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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1227 Bewertungen
Bewertung vom 06.05.2025
Archan, Isabella

Die Schlange von Sirmione (eBook, ePUB)


sehr gut

Das tödliche Poem

„Da begegne ich dem Eistüten–König vom Gardasee und statt leckerem Eis bringt er mir eine arme Schlange vorbei …“ (S. 33)
Weil die Wiener Chefinspektorin Edwina Teufel ihrem Nachnamen alle Ehre gemacht hat und im Dienst zu oft ausgerastet ist, wurde sie für mehrere Monate freigestellt. Die verbringt sie am Gardasee, wo ihr Lebensgefährte Toni als Landschaftsgärtner arbeitet. Damit sie sich nicht zu sehr langweilt, hilft sie regelmäßig im Fundbüro von Rosa Rinaldini aus.
Eines Tages kommt ein verwirrter älterer Kunde und möchte sein „tödliches Poem“ zurück, dass er vor Jahren verloren hat. Da Edwina weiß nicht, wie sie ihm helfen kann, fängt er zu weinen an. Dann entdeckt sie die Schachtel in seiner Hand, deren Deckel sich bewegt. Sie öffnet sie und findet eine verletzte Zornnatter. Rosa erzählt ihr später, dass der Mann Giovanni di Levia war, dem ¾ aller Eisdielen in Sirmione und ein Hotel gehören. Doch sein Geld hat ihn nicht glücklich gemacht. Er hat drei dramatische Scheidungen hinter sich und ist nach jeder wunderlicher geworden.
Am nächsten Morgen erfährt Edwina von ihrer Vermieterin, dass Giovanni nach dem Besuch im Fundbüro zu Hause gestürzt und verstorben ist. Das kommt ihr suspekt vor. Also geht sie zu dessen Villa, um die örtliche Polizei von dem gestrigen Vorfall zu unterrichten und ihre Hilfe anzubieten. Nur leider will der zuständige Commissario Adriano Alceste diese nicht. Sie bittet ihn, wenigstens eine Obduktion anzuordnen und behält recht, bei Giovannis Tod hat jemand nachgeholfen! Als dann auch noch Rosas Enkel Bruno verhaftet wird, muss sich Edwina ja einmischen um zu helfen!

Wie bei ihrer Reihe um die „MörderMitzi“ setzt Isabella Archan auch hier auf eine Ermittlerin, die in ihrer Vergangenheit etwas Traumatisches erlebt hat und es ihrem Gegenüber nicht auf Anhieb leicht macht, sie zu akzeptieren. Edwina kann nie richtig abschalten und muss sich immer beschäftigen – am besten natürlich mit einem Fall. Leider hat sie eine sehr kurze Zündschnur, was ihr den Spitznamen Zornnatter eingebracht hat, den sie mit Stolz trägt. Sie hat eine gute Nase für Ungereimtheiten bei Todesfällen und ist sie sich sofort sicher, dass Giovanni ermordet wurde. Der reiche Alte war ein Einzelgänger, hatte kaum noch Personal und seine letzte Frau vergrault. Außerdem hielt er sich für einen großen Poeten und trug seine Gedichte jedem vor, ob der sie nun hören wollte oder nicht. Oder wie seine letzte Frau sagt: „Giovanni gehörte zu den Männern, die man sich angelt, weil man sich ein Luxusleben erhofft. Stattdessen hat man seine Allüren zu ertragen.“ (S. 38)
Edwina konzentriert sich bei ihrer Recherche auf die Frage, wem Giovannis Tod nützt bzw. wer ihn beerbt. Vor allem Letzteres interessiert alle sehr, weil er nie Kinder hatte und es auch sonst keine Familie gibt. Zudem geht das Gerücht, dass er überall im Haus Bargeld versteckt hatte – ging es dem Täter vielleicht darum? Oder hängt es doch mit dem ominösen tödlichen Poem zusammen, dass er so dringend gesucht hat? Edwina verbeißt sich wie ihre Namenspatronin, die Zornnatter, in dem Fall und ignoriert, dass der Commissario sie gar nicht dabeihaben will. Schließlich weiß sie es besser als er! Zum Glück kann sie es sich wenigstens verkneifen, ihre Wiener Kollegen um Mithilfe zu bitten. Und eigentlich hat sie ja auch Urlaub und noch längst nicht alle Eisdielen durchprobiert und Sehenswürdigkeiten besucht.

„Die Schlange von Sirmione“ verbindet spannende Unterhaltung, Dolce Vita und Schlangen – man sollte also besser nicht an Ophidiophobie leiden 😉.

