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smartie11
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Insgesamt 934 Bewertungen
Bewertung vom 28.02.2020
Geschke, Linus

Finsterthal / Born-Trilogie Bd.2


ausgezeichnet

Ein packender Thriller voller menschlicher Abgründe

„Finsterthal war kein Ort, der einen wieder freigab oder ein gutes Ende versprach. Finsterthal war eine Endstation; die Endstation ihrer viel zu kurzen Reise.“ (S. 156)

Meine Meinung:
„Finsterthal“ ist nach „Tannenstein“ der zweite Band von Linus Geschke („Jan Römer“-Reihe) um den kriminell gewordenen Ex-Polizisten Alexander Born. Obgleich ich Teil 1 noch nicht kenne (was ich jetzt definitiv nachhole!), hatte ich keine Schwierigkeiten, in die Story hineinzukommen und mit den Charakteren vertraut zu werden.

Bereits zu Beginn weiß Linus Geschke seine Leser*innen zu fesseln: Unbekannte entführen die noch minderjährige Alice aus ihrem Zuhause und schon gleich schwingt beim Lesen das ungute Bauchgefühl mit, dass dies für die arme Alice nicht gut ausgehen könnte. Diese Tat ist dann auch der Auslöser dafür, dass der Ex-KGB-Mann Dimitri seinen Freund Alexander Born händeringend darum bittet, sich auf die Spur der Entführer zu begeben. So entspinnt sich eine Story um Macht, Gier, Gewalt, Exzesse und die tiefschwarzen Abgründe der menschlichen Seele. Durch regelmäßige Kapitel aus Sicht des Täters, durch immer wieder neue Gräueltaten – die nicht alle miteinander in Verbindung zu stehen scheinen – und durch mehr als eine überraschende Wendung im Plot versteht der Autor es brillant, Spannung und Tempo über die gesamte Story hinweg auf hohem Niveau zu halten. Als Leser zittert man mit, hofft und bangt für die Opfer – und wird immer wieder zutiefst schockiert, wenn Linus Geschke uns in die teils rabenschwarzen Seelen seiner Charaktere blicken lässt. Von klassischen „Guten“ bis zu abgrundtief „Bösen“ sind hier alle Schattierungen an Figuren vorhanden – und Protagonist Born steht mit seiner Vergangenheit, seiner Vorgehensweise und seinen inneren Dämonen selbst tief im Graubereich zwischen Gut und Böse. Alexander Born ist ein Ausnahme-Protagonist, der düster schimmert und zugleich polarisiert – und definitiv kein Sympathieträger auf den ersten Blick ist. So hat es auch eine ganze Weile gedauert, bis ich dann doch mit ihm warm geworden bin.

„Finsterthal“ ist ein Thriller, der fesselt, der schockiert und immer wieder überrascht. Es ist ein Portrait einer oftmals falschen und abgründigen (Schatten-)Gesellschaft und ein Buch, das hinter die Fassaden des Gutbürgertums blickt und die Frage aufwirft, ob Moral und Anstand echt sind oder nur ein Schutzschild, hinter dem sich finstere Abgründe verstecken.

FAZIT:
Ein harter Page-Turner voller polarisierender Charaktere und menschlicher Abgründe – unbedingt lesen!

Bewertung vom 14.02.2020
Patrick, S. A.

Die Dunkelheit der Drachen


ausgezeichnet

Die Macht der Musik – ein wunderbares Fantasy-Abenteuer, nicht nur für Kids!

„Denn eines wird nur allzu leicht vergessen:
Der Musik wohnt ein Zauber inne.
Hört genau hin…“ (S. 366)

Meine Meinung:
Tief verschneit und abgeschnitten von der Außenwelt wird das kleine Dorf Patterfall von einer zuvor nie dagewesenen Rattenplage heimgesucht. Da kommt ein Junge aus dem winterlichen Wald gestapft, in komplett vereister Kleidung und fast erfroren. Auch Erinnerungen hat er zunächst keine, aber die Dorfbewohner sind sich sicher: Es muss der Pfeiffer sein, nach dem sie geschickt haben, um der Ratten Herr zu werden…

