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Aischa

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Insgesamt 575 Bewertungen
Bewertung vom 10.10.2019
Turton, Stuart

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle


sehr gut

Es klang nach einer gleichermaßen originellen wie verrückten Idee: Klappentext und Leseprobe versprachen eine Melange aus klassischem "Whodunit" à la Agatha Christie und einer Zeitschleife wie im Film "Und täglich grüßt das Murmeltier".

Meine Erwartungen waren folglich hoch und wurden auch über die Hälfte des Romans hinweg erfüllt. Die Geschichte ist erfrischend anders, eine extrem hohe Dichte an Twists fordert den Leser zwar enorm, lässt aber auch keine Langeweile aufkommen. Kaum meint man, einem möglichen Täter auf die Schliche gekommen zu sein, schon stellt sich wieder alles völlig anders dar, man ist verwirrt, fasziniert, möchte unbedingt weiterlesen und die Auflösung erfahren.

Um sich inmitten der Vielzahl an handelnden Personen und auch in dem und um das herrschaftliche/n Anwesen zurechtzufinden, das den Ort des Verbrechens darstellt, gibt es zum einen eine Liste der wichtigsten Akteure, nett verpackt in Form einer Einladung zum Ball der Herrschaften. Zum anderen findet sich auf Vor- und Nachsatz ein Grundriss des Hauses samt Umgebungsplan, leider mit einigen Fehlern.

Die große Stärke dieses Krimis liegt für mich eindeutig im innovativen Ansatz, er ist in vielerlei Hinsicht völlig anders, als alles, was ich bislang in diesem Genre gelesen habe. Leider schießt der Autor jedoch etwas über das Ziel hinaus, und so gelingt die Auflösung letztlich nur durch einen Genrewechsel, der mich etwas enttäuscht hat. Ich will nicht zu viel verraten, aber ein reiner Krimi liegt hier in meinen Augen nicht vor.

Auch die überaus zahlreichen Wendungen und Perspektivwechsel sind in meinen Augen etwas zu viel des Guten - irgendwann verliert man völlig den Überblick und dies schmälert den Lesegenuss dann doch.

Dennoch: Frischer Wind in der Krimilandschaft, lesenswert!

Bewertung vom 10.10.2019
Metzenthin, Melanie

Als wir zu träumen wagten / Die Hafenschwester Bd.1


sehr gut

Historienromane gehören zu meinen Lieblingsgenres, und auch der - für mich erste - vorliegende Roman von Melanie Metzenthin hat mich sehr gut unterhalten.

"Die Hafenschwester - Als wir zu träumen wagten" ist der Auftakt zu einer Trilogie rund um das Hamburger Leben zur Kaiserzeit. Protagonistin Martha stammt aus einer verarmten Arbeiterfamilie und muss bereits früh erleben, dass das Leben für Ihresgleichen nur sehr beschränkte Möglichkeiten bietet. Durch den frühen Cholera-Tod der Mutter ist sie bereits als Teenager gezwungen, für Vater und Bruder zu sorgen und ergreift die Chance, sich zur Krankenschwester ausbilden zu lassen. Sie erlebt die Ausbeutung der Hafenarbeiter, zweierlei moralische Maßstäbe für Männer und Frauen und engagiert sich schließlich politisch.

Die Autorin hat fundiert recherchiert, leistet sich jedoch die ein oder andere "künstlerische Freiheit" abseits der harten Fakten zugunsten eines stimmigen Plots, was durchaus verzeihlich ist, zumal sie dies im Nachwort erläutert.

Die Geschichte ist durchweg spannend und unterhaltsam. Metzenthin, die als Fachärztin für Psychiatrie arbeitet, gibt anschauliche medizinhistorische Einblicke, fachlich fundiert und dennoch für medizinische Laien gut verständlich.

Lediglich einige Fachausdrücke den Hafen und die dortigen Arbeiten betreffend musste ich nachschlagen, hier wäre ein Glossar schön gewesen. Die Charaktere sind überwiegend gut ausgearbeitet und glaubhaft, manche Szenen sind für meinen Geschmack etwas zu nah am Kitsch. Etwa wenn der unglücklich verliebte Kindsvater seine Angebetete an eine Zweckehe verliert, ihr aber reinen Herzens "Ich hoffe, sie findet, was sie sich wünscht" auf den Weg gibt.

Dennoch ein lesenswerter Roman, der Lust auf die Fortsetzung macht.

Bewertung vom 07.10.2019
Owens, Delia

Der Gesang der Flusskrebse


ausgezeichnet

Mit 69 Jahren veröffentlichte Zoologin Delia Owens ihren Debütroman, und ich kann nur sagen: Chapeau!