Bewertung vom 04.05.2025
Sampson, Freya

Ms Darling und ihre Nachbarn


sehr gut

Die letzte Bastion des Widerstands

„Seit einhundertdreiunddreißig Jahren beschützt Shelley Haus seine Bewohner. Und jetzt, Mr Alexander, ist es an uns, Shelley Haus zu beschützen.“ (S. 145) Seit über 30 Jahren lebt die 77jährige Dorothy Darling in dem alten viktorianischen Haus in Chalcot. Als sie eingezogen ist, war es noch eins von vielen, inzwischen ist es das letzte. Die anderen wurden zugunsten moderner Gebäude abgerissen. Da Shelley House ist schon lange renovierungsbedürftig ist, führt Dorothy jeden Morgen eine Hausinspektion durch. Sie schreibt auf, was kaputt ist, um das dem Besitzer Mr Alexander zu melden, und welcher Mieter was (schon wieder!) falsch gemacht hat. Am meisten regt sie sich über ihren direkten Nachbarn Joseph Cambers auf, der immer wieder untervermietet. „Josef sammelte Heimatlose wie andere Leute Porzellanfiguren von Royal Doulton.“ (S. 22). Kat, seine neueste Mitbewohnerin, ist ungefähr 20, tätowiert und hat pinke Haare! Ein Skandal! Doch das alles verblasst, als den Mietern ein identischer brauner Brief ohne Marke und Poststempel ins Haus flattert – die Ankündigung der Zwangsräumung. Während Dorothy diese einfach ignoriert und die anderen Bewohner nach neuen Wohnungen suchen, protestiert Joseph jeden Tag mit seinem kleinen Hund Reggie vor dem Büro des Vermieters. Als Kat eines Tages von der Arbeit kommt, liegt Joseph bewusstlos mit einer Kopfverletzung in der Wohnung. Er muss ins KKH und Kat kann Reggie nicht mit zur Arbeit nehmen, also bleibt ihr nichts anderes übrig, als Dorothy um Hilfe zu bitten. „Keine Sorge, Dorothy ist exzentrisch, aber bellende Hunde beißen nicht.“ (S. 16)

Das Haus und seine Bewohner sind mir sofort ans Herz gewachsen. Dorothy terrorisiert die Anderen mit ihren Listen und Aushängen, dabei meint sie es eigentlich nur gut, schreckt aber durch ihre brüske Art ab. Und während sie mit dem Haus verwurzelt scheint, ist Kat heimatlos. Sie bleibt nie lange an einem Ort, sondern zieht weiter und sucht sich eine neue Arbeit, bevor ihr jemand zu nahe kommt. Jetzt will sie Reggie loswerden, damit sie abhauen kann, doch Dorothy bringt sie dazu, sie bei ihrem Kampf zu unterstützen. Auch die anderen Mieter machen mit, denn die Sorge um Joseph und Shelley House schweißt sie zusammen. Aber sowohl Kat als auch Dorothy haben ein Geheimnis, das sie um jeden Preis wahren möchten, auch wenn sie dadurch alles verlieren könnten.

„Ms Darling und ihre Nachbarn“ ist eine berührende Geschichte, die nach und nach die Schicksale der verschiedenen Hausbewohner erzählt und zeigt, wie diese im Kampf gegen den Vermieter und für den Erhalt des Hauses zusammenwachsen, was man als Gemeinschaft schaffen kann und dass man nie nach dem Äußeren urteilen sollte. Mir war sie nur an einigen Stellen etwas zu ausführlich.

Bewertung vom 01.05.2025
Denham, Cherie

Das Irland Backbuch


ausgezeichnet

Eine Liebeserklärung an Irland und irische Rezepte

„Die irische Währung der Gastfreundschaft ist etwas, dass am Morgen gebacken wurde und allen, die zu Besuch kommen oder bleiben, ganz selbstverständlich angeboten wird.“ (S. 15)
Ich liebe die hochwertigen Backbücher aus dem Prestel Verlag, weil sie eine tolle Kombination aus wunderbaren Rezepten und Fotos und berührenden Geschichten von Land und Leuten sind. Das Irland Backbuch ist aus einer Idee und auf Betreiben des Fotografen Andrew Montgomery entstanden, der die Köchin und Bäckerin Cherie Denham über Instagram kennengelernt hatte. Zusammen mit den Rezepten erzählen sie die Geschichten einzelner IrInnen und deren Familien, ihren oft schon seit Generationen geführten traditionellen Familienbetrieben, der harten Arbeit in und im Einklang mit der Natur, angepasst an die Jahreszeiten. In jedem Abschnitt lassen sie die Menschen aus ihrem Leben erzählen, von ihrem geliebten rauen Land, was es ihnen abverlangt und gibt.

