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Glüxklaus
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Franken

Bewertungen

Insgesamt 627 Bewertungen
Bewertung vom 15.04.2021
Hannas Geheimnis / Hüterin des Waldes Bd.1
Larch, Mona

Hannas Geheimnis / Hüterin des Waldes Bd.1


sehr gut

Ein bisschen Märchen, ein bisschen Magie und eine besondere Mission

Hanna zieht mit ihren Eltern aufs Land in das Haus ihrer verstorbenen Großmama Hilda. Gleich am ersten Tag in ihrem neuen Zuhause entdeckt sie eine verletzte Blaumeise, die sich einen Flügel gebrochen hat. Während sie sich in ihrem Zimmer um das Vögelchen kümmert, taucht ein unerwarteter Gast auf: Flitz, ein sprechendes Wiesel. Und der hat Hanna Erstaunliches zu berichten. Hanna soll das Erbe ihrer Großmutter Hilda antreten und als Hüterin des Waldes Tieren in Not helfen. Doch das muss ein Geheimnis bleiben. In Hildas altem Buch finden sich Rezepte für Heilmittel und so macht sich Hanna gleich auf die Suche nach den Zutaten für einen „Wickel bei gebrochenem Flügel“. Wird Hannas erste Mission als Hüterin des Waldes erfolgreich sein?

Mona Larch erzählt in kindgerechter, schlichter und gut verständlicher Sprache. Julia Walther hat die Geschichte ins Deutsche übersetzt und mit passenden, hübschen Schwarzweißbildern illustriert. Das Cover ist ansprechend gestaltet. Um auf die Magie in der Handlung hinzuweisen, sind Teile des Titels in Gold gedruckt. Zudem rahmen einige Goldsprenkel wie Goldstaub das im Zentrum stehend Bild von Hanna und Flitz ein.
Das Buch hat ein handliches DIN A 5-Format, die Schrift und der Zeilenabstand sind ein wenig größer als Standard. Leser ab acht Jahren werden die Geschichte problemlos eigenständig lesen und erfassen können. Zum Vorlesen eignet sich das Buch für Kinder ab fünf Jahren.

Welches Kind träumt nicht davon, etwas Besonderes zu sein, einen individuellen, persönlichen Auftrag zu haben und sich mit Tieren unterhalten zu können? Hanna, die eigentlich ein ganz normales, aber sehr neugieriges und umtriebiges Mädchen ist, erfährt plötzlich, dass sie auserwählt ist, Großes zu leisten und Tieren in Not zu helfen. Sie ist sich anfangs recht unsicher, hat Angst zu versagen. Aber gerade das werden die Leser sympathisch finden und sich daher leicht mit ihr identifizieren können, denn sicherlich fühlten sie sich in einer vergleichbaren Situation ganz ähnlich.
Mit Flitz, dem sprechenden Wiesel, hat Hanna einen quirligen, fröhlichen und netten Freund, der ihr mit Rat und Tat zur Seite steht und der bei den Lesern bestimmt sofort gut ankommt.
Aber nicht alle Tiere des Waldes sind auf Hannas Seite, manche verhalten sich ihr gegenüber skeptisch und voreingenommen.

Ob Hanna ihren Kritikern zeigen kann, dass sie die wahre Hüterin des Waldes ist?
Die Rettung der Meise Blaufeder erweist sich als ziemlich herausfordernd und dramatisch, zumal alles ja ein Geheimnis bleiben muss.
Bei all der Aufregung herrscht dennoch eine sehr angenehme, schöne Grundstimmung im Auftaktband „Hannas Geheimnis“ aus der Reihe „Hüterin des Waldes“. Hannas Erlebnisse machen Lust, sich einmal genauer im Wald umzusehen und die Spuren der Bewohner zu verfolgen. Eine nicht unbedeutende Prise Magie sorgt zusätzlich für Unterhaltung und so manche Überraschung.
Meine fünfjährige Tochter hat die nette, in sich abgeschlossene Geschichte jedenfalls restlos überzeugt. Sie möchte gerne wissen, wie es mit Flitz und Hanna weitergeht.

Bewertung vom 14.04.2021
Reise mit zwei Unbekannten
Brisby, Zoe

Reise mit zwei Unbekannten


sehr gut

Charmanter, unterhaltsamer Roadtrip mit ungleichen Hauptfiguren und ein bisschen zu viel Klamauk

Der introvertierte Student Alex leidet unter Liebeskummer und hat von seinem Arzt gerade die Diagnose „Depression“ erhalten. Er beschließt seinem tristen Alltag zu entfliehen und nach Brüssel zu fahren. Auf seine Anzeige bei der Mitfahrzentrale meldet sich Max. Doch statt des erwarteten Mannes erscheint die neunzigjährige Maxine, die aus ihrem Seniorenheim geflohen ist, am vereinbarten Treffpunkt. Die Reise in Alex altem Twingo quer durch Frankreich soll ihre letzte sein. Doch davon ahnt Alex zunächst nichts. Nach und nach kommt sich das ungleiche Paar auf dem verrückten Roadtrip einander näher.