Die Geschichte stellt eine ungewöhnliche Mischung aus Coming of Age, Krimi, Liebesgeschichte und Nature Writing dar. Und genauso ungewöhnlich ist die Sprache. Owens erzählt auf ganz eigene Weise, dies ist kein Roman, den man Mal so schnell nebenbei liest. Nein, dieses Buch erfordert ganze Konzentration. Der Leser, der sich darauf einlässt, wird reichlich belohnt. Die Autorin schreibt wunderbar atmosphärisch - ein Begriff der oft leichtfertig benutzt wird, hier hat er seine Berechtigung!

Protagonistin Kya wächst allein im Marschland von North Carolina auf, und den detaillierten Beschreibungen von Flora und Fauna merkt man das biologische Fachwissen der Autorin an. Dabei bleibt die Sprache ungewöhnlich zart, behutsam und dennoch eindringlich.

Aber Owens kann mehr als Landschaftsbeschreibungen: Auch die Charaktere sind hervorragend gelungen, vielschichtig, ungewöhnlich und dennoch glaubwürdig. Auch der Kriminalfall, der in die Geschichte eingebettet ist, braucht keinen Vergleich mit renommierten Autoren zu scheuen: ein guter Spannungsbogen, eine Gerichtsverhandlung, bei der ich förmlich den Atem angehalten habe, und ein überraschender Twist am Ende haben mich aufs Beste unterhalten.

Ein schönes Detail stellt eine Karte mit der Küstenregion dar, in der die Handlung spielt.

Zu guter Letzt möchte ich die hervorragende Übersetzung durch Ulrike Wasel und Klaus Timmermann erwähnen, vielen Dank!

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.10.2019
Klemm, Gertraud

Hippocampus


ausgezeichnet

Ganz ehrlich: Wäre dieser Roman nicht in meinem Lieblingsverlag "Kremayr & Scheriau" erschienen, dann hätte ich ihn vermutlich nicht gelesen. Denn der Klappentext kündigt "einen Kreuzzug gegen Bigotterie und Sexismus" an, vor dem Hintergrund einer deutschsprachigen Literaturbranche, für die Gleichberechtigung immer noch ein Fremdwort ist. Nun verstehe ich mich selbst zwar durchaus als Feministin, der Literaturbetrieb interessiert mich jedoch - mit Ausnahme seiner Produkte - ehrlich gesagt eher wenig, und zeitgenössische feministische Literatur ist mir oft zu hasserfüllt und humorlos.

Nicht so bei Gertrud Klemm! Sie zaubert einen unfassbar schrägen Roadtrip aus ihrer Feder, skurrille Protagonisten à la "Harold und Maude" und ein Plot, der witzig, spannend - ach was: einfach grandios originell ist. (Samt Überraschung im vorletzten Satz des Anhangs!)

Die Sprache wimmelt nur so von bissigen Formulierungen, die auf den Punkt sind, ich habe mich köstlich amüsiert. So etwa, wenn der Sex mit der Campingplatz-Bekanntschaft beschrieben wird: "Akrobatisch war da gestern nichts. Im Gegenteil. Es war sogar ein bisschen geriatrisch." Den ein oder anderen österreichischen Ausdruck musste ich recherchieren, aber die lokale Sprachfärbung ist den Aufwand in jedem Fall wert.

Inhaltlich demontiert Klemm den Filz im Literaturbetrieb, zeigt die Bigotterie der katholischen Kirche zeigt auf, dass wir noch einen weiten Weg bis zu wirklicher Gleichberechtigung vor uns haben. Dies alles gelingt auf extrem unterhaltsame Art.

Mein erstes, aber definitiv nicht mein letztes Buch von Gertrud Klemm! Und der Verlag hat - wieder Mal - sein gutes Gespür für hervorragende zeitgenössische Literatur bewiesen, vielen Dank!

Bewertung vom 19.09.2019
Cantor, Jillian

Das Mädchen mit dem Edelweiß


ausgezeichnet

Jillian Cantor ist ein fesselnder, berührender Roman über Familie gelungen und darüber, ob es (nur) die eine große Liebe im Leben gibt.
Die Geschichte spielt in zwei Ländern, den USA und Österreich, und in zwei Zeitebenen, in der Gegenwart und zur Zeit der NS-Diktatur.
Eigentlich zählen Liebesromane nicht zu meinen Lieblingsgenres - zu oft finde ich deren Plots zu unglaubwürdig, die Charaktere zu einseitig und die Liebesszenen zu kitschig. Doch "Das Mädchen mit dem Edelweiß" ist hierzu in jeder Hinsicht das Gegenteil und hat mich von der ersten bis zur letzten Seite in seinen Bann gezogen. Vielleicht auch deshalb, weil die Story auf wahren historischen Begebenheiten beruht und die Autorin auch ihre persönliche Erfahrung mit ihrer Großmutter verarbeitet hat. Herausgekommen ist eine hervorragend gelungene Kombination aus Liebesgeschichte und Historienroman.
Die Lektüre ist unterhaltsam, spannend und macht dankbar dafür, dass wir in einer friedlichen Demokratie leben dürfen. Unbedingte Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 19.09.2019
Eden, Caroline

