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Raumzeitreisender
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 761 Bewertungen
Bewertung vom 31.12.2016
Jonasson, Jonas

Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind


weniger gut

Wiederholung eines Erfolgsschemas

Die ungläubige Pfarrerin Johanna Kjellander, der desillusionierte Hotel-Rezeptionist Per Persson und der gewalttätige und trinkfreudige Johan Andersson, genannt Mörder-Anders, gründen eine Körperverletzungsagentur mit Mörder-Anders als Auftragsschläger. Das Geschäft läuft blendend, die Nachfrage ist groß, sie verdienen viel Geld mit ihrer Arbeit.

Eine Wende tritt ein, als Mörder-Anders anfängt sich für Gott zu interessieren und von heute auf morgen Gewalt ablehnt und stattdessen Geld an Hilfsbedürftige verteilt. Sie gründen eine Kirche und ändern ihr Geschäftsmodell. Leider haben sie sich viele Feinde in der Unterwelt gemacht. Auch innerhalb der Gruppe knistert es.

Der Rahmen und die Charaktere liefern genügend Ansatzpunkte für eine humorvolle und skurrile Geschichte. Leider scheitert es an der Umsetzung. Die Charaktere der Protagonisten wirken flach und dümmlich, es mangelt an Charme. Es gibt keine Figuren, mit denen sich der Leser wirklich anfreunden oder identifizieren kann.

Auf den ersten hundert Seiten berichtet der Autor quasi von einer Metaebene aus, ohne dass der Leser wirklich in die Handlung eintaucht. Es wirkt so, als ob nach Erstellung des Plots dieser nur halbherzig umgesetzt wurde. Das gilt zum Beispiel für die praktische Arbeit der Körperverletzungsagentur. Hier mangelt es an der Beschreibung konkreter Fälle im Alltag von Mörder-Anders, die dem Buch Leben einhauchen könnten.

Nach einem originellen Erfolgsroman liegt die Messlatte hoch und wenn der gleiche Stil beibehalten wird, kommt es zu Abnutzungserscheinungen und die Qualität leidet, wie auch bei Büchern von Tommy Jaud und David Safier erkennbar wird. Wer dauerhaft Erfolg haben will, muss sich immer wieder neu erfinden. So wirkt der Roman, als ob er auf Drängen des Verlages in kurzer Zeit entstanden wäre.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.12.2016
Voltaire

Candide


ausgezeichnet

Die beste aller Welten

„Wie grausam hat mich Panglos [Hauslehrer und Metaphysiker] hintergangen, dass er mir vordemonstrierte, die Welt sei die beste.“ (37) Candide, Protagonist der gleichnamigen satirischen Novelle, erfährt, ebenso wie sein Hauslehrer, auf seinen Reisen durch die weite Welt das Gegenteil dieser Weltanschauung. Das Buch ist eine Satire auf den grenzenlosen Optimismus der Philosophie von Leibniz.

Das Buch ist 1759 in Paris erschienen; die deutsche Übersetzung stammt aus dem Jahr 1776. Der Stoff ist aktuell. Die Suche nach einer besseren Welt motiviert seit Jahrhunderten Schriftsteller, Politiker und Theologen. Dennoch sind (dauerhaftes) Glück und Vollkommenheit eine Utopie, für Menschen unerreichbar, wie schon Nagib Machfus in seiner Parabel „Die Reise des Ibn Fattuma“ deutlich gemacht hat.

Candide, und nicht nur er, erleben Krieg, Vertreibung, Vergewaltigung, Inquisition, Erdbeben und Sklaverei. Voltaire propagiert Pessimismus und Skeptizismus und erweist sich als heftiger Kritker von Adel, Klerus und Kriegsführern. Ein sorgenfreies Leben gibt es nicht. Dennoch zeigt er zum Schluss auf, wie man [Mensch] aus der Not eine Tugend machen kann. Da der Mensch so ist, wie er ist, ist das Buch auch in der heutigen Zeit zu empfehlen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.12.2016
Drösser, Christoph

Total berechenbar?