Nach 13 Jahren als Spieleentwickler legt der nordirische Autor mit „Die Dunkelheit der Drachen“ nun sein Debut vor – und es hat mich wahrlich beeindruckt! Aufbauend auf dem alten Märchen des „Rattenfängers von Hameln“ entspinnt er in diesem Buch ein ganz eigenes Abenteuer, in einer eigenständigen Welt, in der die Pfeiffer einen ganzen Berufsstamm mit unterschiedlichen Garden bilden und über Magie verfügen. Sein Protagonist, Flick Klarwasser, war mir von Beginn an durch-und-durch sympathisch. Mit seinen gerade mal 13 Jahren ist er bereits ein Underdog, verstoßen und auf der Flucht („Flick war gar kein Pfeifer, jedenfalls kein richtiger. Er war in Ungnade gefallen und von der Burg Tiviscan geflohen, noch ehe er die Schule beendet hatte.“). Warum das so ist, erfahren wir als Leser*innen erst im Verlauf der Geschichte, Stück für Stück. Ihm zur Seite stellt der Autor die liebenswerte, mutige und pfiffige Rena Sommerfeld, ein verzaubertes Mädchen in Gestalt einer Ratte, sowie den Drachengreif Barver Knopferkerkel, ausgestattet mit besten Manieren und ungeahnten Fähigkeiten. Ein merkwürdigeres Trio habe ich schon lange nicht gesehen, und ein liebenswerteres auch nicht.

Dieses Buch punktet aber nicht nur mit seinen Protagonisten, sondern auch mit einer atemberaubenden Abenteuergeschichte, die die Leser*innen zu allerlei extrem atmosphärischen und ausgefallenen Schauplätzen führt. Sei es die Burg der Pfeiffer, Tiviscan, das heimelige Kloster Martal („Aus der Ferne wirkte es, als hätte der Baumeister eine Vorliebe für Igel gehabt.“ – S. 161) oder auch die düsteren und legendenumwobenen Berge von Gemspar, in denen nicht nur gefürchtete Räuberbanden ihr Unwesen treiben, sondern auch eine gefährliche Hexe. Dieser Geschichte fehlt es wirklich an Nichts, was ein gutes Abenteuer und ein überzeugendes Fantasywerk benötigt, bis hin zum ausgefallenen Magiesystem der Musik. Nachdem ich das Buch regelrecht verschlungen habe, wundert es mich, wie der Autor derart viel Handlung, Schauplätze und Ideen auf den knapp 370 Seiten unterbringen konnte. Gefühlt würde ich sagen, ich habe eine Geschichte mit 800 oder mehr Seiten gelesen, ohne mich auch nur eine Minute gelangweilt zu haben. Ein Abenteuer, das seines Gleichen sucht!

FAZIT:
Eines der besten Abenteuerbücher für Kids, das ich in den letzten Jahren gelesen habe!

Bewertung vom 14.02.2020
Till, Jochen

Fiese schöne Welt / Luzifer junior Bd.7


ausgezeichnet

Eine spannende Story mit Tiefgang und höllisch guten Gags

Unsere Meinung:
Mit „Fiese schöne Welt“ geht die „Luzifer junior“-Reihe von Kult-Autor Jochen Till in die siebte Runde, und wer sie noch nicht kennt, hat wirklich etwas verpasst! Dank der kleinen Galerie am Anfang des Buches, in der die acht Protagonisten der Serie kurz vorgestellt werden, können sich auch Neueinsteiger einen guten und humorigen Überblick machen und ohne Vorkenntnisse in dieses himmlisch-höllische Abenteuer starten.

Diesmal verschlägt es Luzifer junior, Lilly, Gustav, Aaron und natürlich unseren absoluten Liebling, Hausdämon Cornibus, in Omas neu geschaffenes Paralleluniversum. Hier ist eigentlich alles wie zuhause… nur viel, viel besser! Die Schule macht Spaß (weil man nur das lernt, was einem gefällt), keiner muss langweilige Arbeiten verrichten und selbst der olle Schuldirektor ist in diesem Universum voll nett und total relaxed. Um alle Wünsche und Wehwehchen kümmert sich hier die digitale KIWA (Künstliche Intelligent weiß alles) – und so ist es fast wie im Schlaraffenland. Es gibt keine Länder, keine Grenzen und kein Rassismus. Eigentlich zu gut, um wahr zu sein, oder…?

