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Fornika
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Bewertungen

Insgesamt 402 Bewertungen
Bewertung vom 23.02.2015
Rachman, Tom

Aufstieg und Fall großer Mächte


sehr gut

Tooly Zylberberg ist Anfang 30 und führt ein recht beschauliches Leben. In einem kleinen walisischen Städtchen hat sie das Buchantiquariat World’s End aufgekauft und verbringt nun ihre Tage – mangels Kundschaft – damit, sich durch den Bestand zu lesen. Doch hinter dieser ruhigen Fassade verbirgt sich ein rastloser Geist mit einer wirklich unglaublichen Lebensgeschichte. Die Tooly jetzt einzuholen scheint…

In drei miteinander verwobenen Handlungssträngen, die im Abstand von jeweils circa elf Jahren spielen, erzählt Tom Rachman Toolys Lebensgeschichte. Für den Leser ergibt sich so das Gesamtbild des wahrhaft turbulenten, bunten und manchmal auch traurigen Lebens von Tooly. Diese ist eine grundsympathische Figur, man kann sich sehr gut in sie hineinversetzen, egal ob es ihr 10jähriges oder das 30jährige Ich ist. Obwohl sie schon überall auf dem Globus gelebt zu haben scheint, bleibt ihr Freundeskreis doch ziemlich konstant, sodass man auch diese – einige sofort, andere erst mit der Zeit – lieb gewinnt. Alle Figuren sind von Rachman sehr vielschichtig und komplex angelegt, so mancher Charakter weiß sein ganz persönliches Geheimnis lange zu bewahren und noch auf der letzten Seite zu überraschen. Gerade diese Figurenentwicklung ist auch eine der großen Stärken dieses Buches, denn es macht einfach Spaß diesen zuzusehen.

Im Gegensatz zur komplexen Handlung des Buches ist der Stil recht einfach gehalten, sodass sich das Buch ziemlich flüssig lesen lässt. Trotzdem hält man als Leser immer mal wieder inne, um die eine oder andere Nachricht zu verdauen, denn Rachman versteht es meisterhaft falsche Fährten zu legen und den Leser dann mit unerwarteten Wendungen zu überraschen. Kleine Cliffhanger tragen ebenfalls dazu bei, den Leser förmlich an die Seiten zu fesseln. Toolys Geschichte erzeugt einen regelrechten Sog, auch wenn manchmal das Tempo etwas gedrosselt und einfach nur vor sich hin erzählt wird.

Mir hat Aufstieg und Fall großer Mächte sehr gut gefallen, auch wenn am Ende ein wenig das Gefühl zurückbleibt, nicht alles erfahren zu haben.

Fazit: ein geschickt konzipierter, tiefgründiger Roman mit absolutem Wohlfühlcharakter.

Bewertung vom 23.02.2015
Meyer, Kai

Die Seiten der Welt Bd.1


sehr gut

Furia Salamandra Faerfax lebt mit Vater, Bruder und einigen Angestellten im englischen Hinterland. Klingt soweit ziemlich unspektakulär, wäre da nicht ihre besondere Begabung: Vater und Tochter sind Bibliomanten, das heißt sie können auf magische Weise die Macht der Bücher nutzen. Doch die Welt der Literatur ist in Gefahr. Sogenannte Leere Bücher sind auf der ganzen Welt verteilt worden. Diese Bücher können einen entsetzlichen Vorgang auslösen, die Entschreibung. Das Ende sämtlicher Literatur…

Kai Meyer hat eine magische Bücherwelt erschaffen, in die es sich ganz wunderbar eintauchen lässt. Sehr bild- und lebhafte Beschreibungen von Bibliotheken und Bücherregalen, von DER Stadt der Bücher Libropolis, von Buchstabenschwärmen und Schimmelrochen, lassen die gemeine Leseratte seelig versinken in dieser schönen Geschichte über die Liebe zu Büchern. Wird zu Beginn in gemächlichem Tempo auf die Welt der Bibliomantik und deren Besonderheiten eingegangen, wird das Tempo später zunehmend gesteigert und reißt einen förmlich mit. Ich hätte mir da manchmal etwas mehr Zeit gewünscht neben den ganzen actionreichen Szenen auch einfach die fantastische Atmosphäre zu genießen. Leider muss ich sagen, dass die Story doch manchmal etwas schwächelt, einige Handlungen und Überlegungen der Figuren waren für mich auch etwas unverständlich. Das mag am jugendlichen Alter der Figuren liegen, hätte aber trotzdem die eine oder andere Erklärung verdient. An sich sind die Charaktere recht gut gelungen, mancher hätte einfach noch etwas Feinschliff vertragen können.