Zoe Brisby hat einen angenehmen, flüssigen, gut lesbaren und erfrischenden Schreibstil. Sie schreibt mit viel Humor und einem Augenzwinkern, bringt aber auch sehr prägnant traurige Wahrheiten aufs Papier. Rasch hat sie mich mit ihrer Geschichte erreicht und ich hatte keine Mühe, mich im Geschehen und der Handlung zurechtzufinden.

Alex hat keinen Spaß am Leben. Die, in die er verliebt ist, nimmt ihn nicht wahr. Er ist mut- und antriebslos. Ein Arzt diagnostiziert bei ihm eine Depression. Seine Reise nach Brüssel wirkt auf mich wie eine Flucht. Maxine fasst Alex Situation zusammen: „Er war eben schlicht und ergreifend ein netter Junge. Mit einem Respekt vor den Menschen um sich herum, der so weit ging, dass er den Respekt vor sich selbst vergaß.“ Als Alex Maxine kennen und später sehr mögen lernt, will er ihr helfen, ihre Sorgen loszuwerden und Spaß am Leben zu finden: „Einziger Schatten über diesem perfekten Plan: Wie zeigt man jemanden die Schönheit des Lebens auf, wenn man selbst depressiv ist?“
Maxine ist eine ganz besondere Persönlichkeit. Sie ist sehr direkt, lebenserfahren, verhält sich oft skurril bis überdreht, wendet Redensarten auf ihre ganz eigene Weise an, trägt in ihrer Tasche ihre gesamte Habe und hat ein ganz großes Problem, wie sie Alex gesteht:
„Wenn du alt bist, wird dir dein eigenes Leben fortgenommen. Dein Körper gehorcht dir nicht mehr, und jeder denkt, dass er besser als du selbst weiß, was gut für dich ist. Bei einem Baby ist klar, dass ein solcher Zustand nicht andauern wird, aber bei einem alten Menschen gibt es keine Aussicht mehr auf etwas anderes, bevor dann das tatsächlich Ende kommt.“ Für sie ungewohnt ernst fürchtet Maxine: „Ich bin dabei, mich allmählich aufzulösen. Ich versinke in mir selbst und werde bald ganz verschwunden sein.“

„Reise mit zwei Unbekannten“ hat oft Spaß gemacht, aber der Roman hat mich mitunter auch ziemlich verwirrt. Die beiden Hauptfiguren sind anfangs doch recht traurige Gestalten, scheinen keine Lebensfreude zu haben, sind verständlicherweise unglücklich. Das war stellenweise ganz schön deprimierend. Doch die Zwei tun einander gut und Maxine sorgt zunehmend für heitere Momente, bringt banale und weniger banale Weisheiten auf ihre unnachahmliche, trockene und drollige Art auf den Punkt. Aber dann ganz plötzlich driftet der eben noch angenehm leichte, komische Moment wiederholt ins völlig überdrehte, übertrieben Klamaukige ab. Gags werden dabei immer weiter breitgetreten und ich fragte mich dann überfordert, was denn da gerade eigentlich passiert. An einigen Stellen hat die Autorin für meine Begriffe eine falsche Abzweigung genommen. Aber dann gelang es ihr auch wieder mühelos, auf den richtigen Weg zurückzufinden. Am Ende des unfassbar vollgepackten, abwechslungsreichen Roadtrips siegt der Optimismus: „Das Leben ist wie ein Fahrrad, man muss sich vorwärts bewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.“
Trotz einiger unnötiger Fremdschäm-Momente empfand ich den Roman als unterhaltsame, leichte Komödie, eine Wundertütengeschichte mit ernstem Unterton. Ein Buch wie eine Schachtel Pralinen mit der Lieblingssorte, aber eben auch zwei, drei nicht so leckeren Varianten.

Bewertung vom 14.04.2021
Edition Piepmatz: Seif dich ein, sagt das Schwein
Grimm, Sandra

Edition Piepmatz: Seif dich ein, sagt das Schwein


sehr gut

Wasch dich rein, das ist fein - Körperpflege kann auch Spaß machen

Körperpflege steht wahrscheinlich bei Kleinkindern nicht auf der Liste der Lieblingstätigkeiten. Vielen Eltern dürfte das regelmäßige Drama beim Zähneputzen oder Windelwechseln bekannt sein. Aber so schlimm ist das doch alles gar nicht, bei den Tieren läuft jedenfalls alles ganz ohne Schwierigkeiten ab und dabei wird auch noch lustig gereimt. Kleine Bären putzen ohne Murren Zähne, Kätzchen waschen sich mit Vergnügen selbst, kleinen Mäusen macht das Windelwechseln überhaupt nichts aus, Ferkelchen genießen das für viele so leidige Einseifen beim Baden, Lamas macht Haarewaschen Spaß und Lämmchen lassen sich gerne kämmen und nach der Säuberungsaktion blickt der kleine Igel zufrieden in den Spiegel.