Mal wieder ist es Jochen Till gelungen, ein spannendes und vor allem super-spaßiges Abenteuer zu erschaffen. Meine Jungs (knapp 9 & 12) haben die Geschichte von der ersten bis zur letzten Seite geliebt und sich immer wieder gekringelt vor Lachen. Sei es bei Stevens Versuchen, die Langeweile seines Chefs (The Beast himself!) zu vertreiben, was gar nicht so einfach ist („JETZT UNTERSTLLST DU MIR AUCH NOCH EMOTIONEN! GEHT´S NOCH?“ - S. 16), den immer wieder auftauchenden skurrilen Situationen (insbesondere, wenn Luzie mal wieder die Welt nicht versteht) oder auch bei Cornibus´ akuten Ernährungsproblemen, die für ständige Fress-Flashs sorgen (noch mehr als sonst) und Cornibus dabei immer mehr zur kleinen flauschigen „Rum-Kugel“ mutieren lassen. Hier bleibt echt kein Auge trocken und kein Lachmuskel ungereizt! Unser persönliches Highlight war dabei die größte Eierschlacht der Weltgeschichte. Komplettiert wird das Ganze mal wieder mit vielen teuflisch guten Illustrationen von Raimund Frey.

Bei aller Spannung und trotz des ganzen Humors gelingt es Jochen Till aber auch, ernste Themen mitschwingen zu lassen. Es geht hier z.B. um Zwei-Klassen-Gesellschaften und die Tücken künstlicher Intelligenz. Insgesamt eine tolle Mischung!

FAZIT:
Einfach teuflisch gute Leseunterhaltung mit Lach-Garantie.

Bewertung vom 31.01.2020
Kazim, Hasnain

Post von Karlheinz


ausgezeichnet

Bedrückend, beschämend, aufwühlend - und ganz hervorragend gekontert!

„Aber wenn wir schweigen, wenn wir diese Leute ignorieren, beginnen wir, ihren Hass und ihre Häme zu akzeptieren“ (Track 07)
„Religion ist nicht per se schlecht oder gut, sondern sie ist das, was Menschen aus ihr machen. Oft genug ist das etwas Schlechtes – leider!“ (Track 10)


Meine Meinung:
Autor Hasnain Kazim, Sohn indisch-pakistanischer Eltern, ist ein deutscher Journalist, Autor und mehrfacher Medienpreisträger. In „Post von Karlheinz“ macht er einen kleinen Teil der fremdenfeindlichen Zuschriften öffentlich, die ihn immer wieder erreichen, sowie seine Antworten darauf. Allein wenn man einige der Nicknames der Absender betrachtet, die sich in der vermeintlichen Anonymität des Internets tummeln, wird schnell klar, in welche Richtung die Zuschriften gehen. Wir treffen hier u.A. auf „Hermann the German“, „Maria gegen Scharia“ oder auch auf „Deutschländer1933“ (ob der wohl auch die Würstchen kennt?). Das Spektrum dessen, mit dem sich Kazim bei den Zuschriften konfrontiert sieht, reicht von Unkenntnis, über Ignoranz, Penetranz bis hin zu ungeniert offen formulierten Anfeindungen, Hasstiraden und Drohungen („alle erschießen“). Beim Hören dieses Hörbuches changieren meine Gefühle dementsprechend in wildem Wechsel zwischen Unglauben, Fremdschämen und schockiert sein. Es ist absolut bewundernswert, dass es Hasnain Kazim dabei immer noch gelingt, meist ruhig und sachlich zu bleiben. Glücklicher Weise hat er einen Weg gefunden, mit den stetigen Anfeindungen umzugehen: sie öffentlich zu machen und mit Humor zu kontern („Humor ist ein Weg, mit all dem Hass fertig zu werden, ihn auszuhalten, zu ertragen.“ - Track 07). Dass es ihm dabei nicht immer ganz gelingt, die Contenance zu bewahren, und den ein oder anderen Internet-Hetzer als Rumpelstilzchen oder Vollidioten tituliert, kann ich da voll und ganz verstehen. Und wenn er am Ende seiner Korrespondenz mit dem titelgebenden Karlheinz mit dem folgenden Versprechen „Karlheinz, wir kommen. Ob du willst, oder nicht. Also mach den Gartenschlauch klar!“ schließt, habe ich tatsächlich beim Lachen fast Tränen in den Augen.