Trotzdem ist „Die Seiten der Welt“ ein schönes Buch, das den Leser verzaubert. So mancher wird hinterher das beigelegte Lesezeichen mit auf den nächsten Londontrip nehmen wollen. Man weiß ja nie ; )

Bewertung vom 23.02.2015
Bazell, Josh

Einmal durch die Hölle und zurück / Pietro-Reihe Bd.2


weniger gut

Lionel Azimuth alias Peter Brown fristet sein Dasein als Schiffsarzt auf einem Kreuzfahrtdampfer. Da erhält er das verlockende Angebot Nachforschungen für einen Multimillionär anzustellen. Der möchte nämlich zu gerne wissen, ob an den Gerüchten über ein angebliches Seeungeheuer im White Lake etwas dran ist. Gemeinsam mit der sexy Paläontologin Violet macht er sich auf die Suche.

Ich weiß nicht, was hier passiert ist. Der Vorgänger „Schneller als der Tod“ überzeugte durch eine abstruse Geschichte, detaillierte und interessante (wenn auch manchmal eklige) medizinische Fakten, eine große Portion schwarzen Humor und sehr, sehr lustige Fußnoten. Davon ist in „Einmal durch die Hölle und zurück“ absolut nichts übrig geblieben. Ok fast nichts, denn die Hauptperson ist dieselbe. Hat aber inzwischen an Biss, Einstellung und Witz erheblich verloren, sodass abgesehen vom Namen keinerlei Ähnlichkeit besteht. Fußnoten gibt es immer noch, die sind aber teilweise so langweilig, dass man sie besser nicht liest. Ebenso wie die über 56 Seiten (!) z.T. sehr sinnlosen Anhangs. Sehr befremdlich ist auch die Tatsache, dass der Autor manchmal geradezu zwanghaft politische bzw. wissenschaftliche Theorien und eigene Ansichten einbringen will, die meist (ach sind wir ehrlich: eigentlich nie) in den Kontext passen oder die Story in irgendeiner Art bereichern. Positives gibt es nicht vieles aufzuführen, die Story liest sich recht flüssig, wer Spaß an Nessie-Expeditionen hat, dürfte auch auf seine Kosten kommen. Manchmal blitzt sogar ein bisschen vom alten Charme durch; der taucht aber noch schneller ab als das Seeungeheuer. Insgesamt ist das Buch für mich kein würdiger Nachfolger und ich hoffe (!) Bazell lässt die Finger von einem weiteren Band. Oder liest vorher noch mal den Erstling um wieder in die Spur zu kommen.

Fazit: kann man zur Not mal lesen. Als Fan des Vorgängers sollte man aber lieber nicht.

Bewertung vom 23.02.2015
Carol, James

Broken Dolls - Er tötet ihre Seelen / Jefferson Winter Bd.1


gut

3,5 Sterne
„Serientäter sind wie Unkraut. Wenn man einen fängt, nehmen gleich zehn neue seinen Platz ein.“ (S. 16)

Jefferson Winter weiß wovon er spricht. Als Sohn eines solchen Serienmörders hat er sich der Jagd nach ihnen verschrieben und reist nun als Profiler über den ganzen Globus. Der aktuelle Fall führt ihn ins winterliche London. Hier wurden über Monate junge Frauen verschleppt, längere Zeit gefangen gehalten und anschließend freigelassen. Nachdem durch eine Lobotomie ihr ganzes Selbst zerstört wurde und sie nicht viel mehr sind als willenlose Puppen...