Cherie Denham hat sich für die Rezepte von den Frauen ihrer Familie anregen lassen, vor allem ihren Omas und Großtanten. Sie gehören zum irischen Standardrepertoire und werden durch Anekdoten gewürzt. Spannend fand ich das vorangestellte Rezept für hausgemachte Butter und Buttermilch, was ich unbedingt noch ausprobieren will. Für die nachgebackenen Sachen habe ich (noch) gekaufte Butter verwendet.

Die Rezepte sind in Brot, Scones und Plätzchen, Kleingebäck, Pies und Tartes, Kuchen und Torten und Gebackene Desserts eingeteilt und ich habe inzwischen aus jeder Kategorie mindestens ein Stück nachgebacken.
Los ging es mit dem sehr weichen und sehr leckeren Porridgebrot, das aus Hafer, verschiedene Kerne und Saaten und Jogurt besteht und meine Familie sehr gemocht hat.
Da ich bei Irland an irische Butter und Shortbread denke, habe ich natürlich auch das ausprobiert. Cherie Denham verfeinert es mit viel Vanille und bestreut es nach dem Backen hauchdünn mit Zucker. Ich habe noch eine Prise Meersalz als Kontrast mit in den Teig gegeben und lt. meinem Mann ist es das beste Shortbread aller Zeiten (zumindest bis zum nächsten Backbuch).
Der gedeckte irische Apfelkuchen besteht ebenfalls aus butterzartem Mürbeteig mit Apfelfüllung und einer kleinen Zuckerkruste obendrauf. Für den Teig benötigt man das nur Eigelb, darum habe ich aus dem Eiweiß marmorierte Meringe mit weißer Schokolade und zerstoßenen getrocknete Heidelbeeren gemacht, die vor dem Backen in die Schmätzchen eingeswirlt werden.
Der Karotten-Pastinaken-Apfelkuchen mit Ahorncreme klingt erst mal ungewöhnlich, hat aber durch die Rosinen und Nüsse im Teig eine tolle Konsistenz, ist schön weich und herrlich gewürzt.
Und wenn Ihr mal Seelenfutter braucht, probiert den Ofenmilchreis. Dadurch, dass er im Ofen gebacken wird, karamellisiert die Oberfläche und er schmeckt nach Crème Brûlée – ein Gedicht.

Ein wundervolles Backbuch für alle, die sich neben den Rezepten auch für Irland und das Leben dort interessieren.

Bewertung vom 23.04.2025
Handler, Daniel

43 Gründe, warum es aus ist


gut

43 Erinnerungsstücke an die erste Liebe

„Ich will dir sagen, wieso es aus ist, Ed, ich schreibe es dir in diesem Brief, die volle Wahrheit darüber, wieso es dazu gekommen ist.“ (S. 7)
Min ist 16, ein eher unauffälliges Mädchen, geht auf die Highschool, interessiert sich nicht für Sport, liebt alte Filme. Sie hatte schon mal einen Freund, aber richtig verliebt war sie in ihn nicht. Dann tritt Ed, der Basketballstar ihrer Schule, in ihr Leben, spricht sie auf der Geburtstagsparty ihres besten Freundes an und bittet um ihre Nummer. Es schmeichelt ihr, dass er sie „anders als andere Mädchen“ findet, unkompliziert und schlau. Sie haben Dates und sie verliebt sich in ihn, hat eine wunderschöne Zeit, auch wenn es Anzeichen und Warnungen von ihren und seinen Freunden gibt, dass es nicht so perfekt ist, wie es scheint.
Jetzt sitzt sie in einem Café, vor sich ein Karton mit 43 Dingen aus ihrer Beziehung, und schreibt Ed, was sie jeweils damit verbindet. Sie dröselt ihre Beziehung von Anfang an auf und versucht die Stelle zu finden, an der sie ES hätte merken müssen.

„43 Gründe, warum es aus ist“ ist anders als jede Liebesgeschichte, die ich bisher gelesen habe. Min ist für ihr Alter unglaublich reflektiert und wirkt oft älter, als sie ist. Vielleicht ist es das, was Ed an ihr fasziniert, denn sonst haben sie nichts gemeinsam. Er lebt für Sport und Partys, sie für ihre Freunde und den Traum, Regisseurin zu werden. Er hat seinen Ruf als Frauenschwarm weg, sie ist noch unberührt. Ihre Liebe entfaltet sich zart wie eine Rose, die ihre Dornen gut versteckt.

