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Igelmanu
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Bewertung vom 07.03.2020
Hager, Thomas

Heilmittel, Partydroge, Teufelszeug


ausgezeichnet

»Schon im 3. Jahrhundert vor Christi Geburt waren sich die griechischen Ärzte darüber im Klaren, dass Opium ebenso gefährlich wie euphorisierend wirken konnte, und sie diskutierten, ob das Medikament den hohen Preis, den die Patienten zahlten, wert sei.«

Medikamente sind und waren schon immer von enormer Bedeutung für die Menschheit. Sie haben dafür gesorgt, dass wir immer älter werden und nicht mehr wie die Fliegen an Kinderkrankheiten, Infektionen und Verletzungen sterben. Zumindest in den wohlhabenden Ländern der Welt. 15 % der Weltbevölkerung in wohlhabenden Ländern konsumieren etwa 90 % der weltweiten Medikamente. Und das ist richtig, richtig viel. Allein die Pharmabranche in Deutschland setzte 2018 über 41,5 Mrd. Euro um. Der weltweite Umsatz mit Arzneimitteln lag 2018 bei insgesamt etwa 948,7 Mrd. Euro. (Quelle: BPI Pharma-Daten 2019)

Thomas Hager studierte Mikrobiologie und Immunologie. In diesem Buch stellt er die Biographie von 10 Medikamenten vor, die die Geschichte der Medizin verändert haben. Legale, meist verschreibungspflichtige Mittel stehen dabei im Fokus. Gleichzeitig blickt er auf die Entwicklung der Branche, die Medikamente herstellt.

Schon das erste Kapitel fesselte mich. Opium – seine Geschichte, seine Bedeutung, sowohl für die Menschheit als auch für die Wissenschaft. So führt Thomas Hager aus, wie Opium dazu beitrug, dass sich „die Medizin von einer Kunst zu einer Wissenschaft entwickelte“. Alle Arzneimittel haben zwei Gesichter. Sie können viel Gutes tun, aber auch großen Schaden anrichten. Bereits hier, im ersten Kapitel, wird das überdeutlich und man versteht, wie der Titel des Buchs zustande kam.

Und so interessant geht es weiter. Die Entwicklung der Schutzimpfungen schließt sich an und demonstriert, wie im Zusammenhang mit den ersten Pockenschutzimpfungen auch die ersten „klinischen Studien“ durchgeführt wurden. Weiter geht es über das erste Antibiotikum und die ersten Psychopharmaka bis hin zur aktuellen Königsklasse der Medikamente, den „Monoklonaren Antikörpern“.

Wer jetzt fürchtet, beim Lesen von chemischen Formeln erschlagen zu werden, kann sich entspannen. Alles ist sehr leicht und gut verständlich geschrieben, speziell die Ausflüge in die Geschichte habe ich trotz ernster Thematik als unterhaltsam empfunden. Umgekehrt bedeutet dies, dass Leser „vom Fach“ einiges an Tiefe fehlen könnte, die Zielgruppe liegt beim interessierten Laien.

Als solcher bekommt man einiges geboten. Ich fand es faszinierend, wie sich die Medizin wandelte, vom Ausprobieren hin zum gezielten Forschen, und wie oft Zufälle oder Fehler an bedeutenden Entdeckungen beteiligt waren. Auch die kritischen Worte, die der Autor immer wieder findet, gefielen mir sehr. So führt er beispielsweise aus, wie rentabel „Lifestyle Medikamente“ sind und wieso es für Pharmazeuten interessanter ist, Geld in die Entwicklung von Medikamenten gegen die Symptome des Alterns zu stecken als in die Suche nach neuen Antibiotika. Hager hat zwar nicht die Intention, mit der Keule gegen die Pharmabranche auszuteilen (sie leistet schließlich im wahrsten Sinne des Wortes lebensrettende Arbeit), aber manchmal wird die Medizin auch vom Marketing beeinflusst oder der Fortschritt aus Gewinnstreben ausgebremst.

Ein Blick in die Zukunft rundet alles ab. Hier habe ich staunend von der wachsenden Bedeutung von Biologika gelesen und von „digitalen Arzneimitteln“, bei denen z.B. Medikamente über Sensoren mit Computern verbunden werden. Da schwankt man zwischen Faszination und leichtem Grusel. Aber vermutlich werden wir solche Dinge in einigen Jahrzehnten als völlig normal empfinden. Das zeigt die Geschichte, sehr schön demonstriert in diesem Buch.