Ja, so schockierend Vieles von dem ist, was den Autor immer wieder erreicht, ist es doch ein Spiegel unserer Gesellschaft (oder zumindest von Teilen davon). Neben all den beklemmenden Gefühlen macht es dennoch wirklich Spaß, Hasnain Kazim bei seinen Antworten zuzuhören. Es ist wirklich wunderbar zu hören, wie er immer wieder gekonnt, intelligent, auf den Punkt und oft herrlich ironisch kontert. Sehr gut gemacht!

Zur Hörbuchproduktion:
Kurz: extrem gelungen! Teile dieses Hörbuchs spricht Hasnain Kazim selbst, was mir sehr gut gefällt, da es für Authentizität sorgt. Während Cathlen Gawlich und Bernhard Schütz den „Schreibern“ ihre Stimmen leihen (und dabei ganz passende Charaktere entwickeln) werden Kazims schlagfertige Antworten von Bjarne Mädel vorgetragen, den ich selbst sehr gerne sehe und höre. Hierdurch ergibt sich neben dem tiefenwirksamen Inhalt auch eine wunderbare Abwechslung, so dass sich dieses Hörbuch bei allen menschlichen Charakter-Untiefen, die es offenbart, ganz hervorragend hören lässt.

FAZIT:
Vom alltäglichen Fremdenhass und wie man damit umgehen kann. Absolut und uneingeschränkt empfehlenswert!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.01.2020
Balson, Ronald H.

Hannah und ihre Brüder


sehr gut

Ben Solomons Geschichte - Freunde, Feine und die Wirren eines furchtbaren Kriegs

„sie konnten mich nicht brechen, ich hatte nichts mehr zu verlieren. Kein Schmerz, keine Drohung konnte mich dazu bringen, Namen zu nennen, denn der Tod war mir willkommen.“ (ebook, S. 259)

Meine Meinung:
Ben und Otto sind als beste Freunde aufgewachsen, waren fast wie Brüder füreinander. Doch dann fiel der Schatten der Nazis über ihre Heimat und Ben wurde zum Opfer, während Otto zum Täter wurde…

Ronald H. Balson hat sich für seinen Roman ein Thema ausgesucht, das trotz der vielen Jahrzehnte, die seitdem vergangen sind, noch immer absolut aktuell ist. Ausgehend von der Rahmenhandlung in der heutigen Zeit zeichnet er ein einfühlsames Bild der schrecklichen Ereignisse der Judenverfolgung im Polen der 1930er Jahre. Es ist immer wieder schockierend, beschämend und bestürzend zu lesen, welche Verbrechen damals unter den Nazis dort begangen worden sind. Geschickt erzählt Balson seine Geschichte auf zwei Zeitachsen, was sich durch die gewählten Erzählperspektiven immer gut auseinanderhalten lässt, sodass es für die Leser*innen immer wieder Pausen zum Durchatmen und reflektieren der Ereignisse gibt. Es ist spannend zu lesen, wie sich Ben mit Hilfe von Privatdetektiv Liam Taggart und der Anwältin Catherine auf Spurensuche begibt, um seine schreckliche Vermutung bezüglich der wahren Identität Elliot Rosenzweigs zu belegen. Am Ende ergibt sich eine Auflösung, die passend, aber etwas vorhersehbar war und für meinen Geschmack zu schnell präsentiert wurde.

Während mir die beiden Protagonisten Ben und Chatherine sehr sympathisch waren, muss ich gestehen, dass mit Liam irgendwie zu stereotyp gewesen ist. Diesen Charakter hätte der Autor irgendwie besser „ausformen“ können. Sein Schreibstil lässt sich dafür sehr flüssig und leicht lesen. Vor dem Hintergrund des schweren Themas hätte dem Buch an der ein oder anderen Stelle ein bisschen mehr erzählerische Tiefe allerdings sicher gutgetan.

