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Raumzeitreisender
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 785 Bewertungen
Bewertung vom 15.04.2017
Bagus, Clara Maria

Vom Mann, der auszog, um den Frühling zu suchen


gut

Auf der Suche nach dem inneren Frühling

Ein kleiner bunter Vogel vermag es, eine karge Winterumgebung in ein buntes Frühlingspanorama zu verwandeln. Plötzlich sprießen aus den Zweigen Blüten hervor, wo vorher noch Eiszapfen hingen. Der namenlose Protagonist, der die Szene beobachtet, ist begeistert von diesem Vogel und begibt sich auf die Suche nach ihm. Von dieser Reise handelt das Buch.

Psychologin Clara Maria Bagus vermittelt, verteilt auf 59 kurze Kapitel, einfache Lebensweisheiten, die einem Buch von Paulo Coelho entsprungen sein könnten. Die Suche nach dem Vogel reflektiert die Suche nach sich selbst. Ebenso wie der andalusische Hirte Santiago in „Der Alchimist“ begegnet der Protagonist auf seiner Reise vielen Menschen, die ihm bei seiner Suche behilflich sind.

Es handelt sich bei diesem Buch um ein modernes Märchen. Die Leser tauchen für ein paar Stunden ein in eine Fantasiewelt. Der Fokus liegt auf den Weisheiten und nicht auf den Protagonisten, erkennbar an der fehlenden Charakterisierung und Namensgebung. Die Geschichte ist zeitlos und auch unabhängig von der Geografie. Für eine Lebenshilfe ist es zu oberflächlich, zu einfach gestrickt, es ist eher ein poetisches Werk.

Bewertung vom 13.04.2017
Florescu, Catalin Dorian

Der Mann, der das Glück bringt


sehr gut

Lebensgeschichten vom Rand der Gesellschaft

„Der Fluss nahm die Toten sanft auf, als ob er wusste, dass es besondere Tote waren.“ (5) Bereits im ersten Satz schwingen Tragik und Melancholie mit, sodass die Leser auf den Inhalt eingestimmt und von diesem nicht überrascht werden. Es sind die Lebensgeschichten zweier armer Familien, beginnend 1899 bzw. 1919, deren Lebenswege sich zwei Generationen später kreuzen.

Ray und Elena treffen sich das erste Mal im September 2001 in New York. Der Zufall hat sie zusammengeführt. Sie erzählen sich ihre Lebensgeschichten, beginnend bei ihren Großeltern. Die für die Zuordnung der beiden Handlungsstränge und für das tiefere Verständnis wichtigen Erzählperspektiven kristallisieren sich erst im Verlauf der ersten Kapitel heraus. Das wirkt anfangs etwas störend.

„Da ist er ja, unser kleiner Caruso!“, riefen die einen. „Da ist er, der Mann, der das Glück bringt!“, die anderen. (183) Diese Anspielung bezieht sich auf den Großvater von Ray, der in ärmlichen Verhältnissen als Waisenkind in New York aufwächst und von einer Karriere als Künstler träumt. Das Glück bringt er den armen Menschen, den ausgestoßenen der Gesellschaft. Die große Karriere bleibt ein Traum. Der Großvater ist geprägt vom Überlebenskampf in den Straßen von New York und kein Sympathieträger. Manche Szenen sind grenzwertig.

Im zweiten Handlungsstrang geht es um Elenas Großmutter und Mutter, beide aufgewachsen in Rumänien, im Donaudelta am Schwarzen Meer. Armut, Aberglaube und Krankheit prägen das Leben der Dorfbewohner. Elenas Mutter findet eine Arbeit in einem Friseursalon in dem Ort Sulina und träumt davon, nach Amerika auszuwandern. Es kommt ganz anders.

„Der Mann, der das Glück bringt“ klingt im Hinblick auf das harte Leben der Protagonisten wie Ironie, bekommt aber auf einer anderen Ebene eine besondere Bedeutung. Es gelingt Catalin Dorian Florescu, die Leser emotional anzusprechen. Während einige Szenen in der New Yorker Zeit um 1900 abstoßend wirken, überwiegt in Rumänien die Traurigkeit. Glück ist ein zartes Pflänzchen, welches selten entdeckt wird und gehegt und gepflegt werden muss.