„Broken Dolls“ ist der durchaus vielversprechende Auftakt zu einer Serie um den Ex-FBIler Jefferson Winter. Die Geschichte vereint eigentlich alles was man zu einem guten Thriller braucht: einen perfiden Verbrecher; bemitleidenswerte Opfer; einen intelligenten, gewitzten (und zufälligerweise attraktiven) Ermittler; ordentlich Zeitdruck; teils unerwartete Wendungen usw. Doch trotz oder sogar wegen dieser erprobten, erfolgversprechenden Mischung fehlte das gewisse Etwas, das Neue um mich völlig in den Bann zu ziehen. Ich traue Carol durchaus zu, dass er in den folgenden Bänden den ausgetretenen Pfad verlässt und dann aus der Masse herausstechen kann. Denn an sich ist seine Art zu erzählen recht ansprechend, flüssig zu lesen und auch meist ziemlich spannend.

Obwohl die Story größtenteils aus Jeffersons Sicht erzählt wird und man einiges über ihn erfährt, blieb mir diese Figur doch etwas fremd. Mir ist nicht ganz klar, warum Carol Jefferson einen Serienmördervater verpasst hat, denn abgesehen vom Prolog und ein, zwei gezwungen eingestreuten Bemerkungen ist es Carol nicht gelungen, die Auswirkungen, die dieser Hintergrund ja sicherlich auf Winter haben soll, realistisch darzustellen. Zudem ist mir die Intelligenz und Brillanz, mit der Carol Jefferson den Fall quasi blind und mehr oder weniger durch reines Nachdenken (ich rede hier nicht von Logik) mit einer gottgleichen Leichtigkeit lösen lässt, zu dick aufgetragen. Kein Mensch kann so viel Intuition und Glück haben wie sie dem Protagonisten angedichtet wird. Trotzdem hat Winter Potential und ich bin durchaus gewillt ihm noch eine Chance zu geben.

Fazit: Insgesamt ist Broken Dolls ein solider Thriller, der zu unterhalten weiß, auch wenn mir das letzte Etwas gefehlt hat und Carol manchmal zu dick aufträgt.

Bewertung vom 23.02.2015
Savage, Sam

Firmin


ausgezeichnet

„Ich liebe alle Geschichten. (…) Die einzige Literatur, die ich nicht ausstehen kann, ist Rattenliteratur einschließlich Mäuseliteratur. Ich verabscheue die gutmütige alte Ratty in Der Wind in den Weiden. Mickey Mouse und Stuart Little finde ich zum Kotzen.“ (S. 59)

Boston, 1960: im Keller des Buchladens „Pembroke Books“ erblickt die kleine Ratte Firmin das Licht der Welt. Die Rattenmutter entpuppt sich als alkoholabhängige Rabenmutter, der Rest des Wurfes ist größer und stärker als Firmin und so braucht er bald die Bücher sprichwörtlich zum Überleben; schließlich ist ein bisschen Papier durchaus nahrhaft. Doch bald lernt Firmin lesen und liest sich durch die Kleinen und Großen der Weltliteratur. Doch das bleibt nicht seine einzige Entdeckung, denn Firmin erkennt, dass er sich den Menschen wesentlich näher fühlt als den eigenen Artgenossen.

Sam Savage hat hier mit Sicherheit kein lustiges Kinderbuch über eine Leseratte geschrieben. Wer mit dieser Erwartungshaltung ans Buch herangeht, wird unweigerlich enttäuscht werden. Es ist vielmehr eine melancholische, nachdenkliche und auch traurige Gesellschaftsstudie über ein paar menschliche Existenzen, die dem drohenden Verfall ihres Lebens zu trotzen versuchen. Egal ob der Buchhandlungsbesitzer Norman oder der absolut unerfolgreiche Schriftsteller Jerry, bei dem Firmin im Rattenhotel Unterschlupf findet, Savage fängt ihre Probleme gut ein und lässt sie uns durch die schwarzen, blanken Augen von Firmin entdecken.