Doch Daniel Handler hat es mir nicht immer leicht gemacht, der Handlung zu folgen. Er schreibt recht ausschweifend und einige Sprünge in der Story haben sich mir nicht sofort erschlossen. Dazu kommen die unzähligen alten Filme, die eine so große Bedeutung für Min und die Geschichte haben – ich habe irgendwann nach ihnen gesucht und festgestellt, dass es die anscheinend nicht gibt, oder sie so unbekannt sind, dass man sie nicht findet. Das ist natürlich schwierig, wenn deren Inhalt in einer Beziehung zum Geschehen steht.
Und auch der Titel passt m.E. nicht ganz so gut, da es keine Gründe, sondern Erinnerungsstücke sind, die sie ihm überlässt. Da finde ich den englische Titel „We broke up“ besser.

Eine bewegende Geschichte über das Entstehen und Scheitern der ersten Liebe, mit kleinen Längen und Ungereimtheiten.

Bewertung vom 20.04.2025
Moore, Georgina

Die Garnett Girls (eBook, ePUB)


sehr gut

Das große Schweigen

„Es hat schon immer zwei Margos gegeben, eine davon ist Ma, nur unsere Ma, und die andere ist Margo, die allen anderen gehört oder in ihrer eigenen Welt lebt. Im Augenblick ist sie, Margo – sie denkt nicht an uns.“ (S. 340) Margo und Richard waren DAS Liebespaar der Isle of Wight, führten als Schriftsteller und Kolumnistin eine erfolgreiche Künstlerehe, hatten 3 bezaubernde Töchter und schmissen trotzdem die besten Partys der Gegend. Bis zu dem Tag, als Richard die Familie verließ, Margo sich für Monate auf ihrem Zimmer einschloss und die Mädchen sich selbst überließ. Wenn Familie und Freunde nicht gewesen wären, hätte ihr die Fürsorge die Mädchen weggenommen. Als sich Margo endlich wieder gefangen hatte, nahmen alle ihren Mädchennamen an und sie durften nie wieder über oder von Richard sprechen. Jetzt sind die Mädchen erwachsen, haben das Trauma des Verlassenwerdens und das große Schweigen nie verwunden. Außerdem gibt ihnen Margo das Gefühl, nicht gut genug zu sein, ihren Anforderungen nicht gerecht zu werden. Also hängen sie in Lebensentwürfen fest, die sie nie wollten.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so eng mit Margos Leben verstrickt sein würde…“ (S. 129) Rachel führt mit ihrem Mann Margos und Richards Leben weiter. Sie haben eine sehr liebevolle Beziehung, leben mit ihren Kindern in deren ehemaligem Haus und verfolgen ihre Karrieren. Aber Margo, die eigentlich ein eigenes Haus hat, ist ständig da, mischt sich ein und veranstaltet ihre legendären Partys weiter hier.

„Sie hatte immer schon gewusst, dass Venedig für sie eine Bedeutung haben würde, weil ihre Eltern dort die Flitterwochen verbracht hatten.“ (S. 15) Imogen schreibt Theaterstücke und hat gerade den Durchbruch geschafft. Sie verlobt sie sich mit dem älteren William, weil er zuverlässig und gut für sie ist – und Margo es erwartet. Doch dann verliebt sie sich bei den Proben in jemand anderen und traut sich nicht, es William und ihrer Familie zu sagen. Sie flüchtet sich in ein Doppelleben, das sie zerstören könnte.

„Sie vermisse das Mädchen, dass sie eins gewesen war, als sie sich noch gemocht hatte und ohne die Last der Enttäuschung aufgewacht war, ohne die Last des Geheimnisses, das für sie keins mehr war, und der Mauer, die dies zwischen ihr und ihrer Familie errichtet hatte.“ (S. 95) Auch Sasha ist nicht glücklich ihn ihrem nach außen hin so perfekten Leben mit ihrem fürsorglichen Ehemann. Außerdem hat sie heimlich Kontakt mit Richard aufgenommen …

Georgina Moores „Die Garnett Girls“ ist eine interessante Familienstudie über die einzelnen Beziehungen und Verbindungen der Frauen untereinander, die alles überstrahlende Mutter und den alles überschattenden verschwundenen Vater. Die Töchter, inzwischen Frauen, suchen unbewusst einen Ersatz für ihn und finden dabei nicht immer den richtigen. Ihre Mutter mischt sich ein, weil sie ihnen ihr eigenes Schicksal ersparen will, geht dabei aber leider nicht besonders geschickt vor und berücksichtigt die Bedürfnisse ihrer Töchter nur bedingt. Ein gemeinsamer Sommer – ein ganzes Leben – voller Geheimnisse, die ans Licht drängen, das alles ist Garnett-Girls. Gut geschrieben, nicht immer fesselnd, aber aufschlussreich.