sehr gut

Die Macht der Algorithmen

„Wir haben einen Automaten im Innersten unserer Ökonomien geschaffen, der entschlossen ist, unser Leben zu bestimmen. Der Albtraum der Menschheit, dass die Maschinen die Kontrolle über unsere Welt übernehmen, scheint jetzt schon Wirklichkeit zu werden ...“ [1]

So dystopisch, wie Frank Schirrmacher in „Ego“, beschreibt Christoph Drösser die Verhältnisse nicht. Der Zweck seines Buches ist es, die „Diskussion über die Macht der Algorithmen zu erden“. (11) Im Fokus stehen nicht die Auswirkungen verselbstständigter Ego-Strategien auf unsere Ökonomie, sondern eine eher sachliche Darstellung der Funktionsweise und Anwendungen von Algorithmen.

Ein Algorithmus ist eine Handlungsanweisung, die nach einem reproduzierbaren Schema verläuft. Autor Drösser erläutert im ersten Kapitel Eigenschaften von Algorithmen. Dabei liegt sein Fokus auf elementaren Berechnungen und verschiedenen Sortierverfahren. Letztlich geht es um strukturierte Problemlösungen, wie sie in der Informatik zum Alltag gehören.

Es folgen Beispiele aus dem Alltag der Nutzer der Informationstechnik. Hierzu gehören das patentierte Rankingsystem von Google (s.a. [2]), die Funktionsweise von Routenplanern, die Datenanalysen von amazon, netflix und facebook und die Möglichkeiten und auch Grenzen des Online-Datings. Den heiligen Gral der Partnerschaftsforschung gibt es nicht, denn ob Gegensätze oder Ähnlichkeiten Erfolg versprechen, kann niemand genau sagen.

Aus einer Koinzidenz kann nicht auf Kausalität geschlossen werden. So gibt es über fünf Jahrzehnte ähnliche Kurvenverläufe in der Entwicklung von Rocklängen und in der Entwicklung des Dow-Jones-Index. Sollen auf dieser Grundlage Prognosen erstellt werden? Die wären genauso unsicher, wie die jährlichen Prognosen der Wirtschaftsweisen.

Ein spannendes Thema, dem Schirrmacher [1] ein ganzes Buch gewidmet hat, stellt Drösser auf gerade mal 12 Seiten vor. Dabei haben die Automatismen im Börsenhandel einen enormen Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen. Schirrmacher spricht in diesem Zusammenhang von einem „ökonomischem Imperialismus“. Drösser kann dem Hochfrequenzhandel auch positives abgewinnen, da „die Computerverfahren den Börsenhandel auch demokratisiert haben“. (148)

Drösser stellt in eigenen Kapiteln Verschlüsselungs- und auch Komprimierungsverfahren vor. Das macht er auf anschauliche Art und Weise. Es wird verständlich, wie eine Nachricht verschlüsselt, aber für den Empfänger lesbar, von A nach B geschickt werden kann. Wer es genauer wissen will, greift auf Fachliteratur, von z.B. Klaus Schmeh [3], zurück.

„Total berechenbar?“ ist ein verständliches Buch für eine breite Leserschaft. Die zugrunde liegenden Methoden sind Drösser so wichtig, dass er in einem Nachwort weitere gängige Algorithmen vorstellt, die im Haupttext vernachlässigt wurden. Der Autor zeigt Möglichkeiten und Grenzen der Berechenbarkeit auf. Das Fragezeichen im Titel ist berechtigt. Der Autor bewegt sich durchgängig auf einer wohltuend sachlichen Ebene.

[1] Frank Schirrmacher: „Ego“, S. 15 und 43
[2] Gerald Reischl: „Die Google Falle“
[3] Klaus Schmeh: „Kryptografie“

Bewertung vom 17.12.2016
Stanisic, Sasa

Fallensteller


gut

„Eine Libelle küsste die eigene Reflexion im See.“ (229)

„Magie ist nicht das, was ich mache. Magie ist, was ihr nicht seht, dass ich mache.“ (11) Die erste Geschichte über den Illusionisten Ferdinand Klingenreiter ist so eine Art Einführung in das, was die Leser im Buch erwartet. Die Vorführung des in die Jahre gekommenen ehemaligen Sägewerksarbeiters und Erinnerungen an seine Jugendzeit und Familie wechseln einander ab.