Sandra Grimms Reime sind schön einfach und prägnant formuliert. Auf jeder Seite demonstriert ein Tier einen Aspekt der Körperpflege. Kinder ab einem Jahr verstehen die schlichten Reime sofort, ältere werden sie vermutlich ganz schnell mitsprechen oder gar mühelos auswendig lernen. Die bunten, klaren und putzigen Illustrationen werden den kleinen Lesern bestimmt gefallen.
„Seif dich ein, sagt das Schwein“ ist in der Ravensburger Edition Piepmatz erschienen. Das Buch im kleinen, handlichen Format wirkt recht stabil, aber auch „umweltfreundlich“. Das Cover und die Seiten sind nicht glänzend und grell, sie sind aber dennoch farbenfroh, fröhlich und ansprechend gestaltet.

Kleine Kinder lieben Tiere und finden Waschen aber dagegen oft nicht ganz so spannend, eher unangenehm. Da ist es doch naheliegend, Kinder mit Hilfe von kleinen Tierszenen vom Waschen ohne „Uraufführung“ zu überzeugen. Wenn die Tiere sich gerne waschen, kann es ja so schlimm nicht sein. Und wenn man die eingängigen Reime beispielsweise beim Zähneputzen zitiert, tut das Zähneputzen vielleicht gar nicht mehr so weh. Eine nettes kleines Buch, das trotz des unbeliebten Themas motiviert und Spaß macht.

Bewertung vom 12.04.2021
Das Leben, ein ewiger Traum / Die Polizeiärztin Bd.1
Sommerfeld, Helene

Das Leben, ein ewiger Traum / Die Polizeiärztin Bd.1


gut

Träume und Albträume im Berlin der Zwanziger

Magda Fuchs hat eine schwere Zeit hinter sich. Ihr Ehemann Bertram, ein Staatsanwalt, wurde in seiner Heimatstadt Hildesheim ermordet. Magda zieht daraufhin nach Berlin, um zu vergessen und ein neues Leben zu beginnen. Sie mietet sich in einer Pension ein und nimmt eine Anstellung als Polizeiärztin an. Bei ihrer Arbeit lernt sie die Schattenseiten der Metropole Berlin kennen: große Armut, Prostitution, Mord, Kindesmisshandlung oder Kinderhandel....
Mit Fürsorgerin Ina, die sich engagiert für benachteiligte Kinder einsetzt, hat Magda beruflich und privat immer mehr zu tun. Auch die selbstbewusste Anwältin Ruth Jessen, Celia, die Tochter ihrer Pensionswirtin, die unglücklich verheiratet ist, und die junge Verkäuferin Doris, die von Reichtum träumt, kreuzen häufig ihren Weg. All diese Frauen suchen in Berlin nach ihrem Platz im Leben.

Helene Sommerfeld, das Pseudonym eines Berliner Autorenehepaar, schreibt einfach und unkompliziert. Der leicht verständliche Schreibstil machte es mir leicht, mich rasch in Magdas aktueller Situation zurechtzufinden.

Magda Fuchs Leben verändert sich innerhalb kurzer Zeit komplett. Eben noch war sie in Hildesheim glücklich verheiratet und erwartete mit ihrem Mann Bertram ein Kind. Nun ist von ihrem alten Leben nicht mehr viel übrig. Sie entschließt sich, als Polizeiärztin zu arbeiten. Dabei unterstützt sie die Polizei bei ihren Einsätzen, kümmert sich z.B. um verletzte Opfer oder untersucht Frauen im Gefängnis. Magda hegt für ihren Beruf als Ärztin eine große Leidenschaft, sie setzt sich engagiert für andere wie vernachlässige Kinder ein, auch im Privaten kann sie nicht richtig abschalten. Magda ist eine sympathische, couragierte und „vorbildliche“ Heldin, dennoch blieb sie wie die anderen Figuren für mich etwas blass. Ebenso erging es mir mit Fürsorgerin Ina, die mit beiden Beinen fest im Leben steht, sehr direkt, pragmatisch und bewundernswert zupackend ist, mich aber dennoch gefühlsmäßig nicht richtig erreichen wollte.
Die beiden Frauen Doris und Celia definieren sich hauptsächlich durch ihre Zukunftsträume, zeigen von sich selbst und ihrer Persönlichkeit allerdings recht wenig. Celias Mutter, Pensionswirtin Agnes Fahrland, die stets auf ihren eigenen Vorteil bedacht ist, stellt hingegen einen unbequemen Charakter mit Potential dar, sie spielt allerdings eine recht kleine Rolle.
Hinter der eigentlichen Hauptfigur, dem übermächtigen Berlin, mit seinen vielen Gesichtern, dem Glanz und dem Schmutz, dem Reichtum und dem Elend, verschwinden die meisten Charaktere ein wenig.