FAZIT:
Eine bewegende Geschichte über eine dunkle Zeit und die Art, wie diese Menschen verändert hat.

Bewertung vom 31.01.2020
Frennstedt, Tina

Das verschwundene Mädchen / Cold Case Bd.1


weniger gut

Ein Schweden-Krimi (kein Thriller!), der mich nicht wirklich überzeugen konnte

Meine Meinung:
Die Autorin Tina Frennstedt gilt als eine der renommiertesten Kriminalreporterinnen Schwedens und Expertin für Fälle, die nie aufgeklärt wurden. „Cold Case“ ist ihr Debut als Krimiautorin und startet mit einem wahrlich fesselnden und düsteren Prolog. Entsprechend schnell war ich von dieser Story angefixt und hatte hohe Erwartungen an dieses Buch.

Obgleich es sich hier – wie der Titel ja schon aussagt - um einen „Cold Case“-Krimi handelt, wird die Handlung doch zunächst von einer aktuellen Überfallserie beherrscht, bei der ein maskierter Täter Frauen in ihren eigenen Häusern auflauert und sie vergewaltigt. Erst etwas später kristallisiert sich der passende „Cold Case“ heraus: das spurlose Verschwinden der jungen Annika im Jahr 2002. Diese Verquickung von Aktuellem und Vergangenem hat mir an sich sehr gut gefallen und ich war gespannt, wie diese beiden Fälle wohl zusammengehören könnten (denn ein erstes Indiz hierfür hat sich relativ früh ergeben).

Alles in allem beste Voraussetzungen also für einen spannenden Thriller – eigentlich. Doch leider wurden meine Erwartungen an dieses Buch sehr enttäuscht. Der aktuelle Fall, der wohl für Thrill und Spannung sorgen sollte, konnte mich nicht recht fesseln. Der über weite Strecken unbekannte Täter, der sogenannte „Valby-Mann“, blieb für mich blass und auch nicht richtig bedrohlich, er war eher ein billiger Abklatsch eines gefährlichen Serientäters. Zu keiner Zeit hatte dieses Buch mehr Thrill als im Prolog – sehr schade! Auch im „Cold Case“-Fall um die verschwundene Annika kam zu keiner Zeit wirkliche Spannung auf. Stück für Stück wühlen sich die Ermittler durch alte Fallakten und befragen die damaligen Zeugen. Dazu nimmt das Privatleben der Protagonistin Therese „Tess“ Hjalmarsson immer wieder breiten Raum ein. Am Ende ergibt sich im Annika-Fall eine Auflösung, die ich nach rund zwei Dritteln des Buches schon vorausgeahnt hatte und deren Aufklärung gleich in mehrfach vom Zufall Hilfestellung bekommt. Das alles habe ich als wenig befriedigend empfunden, zumal am Ende noch nicht mal alle offenen Fragen beantwortet werden. Das hinterlässt bei mir als Leser kein zufriedenes Bauchgefühl.

Leider merkt man diesem Buch nicht wirklich etwas von der Expertise an, die die Autorin mit Sicherheit im echten Berufsleben gesammelt hat. Der Fall gestaltet sich holprig und ohne große Spannung, die Antagonisten bleiben blass und konturlos und darüber hinaus werden vielversprechende Charaktere eingeführt (wie z.B. der Profiler Carsten Morris), die rückblickend betrachtet sich als absolut verzichtbar erwiesen haben. Für den Folgeband wird sich die Autorin deutlich steigern müssen!

FAZIT:
Wenig Spannung, blasse Antagonisten, eine langatmige Spurensuche und dazu noch Hilfe von „Kommissar Zufall“ – leider enttäuschend!

