an allem, sprich der historische Kontext ist gut getroffen und bildet die Grundlage. Es gibt Fantasyelemente, ohne dass es aus meiner Sicht zu viel ist und spannend ist es auch noch!
Hinzu kommt ein herrliches Figurenkabinett. Es sind die unterschiedlichsten Charaktere, die hier aufeinanderprallen. Wirklich sehr gelungen. Natürlich habe ich die anfänglich ruhigere, aber resoluter werdende Milli ins Herz geschlossen. Sie kämpft für ein anderes Rollenverständnis und das ist sympathisch. Dann gibt es Figuren, die ich nicht so recht einzuordnen wusste: Abaris und natürlich unseren hochverehrten Goethe.
Alles in allem eine runde Sache dieses Buch – obwohl Fantasy sonst nicht meines ist, kann ich es empfehlen!

Bewertung vom 09.08.2022
Kolosowa, Wlada

Der Hausmann


ausgezeichnet

Mist - die hippe Wohnung ist weg!
Nach ‚Fliegende Hunde‘ hat Wlada Kolosowa einen neuen Roman geschrieben: Der Hausmann. Spannend an diesem Roman ist nicht nur die Auseinandersetzung mit dem Hippster-Dasein der Berliner Bubble-Crowd und deren Probleme mit der Gentrifizierung, sondern auch die Art der Erzählung. Das ist wie ein All-in-One Produkt, denn hier bekommt man nicht nur klassischen Text zu lesen, nein, auch SMS/WhatsApp/Signal oder was auch immer für einen Messangeraustausch bricht den Text auf genauso wie Graphic Novel Anteile und Blogeinträge. Kunterbunt in das transportierende Medium, was uns dann doch ein rundes Bild der Geschehnisse liefert.
Berlin, hippes Maybachufer in Neukölln. Thea und Tim wurde die Wohnung gekündigt und sind gezwungen sich eine neue Bleibe außerhalb der Ringbahn zu suchen. Die Gentrifizierung hat voll zugeschlagen. Wo doch die beiden selbst in die Hipster-Klassifizierung passen, aber nur leider ohne Moneten. Thea war Langzeitstudentin, kommt aus gut betuchtem Elternhaus, beginnt nun einen Job in einem Start-up für veganes Hundefutter. Dadurch wird der weniger erfolgreiche Illustrator Tim in die Rolle des Hausmanns geworfen. Im neuen Haus spielen noch zwei weitere Personen eine große Rolle. Ein Ukrainer, Maxim, der schon 2018 floh und Tim sich nun verpflichtet fühlt ihm Deutsch beizubringen, da der 19jährige arbeitslos ist. Und natürlich die gute Frau Birkenberg, die das Internet für sich entdeckt hat und dort auf ihrem Blog ‚sparenmitdagmar‘ zwielichte Tipps verbreitet. Was es mit der Faust in Tims Gesicht auf sich hat, dass findet ihr am besten beim Lesen heraus!
Die Kombination aus verschiedenen Erzählarten ist auch einfach zu folgen, denn der Text bildet die Grundmauer, die Messanger-Unterhaltungen führt Thea, die Graphic Novel Teile – die hervorragend von Raúl Sorina illustriert wurden !!!– sind Arbeiten von Tim und die Blogeinträge gehören zu Frau Birkenbach. Das braucht in keinster Weise abschrecken!
Die Kombination aus Berlin und der momentanen Gemengelage um Wohnungsmangel, Gentrifizierung, Reibung von Menschen die nur Zufällig aneinander und zueinander geraten sind, Hipster und Normalos, Gestrandete und Alte, dieses bunte Potpourri macht diesen Roman sehr sehr lesenswert!
Ich kann ich wärmsten empfehlen, auch wenn man nicht in Berlin wohnt oder Berliner:in ist!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.08.2022
Wieners, Annette

Die Diplomatenallee


sehr gut

Was sagt mir deine Handschrift?