Schwarzes Meer


sehr gut

Es ist ein ungewöhnliches Buch, das Journalistin Caroline Eden verfasst hat. "Schwarzes Meer" ist eine gelungene Melange aus Reisereportage und Kochbuch mit viel Lokalkolorit.
Man merkt Eden ihr Interesse an Menschen und Geschichte an, sie erzählt von schrulligen Gastgebern und frenetischen Fußballfans, denen sie auf ihrer Reise rund ums Schwarze Meer begegnet. Sie lässt die Historie der bereisten Städte durch Anekdoten über Schriftsteller oder anhand bekannter literarischer Zitate auferstehen.
Eine weitere Art, sich den Kulturen der Anrainerstaaten zu nähern, ist die kulinarische: 58 Rezepte erlauben es dem Leser, sich beim Nachkochen und -backen ein wenig bulgarisches, ukrainisches oder türkisches Flair in die eigene Küche zu holen. Die Rezepte sind durch für deutsche Leser ungewohnte Zutaten oder Kombinationen raffiniert, und doch größtenteils einfach zuzubereiten.
Ein besonderes Highlight stellen die zahlreichen Farbfotografien dar, die ein feines Gespür der Autorin für Land und Leute zeigen. Überhaupt ist das Buch ein Schmuckstück, das erkennen lässt, dass der Verlag hier mit viel Liebe zum Detail gearbeitet hat: Der schwarze Schnitt und die glänzenden Elemente des Hardcovers geben der Ausgabe einen edlen Anstrich, die geografische Karte der Schwarzmeerregion auf Vor- und Nachsatz ist nicht nur hilfreich, um die beschriebenen Orte aufzufinden, sondern durch die kreative grafische Gestaltung geradezu ein Kunstwerk.
Lediglich zwei kleine Kritikpunkte habe ich: Wenn man beim Nachkochen von Rezepten umblättern muss, finde ich das etwas unpraktisch, hier hätte man besser darauf achten können, ein Rezept auf je einer Doppelseite unterzubringen. Und das Register ist ein wenig knapp gehalten; zusätzlich zur alphabetischen Anordnung hätte ich mir für die Rezepte eine Sortierung nach Vorspeise, Suppe, Hauptgericht, Desser etc. gewünscht.

Bewertung vom 24.07.2019
Ludwig, Mario

Tierische Jobs


sehr gut

Biologe Mario Ludwig präsentiert eine äußerst unterhaltsame Sammlung "tierischer Mitarbeiter".
In kurzen abgeschlossenen Geschichten erzählt er von Tieren, die - mal im eigentlichen, mal auch nur im weitesten Sinn - dem Menschen zu Diensten sind. Nicht alles ist neu, vom Fisch-Spa zur Fußpflege oder der Spanischen Fliege als Aphrodisiakum haben wohl die meisten schon mal gehört. Aber Ludwig überrascht auch mit relativ unbekannten tierischen Jobs. Oder haben Sie schon davon gehört, dass man durch das Lecken an Exemplaren einer bestimmten Krötenart gegen das Betäubungsmittelgesetzt verstoßen (und high werden) kann? Wussten Sie, dass Tauben auf histologischen Präparaten Tumorgewebe erkennen können, und dies wesentlich schneller als entsprechende Fachmediziner? Oder dass die französische Luftwaffe Adler als Drohnenjäger einsetzt?
Der Autor beschreibt die tierischen Fähigkeiten nicht nur, sondern hinterfragt die Nutzung durch den Menschen auch, etwa bei der Delfintherapie für behinderte Kinder, deren Nutzen bislang nicht fundiert belegt werden konnte. Auch fehlt ein Ausblick in die nahe Zukunft nicht, wenn er spekuliert, ob es bald Cyborgs als tierisch-technische Spionagehybride geben mag.
Das Buch ist populärwissenschaftlich und auch für den biologischen Laien sehr verständlich geschrieben, es hat mich bestens unterhalten. Ein Auge zugedrückt habe ich bei "tierischen Jobs", für die das Tier das Leben lassen muss, dies finde ich nicht ganz passend für die Überschrift.
Die Ausstattung ist sehr gut, das Hardcover ist handlich genug, um auch als Lektüre für unterwegs dienen zu können. Hübsche schwarz-weiß-Zeichnungen des betreffenden Tieres illustrieren den Beginn jedes Kapitels.
Im Anhang findet sich ein ausführliches Literaturverzeichnis, jedoch sind im Fließtext keine Quellenangaben vorhanden. Wer ein Thema vertiefen möchte, muss daher leider selbst recherchieren, falls er nicht die gesamte Literaturliste abarbeiten möchte. Hier wäre eine Unterteilung der Quellen nach Kapiteln meines Erachtens sinnvoller gewesen.
Davon abgesehen ist es ein rundum gelungenes, kurzweiliges und informatives Buch.