Der Autor ist ein fantastischer Geschichtenerzähler, dem es gelingt, die Leser mitzunehmen auf eine literarische Abenteuerreise durch die Geschichte. Er streut gezielt politische Ereignisse ein und die Reaktionen der Menschen darauf. Er kontrastiert die Verhältnisse der kleinen Leute in einer Großstadt mit den Verhältnissen der kleinen Leute in einer Dorfregion. Er verschneidet Perspektiven und führt eine Synthese herbei.

Hinsichtlich seiner Art die Lebensverhältnisse zu beschreiben, rau, hart, düster und melancholisch, erinnert er mich an den irischen Schriftsteller Colum McCann. „Der Himmel unter der Stadt“ von McCann besteht auch aus zwei Erzählsträngen, die konvergieren und in denen trotz aller Düsternis immer mal wieder ein kleiner Hoffnungsschimmer aufblitzt.

Florescu ist ein begabter Schriftsteller, der es versteht, gesellschaftliche Verhältnisse ausdrucksstark darzustellen, so mein Eindruck.

Bewertung vom 09.04.2017
Sloan, Robin

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra


weniger gut

Der Versuch einer Liebeserklärung an die Welt der Bücher

Clay Jannon, ehemals Webdesigner, bewirbt sich auf eine Stellenanzeige in der Buchhandlung des Mr. Penumbra. Die Buchhandlung befindet sich in San Francisco und hat rund um die Uhr geöffnet. Jannon bekommt den Job und übernimmt die Nachtschicht. Er lebt in einer Wohngemeinschaft in San Francisco.

Die Buchhandlung ist insofern seltsam als sie aus einem normalen Sortiment besteht für den üblichen Verkauf und aus einem eher geheimen nicht inventarisierten Sortiment, auf welches Mitglieder eines Geheimbundes Zugriff haben. Diese tauschen vorwiegend nachts Bücher mit kryptischem Inhalt aus.

Obwohl Mr. Penumbra es verboten hat, beschäftigt sich Jannon mit den geheimen, scheinbar verschlüsselten Werken. Zusammen mit seinen Freunden und unter Zuhilfenahme großer Rechnerkapazitäten international bekannter Onlinedienste kommt Jannon diesem Rätsel auf die Spur. Damit ist ein Tor geöffnet zu einem uralten Geheimbund.

Das besondere an dem Buch ist die Mischung aus moderner digitaler Computertechnik und verstaubten alten Buchhandlungen und Bibliotheken. Auffallend sind die wiederholt auftretenden realen Namen insbesondere bekannter Internetfirmen. Hier entsteht der Eindruck, dass das Buch entsprechend gesponsert wurde.

Bei dem Stichwort Verschlüsselung kommt einem direkt das Buch Diabolus von Dan Brown in den Sinn. Von der präzisen Recherche eines Dan Brown ist das vorliegende Buch weit entfernt. Die Ausführungen zur Technik wirken eher unausgereift und wenig tiefgehend. Hinsichtlich der Spannung kann Autor Sloan nicht mit Brown mithalten.

Auch vermisse ich in diesem Buch die Atmosphäre und die Magie, die ein Carlos Ruiz Zafón mit seinem „Friedhof der vergessenen Bücher“ zu vermitteln in der Lage ist. Es ist kein Buch, welches verzaubert, obwohl der Plot das hergeben müsste. Die Charaktere wirken farblos, die Geschichte arg konstruiert.

Insofern frage ich mich, wie das Prädikat Bestseller zustande kommt. Es mangelt an einer überzeugenden Darstellung der Technik und da, wo es im Zusammenhang mit einem Geheimbund richtig spannend werden könnte, verflacht die Geschichte. Die Erwartungen, die zu Beginn der Geschichte geweckt werden, werden nicht erfüllt.

Bewertung vom 09.04.2017
Sloan, Robin

Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (eBook, ePUB)


gut

Der junge Mr. Penumbra und seine Abenteuer in der Welt der Bücher

Wer sich für die Vorgeschichte von Ajax Penumbra interessiert, ist mit dieser Novelle gut bedient. Mr. Penumbra ist 1969 in San Francisco im Auftrag der Bibliothek des Galvanic College (Illinois) auf der Suche nach einem sehr alten Buch. Er findet eine Buchhandlung und lernt dort Mr. Corvina und Mo kennen. Sie helfen ihm bei der schwierigen Recherche.

Die Suche scheint ausweglos und entpuppt sich als großes Abenteuer. Hier beweist der Autor viel Fantasie. Zufallszahlen und Codierungen, aber auch ein altes Schiff, spielen eine Rolle. Die Anfänge der digitalen Computerwelt kommen als Kontrast zur Welt der verstaubten Bücher ins Spiel. Und Mr. Penumbra findet eine Stelle in (s)einer Buchhandlung.