Das Buch besteht aus 12 Kurzgeschichten mit teilweise verwirrenden Texten. Manche Protagonisten kommen mehrmals vor. Der Autor erweist sich als Sprachakrobat. Seine bildhafte Sprache hat mehr Wiedererkennungswert als der Inhalt seiner skurrilen Kurzgeschichten. Erwähnenswert ist die Erzählung „Fallensteller“, die nicht nur hinsichtlich des Namens, sondern auch inhaltlich dem Buchtitel am nächsten kommt.

Saša Stanišić macht das, was ein Schriftsteller tun sollte, er experimentiert mit Sprache und Ausdrucksvermögen. Die Melancholie, die in dem Buch mitschwingt, spiegelt die eigene Lebensgeschichte des Autors wider, so mein Eindruck. Der Roman ist nicht massenkompatibel, was für sich allein gesehen kein Nachteil ist. Aber der schwer einzuordnende diffuse Stil fesselt auch nicht, jedenfalls mich nicht.

Bewertung vom 11.12.2016
Scruton, Roger

Kant


sehr gut

Eine anspruchsvolle Einführung in Kants Philosophie

„Der Leser sollte daher nicht überrascht sein, wenn er diese Einführung mehr als einmal lesen muss, um Kants Sicht der Dinge richtig einschätzen zu können.“ (7)

Um es vorweg zu nehmen: Der Autor hat recht. Kants Philosophie ist komplex und besitzt Tiefe. Insofern ist es eine besondere Herausforderung für einen Autor, sie verständlich darzustellen und eine besondere Herausforderung für die Leser, sie wenigstens in Grundzügen verstehen zu wollen. Dafür ist es notwendig, in Kants Begriffswelt und Strukturierung einzutauchen.

Autor Roger Scruton, Professor für Philosophie in London, schwafelt nicht, sondern kommt auf den Punkt. Er bietet auf nur 140 Seiten viel Inhalt. Es handelt sich um eine strukturierte und komprimierte Einführung in Kants Denken. Dabei scheut sich der Autor nicht, Widersprüche in Kants Philosophie aufzuzeigen, deren Analyse für das Verständnis und die Einordnung in einen größeren Rahmen erforderlich ist.

Im Fokus stehen die drei Hauptwerke Kants „Kritik der reinen Vernunft“, „Kritik der praktischen Vernunft“ und „Kritik der Urteilskraft“. Im ersten Werk geht es um „Denken und Erkennen“, im zweiten Werk um „Wollen und Handeln“ und im dritten Werk um „Gefühl und Fantasie“. Marksteine seines Werkes sind die „kopernikanische Revolution“, in der dem Erkenntnisvermögen das Primat eingeräumt wird (44) und der „kategorische Imperativ“, eine auf Vernunft gegründete Handlungsanweisung (98).

Bei diesem Buch handelt es sich zwar um eine Einführung, aber um eine Einführung für gehobene Ansprüche. Daher würde ich das Buch nur Lesern empfehlen, die sich schon mit Philosophie beschäftigt haben.

Bewertung vom 04.12.2016
Müller, Jochen;Dirnagl, Ulrich

Ich glaub, mich trifft der Schlag


ausgezeichnet

Wie das Gehirn tickt

In diesem Buch gehen Ulrich Dirnagl und Jochen Müller der Frage nach: „Wie macht das Gehirn das, was es macht?“ Um Antworten zu finden, betrachten sie neurologische Erkrankungen, da aus Fehlfunktionen wichtige Rückschlüsse gezogen werden können. Im Fokus stehen sechs bekannte Krankheiten des Gehirns. Hierzu zählen Kopfschmerz bzw. Migräne, Schlaganfall, Epilepsie, MS, Parkinson und Demenz bzw. Alzheimer.

Zu Beginn der Hauptkapitel werden in kurzen Steckbriefen charakteristische Merkmale der Krankheiten zusammengefasst. Es gibt zwar Bezüge zwischen den Kapiteln und Parallelen zwischen den Krankheiten, jedoch können alle Kapitel auch einzeln gelesen werden. Da selbst in einem populärwissenschaftlichen Werk Fachbegriffe nicht immer vermieden werden können, finden die Leser am Ende des Buches ein Glossar mit Begriffserläuterungen.