„Das Leben ein ewiger Traum“ entführt die Leser in das Berlin der 20er Jahre, lässt die Metropole lebendig werden. Diese Zeitreise war für mich durchaus kurzweilig und interessant zu lesen . Mich erinnerte das Setting an die Reihe „Fräulein Gold“. Die Figuren in „Fräulein Gold“ haben mich persönlich allerdings mehr „mitgenommen“ und überzeugt, wirken sie auf mich doch etwas vielschichtiger und kantiger.
Ich wollte gerne wissen, wie es mit Magda Fuchs weitergeht, ob sie den benachteiligten Mädchen Elke und Kulle, die sie bei einem Einsatz versorgt, dauerhaft helfen kann und ob sie und Celia und Doris ihr privates Glück finden. Stellenweise war ich wirklich von der Handlung gepackt, aber mitunter hatte die Geschichte Längen, plätscherte so dahin und konnte mich dann nicht hundertprozentig bei der Stange halten. Insgesamt ein solider Auftakt einer neuen Reihe mit faszinierenden Schauplatz, aber was die Ausarbeitung der Figuren und der Handlung betrifft mit „Luft nach oben“. Ich hoffe, dass das Autorenduo sich bei der Fortsetzung noch steigert. Mit ihrer Trilogie „Die Ärztin“, die mir gut gefallen hat, haben die beiden Schriftsteller für mich bewiesen, dass sie durchaus mehr können .

Bewertung vom 06.04.2021
Hard Land
Wells, Benedict

Hard Land


ausgezeichnet

Großartiger Roman

„In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.“

Sam ist fünfzehn und lebt 1985 in Grady, einer Kleinstadt in Missouri. Seine Mutter ist unheilbar an Krebs erkrankt. Der Junge möchte nicht ständig mit der Sorge um sie konfrontiert werden. Er nimmt deshalb einen Ferienjob in einem alten Kino an und schließt dort Freundschaft mit Cameron, Hightower und Kirstie, die ebenso im Kino arbeiten. Der Sommer mit den drei Schulabsolventen, mit Kinofilmen, Musik, Feiern, Mutproben, der Sommer, in dem Sam den 49 Geheimnissen seiner langsam verschwindenden Heimatstadt Grady auf den Grund geht und in dem er sich verliebt, wird für immer unvergesslich bleiben. Doch dann bringt ein Unglück Sam auf den Boden der Tatsachen zurück.

Benedict Wells schreibt aus der Sicht seiner Hauptfigur Sams. Und das tut er er auf beeindruckend prägnante, klare, für mich meisterhafte Erzählweise. Immer wieder formuliert er erstaunliche Sätze, die so einfach wie wahr sind, die ich immer und immer wieder lesen wollte.

Protagonist Sam ist eine wunderbare Figur. Er mausert sich vom unscheinbaren, schüchternen Jungen zum jungen Erwachsenen. Sam war mir von Anfang an sehr nah. Ich konnte ganz genau nachvollziehen, wie er sich fühlt. Mehr noch ich habe die Emotionen, die Sam empfindet beim Lesen beinahe selbst empfunden, so authentisch und berührend schildert er sie.
Sams todkranke Mutter, die so weise und lebensklug wirkt, die so viel Verständnis für ihren Sohn hat, die ihn jederzeit ernst nimmt und stärkt, hat mir sehr imponiert.
Aber auch mit anderen Figuren wie Kirstie oder Cameron hat Sam sehr wertvolle, bereichernde Gespräche, die ihn bewegen und verändern.

Eigentlich geht es in „Hard Land“ doch nur um einen Sommer. Aber es ist eben nicht irgendein Sommer, sondern der Sommer, den es nur einmal im Leben gibt: Ein magischer Sommer, von dem Sam sich wünscht, dass er nie enden soll und ein schreckliche Sommer, der gleichzeitig nie hätte sein sollen.
Selten habe ich einen Roman mit einer derartig einnehmenden Atmosphäre gelesen. Benedict Wells fängt den „Zauber eines Sommers“ exakt ein. Im Hintergrund erklingen Songs von Journey oder Bruce Springsteen, Marty Mac Fly reist auf der Kinoleinwand in die Vergangenheit seiner Eltern und das Lebensgefühl der 80er ist auch überall sonst in der sterbenden Stadt Grady präsent.

Die gesamte Handlung, der Aufbau des Romans ist für mich absolut stimmig und rund, alles passt perfekt zusammen. Während Sam sich in der Schule mit dem Gedichtband „Hard Land“ des aus Grady stammenden Autors William Morris und den darin erwähnten 49 Geheimnissen von Grady befasst, erlebt er selbst seine persönlichen Geheimnisse in einem Grady, das seine besten Zeiten längst hinter sich hat. Immer wieder nimmt die Handlung des Romans selbst Bezug zu Gesprächen von Sam mit anderen Charakteren auf, seien es Dialoge über Gedichte, Gefühle, die Vergangenheit oder erste Sätze von Romanen. Kirsties Wortschöpfung Euphancholie, eine Mischung aus Euphorie und Melancholie, fasst beispielsweise genau die Stimmung zusammen, die „Hard Land“ auszeichnet. Es ist schwer zu beschreiben, was diesen Roman so grandios macht. Man sollte ihn wohl einfach lesen und es selber herausfinden.