Bewertung vom 22.01.2020
Grant, Kester

Der Hof der Wunder Bd.1 (2 MP3-CDs)


gut

Eine faszinierende Grundidee mit einer etwas enttäuschenden Umsetzung

„Ich bin die schwarze Katze und das ist meine Jagd“

Meine Meinung:
Paris, 1828: Nach dem Scheitern der Französischen Revolution bestimmen zwei Parallelwelten das Leben in der Stadt an der Seine. Ein feudales Königshaus, das unverändert in Saus und Braus lebt, bestimmt die Geschicke der von Armut und Hunger geplagten Pariser Bevölkerung. Derweil hat sich in der Pariser Unterwelt eine zweite Gesellschaftsschicht gebildet, die das Verbrechen und die Kriminalität streng organisiert hat. Neun Gilden haben die Stadt unter sich aufgeteilt und herrschen mit eisernem Regiment jeweils über einen Bereich: Die Gilde der Diebe, die Gilde der Meuchelmörder (auch die Todesbringer genannt), die Gilde der Bettler (auch Geister genannt), die Gilde des Fleisches (Menschenhandel & Zwangsprostitution), die Gilde des Glücks (Glücksspiel), die Gilde der Schreiber (Fälschungen, Erpressung, Geldwäsche, Falschgeld), die Gilde der Schmuggler, die Gilde der Träumer (Rauschgift) und die Gilde der Söldner (bezahlte Gewalt). Zusammen bilden sie den legendenumwobenen „Hof der Wunder“. Als eines Tages die junge Azelma von ihrem schmierigen Vater an die Gilde des Fleisches verkauft wird, bricht für ihre Schwester Nina ihre ganze Welt zusammen. Um Azelma zu retten, treibt es Nina in die Fänge der Diebesgilde…

Die Grundidee eines „alternativen Paris“, das von verschiedenen Verbrechergilden beherrscht wird, fand ich von Anfang an sehr faszinierend. Schnell nimmt die Geschichte an Fahrt auf, denn Nina empfiehlt sich mit einem beeindruckenden „Gesellenstück“ selbst bei Tomasis Vano, dem Herrscher der Diebesgilde – ein sehr vielversprechender Start, der mich schnell gefesselt hat!

Doch leider hat mich die Geschichte im weiteren Verlauf zunehmend enttäuscht. Die Handlung verläuft viel zu eindimensional und gradlinig. Eigentlich geht es die ganzen 400 Seiten nur darum, dass Nina zunächst ihre Schwester Azelma, dann das Waisenmädchen Ettie aus den Fängen des widerwärtigen „Tigers“, des Herrschers der Gilde des Fleisches, retten will. Damit ist die Handlung dieses Buches tatsächlich schon weitestgehend erzählt. Nur punktuell tauchen Themen wie die Nachwirkungen der gescheiterten Französischen Revolution oder Menschenhandel und Zwangsprostitution auf. Hier hätte man aus dem interessanten Grundkonstrukt der Story viel mehr machen können, ja machen müssen, um diesem Roman Tiefgang und Raffinesse zu verleihen. Ich hätte mir eine intelligente Geschichte erhofft, die nicht nur linear verläuft, sondern auch Verästelungen hat, Haken schlägt und zeitweise mehrgleisig läuft. Durch die verschiedenen Gilden wäre das sicherlich problemlos möglich gewesen, doch letztlich spielen auch hier nur drei bis vier Gilden eine spürbare Rolle, während alle anderen mehr oder minder bedeutungslos bleiben. Hier hat die Autorin für meinen Geschmack sehr viel Potenzial verschenkt.

Dennoch ist es für ein Debut durchaus beeindruckend, was Kester Grant hier geschaffen hat, auch wenn es eben doch noch einiges an Luft nach oben gibt. Insgesamt vergebe ich hierfür gerne drei Sterne, was keine schlechte, sondern eine solide Bewertung ist.

Zum Hörbuch:
Die Hörbuchproduktion hat mir voll und ganz gefallen. Die Schauspielerin und Synchronsprecherin Marie Bierstedt, die ihre Stimme u.a. Kirsten Dunst, Kate Beckinsale und Anne Hathaway leiht, hat eine sehr angenehme Stimme, ein passendes Lesetempo und eine abwechslungsreiche Modulation. Obgleich Jahrgang 1974, passt ihre Stimme sehr gut zur jungen Protagonistin Nina. So hat es mir durchweg Spaß gemacht, ihr zu lauschen und mich von der Geschichte treiben zu lassen.

FAZIT:
Ein durchaus beeindruckendes Debut, das allerdings Einiges an Potenzial verschenkt.