Fazit: Spannend, lehrreich und kritisch: Dieser leicht zu lesende Streifzug durch die Geschichte der Arzneimittel hat mir sehr gefallen.

Bewertung vom 16.02.2020
Russell, Edward Baron of Liverpool

Geißel der Menschheit


ausgezeichnet

Der Gedanke an Naziverbrechen aus dem 2. Weltkrieg geht meist einher mit dem an die beispiellose Ermordung von Millionen von Juden in Konzentrationslagern. Die Liste der Verbrechen ist jedoch noch weitaus länger.

Der Autor dieses Buchs war Gesandter und Generalanwalt der Britischen Rheinarmee, er gehörte zu den Hauptrechtsberatern während der Kriegsverbrechertribunale nach dem 2. Weltkrieg. Auf der Basis von Augenzeugenberichten, Geheimdokumenten aus Wehrmachtsarchiven und Prozessprotokollen hat er versucht, einen Überblick über die schreckliche Vielfalt deutscher Kriegsverbrechen zu geben. Das Buch erschien 1954, die deutsche Erstveröffentlichung war 1956. Das Vorwort beleuchtet die Zeit nach der Erstveröffentlichung, als es Versuche gab, dieses Buch zu verbieten. Und macht deutlich, warum die jetzt vorliegende Neuauflage zeitgemäß und wichtig ist.

Zugegeben: Wenn man im Geschichtsunterricht aufgepasst hat und nicht mit Scheuklappen durchs Leben läuft, hat man von den aufgelisteten Verbrechen schon gehört. Vielleicht nicht in allen schrecklichen Einzelheiten, aber im Groben schon. Und man ahnt ja auch schon, wenn man das Buch aufschlägt, was einem so begegnen wird. Trotzdem wird man von den Schilderungen und dem unglaublichen Ausmaß erschlagen.

Der Autor geht systematisch vor, beginnt im 1. Kapitel damit, die „Instrumente der Hitlertyrannei“ vorzustellen. Führerkorps, Gestapo, SD und SS – was waren ihre Aufgabenbereiche, wie entstanden diese Organisationen und wie waren sie aufgebaut? Ein Organigramm des Grauens, gewissermaßen.

In der Folge führt er aus, wie durch Verbrechen an der eigenen Bevölkerung, durch Verfolgung, Terror, Folterungen und die Drohung der Konzentrationslager, die Gegner des Regimes vernichtet und damit Hitlers Herrschaft gesichert wurde.

Die Verbrechen im besetzten Europa schließen sich an. Es gibt (natürlich) Kapitel über die Judenvernichtung, über die Versklavung und Verschleppung von Arbeitern aus besetzten Gebieten, über die Ermordung von Geiseln, die Massenhinrichtungen von Zivilisten und die Ermordung und Misshandlung von Kriegsgefangenen. Obwohl die Grausamkeiten für sich sprechen, benennt der Autor rechtliche Grundlagen, Vereinbarungen und Gesetze, wie z.B. die Haager Konvention von 1907 oder die „Zehn Gebote für die Kriegsführung des deutschen Soldaten“. Dabei wird überdeutlich, wie von Anfang an, gezielt und stetig diese Regelungen verletzt wurden. Im Gegenteil wurden mit der sprichwörtlichen „deutschen Gründlichkeit“ verbrecherische Tätigkeiten geregelt und fein säuberlich protokolliert.

All das zu lesen geht richtig an die Nerven. Diese Grausamkeiten, dieses stetige Handeln gegen jede Form von Menschlichkeit – und dann in diesem unfassbaren, noch nie dagewesenen Ausmaß… Es ist sehr, sehr harter Stoff und schwer zu ertragen. Wenn ich dann noch in zitierten Berichten lese, wie man ob seiner Taten auf sich stolz ist und seinen „Mut“ lobt, wird mir schlecht. Ich merke, wie ich nach Worten ringe, um das Gelesene und meine Empfindungen dabei adäquat zu beschreiben. Immer wieder korrigiere ich mich und habe das Gefühl, dass Worte irgendwie nicht ausreichen können.