Bewertung vom 13.07.2019
Fuchs, Katharina

Zwei Handvoll Leben


ausgezeichnet

Ganz ehrlich: Ich muss aufpassen, bei dieser Rezension nicht zu sehr ins Schwärmen zu geraten. Denn Rechtsanwältin Katharina Fuchs hat mich mit der Lebensgeschichte ihrer beiden Großmütter völlig in ihren Bann gezogen.
Auf den knapp 550 Seiten findet sich alles, was ich von einem historischen Roman erwarte: Fundiert recherchierte geschichtliche Fakten, eingebettet in eine glaubwürdige, fesselnde Handlung. Die Charaktere überzeugen durchweg, sind sie doch facettenreich und realistisch dargestellt.
Auch die Entwicklung der beiden Protagonistinnen von jungen, verliebten Mädchen zu verantwortungsvollen Frauen, die ihr Schicksal auch während der Gräuel der Nazi-Diktatur meistern, erzählt Fuchs glaubwürdig.
Eine besondere Stärke des Romans ist die Darstellung der Entwicklung des sogenannten Dritten Reichs unter der Führung Hitlers. Die Autorin schildert, wie Ressentiments gegen Juden schließlich in unverhohlenen Rassismus münden, wie Mütter machtlos ansehen müssen, wie ihre Kinder durch Schule und Hitlerjugend falsche Werte übernehmen oder auch welch unterschiedliche Überlebensstrategien die Menschen im Krieg entwickelten.
Besonders erwähnenswert ist dabei, dass das Buch trotz aller Schicksalsschläge einen gewissen Grundoptimismus wahrt. Die Protagonistinnen müssen mit Enttäuschungen, Armut und Tod fertig werden, aber sie zerbrechen nicht an den Herausforderungen, die das Leben ihnen stellt, sondern gehen gestärkt daraus hervor.
Der Autorin ist ein großartiges Stück Zeitgeschichte gelungen, einfach wundervoll, wie sie die Leser am Leben ihrer Großmütter teilhaben lässt!

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.07.2019
Müchler, Günter

Napoleon


sehr gut

Pünktlich zum 250. Geburtstag des weltberühmten Korsen legt Günther Müchler seine Napoleon-Biografie vor.
Der Autor ist Historiker und Politologe und hat als Journalist gelernt, mit Sprache zu fesseln.
Geschichte zählte bislang nicht gerade zu meinen großen Interessen, ich wollte mit dieser Biografie denn auch eher Wissenslücken füllen. Umso mehr schätzte ich es, dass Müchler gleichzeitig informativ wie auch unterhaltsam zu schreiben vermag. Der Stil ist für ein Sachbuch oft sehr bildhaft, Müchler interpretiert viel, spekuliert jedoch selten. Bereits die Überschriften der großen Abschnitte, in die er sein Werk unterteilt hat, versprechen Spannung: Suche - Gestaltung - Improvisationen - Lähmung - Absturz -Nachhall.
Und ich wurde nicht enttäuscht. Besonders gefällt mir, dass zwar den geschichtlichen Daten, den Schlachten und politischen Schachzügen viel Raum gegeben wird, aber gleichzeitig ein umfassendes Psychogramm Napoleons entsteht. In diesem Buch geht es nicht nur um den Feldherrn, sondern immer auch um den Menschen Napoleon Bonaparte, seine Charakterzüge, sein Begehren, seine Ängste.
Die Gestaltung ist sehr gut, zwei historische Karten, zahlreiche schwarz-weiß-Fotografien bzw. Zeichnungen veranschaulichen den Text, und ein Lesebändchen ist ein willkommenes Detail.
Zwei kleine Kritikpunkte habe ich dennoch: Erstens hätte ich mir eine Zeittafel im Anhang gewünscht, anhand derer ich wichtige Ereignisse leichter einordnen hätte können. Und zweitens ist leider die Schriftgröße sehr klein gewählt, für mich als Brillenträgerin ist der Text dadurch recht anstrengend zu lesen.
Fazit: Sehr fesselnd, gut verständlich, umfangreich, gutes Preis-Leistungs-Verhältnis!