Savages Stil ist nicht immer einfach zu lesen, oft schweift er ab oder verheddert sich gerade gegen Ende des Buches auch mal in seiner Geschichte. Trotzdem gefällt mir seine Art zu erzählen sehr gut, der nüchterne, melancholische Ton passt einfach perfekt zu dem oft tragischen Inhalt. Trotzdem zaubert so manch tragisch-komisches Ereignis dem Leser ein Lächeln ins Gesicht z.B. versucht Firmin Gebärdensprache zu lernen um sich endlich mit seinen Mitmenschen unterhalten zu können. Doch leider kann er nur einen Satz sagen, nämlich „Auf Wiedersehen Reißverschluss“. Hilft bei der Mission Freundschaft mit dem Menschen leider nur bedingt weiter.

Fazit: Mir haben die Memoiren dieser bibliophilen Ratte gut gefallen, das Buch lebt sowohl von seiner Sprache als auch von den tragischen Existenzen.

Bewertung vom 23.02.2015
Ruiz Zafón, Carlos

Marina


gut

Óscar Drai ist Internatsschüler in Barcelona und liebt es alle Ecken der Stadt zu erkunden. Dabei trifft er auf das Mädchen Marina und schließt sofort Freundschaft mit ihr. Gemeinsam stoßen sie auf einen verwunschenen Friedhof, eine geheimnisvolle Dame in schwarz und immer wieder auf das Symbol eines schwarzen Schmetterlings.
Dieses Buch ist wirklich fulminant gestartet, hat einen ganz soliden Mittelteil und hat mich dann am Schluss durch eine hanebüchene, konstruierte „Auflösung“ regelrecht verärgert. Aber der Reihe nach.
Die Beschreibungen der Stadt sind wirklich hervorragend gelungen, man wandert mit den beiden Jugendlichen durch Barcelona und überlegt derweil schon mal, wann man wohl einen Trip dorthin in den Urlaubsplan quetschen könnte. Sehr detailreich schafft Zafón eine düstere, gruselige Atmosphäre, die dem Flair der Stadt trotzdem gerecht wird. Allgemein ist die Sprache in diesem Buch ganz wundervoll, märchenhaft und sanft. Das Buch liest sich oft wie eine Geschichte in einer Geschichte in einer Geschichte, z.B. erzählt Óscar, das xyz erzählt, dass abc damals gesagt hat usw. Beim ersten Mal fand ich das noch sehr schön gelöst, aber insgesamt kommt mir diese Schachtelmethode doch etwas zu oft vor und wirkt dann etwas bemüht. Die Lebensgeschichten der Personen werden nur langsam enthüllt und sind in den meisten Fällen etwas fantastisch angehaucht, auch das muss man mögen. So manches Geheimnis deckt der Autor erst am Schluss auf, obwohl man es als Leser doch schon sehr früh erraten kann. Da blieb dann bei mir der große Aha-Effekt aus. Das mag vielleicht daran liegen, dass Marina das Zwischenstück zwischen Zafóns Jugendbüchern und der Erwachsenenliteratur zu bilden scheint und somit doch noch eher auf jugendliches Publikum zugeschnitten wurde; manches wurde eben lieber überdeutlich dargestellt, damit es auch der letzte kapiert. Da wird lieber noch ein Gruselelement mehr draufgepackt, damit es auch wirklich gruselt, noch eine dramatische Entwicklung mehr etc. Insgesamt wäre mir ein etwas subtileres Vorgehen lieber gewesen.

Achtung Minispoiler
Absolut geärgert habe ich mich nicht nur über das Ende, sondern auch über den Arzt Dr. Shelley, dessen Figur ich nur als schlechten Witz auffassen kann. Shelley – Frankenstein – na, klingelts da beim einen oder anderen Leser? Falls das raffinierte unterschwellige Andeutung sein sollte ist die nicht sehr gelungen, Holzhammer trifft es eher.
Minispoiler Ende



Fazit: Insgesamt hat mich das Buch ganz gut unterhalten, aber wirklich begeistern konnte mich dieser laue Ausflug in die Grusel-Jugendbuchabteilung nicht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.02.2015
Jaklin, Asbjørn