Im Anhang finden sich die oben erwähnten „Zehn Gebote für die Kriegsführung des deutschen Soldaten“, außerdem ein Namensregister und umfangreiche Anmerkungen. Der Text wird auch durch Fotos ergänzt. Einige von ihnen, wie das vom Cover, haben es ja zu Recht in jedes Geschichtsbuch geschafft.

Fazit: Bitte lesen, auch wenn es schwerfällt! Diese furchtbaren Verbrechen dürfen nie vergessen werden! Wenn von einigen Seiten gefordert wird, dass „jetzt mal Schluss sein muss“, unterstreicht das nur die Gefahr, die auch von den heutigen Nazis ausgeht.

»Nur wenn wir aus der Vergangenheit eine Lehre ziehen, gibt es eine wirkliche Hoffnung für die Zukunft.«

Bewertung vom 07.02.2020
Goga, Susanne

Tod in Blau / Leo Wechsler Bd.2


sehr gut

»Mir scheint, der junge Mann hegte ziemlich eindeutige politische Vorlieben. Fragt sich nur, ob er deswegen im Landwehrkanal gelandet ist.«

Berlin, im September 1922. Kriminalkommissar Leo Wechsler und sein Team können sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen. Gerade versuchen sie noch, den Tod eines jungen Mannes aufzuklären, dessen Leiche aus dem Landwehrkanal gezogen wurde, da grätscht schon der nächste Mordfall rein. Arnold Wegner, ein provokant arbeitender Künstler, liegt tot in seinem Atelier. Gehören die beiden Fälle womöglich zusammen?

Dieser Krimi hat mir sehr gefallen! Der Autorin ist es gelungen, das Bild der damaligen Zeit mit all ihren Kontrasten darzustellen. Luxus, Vergnügen und Kunst auf der einen Seite, große Armut, Not und hungernde Kinder auf der anderen. Während einige Menschen in den schönen Dingen des Lebens schwelgen, leiden andere immer noch unter der düsteren Vergangenheit. Und was sich politisch entwickelte, sollte heute jedem Leser präsent sein.

Interessant sind auch die möglichen Rahmenumstände der Todesfälle. Da gibt es Spuren, die zu einer rechtsextremen Asgard-Gesellschaft führen. Und was Wegner in seinen Kunstwerken zeigt, wäre ein paar Jahre später als „entartet“ bezeichnet worden. Aber bringt man einen Maler wegen seiner Kunst um?

Leo Wechsler hat ordentlich was zu ermitteln. Es gibt ganz unterschiedliche Ansätze und durch einige Nebenstränge tun sich falsche Fährten auf, was ich wirklich unterhaltsam fand. Leider war nicht alles am Ende ganz rund. Das mag gewollt sein, im Leben bleiben ja auch immer wieder Dinge ungeklärt, aber im Buch hätte ich persönlich gerne alle Fragen beantwortet.
Dazwischen gibt es ein bisschen private Nebenhandlung bei Wechsler, von der Menge her genau richtig dosiert. Ich finde es wichtig, dass der Ermittler einem menschlich nah kommt, gleichzeitig diese privaten Aspekte aber nicht dominieren. Im Zentrum sollte die Krimihandlung stehen und das ist hier der Fall.

Fazit: Intelligenter Krimi, eingebettet in ein spannendes und gut getroffenes Bild der damaligen 20er Jahre, die nicht für jeden golden waren. Der Folgeband kommt jetzt auf meine Liste.

Bewertung vom 27.01.2020
Awe, Mareike

Wohlfühlgewicht


ausgezeichnet

Ach ja. Ich gestehe, ich hatte schon eine ordentliche Portion Hoffnung in dieses Buch gesetzt. Vermutlich ging es mir so wie vielen anderen: Man liest von einer neuen Methode und möchte glauben, dass man damit nun endlich einen Weg gefunden hat, sich wieder mit seiner Waage anzufreunden. Die Lektüre begann ich folglich hochmotiviert. Und war schon bald ernüchtert. Mein ganz ehrliches Gefühl? Alles klang wie eins dieser dubiosen Schlankheitspillenangebote, von denen man nur ärmer aber garantiert nicht dünner wird. Große Skepsis machte sich in mir breit!
Da half es auch nicht, dass die Autorin gebetsmühlenartig betonte, dass man ihr vertrauen sollte. Eher befeuerte das mein Misstrauen. Weiter sprach sie von ihrer „Mission“, vielen Menschen zu einem glücklicheren Leben mit Wohlfühlgewicht zu verhelfen. Vertrauen? Mission? Sorry, aber das klingt in meinen Ohren wenig seriös.