Die Erläuterungen sind anschaulich. Da wird der Körper mit einer Firma verglichen (19), um die Informationsverarbeitung zu verdeutlichen und Bakterien, die die Blut-Hirn-Schranke im Gehirn überwinden, werden als Hooligans tituliert. (82) Skizzen symbolisieren die Funktionsweise des Nervensystems. Das gilt z.B. für Signalfehler, wie sie für MS typisch sind (173) oder für die synaptische Plastizität, die bei Demenz genutzt wird, um Lernvorgänge zu verbessern. (274)

Hinsichtlich der Ursachen der Krankheiten und möglicher Therapien beschreiben die Autoren den derzeitigen Stand der Forschung. Aussagen wie „Vermutlich reagiert das Gehirn von Menschen mit Migräne zu sensibel auf Reize von außen, auch scheinen Hirnregionen manchmal nicht richtig miteinander zu kommunizieren.“ (57) machen deutlich, dass sich Wissenschaftler vorsichtig äußern, aber auch, dass noch vieles im Argen liegt. Bei den alternativen Therapien zur Migräne wird zwar auf gesunde Ernährung hingewiesen (54), aber kein konkreter Bezug zur ketogenen Ernährung (Umstellung des Fettstoffwechsels) hergestellt.

Die Autoren relativieren den Begriff Arterienverkalkung im Zusammenhang mit Gefäßverschlüssen und machen deutlich, dass primär eingelagerte Blutfette und Entzündungszellen in der Gefäßwand als Ursache für Gefäßverschlüsse angesehen werden müssen. (71) In der Rehabilitationsbehandlung von Schlaganfällen gibt es Erfolge zu verbuchen, da mit viel Übung einige verloren gegangene Funktionen zurückgewonnen werden können. Die Anpassungsfähigkeit des Gehirns lässt es zu, dass Aufgaben durch andere Hirnareale übernommen werden können.

Eine Epilepsie wird durch synchron erregte Nervenzellen ausgelöst. Hinsichtlich der Frage, was die Synchronizität verursacht, tappen die Forscher derzeit noch im Dunkeln. Auch gibt es zahlreiche Formen von Epilepsie. Wenngleich eine Epilepsie leicht an den Symptomen erkannt werden kann, liegen die Verhältnisse bei MS völlig anders. Es handelt sich um eine Erkrankung des Nervensystems, die auch von Spezialisten nur schwer diagnostiziert werden kann.

Die Autoren verdeutlichen, dass sich die Parkinsonsche Erkrankung, die sich motorisch äußert und Demenz, die sich kognitiv äußert, nur darin unterscheiden, wo sich Proteine verklumpen. In beiden Fällen wird das Nervensystem zerstört. Warum es zur Degeneration kommt, ist weitgehend unbekannt. Insofern ist es zwar möglich, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen, aber es ist nicht möglich, ihn aufzuhalten.

In diesem Buch wird der aktuelle Stand der Erforschung neurologischer Erkrankungen von kompetenten Autoren für ein breites Publikum beschrieben. Die Erkenntnisse sind erhellend, manchmal auch ernüchternd und es wird deutlich, dass die Wissenschaft zwar in der Analyse der Krankheiten weit ist, aber hinsichtlich der wirklichen Ursachen noch am Anfang steht. Letztere müssen bekannt sein, um wirksame Therapien entwickeln zu können. Das Buch ist verständlich; Metaphern, Skizzen und Vergleiche in Verbindung mit einem lockeren Schreibstil sowie kurzen Kapiteln tragen ihren Teil dazu bei.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.12.2016
Barthel, M

Abendländische Weisheiten


gut

„Weisheiten aus 2500 Jahren Kulturgeschichte“

„Nicht die Dinge selbst, sondern nur unsere Vorstellungen darüber machen uns glücklich oder unglücklich.“ (22) Dieser tiefsinnige Spruch von Epiktet ist über 2000 Jahre alt, könnte aber genauso gut von dem Kommunikationswissenschaftler und Psychotherapeuten Paul Watzlawick stammen. Insofern wird die Zeitlosigkeit vieler Weisheiten deutlich.