Tödlicher Frost / Alexander Winther Bd.1


gut

Tromsø, 2009: der ehemalige Berufssoldat Alexander Winther ist inzwischen als Volontär bei der Zeitung gelandet. Er soll eine Reportage über einen brutalen Mord schreiben. In einem alten Kuhstall wurde ein Mann erhängt, beschwert mit einem Steinkreuz, das von einem prekären Ort stammt: dem Friedhof des Lager Botn. Eines der größten Arbeitslager der Nazis in Nordnorwegen.
Oslo, 1949: Reinhardt Stuckmann wird zu einer Konferenz des militärischen Abschirmdienstes Norwegen gerufen. Denn die Bedrohung durch Stalin ist für die Norweger groß, die Angst vor einer Invasion auch; Stuckmann hat aufgrund seiner Vergangenheit besondere Kenntnisse der Gegend und soll nun als Berater fungieren.
„Tödlicher Frost“ ist als Auftakt einer Serie gedacht und ein Krimi, der sich lange, lange Zeit lässt um in Fahrt zu kommen. Ich sage das wirklich selten über ein Buch, aber hier habe ich mich streckenweise tatsächlich gelangweilt. Jaklin lässt die Geschichte auf der Stelle treten, erzählt ausgiebig wie oft Winther auf der Toilette war oder welchen Wein er wo getrunken hat. Das mag als nähere Charakterisierung gedacht sein, war für mich aber total überflüssig. Winthers Charakter wird vor allem durch seine militärische Vergangenheit geprägt, er leidet noch heute unter Panikattacken. Das scheint auch der einzige Charakterzug zu sein, dem in Jaklin zugesteht, weder Winthers Liebesleben noch sein Verhalten bei einem Todesfall haben ihn mir irgendwie näher gebracht. Er bleibt einfach immer der Exsoldat und sonst eine ziemlich blutleere Figur. Die Hauptfigur des zweiten Handlungsstranges, Stuckmann, blieb mir ebenso fremd, denn dieser Strang ist nicht ganz so ausführlich wie der um Winther.
Der Erzählstil von Jaklin ist ziemlich distanziert und nüchtern; zwischenzeitlich scheint er immer mal wieder den roten Faden der Geschichte aus den Augen zu verlieren, sodass er ihn erst mühsam wiederfinden muss. So ganz rund ist die Story für mich nicht.
Auch wenn mich dieses Buch stellenweise gut unterhalten hat und ich einiges über Hitlers Blutstraße im Norden gelernt habe, konnte es mich doch nicht wirklich überzeugen. Eine Serie brauche ich definitiv nicht.

Bewertung vom 17.02.2015
Nesbø, Jo

Der Sohn


sehr gut

Der Polizistensohn Sonny Lofthus verliert nach dem Tod seines Vaters den Halt und sitzt nun bereits seit 12 Jahren wegen eines Doppelmordes im Hochsicherheitsgefängnis Staten. Der Heroinabhängige hat sich zum „Beichtvater“ der Insassen gemausert, sehr zum Missfallen des Gefängnispastors Per Vollan. Doch der hat noch ganz andere Probleme mit dem Gefängnisleiter Arild Franck… und wird bald darauf tot aufgefunden. Und Sonny? Hinter dessen Geschichte scheint sich doch viel mehr zu verstecken als man zunächst glauben mag. Ein Sumpf aus Korruption, Lügen und Machtspielchen.
Ich mag Nesbos Stil sehr gerne und er hat mich auch hier nicht enttäuscht. Mit diesem Buch hat er wieder einmal bewiesen, dass er auch ohne seine beliebte Figur Harry Hole sehr gute Krimiunterhaltung kann. Obwohl das Buch spannungsgeladen ist, darf man nicht immer eine atemlose Jagd durch die Seiten erwarten, hier geht es oft nordisch gemächlich zu. Trotzdem stockt einem zuweilen der Atem, wenn Nesbo ein Detail enthüllt, das der Handlung eine unerwartete Richtung verpasst, wenn wieder ein kleines Puzzleteilchen an seinen Platz fällt. Denn die Zusammenhänge sind wirklich vertrackt gestaltet, lange lässt einen der Autor über „gut“ und „böse“ nachgrübeln.
Mit der Figur des Sonny war ich nicht immer ganz glücklich, nicht alle seiner Handlungen waren für mich nachvollziehbar. Trotzdem ist er recht gut gelungen, ein Sympathieträger trotz oder gerade wegen seiner Schwächen. Auch die beiden Ermittler Simon Kefas und Kari Adel haben mir gut gefallen; der eine ein abgehalfterter Kommissar kurz vor der Pension, die andere eigentlich nur auf „Durchreise“ auf dem Weg zu einem lukrativen Posten abseits der Polizei.
Insgesamt hat mich also auch dieses Buch wieder überzeugt; spannende und intelligente Krimiunterhaltung. Lesen!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.02.2015
Callaghan, Tom