Bewertung vom 17.04.2025
Stolzenburg, Silvia

Die Begine und der Sterndeuter


sehr gut

Dieser Turm erzürnt Gott

Mai 1416: Endlich ist im Haushalt von Anna Ehinger und ihrem Mann Lazarus Ruhe eingekehrt. Die ehemalige Begine und der Spitalarzt haben nach ihrer Tochter einen gesunden Sohn bekommen, die meisten Schäden, die der Feuerteufel verursacht hatte, wurden beseitig. Da taucht ein Sterndeuter in Ulm auf und macht den Einwohnern Angst. „Die Sonne wird sich verfinstern, und der Mond wird seinen Schein nicht geben. Und die Sterne werden vom Himmel fallen. So steht es in der Heiligen Schrift! Das Ende der Tage könnte näher sein, als ihr denkt!“ (S. 8) – und zwar schon am übernächsten Sonntag. Viele der reichen Einwohner fliehen sofort aus der Stadt, und wenn sie wenig später zurückkommen, um nach ihrem Besitz zu sehen, wurden sie ausgeraubt.
Parallel dazu taucht immer mehr Falschgeld auf, was vor allem Annas Bruder Jakob schlaflose Nächte bereitet, schließlich ist er als Kämmerer und Säckelmeister dafür zuständig. In seiner Verzweiflung erwägt er, sich an den Propheten mit den düsteren Visionen zu wenden – doch der ist plötzlich verschwunden.
Am nächsten Morgen wird dessen Leichnam tot aus der Blau gezogen und eine Hure des Mordes beschuldigt. Das kann Anna nicht glauben. Sie will den wirklichen Täter finden und bringt sich dabei erneut in Lebensgefahr.

Silvia Stolzenburg gelingt es auch im 7. Band der Reihe, eine dichte, beklemmende Atmosphäre zu schaffen. Die Menschen fürchten sich immer noch vor dem Bau des Kirchturms des Münsters. Die düsteren Vorhersagen verstärken die Unruhe zusätzlich. Viele steigern sich in eingebildete Krankheiten – bis eine Regenperiode schließlich wirklich eine Krankheitswelle auslöst. Lazarus hat Mühe, seine Patienten davon zu überzeugen, dass es sich nicht wieder um die Pest handelt.
Luna, die „Zauberin“, ist undurchsichtig wie eh und je und verdient gut, solange der mysteriöse Wahrsager in der Stadt ist. Sie verkauft Leichtgläubigen Gegenzauber und Amulette. Stadtpfeifer Gallus, der in sie verliebt ist, befürchtet, dass Luna und der Sterndeuter gemeinsame Sache machen, denn sie wirken sehr vertraut. „Fast als wäre er ein alter Liebhaber.“ (S. 177)
Der Mord treibt die angespannte Stimmung dann auf die Spitze. Warum musste der Sterndeuter sterben? Und was hat es mit dem Falschgeld auf sich?

Auch wenn mir ein Teil der Lösung relativ früh klar war, ist „Die Begine und der Sterndeuter“ abermals ein hervorragend recherchierter, mit spannenden Fakten und medizinischen Details gespickter historischer Krimi, der gut unterhält und neugierig auf die Fortsetzung macht.

Bewertung vom 16.04.2025
Ribeiro, Gil

Lautlose Feinde / Leander Lost Bd.7 (2 MP3-CDs)


sehr gut

Spionage an der Algarve

Einen Tag vor Soraias und Leander Hochzeit, werden er und seine Kollegen der PJ zum Haus eines ermordeten Zollbeamten gerufen. Während sie den Tatort untersuchen, kommen plötzlich der Sohn und die Schwiegertochter des Toten dazu. Sie suchen ihre Tochter Maria, die ihren Großvater wie jeden Morgen besuchen wollte. Kurz darauf meldet sich ein Erpresser, der das Mädchen entführt hat. In einer ausgeklügelten Aktion versuchen sie, den Entführer während der Übergabe des Lösegelds zu fassen, was leider misslingt – aber Maria kommt frei.
Dann tauchen weitere Tote in Fuseta und Umgebung auf und auf die Ermittler werden Anschläge verübt. Leander Lost ist überzeugt, dass alles zusammenhängt, aber wer warum dahinter steckt, bleibt lange um Dunkeln.