Das Buch enthält auf über 300 Seiten Weisheiten aus der europäischen Kulturgeschichte. Der Herausgeber verzichtet auf Prolog und Epilog, Kategorien und Stichwortverzeichnis. Als einziges Ordnungskriterium ist ein chronologischer Aufbau erkennbar. Ein Quellenverzeichnis ist vorhanden. Es ist nicht möglich, gezielt nach Sprüchen zu suchen.

Das Buch enthält eine Vielzahl von Autoren aus der Geschichte und aus der Neuzeit. Sämtliche Sprüche werden konkreten Personen zugeordnet. Von einigen Autoren sind Portraits vorhanden. Bekannte Persönlichkeiten wie Cicero, Voltaire, Lichtenberg oder Hesse kommen mehrfach vor.

„Die Natur macht keine Sprünge.“ (68) Es ist bezeichnend und dem Zeitgeist entsprechend, wenn Leibniz, Schöpfer der Infinitesimalrechnung, zu diesem Ergebnis kommt. Die Quantelung der Energie, also die Definition von Energieportionen, war zu seiner Zeit noch kein Thema.

Es müssen nicht alle Sprüche gefallen, aber einige sind es wert, festgehalten zu werden. In diesem Sinne markiere ich lesenswerte Sprüche, um sie zu einem späteren Zeitpunkt nachzuschlagen. „Du kannst dein Leben nicht verlängern, noch verbreitern, nur vertiefen.“ (Gorch Fock) (279)

Bewertung vom 13.11.2016
Komp, Andrea

Johann Wolfgang v. Goethe: Faust I - Buch mit Info-Klappe


sehr gut

Analyse eines Werkes der Weltliteratur

„Faust I“ von Johann Wolfgang Goethe gilt als das prominenteste und meistzitierte Werk der deutschen Literatur. Es enthält Themen und Motive aus der Bibel, aus Mythen und Sagen, aus verschiedenen Dichtungen und auch Bezüge zur Philosophie und zur Naturwissenschaft. Goethe verarbeitet in diesem Werk bedeutsame Erfahrungen und Erkenntnisse der Menschheitsgeschichte.

Autorin Andrea Komp beschreibt auf wenigen Seiten Thematik und Handlung dieses großen Werkes. Sie erläutert den Hintergrund (Kurzbiografie und Werke Goethes), äußert sich zu Entstehung, Struktur (Aufbau des Textes) und sprachlicher Form und gibt Anregungen zur Textanalyse. Zum Schluss stellt sie Aufgaben für den Schulunterricht vor, deren Lösungen sie anreißt.

Der „Lektüre Durchblick“ hält was er verspricht. Die Leser erhalten einen verständlichen Überblick über den Inhalt, über die verschiedenen Charaktere und insbesondere über die Beziehungen zwischen den Protagonisten. Das Figurendreieck Mephisto – Faust – Gretchen wird analysiert und auch grafisch präsentiert. Daneben erhalten die Leser Anregungen für die Vertiefung.

Bewertung vom 11.11.2016
Ruiz Zafón, Carlos

Marina


sehr gut

Erinnerungen an das, was nie geschah

Der Roman enthält autobiographische Elemente. Hierzu zählen Óscars Streifzüge durch das nächtliche Barcelona, die beschriebene Gefühlswelt, das katholische Internat und Mädchen wie Marina. Die Geschichte selbst ist erfunden oder das Abbild einer Innenwelt, wie unschwer zu erkennen ist, wenn man sich im letzten Drittel des Buches befindet.

Carlos Ruiz Zafón ist in Barcelona geboren und hat dort die Jesuitenschule in Sarriá besucht. Auf seinen Streifzügen durch das nächtliche Barcelona schlenderte er durch einsame Gassen, erforschte verfallene Villen und überquerte finstere Friedhöfe. Auch Mädchen, die Marina gleichen, lernte Zafón in seiner Jugend kennen. Damit enden die autobiographischen Züge in diesem Roman. „Ich glaube, ich habe versucht, damit auszudrücken, dass dies der erste von mir geschriebene Roman ist, der sich wie „ich“ anfühlt und nicht so, als ob ich versuchte, jemand anderes zu sein.“ Es ist mehr die Gefühlswelt und weniger der reale Gehalt des Romans, mit dem sich der Autor identifiziert.