Blutiger Winter / Inspektor Akyl Borubaev Bd.1


ausgezeichnet

Bischtek, Kirgisistan, tiefster Winter: der frisch verwitwete Akyl Borubaew ist Inspektor bei der Mordkommission. Er ermittelt um den unfassbar grausamen Mord an einer jungen Frau aufzuklären. Diese wurde nicht nur brutal aufgeschlitzt, sondern ihr wurde zudem ein ungeborenes Kind in den Uterus gelegt. Doch in Kirgisistan mangelt es an allem und jedem und so werden die üblichen Ermittlungen durch mangelnde technische Ausrüstung erschwert; oder dadurch, dass Beweismaterial auf der Stelle „verschwindet“ um für ein paar Som verkauft zu werden; oder durch Akyls Vorgesetzte, die wie alle anderen auch genau wissen, dass man vor den Mächtigen im Land kuschen muss, weil man sonst gnadenlos untergeht.
Zu Kirgisistan wusste ich bisher wenig bis gar nichts, umso mehr war ich auf diesen für einen Thriller doch etwas ungewöhnlichen Schauplatz gespannt. Callaghan geht gut auf die Zustände im Land ein, das artet jedoch nie in eine Belehrung über gesellschaftliche bzw. politische Strukturen aus, sondern fügt sich sehr gut ins Gesamtbild, sodass der Fall doch immer im Vordergrund steht. Akyl selbst ist mir sehr sympathisch, einerseits fühlt man mit ihm mit, hat er doch gerade die Liebe seines Lebens verloren. Andererseits merkt man schnell, dass auch Akyl kein Engel ist, im harten Alltag seines Jobs kommt man einfach nicht weiter, wenn man sich immer an die Spielregeln hält. Da wird bestochen und gedroht, Gefallen werden eingefordert und so manch zwielichtiger Geselle für die Ermittlungen eingespannt. Und doch weiß man instinktiv Akyls Weg ist der einzig mögliche um wenigstens ein bisschen Gerechtigkeit zu erfahren; gerade sein herrlich schwarzer Galgenhumor nimmt dem Geschehen öfter auch mal die Schärfe.
Callaghans Art zu erzählen finde ich klasse. Er nimmt nie ein Blatt vor den Mund, teilweise ist der Ton sehr rau und derb (empfindlichere Leser seien hiermit gewarnt), dann hält er wieder kurz inne und zeigt sich dem Leser von seiner feinfühligen, poetischen Seite. Diese Mischung hat mir extrem gut gefallen und passt hervorragend zu der dichten, drückenden Atmosphäre, die er gekonnt aufbaut.
Minimal gestört hat mich die ständige und allgegenwärtige Erwähnung von Akyls Frau. Verständlich, da er sich ja noch in der Trauerphase befinden soll, trotzdem sehr penetrant und manchmal nervig. Auch die Auflösung gegen Ende hätte für meinen Geschmack einen Ticken ausführlicher sein können, denn der Fall ist doch vielschichtiger als er zunächst vermuten lässt.
Aber das ist Meckern auf hohem Niveau, an sich ist „Blutiger Winter“ sehr gut gelungen und ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Fall mit Akyl.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.