Bewertung vom 22.01.2020
Horst, Jørn Lier

Wisting und der fensterlose Raum / William Wisting - Cold Cases Bd.2


sehr gut

Ein durchdachter Krimi, der etwas Anlauf braucht

Meine Meinung:
Im Sommerhaus des an einem natürlichen Tod verstorbenen Top-Politikers Bernhard Clausen werden 80 Millionen Kronen in Bar gefunden, deren Herkunft sich niemand erklären kann. Der Oberstaatsanwalt selbst, der ein politisches Erdbeben befürchtet, beauftragt William Wisting unter höchster Geheimhaltung herauszufinden, woher dieses Geld stammt. Ein mühsames Puzzlespiel beginnt…

Nach dem überzeugenden ersten Band („Wisting und der Tag der Vermissten“) war ich sehr gespannt auf diesen Nachfolger. Zu Beginn war ich dann allerdings eher enttäuscht, da mich das „Grundverbrechen“ nicht recht fesseln konnte. So hat es eine ganze Weile gebraucht, bis mich dieser Krimi in seinen Bann ziehen konnte. Erst als Jörn Lier Horst geschickt zwei weitere Cold Cases in seine Story hineinwebt, kam bei mir ein Gefühl der Spannung auf und der Autor „hatte mich“. Ein bunter Strauß an potenziell verdächtigen Personen wurde nach und nach eingeführt – und jeder verhielt sich auf seine eigene Art irgendwie verdächtig. Erneut war es sehr interessant zu lesen, wie akribisch die Protagonisten alte Fallakten studieren, neu interpretieren und dabei über den Tellerrand blicken und die neusten kriminaltechnischen Methoden anwenden. Besonders gut gefallen hat mir hierbei wieder Wistings Tochter Line, die als Journalistin ihre ganz eigene Art hat, an diesen Fall heranzugehen. Nur dass ihre Tochter Amalile anscheinend ständig vor dem iPad geparkt wird, finde ich etwas unschön (das aber nur am Rande).

Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto mehr lädt sie den Leser dazu ein, sich eigene Gedanken zum Fall zu machen und eigene Theorien aufzustellen. Trotz immer neuer Hinweise ist es dem Autor dabei mehr als einmal gelungen, mich faustdick zu überraschen, und je weiter dieser Fall auf sein Finale zusteuert, desto realer und bedrohlicher wird auch die Gefahr, der sich die Ermittler aussetzen. Am Ende gelingt es dem Autor, eine rückblickend vollständig plausible Auflösung zu präsentieren. Etwas schade fand ich dabei nur, dass das Finale für meinen Geschmack sehr schnell „über die Bühne gebracht“ wurde, gerade nachdem der Beginn des Buches ja etwas langatmig war. Hier hätte sich der Autor für meinen Geschmack gerne noch etwas mehr Zeit nehmen dürfen.

FAZIT:
Ein überzeugender Krimi, der zunehmend an Spannung gewinnt und durch sympathische Protagonisten glänzt.

Bewertung vom 16.01.2020
Wekwerth, Rainer

Es beginnt / Beastmode Bd.1


ausgezeichnet

Moderne Superhelden einmal anders – in einer faszinierenden Story

„Sie war verloren in Raum und Zeit, in einer Welt, die nicht mehr die ihre war, und einer Welt, die untergehen würde, wenn sie versagten.“ (S. 216)

Meine Meinung:

Ein sich stetig ausdehnendes Energiefeld unbekannter Herkunft inmitten der unwirtlichen Beringsee beunruhigt Politiker und Militärs. Es zieht Meeresbewohner an und lässt sie spurlos verschwinden. Spezialisierte Erkundungstrupps wurden hineingeschickt und nie wiedergesehen. Alle konventionellen Mittel zur Aufklärung und Eindämmung scheinen versagt zu haben, und so setzt das US Militär seine letzte Hoffnung auf fünf Teenager, die alles andere als normal sind: Die rund 5.000 Jahre alte Göttin Amanda, den vor hunderten von Jahren beschworenen Dämon Damon, das Mädchen Jenny, das - halb Mensch halb Maschine - mit Gedächtnisverlust an einem Highway aufgefunden wurde, den von Kopf bis Fuß tätowierten Wilbur, der die Zeit anhalten kann, und den tollpatschigen Underdog Malcolm, der anscheinend stets von seinem verstorbenen Bruder beschützt wird. Können diese Fünf die Menschheit retten?