Parallel zu den Ermittlungen gibt es mehrere Erzählstränge über andere Personen und deren Aktionen. Da sind u.a. ein amerikanischer Oberst, der einen wichtigen Koffer nach Fuseta bringt, den er nie aus den Augen lässt, der Russe Viktor Fjodorow, der den Koffer unbedingt haben will und dafür ein ausgeklügeltes Helfernetz aufgebaut hat, sowie der Portugiese Raphael Romao, der Möbel im- und exportiert.
Durch die vielen Beteiligten und Stränge fiel es mir etwas schwer, der Handlung zu folgen, weil ich immer wieder überlegen musste, wer jetzt eigentlich wer ist und wie er in das Gefüge passt. Ich habe in einer Rezension zum Buch gelesen, dass es dort ein Personenverzeichnis gibt, vielleicht hätte man das dem Hörbuch auch voranstellen können. Zudem wird es sehr technisch, weil das Objekt der Begierde an mehreren Stellen detailliert erklärt wird.
Wenn man sich dann aber einmal eingefuchst, ist es ein extrem spannender und dramatischer Fall im Spionagemilieu, bei dem Leander wieder zur Hochform aufläuft und es zum ersten Mal schafft, jemanden auszutricksen bzw. anzuflunkern und eine ironische Bemerkung zu machen, etwas, was ihm bisher fremd war.
Als besonderer Twist wird Graciana Rossado, die Leiterin der PJ, diesmal wegen einem alten Fall degradiert und Miguel Duarte tritt an ihre Stelle. Der Spanier denkt jetzt natürlich, dass seinem Aufstieg nichts mehr im Weg steht und trifft einige fragwürdige Entscheidungen, um im besten Licht dazustehen: „Ich versuche, in der Öffentlichkeit ein breiteres Bewusstsein zu unserer Arbeit zu schaffen.“ „Und ich versuche, zwei Morde aufzuklären.“

„Lautlose Feinde“ ist bereits der siebente Fall mit Leander Lost. Der Asperger-Autist und Eidetiker ist aus dem portugiesischen Team längst nicht mehr wegzudenken. Dank Soraia und deren Familie sowie seinem Mündel Sarah Pinto, die wie er eine Waise ist, ist er endlich angekommen. Ich bin gespannt, wie es mit ihm privat weitergeht und was für einen Fall er als nächstes lösen muss.

Bewertung vom 14.04.2025
Mommsen, Janne

Das Licht in den Wellen


ausgezeichnet

Ein Platz zum Glücklichsein

„Ich muss vorausschicken, dass ich vieles in meinem eigenen Leben bis heute nicht kapiere. Zum Beispiel ist mir immer noch rätselhaft, warum ausgerechnet der Mensch mein Feind wurde, dem ich so viel zu verdanken hatte. Aber jetzt sind alle Beteiligten mausetot, und niemanden interessiert das mehr.“ (S. 357)
Inge Martensen ist ein Urgestein auf Föhr, jeder kennt die fast Hundertjährige, ihr runder Geburtstag ist längst geplant. Doch Inge hält nichts von der Feier, sie will lieber noch einmal nach New York, wo sie so viele Jahrzehnte gelebt und gearbeitet hat. Also bucht sie für sich und ihre 20jährige Lieblingsnichte Swantje eine Kreuzfahrt dahin – First Class natürlich. Auf der Reise erinnert sie sich und erzählt Swantje von ihrem bewegten Leben, auch um sie dazu anzuregen, selber nach den Sternen zu greifen.

Ich bin seit Jahren ein Fan von Janne Mommsens unterhaltsamen Romanen und war gespannt auf diesen historischen Stoff, für den er viel recherchiert und sich ausführlich mit Föhrer Auswanderern und Rückkehrern bzw. deren Nachfahren unterhalten hat. Man merkt diese Nachforschungen und die damit verbundene Detailliebe in jeder Zeile. Er lässt nicht nur die Insel und ihre Bewohner in der verschiedenen Jahrzehnten lebendig werden, sondern vermittelt auch ein sehr anschauliches Bild von NY und den Auswanderern zu diesen Zeiten.

Inges Leben hat mich gefesselt und fasziniert. Ihre Eltern waren einfache Bauern mit einem kleinen Hof, der gerade genug zum Überleben abgeworfen hat. Die Kinder mussten von klein auf mitarbeiten. Es war ein hartes Leben, vor allem direkt nach dem Krieg, trotzdem wollte Inge nie weg. Aber dann ist etwas passiert, was in ihrer Erzählung lange geheim bleibt, und sie musste von einem Tag auf den anderen Tag nach NY gehen.

