Benutzer
Benutzername: 
yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2156 Bewertungen
Bewertung vom 15.02.2024
Kukafka, Danya

Notizen zu einer Hinrichtung


sehr gut

Der Fuchs

Nach Girl in Snow ist Notizen zu einer Hinrichtung das zweite Buch der Autorin.
Der Roman der amerikanischen Schriftstellerin Danya Kukafka beginnt beklemmend. Das liegt neben dem harten Plot auch an der Erzählform in der zweiten Person. Es fällt auf Anhieb nicht leicht, sich mit dem Protagonisten zu identifizieren.
Ansel Packer sitzt als Häftling 999631 im Gefängnis und wartet auf seine Hinrichtungen. Seine Gefühlswelt wirkt diffus.
Dann folgt eine Rückblende ins Jahr 1973 als Ansel geboren wurde und in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Es ist ein Umfeld der Gewalt, das Anseln prägte. Die Autorin vermeidet es aber, Entschuldigungen für Anselns Handeln aufzubauen.
Zu den stärksten Figuren des Buches gehört Saffron, die als Ermittlerin Ansel schließlich festnimmt.
Das Buch ist nicht unbedingt leicht auszuhalten als Leser, aber es ist so gestaltet, das man sich auch nur schwer vom Text lösen kann.

Bewertung vom 15.02.2024
Reimann, Brigitte

Katja (eBook, ePUB)


sehr gut

Frühe Erzählungen der Ikone Brigitte Reimann. Das dürfte nicht nur für Reimann-Experten interessant sein.
Ein interessanter Text in dem Buch ist aber auch das Nachwort, das sehr treffende Feststellungen vornimmt.
Natürlich sind jetzt einige Geschichten dieses Bandes ein Relikt ihrer Zeit.
Die erste Geschichte ist nicht schlecht.
Der für mich stärkste Prosatext ist für mich aber die Titelgeschichte Katja, die Reimann als 20jährige geschrieben hat.
Darin muss die Protagonistin eine schwere Entscheidung für ihr Leben treffen. Diesen Moment kann die Autorin eindringlich darstellen. Beeindruckend.

Bewertung vom 15.02.2024
Adler, Sabine

Was wird aus Russland? (eBook, ePUB)


sehr gut

Was wird aus Russland?

Eine Nation zwischen Krieg und Selbstzerstörung

Die Journalistin und ehemalige Korrespondentin des Deutschlandfunks in Russland Sabin Adler habe ich schon öfter in Interviews und Talkshows im Fernsehen gesehen. Was sie sagt, hat Hand und Fuß. Sie ist realistisch und schätzt den Zustand richtig ein.
Sie schreibt ausführlich über Russland im Kontext des Ukraineangriffskrieg.
Über eine Nation zwischen Krieg und Selbstzerstörung ist ein treffender Untertitel.

Das Buch ist detailliert. Fast schon überfrachtet. Als Leser wird man nahezu erschlagen, aber dafür ist es auch ein komplettes, umfassendes Bild, das Sabine Adler den Leser bietet.
Das Buch hat das gleiche Niveau wie ihr vorheriges Buch Die Ukraine und wir.

Bewertung vom 15.02.2024
Rubert, Xita

Die Unordentlichen


sehr gut

Bonjour tristesse auf Spanisch

Ein ungewöhnliches Buch aus Spanien, dass von der Perspektive der Protagonistin bestimmt wird. Die siebzehnjährige Virginia begleitet ihren Vater. Ziel ist eine Preisverleihung, bei dem auch die Königsfamilie anwesend sein wird.
Sie treffen wohlhabende Freunde aus der britischen High Society, das Paar Andrew und Sonja, und den exzentrischen Bertrand.
Für mich ist der amüsante Text eine Art Bonjour tristesse auf Spanisch

Die Unordentlichen ist Xita Rubert erster Roman. Zwar fand ich Teile des Romans nur so mittel, da vieles vage bleibt, aber es gibt viele interessante Ansätze. Man darf gespannt sein, was von ihr noch folgen wird.

Bewertung vom 14.02.2024
Kuhn, R.

Tränensee


sehr gut

Tränensee ist ein interessantes, teilweise auch ungewöhnliches Buch. Man ist nah an der Protagonistin Anna dran. Sie ist eine weitgehend passive Figur, gerät jedoch immer wieder an Männer, mit denen sie in Konflikt gerät. Anders war es mit ihrem verstorbene Mann Brock, der ein bekannter Schriftsteller war. 20 Jahre lebten sie zusammen, zum Teil in offener Ehe, bis er plötzlich starb.
Danach hatte sie etwas mit Frieder, einem jüngeren Möchtegern-Journalisten und Angeber.
Als der verschwunden ist, beginnt der Polizist Cellini Anna Fragen zu stellen.
Manche Dialoge erschienen mir etwas knapp und unlogisch. Das hängt aber vielleicht auch mit der Protagonistin und wie sie reagiert zusammen.
Die verschiedenen Figurenkonstellationen sind das Besondere und spannende am Buch, das außerdem eine melancholische Stimmung aufweist. Das erzeugt eine eigentümliche Atmosphäre.

Bewertung vom 09.02.2024
Friedman, Michel

Judenhass


sehr gut

Aus Anlaß des Massakers in Israel durch die Hamas am 07.Oktober 2023 schreibt Michel Friedman über das Gefühl als Jude in Deutschland und der zu geringen Solidarität.
Friedman nutzt die Form der Briefe. Viele Kapitel sind Briefe, die sich an jemanden richten. Brief an die Gleichgültigen, Brief an die Christen, sogar ein Brief an einen Antisemiten ist drin.
Ein gewisser Pathos schwankt bei dieser Form auch mit. Literarisch würde ich das Buch nicht so hoch einstufen.