Während die Suche nach dem Buch ausführlich beschrieben wird, kommen die anderen Themen zu kurz. Hier werden vermutlich bewusst Akzente gesetzt, die erst in „Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra“ weiter ausgeführt werden. Das gilt insbesondere für die Codierungen und die Verbindung zur Computerwelt.

Ich vermisse in der Geschichte die Atmosphäre und die Magie, wie sie ein Carlos Ruiz Zafón in seinen Büchern über den „Friedhof der vergessenen Bücher“ zelebriert. Es mangelt an plastischen Beschreibungen und markanten Charakteren. Vielleicht ist die Geschichte dafür auch zu kurz. Als Ergänzung zu „Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra“ ist dieses Werk zu empfehlen.

Bewertung vom 06.04.2017
Förster, Jens

Der kleine Krisenkiller


ausgezeichnet

Die Entscheidung liegt bei Dir!*

Psychologe Jens Förster zeigt Wege auf, die man gehen kann, nicht gehen muss. Er selbst beschreibt sich eher als Begleiter und weniger als Therapeut. Menschen sind freiheitsliebend und sollen es auch bleiben. „Wir kräftigen den Menschen durch ihn selbst ...“ (15) Der Autor benötigt dafür kein „Chaka Chaka“, kein „Omm“ und keine Rat“schläge“.

Dabei beweist Förster Humor, wenn es um die Frage geht, was zu tun ist, wenn man z.B. ins Wohnzimmer kommt und dort einen Bienenschwarm am Kronleuchter entdeckt. (13) Stress führt zu einem Tunnelblick und damit zu Unflexibilität. Mit einem Wasserschlauch lassen sich die Bienen vertreiben. Ist das auch eine sinnvolle Lösung?

Der Autor möchte nach eigenem Verständnis Türen zeigen, durch die man gehen kann. In zwölf Kapiteln erläutert er, was sich hinter diesen Türen verbirgt. Es geht um Themen wie Sport, Natur erleben, Gemeinschaft, Achtsamkeit, Hobbys, Musik und Kunst, um Beispiele zu benennen. Dabei fließen seine persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse ein.

Der Autor wirkt authentisch, verhält sich nicht aufdringlich und nicht belehrend. Das Buch ist angenehm zu lesen, ausdrucksstark und kommt ohne die Beschreibungen großer Theorien und genialer Geister aus. Prägend für den Autor ist die ergebnisoffene Herangehensweise an die Themen.

* In Anlehnung an das gleichnamige Buch des Managementberaters Reinhard Sprenger, der in seinem Buch aus einer anderen Perspektive als Jens Förster, aber mit dem selben Ziel, die aktive Rolle des Menschen selbst betont.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.04.2017
Beine, Karl H.;Turczynski, Jeanne

Tatort Krankenhaus


gut

Wirtschaftsunternehmen Krankenhaus

Mit diesem Buch tue ich mich schwer. Auf der einen Seite meine ich, dass brisante Themen nicht unter den Tisch gekehrt werden sollen, auf der anderen Seite frage ich mich, wie aussagekräftig eine Studie ist, die auf Befragungen beruht. Ist in einem solchen Fall die Aufklärung höher zu gewichten, als die damit verursachte Verunsicherung? Das Buch ist auf dem Markt und man darf es nicht ignorieren.

„Es geht nicht mehr um den Patienten, sondern es geht um abrechenbare Leistungen und um Geld.“ … „Dementsprechend wird gemacht, was Geld bringt, nicht, was medizinisch sinnvoll ist.“ (16) Wenn Krankenhäuser als Wirtschaftsunternehmen geführt werden, darf man sich nicht wundern, wenn der Patient auf der Strecke bleibt. Zuwendung, Gespräche und intensive Betreuung des Patienten werden nicht separat vergütet und daher reduziert; vergütet wird Gerätemedizin, Gewinne werden durch Massenabfertigung generiert. Das führt im Ergebnis zu unzufriedenen Patienten und überlasteten Pflegekräften und Ärzten. In Stresssituationen erfolgt die Behandlung weniger rücksichtsvoll, passieren Fehler und der Umgangston wird rauer.