Bewertung vom 05.04.2021
Wer wohnt denn da im tiefen Wald?
Piercey, Rachel

Wer wohnt denn da im tiefen Wald?


ausgezeichnet

Bezauberndes, liebevoll gestaltetes Wimmelbuch mit motivierenden Reimen

Im Bärenwald ist das ganze Jahr über viel los: Da blühen alle pflanzlichen und tierischen Bewohner im Frühling auf, gemeinsam wird der Frühjahrsputz in Angriff genommen, die Tierkinder besuchen die Waldschule, das Kaninchen feiert Geburtstag, im Sommer findet ein Sportfest statt, alle Waldtiere genießen die Sonne oder erfrischen sich beim Schwimmen am See, es wird gepicknickt, Theater gespielt, die Tiere feiern ein Herbstfest, erleben einen kühlen Regentag, malen gemeinsam in den letzten sonnigen Herbsttagen Bilder, sitzen am Lagerfeuer, machen Wintersport, organisieren ein Winterfest oder schlafen am Ende gemütlich und ganz ruhig in ihren Höhlen in einer kalten Winternacht.

Auf jeder Doppelseite erzählt Autorin Rachel Piercey in einem treffenden, gelungenen Gedicht von der dargestellten Situation. Die Reime sind für Kinder eingängig, motivierend und gut verständlich formuliert. Einige wichtige Wörter des Gedichts werden hervorgehoben und sind in einer anderen Schriftart gedruckt. Auf jeder Seite gibt es konkrete Aufträge, nach bestimmten Motiven Ausschau zu halten. Da sollen die jungen Leser z.B. eine Eule finden, die versucht zu schlafen oder Oma Kaninchen, die dekoriert. Am Ende ist noch ein kleiner „Naturlehrpfad“ mit Bildausschnitten aus den vorherigen Seiten angehängt. Zu Stichpunkten wie „Blätter“ oder „Höhlen“ sind kurze, interessante Informationen zum Thema zusammengefasst, teils werden auch Anregungen zum Forschen oder kleine Rätsel angeboten. Die Kinder erhalten also auch einige Sachinformationen rund ums Thema „Wald“.

Freya Hartas hat wunderschöne Bilder zum Verlieben gestaltet. Es macht Spaß, sich in den lebendigen, idyllischen Illustrationen zu verlieren. Sie sind so reich an Details, dass man immer wieder Neues entdeckt. So wird das Buch niemals langweilig.
Kinder ab drei Jahren sollten das Buch gemeinsam mit Erwachsenen anschauen, die ihnen die Gedichte und Suchaufträge vorlesen können, ältere Kinder im Grundschulalter gehen vermutlich lieber alleine auf Entdeckungsreise.
Das Buch ist ausgesprochen „schön“ und hochwertig aufgemacht. Die Seiten sind allerdings recht dünn und nicht so robust wie bei Pappwimmelbüchern für kleinere Kinder. Dafür ist das Buch mit 40 Seiten sehr umfangreich. Die Schrift auf dem ansprechenden Cover ist teils in Gold geprägt. Schon am Titelbild konnten meine Kinder und ich uns einfach nicht sattsehen.
Ein kleines Manko des Buchs ist, dass manche Teile der Bilder nicht ganz genau betrachtet werden können, weil sie sich direkt im Falz befinden. Gerade auf den ersten Seiten wölbt sich in der Mitte der Doppelseite das Papier recht stark und muss ganz vorsichtig glattgestrichen werden, um die gesamte Szene genießen zu können.

Ein wirklich besonderes, zauberhaftes, umfangreiches und vielfältiges Wimmelbuch, an dem kleine und große Leser sicher sehr lange Freude haben werden. Für uns ein echtes Wimmelbuch-Highlight.

Bewertung vom 03.04.2021
King Eddi und das Monster von Krong
Riley, Andy

King Eddi und das Monster von Krong


ausgezeichnet

Ein Hoch auf den einzigartigen, genial-witzigen König Eddi

Gerade sitzt König Eddi wenig enthusiastisch beim Essen vor einem Berg aus gesundem Gemüse, als ihn spektakuläre Nachrichten erreichen. Der Wulitz, ein extrem gefährliches, riesiges Monster mit unzähligen Augen macht das Eddiland unsicher. Natürlich muss Eddi als König das Monster vertreiben. Er möchte es im Zweikampf besiegen, um seine Untertanen zu beschützen. Doch der finstere Imperator Nurbison hat ganz andere Pläne und versucht, Eddi in eine Falle zu locken.