Aber nun gut, vielleicht ist das ja auch nur ihre normale Art, sich auszudrücken und ich bekomme alles in den falschen Hals. Außerdem hoffte ich immer noch auf für mich erfolgversprechende Ratschläge. Also las ich weiter und drängte die Skepsis in eine Ecke. Leider blieb sie nicht dort.

Ich will nicht unfair sein: Einiges fand ich richtig gut, einleuchtend und auf jeden Fall wert, ausprobiert zu werden. Dazu gehörten einige Infos über die Vorgänge, die rund um die Themen Ernährung, Hunger und Diäten im Körper ablaufen. Welche Rolle spielen dabei Gehirn und Hormone und welchen Einfluss haben Gefühle und Gedanken auf Erfolg und Wohlbefinden? Dass die innere Einstellung so wichtig ist, war für mich ein hochinteressanter Gedanke und obwohl ich mich mit mentalem Training schwer tue, habe ich mich an einige Übungen gemacht und versuche, sie in meinen Alltag zu integrieren. Seinen Körper mehr wertzuschätzen klingt für mich nach einem guten und erstrebenswerten Ansatz.

Auch, dass man sich bewusst wird, warum man eigentlich isst, erscheint mir gut und wichtig. Was mir aber ganz und gar nicht einleuchtet, ist die praktische Umsetzung der „vier Grundsätze“, die künftig mein Essverhalten in die richtigen Bahnen steuern sollten. Diese Grundsätze passen einfach nicht zu meinem Leben. Ich habe mehrere Tage gegrübelt und nein, ich habe keine Ahnung, wie ich sie in meinen Alltag integrieren soll. Was ich dafür allein schon an Zeit benötigen würde! Aber jegliche Einwände zum Thema Zeitmangel werden von der Autorin abgeschmettert. Es käme „auf das richtige Priorisieren“ an. Sorry, liebe Frau Awe, Sie haben keine Ahnung von meinen Prioritäten und meinen Möglichkeiten! Und es hilft mir auch nicht, wenn Sie betonen, „wie einfach das Essen sein kann“.

Angeblich gibt es praktische Hilfen und Unterstützungen auf der Webseite. Ich habe mich dort umgeschaut, konnte aber nichts entdecken. Zugegeben: Ich habe nicht stundenlang gesucht. Thema Zeitmangel, s.o. Es gibt natürlich den Hinweis auf den kostenfreien Schnupperkurs, aber den zu aktivieren, habe ich mir gespart. Ich habe Zweifel, dass dort wirklich meine Fragen beantwortet würden. Wenn ich nämlich sehe, dass im Zentrum der Seite letztlich der Abschluss eines ordentlich teuren Vertrags steht, dann darf ich wohl den Schnupperkurs als Lockvogelangebot empfinden.

Noch ein Punkt: Ich könnte ja sagen, dass ich mal im Urlaub, wenn ich also nicht von frühmorgens bis zum späten Abend eingespannt bin, den „Grundsätzen“ einen Versuch gönne. Aber die Autorin lässt völlig offen, wann sich erste Erfolge einstellen. Das kann nach Wochen sein oder erst nach Jahren. Und zu Beginn wäre sogar eine Gewichtszunahme möglich. Aber irgendwann würde es ganz sicher klappen. Damit wären wohl alle Optionen abgedeckt.

Fazit: Einige interessante Infos und neue Gedanken. Leider ist für mich das Konzept nicht alltagstauglich und Tipps zur praktischen Umsetzung fehlen bzw. müssen vermutlich teuer erkauft werden.