Hier kommen drei Themenblöcke in einem Roman zur Sprache über die ich nur wenig wusste: Bonn in den 70er Jahren als es noch Bundesdeutsche Hauptstadt war, die Kunst des Handschriftlesens: Graphologie und besonders ein Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte, dass hier aufgerollt wird um 100 DDR-Bürger, die 1974 nach Bonn übersiedeln sollen für die Ständige Vertretung der DDR.
Geschrieben hat den Roman die Radiojournalistin Annette Wieners. Für sie ist es bereits die 7. Veröffentlichung! Für mich ist dies der erste den ich aus ihrer Feder lese.
Der ganze Roman spielt im Jahr 1974 und die Protagonistin ist Heike. Eine Frau, die mit ihrem Mann in Bonn einen Schreibwarenladen betreibt und ein durchschnittliches Leben führt. Bis ihr Ex-Prof sie aufsucht und sie für ein Projekt gewinnen will, wo ihre verschüttete Gabe genutzt werden soll, denn sie ist fast ausgebildete Graphologin und kann Menschen durch ihre Handschrift analysieren und einschätzen. Sie brach das Studium ab und wollte dieses Kapitel hinter sich lassen, nun kommt es anders. Denn sie wird gebraucht um die Handschriftanalyse jeder 100 DDR-Bürger durchzuführen, die für die Ständige Vertretung der DDR nach Bonn kommen sollen.
Die historischen Gegebenheiten scheinen äußerst gut recherchiert, findet man bei einer kleinen Suche im Internet auch einiges was sich deckt. Eine wahrlich spannende Aufarbeitung dieser deutsch-deutschen Geschichte, auch wenn das Ende ein etwas zu actionreiche Dramatik bietet. Mir hat die Lektüre gefallen. Nicht nur wegen der historischen Aspekte, auch einfach, weil es unterhaltsam und gut geschrieben ist!

Bewertung vom 07.08.2022
Makarova, Elena

Friedl


ausgezeichnet

DIE Schülerin des Bauhauses und ihr Lebensweg

Wer sich ein wenig mit der Geschichte des Bauhauses auseinandersetzt, stolpert unweigerlich über einen Namen: Friedl Dicker-Brandeis. Die in Wien geborene Jüdin war eine der bedeutendsten Schülerin in Weimar und war als Malerin Teil der damaligen geistigen Avantgarde um Paul Klee, Oskar Schlemmer und auch Walter Gropius kannte sie gut. Wie kann es sein, dass ihr Name nur Wenigen ein Begriff ist? War sie doch einer DER Frauen der schaffenden Künste bevor die Nazis alles zunichte machten.
Elena Makarova, eine in Israel lebende vielfach ausgezeichnete russische Schriftstellerin und unter anderem auch Historikerin und Dokumentarfilmregisseurin, hat das Leben der Friedl Dicker-Brandeis nun in einen biografischen Roman gebracht. Das gute Werk ist über 600 Seiten lang, braucht also ein wenig Muse. Aber es liest sich äußerst gut, was sicherlich auch der Verdienst der sehr guten Übersetzung aus dem Russischen von Christine Hengevoß ist.
Was ich sehr gelungen finde ist der Einstieg den Elena Makarova gefunden hat, denn es Beginn mit einem Vorwort, mit einem Annähern der Schriftstellerin an ihre Hauptfigur und das nicht zu knapp, aber dieses „setting the scene“ gelingt ihr hervorragend und hilft einen Zugang zu finden.
Dann wird in fünf großen Blöcken die Lebensgeschichte von Friedl erzählt aus ihrer eigenen Perspektive. Immer durchsetzt von Briefen und Gedanken. Diese sehr persönliche Aufarbeitung ihrer Lieben und Leiden, ihre Schaffenskunst, ihr intellektuellen Auseinandersetzung, ihre Politisierung (sie tritt 1931 der KP bei) und ihr unermüdlicher Wille ihr Schaffen fortzuführen, ist beeindruckend zu lesen. Erst emigriert sie nach Prag, leider nicht weit weg genug, bis es in Theresienstadt 1944 zu ihrer Vergasung kommt. Und die Welt wurde wieder einer großartigen Person beraubt. Beschämend.
Das Buch enthält auch ein paar Seiten mit Fotografien und Werken der Künstlerin. So wird das beschriebene und erzählte noch viel realer und lebendiger.
Danke Romanen wie diesen bleiben Frauen wie Friedl Dicker-Brandeis in unserer aller Gedächtnis und ehrt ihr leider sehr kurzes Lebenswerk.