Andy Riley erzählt kindgemäß, in gut verständlicher, einfacher Sprache mit einem ganz eigenen, trockenem und extrem witzigen Humor. Sehr unterhaltsam sind z.B. die eigenen Wortschöpfungen des Autors wie „Nunst“, „Debel“ oder „Grässling“.
Die Schrift ist relativ groß gedruckt mit etwas weiterem Zeilenabstand. Oft variieren Schrifttypen und -größe, auf manchen Seiten finden sich auch Sprechblasen. Jede Seite enthält großflächige teils beschriftete, comicartige Illustrationen, so dass die Leser sich nicht von der Menge des Textes abschrecken lassen müssen und dabei zusätzlich motiviert werden, den Text zu lesen, um zu erfahren, welche absonderliche Situation da denn genau im Bild dargestellt wird. Überhaupt sind die Zeichnungen des Autors überaus amüsant anzuschauen. Wenn auf der einführenden Landkarte neben der Burg des Imperators oder dem Dorf ein einzelner Kieselstein oder ein „mies gelaunter Fisch“ eingezeichnet ist, dann ist das schon echt komisch. Und komisch geht es garantiert auf jeder einzelnen folgenden Seite weiter.
Zum Vorlesen ist das Buch für Kinder ab fünf Jahren geeignet, Leseanfänger und Kinder, die sich mit dem Lesen schwer tun, können gemeinsam mit einem Erwachsenen abwechselnd lesen, sich z.B. am Entziffern der Sprechblasen versuchen oder nur die oft lautmalerischen Wörter und Ausrufe in Großbuchstaben vorlesen - am Ende gibt es als Extra noch einen witzigen Comicstrip. Fortgeschrittene Erstleser und Zweitklässler werden das Buch wahrscheinlich alleine bewältigen können, lediglich die Aussprache der englischen Namen und mancher nicht alltäglicher längerer Wörter wie „Heidekraut-Dunkeldistel-Unterplauz-Schmilli“ könnten ein kleineres Problem darstellen.

Die Figuren sind wirklich witzig und originell. Eddi ist ein König, der noch ein Kind ist und ausgefallene Vorstellungen hat, wie z.B. ein Zweikampf auszusehen hat oder was der ideale Reiseproviant ist. Eddi besticht durch seine genialen Einfälle und verliert nie den Mut, auch wenn es einmal richtig brenzlig wird. Begleitet wird Eddi von seiner Hofnärrin Megan, die mit schwerem Gepäck reist und ihrem König was vernünftiges, erwachsenes Verhalten betrifft nicht unbedingt Vorbild ist. Außerdem treten noch ein Einsiedler auf, vom dem niemand weiß, ob er unter seiner Haar- und Bartpracht bekleidet ist, ein bitterböser Imperator, den fiesesten Herrscher, den die Welt je gesehen hat und natürlich ein gigantischer, starker Wulitz mit unzähligen Augen.

Superkomisch und superspannend Eddis Reise zum Wulitz. Mein siebenjähriger Sohn geht momentan in die erste Klasse. Er hat mir die Geschichte vorgelesen, musste aber immer wieder dabei kichern, weil die Erzählweise ganz genau seinen Humor trifft. In der Geschichte geht echt ordentlich was ab und King Eddis drollige kindliche Naivität ist auch für mich als Erwachsene einfach nur zum Schießen. „King Eddi und das Monster von Krong“ ist alles andere als konventionell, manchmal ziemlich skurril und unterscheidet sich stark von den sonstigen oft etwas drögen Erstlesebüchern. Und nebenher erfahren die Leser, dass auch Gemüse einen ganz wichtigen Daseinszweck hat, ja durch nichts zu ersetzen ist. Hätten wir in der Nähe einen Hutladen, würden wir uns sofort einen Hut kaufen, um ihn in die Luft zu werfen und Eddi zuzujubeln. Mein Sohn ist restlos begeistert von King Eddi und ich bin es auch.

Bewertung vom 03.04.2021
Ein Klonk um Mitternacht / Grimmskrams Bd.1
Mann, Miriam;Pfeiffer, Marikka

Ein Klonk um Mitternacht / Grimmskrams Bd.1


sehr gut

Wenn Märchengegenstände sich in die echte Welt verirren - magisch, abenteuerlich und auch noch witzig

Tom und seine Familie sind vor fünf Wochen in das moderne Hochhaus mitten in der Stadt gezogen, den Grimm Tower. Als Tom um Mitternacht von einem lauten „Klonk“ geweckt wird, ahnt er nicht, dass das der Beginn eines ganz besonderen Abenteuers ist. Gemeinsam mit seiner Nachbarin Milli steigt er auf das Dach und beobachtet eine Drohne, die eine Kiste auf dem Hubschrauberlandeplatz des Gebäudes abwirft. Die Kinder öffnen die Kiste und entdecken lauter merkwürdige Gegenstände, die sich wie von Zauberhand selbstständig machen. Die beiden versuchen zwar sofort alles wieder einzusammeln, doch die Suche erweist sich als überaus kompliziert und herausfordernd. Und was sind das überhaupt für seltsame Dinge? Natürlich müssen Tom und Milli das genauer wissen und kommen dabei nicht nur dem dubiosen Hausbesitzer Mister Grimm in die Quere.

Marikka Pfeffer und Miriam Mann erzählen kindgemäß und flüssig. Ich habe das Buch meinen Kindern vorgelesen, die im Altern von fünf bis neun Jahren sind. Wir fanden sofort einen Zugang zur Geschichte. Die äußere Aufmachung des Buches überzeugte uns ebenso auf Anhieb. Das Buch wirkt sehr hochwertig. Die Illustrationen sind in besonderem, individuellen Stil gezeichnet, die Figuren sehen ein wenig kantig aus, teils verniedlichend mit großen Augen, aber dennoch sehr ansprechend. Einige Bilder wie die Darstellung von Tom und Milli oder die Grafiken der Seiten mit den Kapitelüberschriften wiederholen sich zwar, aber trotzdem sind die Seiten generell motivierend und abwechslungsreich gestaltet. Das zweigeteilte wilde Cover zeigt sehr deutlich, dass es in der Geschichte einerseits dunkel und geheimnisvoll, anderseits fröhlich und abenteuerlich zugeht.
Leser ab neun Jahren dürften keine Probleme haben, das Buch selbstständig zu lesen. Zum Vorlesen ist die Geschichte auch schon für jüngere Kinder geeignet.