Führt das auch dazu, dass Gewalt angewendet wird und im Extremfall Menschen getötet werden? Die Autoren berufen sich auf eine (nicht repräsentative) Studie der Universität Witten-Herdecke. Danach gibt es Gründe für die These, dass es eine hohe Dunkelziffer von Tötungsdelikten in Krankenhäusern und Heimen gibt. Die Studie beruht auf einer Befragung. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den oben beschriebenen Mängeln und einer hohen Anzahl von Tötungsdelikten wird konstruiert, ist aber nicht belegt.

Belegt sind die Machenschaften mehrerer verurteilter Einzeltäter, die zumeist Serientäter waren. Aus den Profilen dieser Täter geht hervor, dass sie psychisch auffällig waren. Auffallend ist nicht nur, dass die Taten lange Zeit unentdeckt blieben, sondern auch, dass Verdachtsmomenten nicht nachgegangen wurde. So kann der Eindruck entstehen, dass Mitarbeiter eines Systems Täter decken. Könnte es nicht auch sein, dass solche Taten einfach außerhalb der Vorstellungskraft des Pflegepersonals liegen und Anzeichen deshalb übersehen werden?

Wenn es Tötungsdelikte in Krankenhäusern und Heimen gibt, sind das Fälle für die Staatsanwaltschaft. Eine Studie wie die oben beschriebene sollte für die notwendige Sensibilisierung sorgen, bei Zweifelsfällen in alle Richtungen zu ermitteln.

Die Autoren gehen von Systemfehlern als Ursache aus und machen Vorschläge, was sich aus ihrer Sicht ändern müsste. Es sind die üblichen Verdächtigen: Verbesserung der Ausbildung, Konfliktmanagement, Transparenz, bessere Kontrolle, Klasse statt Masse, um nur Beispiele zu nennen. Alle Lösungen kosten Geld. Wie Verbesserungen kostenneutral erreicht werden können, wird eher am Rande angesprochen.

Als positives Beispiel für die Gesundheitsversorgung wird Schweden genannt. Das hätte weiter ausgeführt werden können. Wie ist die Kostenentwicklung in Schweden? Sind die Schweden mit ihrem System zufrieden? Sind Gesundheitsberufe beliebte Berufe oder wandern Ärzte ab, weil der Verdienst anderswo besser ist? Gibt es vergleichbare Taten auch in schwedischen Krankenhäusern und Heimen?

Die Studie legt nahe, dass es eine hohe Dunkelziffer an nicht aufgeklärten Tötungsdelikten gibt. Über das wahre Ausmaß kann aber nur spekuliert werden. Jeder Fall von Gewalt ist einer zu viel und einer modernen Industrienation unwürdig. Es besteht daher Aufklärungsbedarf im Interesse der Patienten und Pflegekräfte und insbesondere die Gesundheitspolitik muss hinterfragt werden. Wenngleich die Studie hinsichtlich ihrer Aussagekraft einer kritischen Würdigung unterzogen werden muss, sollten die Alarmglocken bei diesem Thema läuten.

Bewertung vom 02.04.2017
Ruiz Zafón, Carlos

Der dunkle Wächter


gut

Eine Schauergeschichte

Von den Erstlingswerken ist dies nach „Der Fürst des Nebels“ und „Der Mitternachtspalast“ der dritte Roman von Carlos Ruiz Zafón. Es handelt sich um einen Schauerroman mit magischen Elementen. Im Vergleich zu „Der Schatten des Windes“ ist dies wirklich ein Jugendbuch. Die Magie wirkt, im Vergleich zu „Der Schatten des Windes“, flach und direkt. Der Roman ist spannend, verzaubert die Leser aber nicht. Bekanntermaßen sind die drei Erstlingswerke erst auf dem deutschsprachigen Büchermarkt erschienen, nachdem Zafón bekannt geworden war. Ich konnte mich in diesen Roman nicht so vertiefen, wie in Zafón spätere Werke. Interessanterweise taucht der Name „Andreas Corelli“ auf (139) und bei der Geschichte mit dem Schatten (142) musste ich an Schlemihl denken, den Mann, der seinen Schatten verkauft hat, eine lesenswerte Novelle nach Adelbert Chamisso.

Bewertung vom 28.03.2017
Seethaler, Robert

Ein ganzes Leben


sehr gut

Geschichte eines Lebens - Geschichte des Lebens

"Wo wollen Sie denn eigentlich genau hin?", fragte der Mann. … "Ich weiß es nicht", sagte er [Andreas Egger] und schüttelte langsam und immer wieder den Kopf. "Ich weiß es einfach nicht." (182/183)

Autor Robert Seethaler verrät im Klappentext viel über die Handlung, insbesondere nennt er wichtige Abschnitte im Leben des Bergbauern Andreas Egger. Daher kann der Fokus des Buches nicht auf dem "was" liegen, sondern eher auf dem "wie". Es geht um eine Gesamtschau auf ein hartes entbehrungsreiches, aber letztlich glückliches Leben.