Bewertung vom 06.08.2022
Stahlmann, Leona

Diese ganzen belanglosen Wunder


sehr gut

Klimawandel – Lebenswandel?

Im Mittelpunkt des Romans „Diese ganzen belanglosen Wunder“ steht Zeno. Er ist ein Junge, der mit seiner Mutter Leda in der Marsch lebt, denn dort hat sie eine Unterkunft gefunden, die so verlassen ist, dass keiner sie nach Miete fragt. Den Vater gibt es nicht, ein One-Night-Stand und damit der Erwähnung nicht wert. Nun tut sich Leda leider sehr schwer präsent und da zu sein für Zeno. Der macht sein Ding und lebt im Einklang mit der Natur, versucht seinen Hunger zu stillen und ist ganz bei sich. Irgendwann loggt er sich in die Dating-App seiner Mutter ein und beginnt so Gespräche mit anderen. Dies wird dann essentiell für den zweiten Teil des Romans.
Leona Stahlmann hat mit diesem Roman ein sehr aktuelles Buch zum Klimawandel geschrieben. Ihre Beschreibungen der Marsch lassen erkennen, dass sie sich viel Zeit und Mühe gemacht hat sich dieser Landschaft anzunehmen. Überhaupt spielt die Natur, wie sie atmet und lebt eine bedeutende Rolle in diesem Text. Man kann es als endlose Beschreibungen empfinden, die teilweise gefühlt nicht enden wollen, aber ist dies nicht unserer Schnelllebigkeit geschuldet? Braucht es nicht so manches Mal den Eingriff auf uns von außen um uns zu zeigen wie wenig wir mit der Natur verbunden sind, sie gar verstehen, obwohl wir mittlerweile täglich vor Augen haben wie fragil unser Planet ist und ein absolutes Umdenken stattfinden muss?
Ja, der Schreibstil ist eigenwillig. Vielleicht auch stellenweise zu viel gewollt, obwohl Leona Stahlmann definitiv schreiben kann. Auch kurze Sätze hätten ab und an aufgelockert. Ich empfand die gekonnte Schreibkunst hier etwas überstrapaziert, aber als Stilmittel nicht schlecht gewählt. Was machen wir als Menschen den tagtäglich in der westlichen Hemisphäre als unsere Natur, unseren Planeten zu überstrapazieren?
Inhaltlich aktuell, präsent, stark. Textlich kann es als anstrengend empfunden werden.

Bewertung vom 06.08.2022
WW

WW - Italien


ausgezeichnet

Lecker, lecker, lecker!