Tom und Milli sind wie Kinder so sind, aufgeweckt, abenteuerlustig und neugierig. Die Leser werden sie sicher schnell ins Herz schließen, sich rasch in sie und ihre Situation hineinversetzen können und mit ihnen mitfiebern.
Der düstere Mister Grimm wirkt dagegen viel furchteinflößender und irgendwie gruselig, fast wie ein böser Zauberer. Oder täuscht der erste Eindruck?
Unsere absolute Lieblingsfigur war allerdings eine andere. Über den Froschkönig und seine herrlich direkte, sehr witzige Art haben wir immer wieder schmunzeln müssen. Er bringt sehr viel Spaß in die Geschichte, ebenso tut das die etwas orientierungslos wirkende, aus der Zeit gefallene Frau Fee.

Als große Märchenfans haben wir sehr gerne und ausgiebig gerätselt, aus welchem Märchen denn nun die einzelnen magischen Gegenstände stammen, ein regelrechter Märchen-Rätsel-Krimi war das. Und auch sonst geht es sehr turbulent, ziemlich magisch und ganz schön nervenaufreibend zu.
Uns hat Toms und Millis erstes Abenteuer mit den verschiedenen Grimmskramsen wirklich prima unterhalten. Beim nächsten Mal sind wir sehr gerne wieder mit dabei.

Bewertung vom 31.03.2021
Calypsos Irrfahrt
Franz, Cornelia

Calypsos Irrfahrt


sehr gut

Eine spannende Abenteuergeschichte und gleichzeitig ein Plädoyer für Mitgefühl und Hilfsbereitschaft

Der vierwöchige Mittelmeer-Segeltörn, den Oscar mit seinen Eltern auf der Calypso unternimmt, entwickelt sich völlig anders als erwartet. Die Familie entdeckt auf offener See zwei Kinder, Nala und Moh, die auf einem Rettungsring treiben und zieht die beiden aufs Schiff. Nala und Moh stammen aus dem Kongo, sind Geschwister und wollten mit weiteren Menschen auf einem Boot flüchten, fielen dabei aber über Bord. Oscars Eltern versuchen, die Geschwister in einem Auffanglager für Flüchtlinge unterzubringen. Doch in keinem der angesteuerten Häfen sind Flüchtlinge willkommen. Während der Fahrt gewinnt die Familie, allen voran Oscar, die beiden Kinder immer lieber. Doch die Kinder können nicht einfach bei ihren Rettern bleiben, der unvermeidliche, schmerzliche Abschied rückt jeden Tag ein Stück näher...

Cornelia Franz schreibt kindgemäß und sehr flüssig. Meine Kinder und ich fühlten uns sofort von der Geschichte angesprochen und hatten keine Schwierigkeiten, uns in das Geschehen hineinzuversetzen. Kinder ab zehn Jahre können das Buch sicher schon selbstständig lesen und verstehen. Sie werden aber vermutlich Fragen zum Thema, zu rechtlichen Regelungen und zu Mohs und Nalas Situation haben, daher empfiehlt es sich für die Eltern, das Buch ebenfalls zu lesen.

Alle Figuren in „Calypsos Irrfahrt“ sind sympathische, angenehme Charaktere. Da ist Oscar mit seinem großen Herz, der offen und neugierig auf andere, in diesem Fall auf Moh und Nala, zugeht, sofort bereit ist, mit ihnen zu teilen und auf ihre Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Auch Oscars Eltern zeigen viel Mitgefühl, setzen sich engagiert für die Kinder auf der Flucht ein und tun alles, was in ihrer Macht steht, um es für die Geschwister so angenehm und erträglich wie möglich zu machen. Moh und Nala haben Dinge erlebt, die kein Kind erleben sollte. Nala wirkt für ihr Alter erstaunlich reif und gefasst, sie ist selbstständig und zupackend und liebt ihren Bruder über alles. Moh hingegen kann die Erlebnisse der Vergangenheit nicht vergessen, er wirkt zappelig, sehnt sich nach seinen Eltern, findet einfach keine Ruhe. Im Laufe der Geschichte verändert sich die Beziehung der Familien untereinander, sie kommen einander näher und näher. Auch die Charaktere entwickeln sich durch die Geschehnisse weiter.