Autor Rainer Wekwerth stellt nach seinen erfolgreichen Labyrinth- und Pheromon-Reihen mit „Beastmode“ einmal mehr sein außergewöhnliches Talent für phantastische und intelligente Stories eindrucksvoll unter Beweis. Bereits mit dem Prolog, in dem die fünf Protagonisten geschickt vorgestellt werden, hat mich dieses Buch voll und ganz in seinen Bann gezogen. Allein die Eigenschaften der fünf Teenager sind dermaßen faszinierend und geheimnisvoll, dass man unbedingt mehr über sie erfahren möchte. Hinzu kommt eine Geschichte, deren ganzes Ausmaß man zu Beginn noch gar nicht erahnen kann, auch nicht mal ansatzweise! Ausgehend von dem ungewöhnlichen und rauen Schauplatz auf der Aleuteninsel Attu entspinnt sich eine Story, die mehrfach einen kompletten Twist hinlegt und uns Leser an diverse besondere Schauplätze führt, die ich hier noch nicht verraten mag. Nur soviel sei hier gesagt: Es bleibt unvorhersehbar und überraschend bis zum Schluss! Ein waschechter Pageturner par excellence, den man gar nicht mehr aus der Hand legen mag, bis auch die letzte Seite verschlungen ist.

„Beastmode“ ist für meinen Geschmack ein Buch, bei dem wirklich alles überzeugt: Von der intelligenten und immer wieder überraschenden Story, über die ungewöhnlichen Charaktere, die ihresgleichen suchen, und unglaublich faszinierende Settings bis hin zu einem ausdrucksstarken Schreibstil, der perfekt zur Story passt („Das war keine Wüste. Das war ein Brennofen, der die Seelen all derjenigen einschmolz, die so verrückt waren, sich hineinzubegeben.“ - S. 135).

Glücklicher Weise ist der zweite Band dieser Dilogie bereits für August 2020 angekündigt.

FAZIT:
Wer auf extrem ungewöhnliche Charaktere, überraschende Twists und einen fesselnden Erzählstil steht, kommt an diesem Buch nicht vorbei!

Bewertung vom 16.01.2020
Till, Jochen

Ein Hausdämon packt aus! / Cornibus & Co Bd.1


ausgezeichnet

Über das faszinierende Wesen von Hausdämonen – Lacher garantiert!

Unsere Meinung:
Cornibus ist der heimliche… nein, der eigentliche kleine Star der „Luzifer Junior“-Reihe von Jochen Till. Der wuschelige kleine Hausdämon, der sich in allerlei beliebige Gestalten verwandeln kann (auch in längst ausgestorbene und in jegliche beliebige Kombination!), hat nun mit „Cornibus & Co.“ sein eigenes Spin-Off bekommen!

In dieser 140 Seiten starken Graphic Novel wird Corbibus die Ehre zuteil, Mittelpunkt einer RTHell-Dokumantation über Hausdämonen zu sein, die sich sogar der Chef höchstpersönlich im Fernsehen anguckt (ok, „The Beast“ schläft nach einem anstrengenden Arbeitstag dabei ein…). Es werden sensationelle Szenen gezeigt, wie z.B. die Geburt eines Hausdämons, und die Zuschauer / Leser darüber aufgeklärt, wie es damals wirklich war mit dem unter einer Ombrophobie leidenden Noah und seiner Arche. Alles natürlich irre witzig (wunderbar: Cornibus als Waschbär-Krake!) und immer wieder überraschend. Und am Ende erfährt man sogar noch, welche Risiken sich auftun, wenn man dem possierlichen Hausdämon seine heißgeliebte Schlotzolade vorenthält…! Hier sind Lacher wirklich garantiert!

Dieses Buch stellt erneut Jochen Tills Ader für schön-schrägen Humor und Raimund Freys Talent für coole Grafiken unter Beweis. Übrigens haben sich die Beiden auf S. 62 auch selbstironisch verewigt.
:-)

FAZIT:
Eine höllisch gute Graphic Novel mit feurigem Humor für Leser ab ca. 10 Jahren!