Janne Momsen zieht seine LeserInnen sofort in den Sog von Inges Leben und hält die Spannung bis zum Ende, und eigentlich sogar noch darüber hinaus, denn man will unbedingt wissen, wie es im zweiten Band mit ihr und Swantje weitergeht. Er deutet Geheimnisse und Geschehnisse an, die sich erst spät oder noch gar nicht aufklären und einen zusätzlichen Reiz zum „Dranbleiben“ liefern.
Geschickt lässt er amerikanische Geschichte und berühmte Personen einfließen, die Inge kennengelernt hat. Sie hat es fast von der Tellerwäscherin zur Millionärin, bzw. von der Inseltochter / Bäuerin zur Köchin und noch viel weiter geschafft. Dabei ist sie lange nicht heimisch geworden in der Fremde, obwohl die Auswanderer mit dem Föhr-Amrumer-Unterstützungsverein ein tolles Netzwerk aufgebaut haben, das es heute noch gibt. Doch Inge hat durchgehalten, weil ihre Familie das Geld brauchte. Also hat sie ihr Glück hintenangestellt und es erst später gefunden. Aber wie so oft liegen Glück und Leid eng beieinander.

Inge ist eine Frau, die oft zweifelt, auch an sich selbst, aber Visionen hat und dann einfach durchzieht. Eine Macherin, die sich von ihren Ängsten nicht unterkriegen lässt, sondern nach vorne sieht. Eine echte Kämpferin für sich, ihre Familie, Freunde, jemand, den ich gerne kennengelernt hätte.

Mein Fazit: Ein sehr bewegendes Leben und absolutes Lesehighlight.

Bewertung vom 13.04.2025
Tammen, Sophie

Kojengrab / Frau Scholles Gespür für Mord Bd.2


ausgezeichnet

Die Miss Marple von Amrum

„Ich hatte mich auf einen ruhigen Urlaub gefreut. Stattdessen saß ich im Streifenwagen und wusste nicht, warum.“ (S. 78)
Vier Monate nach ihrem ersten Urlaub auf Amrum sind die Wiesbadener Polizeisekretärin Gabriele Scholle und ihr Hündin Dolores wieder zur Erholung auf der Insel. Auf Anraten ihres Vermieters und Freundes Frerk will Gaby die letzte Führung der Journalistin Greta Jansen im Museum „Öömrang Hüs in Nebel“ besuchen, doch die kommt nicht. Als die Besuchergruppe im Haus nach ihr sucht, schlägt Dolly vor einer lebensgroßen Puppen in einer der Schlafkoje an – nur dass es keine Puppe ist, sondern die tote Journalistin, die eine Friesentracht trägt und einen Strauß weißer Rosen in der Hand hält. Gaby ruft die Inselpolizei und will sich eigentlich aus den Untersuchungen heraushalten. Doch dann erzählt ihr Frerk, dass Greta an einem Bericht über eine alte Fehde zwischen Sylt und Amrum gearbeitet und ihn mehrfach um ein Gespräch gebeten hat. Außerdem sei sie kein Kind von Traurigkeit gewesen und soll eine Affäre mit dem verheirateten Pastor Rungholt gehabt. Bei Rungholt muss Gaby sofort an die Sage der von Mythen umrankten Stadt und deren unermesslichen Reichtum denken. Ist Greta bei ihrer Recherche auf einen neuen Hinweis dazu gestoßen oder war doch Eifersucht im Spiel? Und warum benimmt sich Frerk so merkwürdig? Gaby überlegt, ob er etwa wusste, was sie im Museum erwartet, schließlich hat er sie hingeschickt.

Wie schon beim ersten Fall „Harpunentod“ verbreitet sich Gabys Fund wie ein Lauffeuer auf der Insel und jeder hat eine Meinung zu Motiv und Täter. „… Greta war gut darin, sich immer wieder in Dinge einzumischen, die sie nichts angingen – zumindest nach Meinung einiger Leute. Sie war neugierig, manchmal zu sehr. Und als Journalistin hatte sie gelernt, hartnäckig zu sein.“ (S. 126) Gaby muss nur zuhören und die richtigen Fragen stellen. Viele tippen auf Eifersucht, weil sich der Pastor zu gut die Insulanerinnen „gekümmert hat“. War es seiner Frau jetzt doch mal zu viel oder Greta einer Rivalin im Weg? Und Gaby hat noch eine Spur: Die Tracht, die Greta getragen hat, lässt ihr einfach keine Ruhe.

Gaby und Dolly sind ein Herz und eine Seele. Dollys Bettelblick auf belegte Brötchen erinnern mich sehr an meinen Hund, und Gaby wird auch genauso schnell schwach wie ich. Doch Dolly ist nicht nur verfressen, sondern auch ein guter Spürhund. Sie findet Gretas Leiche und stellt später sogar noch einen Verdächtigen. Frerk, von Gaby liebevoll Kapitän Ahab genannt, unterstützt sie wieder mit seinen Kenntnissen von Land und Leuten. Die drei sind ein echtes Dreamteam und deutlich erfolgreicher als die Polizei.