„Marina“ ist eine Mischung aus Abenteuer, Krimi, Liebesgeschichte und Horror. Diese Vielschichtigkeit ist ein Element, welches die Leser auch aus Zafóns anderen Büchern kennen. „Marina“ wirkt wie ein phantastischer und ein wenig abgedrehter Übergangsroman zu seinem Bestseller „Der Schatten des Windes“. Auffallend sind Zafóns Ausdrucksstärke, seine zahlreichen Metaphern und Bilder, die seine Bücher geheimnisvoll und mystisch wirken lassen und seine Szenebeschreibungen und die schicksalhaften Begegnungen. Wenn man den Autor aus anderen Büchern kennt, erkennt man ihn in „Marina“ wieder.

Die Geschichte selbst lässt am Anfang noch nicht erahnen, in welche Richtung sie sich bewegen wird. Auch wenn dieser Stil für Spannung sorgt, gleitet die Geschichte derb ins Phantastische ab. Werden hier Traumwelten und jugendliche Gefühlswallungen literarisch verarbeitet? Ist nur auf diese Weise der „Zugang zu diesem Dachgeschoss der Seele“ möglich? Die Antworten kennt nur der Autor.

„Der Schatten des Windes“ stand für mich unter dem Motto „Im Bann des Schicksals“. Dies trifft auch auf „Marina“ zu. Auch hier geht es um einen Entwicklungsprozess. Diesmal ist es nicht Daniel Sempere, sondern der Autor selbst, der einen Reifungsprozess durchmacht. „Marina“ ist nicht der beste Roman von Carlos Ruiz Zafón. Die Fans seines verzaubernden Stils werden es dennoch lesen.

Bewertung vom 09.11.2016
Lee, Harper

Wer die Nachtigall stört ...


ausgezeichnet

Ein amerikanischer Roman über Rassismus

Der Roman "Wer die Nachtigall stört ..." wurde 1960 erstmals publiziert und spielt im Süden der USA in den 1930er Jahren. Es ist der einzige Roman von Harper Lee, die damit einen Klassiker der Weltliteratur geschaffen hat. Das Buch wurde bereits 1962 verfilmt mit Gregory Peck als Atticus Finch.

Zu dem großen Erfolg tragen einige Elemente bei. Das Buch ist in einfacher Sprache verfasst aber dennoch tiefsinnig. Das zentrale Thema, der Rassismus, ist aktueller den je. Wie schwierig es ist, nicht in die Falle der Vorurteile zu tappen, wird an Details deutlich, z.B. als die Lehrerin von Jem und Scout Hitler verurteilt, weil dieser Juden verfolgt, aber im gleichen Atemzug blind ist für ihre eigenen Vorurteile gegenüber der schwarzen Bevölkerung im eigenen Land.

Die Charaktere sind sehr markant. Das gilt für Atticus und Ich-Erzählerin Scout, aber auch für Randfiguren wie z.B. Mrs. Dubose. Lehrreich auch, dass einige Protagonisten ihr Licht unterm Scheffel halten, um die Ordnung im Dorf nicht durcheinander zu bringen, z.B. ist die farbige Hausangestellte Calpurnia viel intelligenter, als die durchschnittliche Dorfbevölkerung, zeigt es aber nicht.

Der Fall selbst, der in dem Roman vor Gericht verhandelt wird, dürfte Anfang der 1960er Jahre in den USA als Tabubruch gewertet worden sein. Aber es sind diese Widersprüche zwischen Schein und Sein, die den Roman lesenswert machen. Die Leser werden ständig herausgefordert. Letztlich ist auch positiv zu werten, dass Atticus wenigstens einmal gegen seine eigenen Prinzipien verstößt und sich damit als Mensch offenbart. "Wer die Nachtigall stört ..." ist ein gesellschaftskritischer lehrreicher Roman, der wunderbar in die heutige Zeit passt.