Ganz schön abenteuerlich und spannend geht es auf der Calypso zu. Unterwegs gerät die Familie in einen lebensgefährlichen Sturm. Über allem steht aber die Frage, wie es mit Moh und Nala weiter geht. Und was die beiden von ihren früheren Erlebnissen berichten, lässt sicher keinen Leser kalt.
Anfangs war ich skeptisch, ob das hochkomplexe, vieldiskutierte politische Thema „Flüchtlinge“ wirklich für ein Kinderbuch geeignet ist. Wie können Kinder etwas verstehen, das selbst Erwachsenen überfordert? Cornelia Franz ist es gelungen, einen ganz individuellen Bezug zum Thema herzustellen. Sie sensibilisiert ihre Leser dafür, dass es Menschen gibt, die nicht so eine privilegierte Ausgangsposition haben wie sie selbst, dass es manche Menschen alleine nicht schaffen können und auf die Hilfe anderer angewiesen sind und dass wir es trotz aller Umstände in der Hand haben, sie in irgendeiner Form zu unterstützen. Cornelia Franz Buch ist genauso eine mitreißende Abenteuergeschichte wie Plädoyer für Hilfsbereitschaft und Mitgefühl. Die Geschichte erhebt sicher nicht Anspruch, komplett realistisch zu sein, aber sie zeigt einfühlsam und ohne zu laut zu werden, dass es im Hinblick auf globale Probleme auch und vor allem im Kleinen darauf ankommt, an andere zu denken, sich für andere einzusetzen und ganz intuitiv für sie da zu sein. Für mich wurde das Buch ganz zu recht mit dem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2021
Die Frau vom Strand
Johann, Petra

Die Frau vom Strand


sehr gut

Wie weit würdest Du gehen, um Dein Glück zu schützen?

Nachdem sie einen schweren Schicksalsschlag überwunden hat, geht es Rebecca endlich richtig gut. Sie führt mit ihrer Frau Lucy eine glückliche Beziehung und lebt mit ihrer fünf Monate alten Tochter Greta in Rerik an der Ostsee. Eines Tag erlebt sie bei einem Strandspaziergang eine merkwürdige Begegnung. Eine junge Urlauberin, Julia, steht splitterfasernackt vor Rebecca und bittet sie um Hilfe, ihr wurden die Kleider gestohlen. Rebecca befreit Julia aus dieser misslichen Lage, leiht ihr Kleidung und lädt sie daraufhin zum Kaffee ein. Die beiden Frauen verstehen sich auf Anhieb, werden rasch zu Freundinnen. Als Rebecca Julia zu einem Abendessen einlädt, erscheint diese ohne Erklärung nicht, obwohl sie fest zugesagt hatte. Rebecca sucht daraufhin überall nach Julia, doch diese bleibt spurlos verschwunden. Und dann kommt es zu einem weiteren tragischen Unglück.

Dank Petra Johanns angenehmen, flüssigen und lebendigen Schreibstils fiel es mir sehr leicht, mich auf die Geschichte einzulassen. Die Autorin erzählt anfangs aus Rebeccas Perspektive in Ich-Form, später schildert sie den Fall aus Sicht der Polizei, in Person der ermittelnden Kommissarin Edda Timm.

Autorin Petra Johann hat zweifelsohne interessante, reizvolle Figuren gezeichnet. Zunächst fühlte ich mich der Protagonistin Rebecca ziemlich nahe. Ihre Schilderung, wie sie Julia kennenlernt, ihre Gefühle dabei, fand ich gut verständlich und plausibel. Rebecca spricht die Leser direkt an, nimmt sie durch ihre sehr persönliche Darstellung der Vorkommnisse für sich ein. Doch ab dem zweiten Teil erfahren die Leser die Handlung nicht mehr aus Rebeccas Sicht, sondern aus der der Polizei. Dabei wird ein ganz anderes Licht auf Rebecca geworfen, verschiedene Zeugen betrachten und beurteilen sie von außen, dadurch wird das Bild der Person Rebecca immer verschwommener, zwiespältiger und unklarer.
Auch den Charakter von Rebeccas Freundin Lucy bekommen die Leser nicht aus ersten Hand mit, sie müssen sich erneut auf die Aussagen von anderen verlassen. Das macht diese Figuren für die Leser natürlich sehr spannend und rätselhaft.
Kommissarin Edda Timm ist ebenso eine Person mit Ecken und Kanten. Sie hat kaum Privatleben, lebt für die Arbeit, aber vielleicht trübt gerade das fast besessene Fokussiertsein auf den Fall ihre Sinne?

Was für ein packender, kurzweiliger Krimi! Nichts ist hier klar, immer wieder werden falsche Fährten gelegt und am Ende kommt doch alles wieder ganz anders und vieles ziemlich unerwartet. Obwohl der Roman weitgehend ohne Blut und Gewalt auskommt, ließ er mich des Öfteren richtig schaudern. Denn auch eiskalte Berechnung und Skrupellosigkeit kann Gänsehaut verursachen.
„Die Frau vom Strand“ ist für mich ein gut konstruierter, komplexer, aber dennoch klar nachvollziehbarer Krimi mit überzeugender, überraschender Auflösung. Ein Thriller, der einmal mehr zeigt, dass so mancher Unschuldiger ganz schnell zum Kriminellen werden kann, wenn das bedroht ist, was er liebt. Fesselnde Unterhaltung!