„Kojengrab“ von Anne Barns alias Sophie Tammen ist ein spannender Krimi mit sympathischen Ermittlern, einem tollen, unerwarteten Twist und interessanten Fakten zu Amrum und Sylt. Ahab sagt an mehreren Stellen den Satz: „Die Insel entscheidet, wer zu ihr gehört – und nicht umgekehrt“, was mich (und ihn) hoffen lässt, dass Gaby bald wieder auf Amrum ermittelt oder vielleicht sogar dorthin umzieht.

5 Sterne für diese unterhaltsame Cosycrime mit Nordseefeeling.

Bewertung vom 09.04.2025
Cane, Cassidy

Searching for Sunshine - Based on Kevin's True Story


gut

Potential leider nicht ausgeschöpft

„Wird das für immer mein Leben sein? Unfähig, zu lieben, aber gierig, danach, geliebt zu werden, auch wenn es für anderen den Untergang bedeutet?“ (S. 19) Emilian ist gern mit Frauen zusammen, aber unfähig, sich zu binden. Als deswegen wiedermal eine Beziehung scheitert, flüchtet er von Berlin nach Köln und fängt völlig neu an. Dazu gehört auch ein Job in einer Werbeagentur, bei dem er sein Hobby, das Texten, endlich zum Beruf machen kann. Zusammen mit seiner Kollegin Vienna soll er die Einführung einer Dating-App vorbereiten und diese dazu ausgiebig testen. Dumm nur, dass er Vienna schon am ersten Arbeitstag verärgert hat und sie seitdem nur das Nötigste mit ihm spricht. Trotzdem stolpern sie irgendwie in eine Affäre. Und gerade, als die sich in eine ernsthafte Beziehung verwandelt, grätscht Emilians Vergangenheit dazwischen.

„Searching for Sunshine“ ist im Heartlines-Verlag erschienen. Für die Bücher lassen sich Autoren von wahren Schicksalen und Geschichten inspirieren. Hier hat sich Cassidy Cane mit der Biographie des Poetry-Slammers Kevin Reichelt auseinandergesetzt.

Emilian hatte eine schwere Kindheit. Während seine jüngeren Halbgeschwister von seinem Stiefvater verwöhnt wurden, hat er ihn seelisch und körperlich misshandelt, vor allem nach dem Tod seiner Mutter. Darum hat sich Emilian schon früh von der Familie losgesagt, aber trotzdem immer auf seine Geschwister aufgepasst. Das hat ihn für seinen Stiefvater weiter angreifbar gemacht.
Vienna ist erst 22, aber schon alleinerziehende Mutter eines kleinen Sohnes, von dem auf Arbeit niemand weiß. Außerdem gibt ihr Chef ihre Ideen immer als seine aus und boykottiert so ihren Aufstieg in der Agentur. Die Dating-App ist ihr erstes eigenes Projekt und könnte ihren Durchbruch bedeuten, wenn nur Emilian und ihre widersprüchlichen Gefühle für ihn nicht wären.

Leider hat mich die Geschichte nicht so berührt, wie erwartet, weil ich über einige Ungereimtheiten gestolpert bin. Das ist u.a. Viennas Abneigung gegen Emilian, nur weil ihm am ersten Arbeitstag rausrutscht, welchen Spitznamen sie in der Firma hat. Den hat er sich aber nicht ausgedacht, sondern ausdrücklich gesagt, dass er ihn unpassend findet. Also wenn sie schon sauer ist, dann doch auf ihre Kollegen und nicht auf ihn. Zudem weiß niemand in der Firma, dass sie ein Kind hat? Das ist eher unwahrscheinlich, schließlich steht das auf der Lohnsteuerkarte.
Auch die Emotionen kommen bei mir nicht an. Was Emilian in der Kindheit erlebt hat, tut mir zwar leid, löst aber nichts aus – vielleicht, weil er es selber so rigoros ausblendet und verdrängt. Da fühle ich mit Vienna deutlich mehr mit, auch wenn sie sich „nur“ mit ihrer übergriffigen und oft etwas taktlosen Mutter auseinandersetzen muss, die doch angeblich nur das Beste für sie will und dabei gar nicht merkt, wie sehr sie sie unter Druck setzt und verletzt.

Ich habe nach dem Lesen Kevin gegoogelt und muss sagen, dass ich die Geschichte wahrscheinlich nachvollziehbarer gefunden hätte, wenn sich Cassidy Cane mehr an den wirklichen Geschehnissen und Umständen orientiert hätte und der Grund für Viennas anfängliche Abneigung nachvollziehbarer gewesen wäre. 3 von 5 Sternen