Der wichtigste Adressat ist vielleicht am der durchschnittliche deutsche Bürger, der vermutlich auch den Großteil der Leser dieses Buches ausmachen wird.

Wer die AfD als Protestwähler erwägt, dem sei dieses Buch empfohlen.
Friedman benennt die Gleichgültigkeit und die Akzeptanz der AfD sowie die Gefahr der Entmenschlichkeit.
Es gibt auch einen Abschnitt, in den sich Friedman an die Juden und Jüdinnen wendet.

Insgesamt ist es ein eindringliches Buch.

Bewertung vom 08.02.2024
Seck, Yandé

Weiße Wolken


sehr gut

Dieo und Zazie

Weiße Wolken ist ein deutsch-senegalischer Familienroman, in dem besonders die Schwestern Dieo und Zazie im Mittelpunkt stehen. Während Dieo mit Simon verheiratet ist und 3 Kinder hat, ist die 7 Jahre jüngere Zazie noch etwas orientierungslos. Den Weg ins Leben zu suchen ist ein wichtiges Thema im Buch. Die Schwestern sind zwar sehr unterschiedlich, aber sie verstehen sich dennoch und sind sich nahe.
Die Kapitel wechsel zwischen Dieo und Zazie. Auch Simon hat ab und zu mal sein Kapitel.
Als der Vater der Schwestern plötzlich an einem Herzinfarkt stirbt, reise sie nach Senegal zur Beerdigung. Leider sind die Senegal-Passagen kurz gehalten, aber ansonsten hat mich die Plotgestaltung überzeugt. Es ist interessant gemacht und gut geschrieben. Vor allen sind die Figuren lebensecht und man kann ihnen gut durch das Buch folgen. Die Figurenentwicklung ist eine Stärke der Autorin und sie kann die Beziehungen zueinander zeigen. Es ist ein gutes Schwesternporträt.
Mit der in Heidelberg geborene Yandé Seck ist ein vielversprechende, neue literarische Stimme aufgetaucht.

Bewertung vom 08.02.2024
Menschik, Kat;Kornmüller, Jacqueline

Das Haus verlassen / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.17


gut

Inszenierung eines alten Hauses

Ein altes Haus, mehr als 140 Jahre alt. Das färbt auf die Schreibe der Autorin Jacqueline Kornmüller ab. Ihre Sprache wirkt gewollt altmodisch, um die Poesie alter Zeit einzufangen. Dennoch ist die Erzählerin im Heute und sie will das Haus verkaufen. Ganz sicher ist sie sich aber nicht.
Das Haus scheint zu leben. Auch das gelebte vergangene Leben von Vorbewohnern ist noch irgendwie spürbar.
Ein wenig inszeniert ist das ganze schon. Aber man spürt die Verbundenheit der Protagonistin mit dem Haus und hält einen inneren Dialog aufrecht. Das finde ich schön gemacht.
Erwähnt werden müssen natürlich auch die aufwendigen Illustrationen von Kat Menschik, die gut zum Buch passen.

Bewertung vom 03.02.2024
Kaleyta, Timon Karl

Heilung


sehr gut

Mann in der Krise

Ein Mann sucht ein Sanatorium auf, denn er fühlt sich schlecht, da er seit langen schlecht schläft. Er kommt in keine Tiefschlafphase, träumt nicht.
Ansonsten ist er gesund, aber diese Müdigkeit und Unbehagen macht ihn fertig.

Die Anfangsszene zum Sanatorium San Vita in Südtirol ist atmosphärisch gemacht, fast unvergesslich. Er wird in einer winterlichen Landschaft von einem kleine Mann abgeholt.
Es gibt Zauberberganklänge, aber die sind dezent.
Schließlich, im zweiten Abschnitt des Buches, verlässt der Mann das Sanatorium und findet Unterschlupf auf dem Bauernhof seines alten Freundes Jespers.

Der Zustand des Mannes ist rätselhaft. Als Leser möchte man genauso sehr wie er die Ursachen findet.

Timo Karl Kayera hat einen einfachen aber guten Stil. Man liest den Roman fast wie in einem Rutsch, könnte es jedenfalls, falls man das möchte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.02.2024
Fang, Fang

Glänzende Aussicht


ausgezeichnet

Fang Fang zeigt sich als glänzende Autorin des Realismus und schreibt über eine vielköpfige chinesische Familie von den sechziger bis in die 80ziger Jahre.
Es ist eine Arbeiterfamilie, der es karg und oft rau zugeht. Die Kinder tragen keine Namen sondern werden als Bruder 2, Bruder 3, usw. bezeichnet.
Nur die beiden Mädchen werden Kleiner Duft und Großer Duft genannt.
Erzählt wird die Geschichte übrigens von Bruder 8, der als Baby gestorben ist und danach die ganze Zeit die Familie beobachtet.
Bruder 7 steht ziemlich im Mittelpunkt, aber im Prinzip erzählt Fang Fang die Geschichte von allen Familienmitgliedern.
Nicht selten erinnern Passagen aus Glänzende Aussicht an Filme des italienische Neorealismus, z.B. Fahrraddiebe.
Diesen leidenschaftlichen Roman darf man nicht unterschätzen. Fang Fang weiß viel von den Menschen und hat mit diesem Buch ein bewegendes, packendes Gesellschaftsporträt geschaffen.