Wer liebt sie nicht die italienische Küche! Pizza, Pasta, Antipasti, da bekomm ich gleich wieder Appetit, wenn ich nur daran denke. Nachteil ist die doch sehr gehaltvolle Küche und das verdirbt so mach einem den Appetit.
Nun hat WeightWatchers (WW) ein sehr ansehnliches Kochbuch mit dem simplen Titel: `Italien` herausgegeben und es beinhaltet viele Rezepte, die uns kulinarisch einen Genuss ermöglicht ohne Kalorienbomben zu fürchten. Aber natürlich wie immer macht die Menge auch hier den Unterschied.
Es startet mit Vorspeisen und Antipasti. Eine Sektion aus der ich auch gerne mal ein Rezept für mein Abendbrot nutze wie den Bohnen-Rucola-Salat mit Röstpaprika. Dann folgen die Hauptgerichte mit leckere Nudeln & knusprige Pizza, hier haben wir auch schon einen Favoriten erkoren: :Linguine mit Gorgonzola und Rucola. Diese Sektion fällt in der Tat kleiner aus als ich gedacht hätte, aber Italien ist nun nicht nur Pizza&Pasta. Im Gegenteil, Pasta ist ja im Grunde „nur“ der primo corso und dann folgt das eigentliche Hauptgericht.! Hierzu gibt es auch eine Sektion mit Fleisch- und Fischgerichten. Fleischlos geht natürlich auch: Buntes Gemüse & gesunde Hülsenfrüchte ist mein liebster Rezeptabschnitt. Hier sind tolle Rezepte wie die veganen Polpette in Paprikasauce. Aber, nicht zu verachten sind auch die Pestorezepte. Wirklich übersichtlich gut und vielfältig ist hier das Rezeptangebot diese Pestos selbst zu machen. Viel besser als die gekauften Alternativen Und, ultimo, ma non per importanza: Die Nachspeisen! Hier haben wir das Mango-Limetten-Sorbet schon ausprobiert.
Insgesamt gefällt mir der strukturierte Aufbau dieses Buches sehr. Links oder rechts ein Foto und dann das Rezept auf der gegenüberliegenden Seite in adäquater Schriftgröße, dass man das auch mit einem Blick erkennt beim Kochen. Daneben gut strukturiert die Zutaten. Ein sehr praktisches Kochbuch mit tollen Fotos.
Natürlich wird auch das WW Programm im Buch erläutert und was mir weniger gefällt sind die Produktplazierungen der eigenen WW-Produkte, aber das lässt sich auch ignorieren.

Bewertung vom 04.08.2022
Berg Holm, Ingebjørg

Wütende Bärin


gut

Eine eiskalte Ehrlichkeit

„Ein Kind zu bekommen ist der äußerste Egoismus, ein Versuch, sich selbst neu zu erschaffen, nur besser. Hat man das Recht, ein Kind zu neunzig Jahren leiden zu verurteilen, nur, um jemanden zu haben, in dem man sich wiedererkennt? Sex zu haben, um schwanger zu werden, das kann mir das kam mir absurd vor; nicht zu versuchen, den Samen zu blockieren oder abzutöten, fand ich absolut verantwortungslos.“ (S. 106)

Im Grunde begegnen wir nur drei Personen, aber denen umso intensiver. Denn die Perspektive wechselt reihum. Im Mittelpunkt steht Njal, ein Mann über 40, akademischer Klimaforscher mit dem Hobby der altertümlichen Ritterspiele. Sein Lebensziel, um scheinbar jeden Preis, ist es Vater zu sein und das Vatersein leben zu dürfen. An diesem Ziel ist seine Ehe mit der Pastorin Sol gescheitert. Und deshalb kam seine Kollegin Nina ins Spiel, erst eine Affäre, dann die Mutter seiner Tochter Lotta. Doch Nina leidet unter einer postnatalen Depression und hat Zwangsvorstellungen. Eine hochexplosive Mischung an Charakteren. Die Geschichte dreht sich um diese drei Personen, ihr Miteinander, das Kind und ein Forschungsauftrag, um den sich Nina und Njal streiten. Es soll in den hohen Norden zur Inselgruppe Svalbard gehen um dort das Abschmelzen der Polarkappen zu erforschen.
Ein zermürbendes Kammerspiel wird uns hier aufgeführt mit brutaler Ehrlichkeit. Alle kommen zu Wort aus ihrem tiefsten Inneren. Alle leiden, alle haben ihre Sorgen und die merkwürdigsten Gedanken. So mancher Gedanke, denn ich hier las, befremdete mich und bescherte mir Unbehagen. Ein Roman, in dem sexuelle Kontakte eine große Rolle spielen, ob gewollt oder nicht, ob kontrolliert oder nicht, ob richtig oder falsch. Ein Spiel mit der Psyche, bei allen dreien mit der eigenen und auch gegenseitige Manipulation ist hier vorhanden.
Ach, und die wütende Bärin, die hat nur einen kleinen Auftritt, dafür umso durchschlagender. Die meiste Zeit des Romans spielt im Frühjahr & Sommer in Bergen und erst dann verlagert das Geschehen sich auf den letzten Seiten in eine Hüte, gefühlt am Ende der Welt in die erbarmungslose Kälte.