Die Beschreibungen des rauen Lebens in den Bergen erinnern an "Schlafes Bruder" von Robert Schneider. Es handelt sich um eine Erzählung aus der Perspektive eines neutralen Erzählers mit wenig wörtlicher Rede. Die Geschichte ist nicht streng chronologisch aufgebaut, sondern angereichert mit Retrospektiven und Prospektiven.

Wir wissen nicht, wo wir herkommen, wir wissen nicht, wo wir hingehen und dazwischen liegt ein Leben, welches uns manchmal in Staunen versetzt, manchmal verwirrt, welches wir aber schicksalhaft mit all seinen emotionalen Momenten annehmen. In Eggers Leben spiegelt sich diese Ur-Philosophie des Seins wider.

Bewertung vom 23.03.2017
Herzog, Lisa

Freiheit gehört nicht nur den Reichen


sehr gut

Liberalismus mit sozialer Komponente

Lisa Herzog versucht „Liberalismus wieder so zu verstehen, dass er sich an der Idee eines freien [selbstbestimmten] Lebens orientiert und diese als Grundlage der Politik sieht.“ (8) Insofern geht es um die Fragen, wie ein zeitgemäßer Liberalismus definiert wird und was das für die wirtschaftliche Ordnung einer Gesellschaft bedeuten kann. Basis für die Überlegungen ist ein realistisches Menschenbild und nicht der „Homo oeconomicus“. Autorin Herzog, selbst studierte Ökonomin, schreibt aus der Perspektive einer Philosophin.

„Wesentlich ist jedoch, dass die Freiheit aller Individuen als grundsätzlich gleichberechtigt in Betracht gezogen wird.“ (15) Dabei ist Freiheit nicht gleichzusetzen mit freiem Markt. Spätestens die Bankenkrise 2008 hat deutlich gemacht, dass der Staat eingreifen muss, um den Zusammenbruch der Wirtschaft zu verhindern. Märkte müssen so gestaltet werden, dass sie die Freiheit aller Mitglieder der Gesellschaft unterstützen.

Der Mensch entspricht nicht dem Bild des klassischen Liberalismus. Die Autorin gibt einen Überblick über die Thesen großer Denker wie John Locke, Thomas Hobbes, Adam Smith, Karl Marx und Albert Hirschman, um nur Beispiele zu nennen, und stellt diese gegenüber. Freiheit erfordert, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die diese beschränken. Der Mensch muss die Fähigkeit zu einem selbstbestimmten Leben erst entwickeln.

Liberalismus erfordert auf der einen Seite Handlungsfreiräume für die Entwicklung eigener Vorstellungen und auf der anderen Seite Ressourcen für die Realisierung eines selbstbestimmten Lebens. Eine Begrenzung des Liberalismus erfolgt durch die Frage nach Gerechtigkeit. Ressourcen sind nicht gleich verteilt und manchmal spielt der Faktor Glück eine große Rolle. Insofern ist es nicht nachvollziehbar, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden.

Der Weg durch die Geschichte lehrt, dass die heutigen Strukturen wesentlich komplexer sind, als vor Jahrhunderten. Auch ist heute deutlicher als je zuvor klar geworden, dass die Ressourcen der Erde begrenzt sind. Zudem ist der Mensch ein soziales Wesen und sucht den Sinn in seiner Tätigkeit. Insofern geht es in der heutigen Gesellschaft nicht nur um das reine Geldverdienen. Die Arbeitsbedingungen müssen stimmen.

Die Autorin stellt Gewinnmaximierung um jeden Preis infrage. Dem Liberalismus sind Grenzen gesetzt und zwar im Interesse der gesamten Gesellschaft. Statt eines Wettbewerbs nach den billigsten Produkten sollte ein Wettbewerb nach den fairsten Lebens- und Arbeitsbedingungen stattfinden. Liberalismus, Wirtschaft und Freiheit aus der Perspektive einer Philosophin betrachtet, führt zu einer anderen Gewichtung. Die soziale Komponente rückt in den Fokus. Ob es sich um ein rein theoretisches Plädoyer handelt, was leider zu befürchten ist, wird die Zukunft zeigen.