Die norwegische Autorin Ingebjorg Berg Holm hat sprachlich einen sehr durchdringenden Roman vorgelegt. Die Prosa ist gut geschrieben und als Leserin konnte ich mich (leider) gut einfühlen. Auch bestens von Gabriele Haefs und Andreas Brunstermann übersetzt. Es hat sich ein bisschen so angefühlt beim Lesen als ob man an einer Brombeerhecke steht und die Brombeeren unbedingt essen möchte, sich aber beim Pflügen die Hand zerkratz. Und doch tut man es immer wieder. Keine Lektüre die schnell verklingt, keine Lektüre bei der man sich in Sicherheit wägt und sich wohlfühlen kann. Unbehagen macht sich breit und umklammert einen wie eine kalte nasse Decke, die sich nicht abschütteln lässt, denn es kommen viele extreme Themen zur Sprache wie Vergewaltigung, ungewollte Schwangerschaften, Unfruchtbarkeit, Abtreibungen, Mee too, Samenspende, Behinderungen bei Ungeborenen, psychologischer Druck. Das muss man aushalten können, der Roman ist intensiv und war für mich teilweise erschlagend.

Bewertung vom 04.08.2022
Fortier, Dominique

Städte aus Papier


ausgezeichnet

Poetin der Natur

Ich bin (leider) viel zu wenig mit Lyrik in Berührung und lese zu selten Gedichte. Aber wer mir stets große Freude bereitet, seit meine Mutter mir einen zweisprachigen Lyrikband zur Konfirmation schenkte (mehr als 20 Jahre her…): Emily Dickinson! Mein liebstes Gedicht ist: ` How happy is the little stone` und wer ihre Gedichte noch nicht kennt, einfach mal eintauchen. Man spürt ihre Naturverbundenheit und wie zufrieden die Lyrikerin in der Natur war mit einem großen Talent die Details zu erblicken.
Dieser großartigen amerikanischen Frau ist nun das Buch „Städte aus Papier – Vom Leben der Emily Dickinson“ gewidmet, geschrieben von der franko-kanadischen Autorin Dominique Fortier. Im Original auf Französisch und übersetzt von Bettina Bach.
Dieses Buch bringt uns die moderne Emily Dickinson näher, die ihr gesamtes Leben von 1830 bis 1886 in Amherst, Massachusetts lebte. Aufgewachsen in einer streng gläubigen Familie, war sie immer die etwas eigenartige, zur Depression neigende Einzelgängerin, die sich immer mehr abschottete. Das Buch ist ein schmaler Band, der auch sehr feinsprachig daher kommt, genau wie die zu beleuchtende Frau: „Wie ihre Pflanzen hat auch sie den Winter zwischen Buchseiten verbracht.“ (S.33)
Was ist dieses Buch? Teilweise belegbare gut recherchierte Elemente aus ihren Briefen und anderen Dokumenten, teilweise auch dazu gesponnene Fiktion um es rund werden zu lassen. Eine Biografie? Auch, aber es gibt auch Elemente der Gegenwart die uns auf sie zurückblicken lassen. Daher passt es so in keine rechte Schublade, was die Lektüre aus meiner Sicht noch besser macht. Ein Buch, dass einer großartigen Frau gewidmet ist und der wir uns hiermit wieder ein wenig näher fühlen dürfen.
Lesenswert ohne Frage! Auch ein super Einstieg vor der Lektüre ihrer Lyrik. Wirklich ein kurzes vergnüglich, sprachlich imposantes Lesevergnügen!