Bewertung vom 19.01.2020
Nygaard, Hannes

Mordlicht


sehr gut

»Ach du Schreck. Nun sag mir nicht, ihr habt wieder einmal eine Leiche gefunden. Davon will ich nichts wissen. Eure Toten liegen entweder in winterlichen Gräben, fallen vom Himmel oder weisen sonstige Merkwürdigkeiten auf. Wir nehmen nur noch Todesopfer entgegen, die in sauberem Zustand, gewaschen und gebügelt, in einem warmen und klinisch sauberen Raum liegen und während der normalen Dienstzeit an Werktagen gefunden werden. Aber das begreift ihr Schlickrutscher von der Westküste ja nie.«

Klaus Jürgensen vom Erkennungsdienst in Flensburg ahnt Übles. Wenn die Kollegen aus Husum ihn anfordern, ist er nicht selten kurz danach bis auf die Haut durchnässt und steckt mit den Füßen tief im Schlamm. Von ungewöhnlichen Todesarten der Opfer ganz zu schweigen. Auch diesmal wartet wieder Arbeit auf ihn. Obwohl zu Anfang sogar die Leiche fehlt…

Im dritten Band dieser Küstenkrimi-Reihe stehen Christoph Johannes und sein Team von der Kripo in Husum wieder vor einem ordentlich verzwickten Fall. Zwei rätselhafte Morde sind aufzuklären, bei einem davon muss sogar noch die Leiche gefunden werden. Ein Zusammenhang liegt nah, aber wie begründen? Bei der Suche nach Motiv und Täter wird es einige Überraschungen geben.

Neben der gut getroffenen Küsten-Atmosphäre stehen die teils skurrilen Charaktere des Ermittlerteams im Mittelpunkt. Oberkommissar Große Jäger, genannt „das Schnüffelschwein“ ist ein wirkliches Original und wenn Klaus Jürgensen niesend und schimpfend einen Auftritt hat, habe ich jedes Mal großen Spaß. Die Handlung finde ich zwar nicht immer ganz rund, aber der Krimi ist flott zu lesen und hat Unterhaltungswert, auch wegen diverser witziger Dialoge. Band 4 kommt jetzt auf meine Liste.

Fazit: Küsten-Atmosphäre und skurrile Charaktere. Dieser Krimi hat Unterhaltungswert!

»Du solltest die Leute hier an der Küste mit ihrer kriminellen Veranlagung nicht unterschätzen. Was glaubst du, warum dieser Landstrich so dünn besiedelt ist.«

Bewertung vom 19.01.2020
Tenharim, Madarejúwa;Fischermann, Thomas

Der letzte Herr des Waldes


ausgezeichnet

Der junge Krieger Madarejúwa vom Volk der Tenharim lebt noch ganz im Einklang mit der Natur. Er ist erst 19 Jahre alt, aber ein Meister des Überlebens. Und ein Krieger, der bereit ist, für sein bedrohtes Volk zu kämpfen, es mit seinem Leben zu verteidigen.
Thomas Fischermann lebt seit 2013 in Rio de Janeiro und war im Auftrag des ZEIT Magazins unterwegs, um über Zusammenstöße zwischen Holzfällerbanden und Amazonasvölkern zu berichten. Dabei lernte er die Tenharim kennen und durfte Madarejúwa begleiten: Auf die Jagd, zu Exkursionen in alte Dörfer und zu jenen Gegenden des Waldes, die die Tenharim als den Ursprung ihrer Welt ansehen. Dieses Buch ist das Resultat vierjähriger Recherche, vieler und regelmäßiger Reisen durch das Amazonasgebiet und vieler hundert Stunden Gespräche mit Madarejúwa, seinen Häuptlingen und den Alten seines Volkes.

Dieses Buch hat mich von der ersten Seite an fasziniert. Es ist eine völlig fremde Welt, in die ich beim Lesen eintauchen konnte. Ich habe Dinge erfahren, die ich hochinteressant fand, die mich gleichzeitig nachdenklich stimmten und manchmal erschütterten.

Schon die Art des Berichts ist interessant. Meist erzählt Madarejúwa, ein paar Kapitel steuert Thomas Fischermann bei. Dazwischen gibt es einige Geschichten der Tenharim. Mit Hilfe dieser Geschichten geben die Tenharim alte Weisheiten von Generation zu Generation weiter. Sie erzählen sie immer wieder, damit sie nicht in Vergessenheit geraten und stetig aufgefrischt werden. Im Kern geht es dabei um den Umgang mit der Natur, wie man in ihr und mit ihr lebt, sie gleichzeitig nutzt und bewahrt. Man merkt sofort: Obwohl die Tenharim regelmäßig auf die Jagd gehen, würde durch sie keine Tierart bedroht werden. Im Buch wird das sehr treffend als „Gebrauchsanweisung für den Regenwald“ bezeichnet.

Madarejúwa hat eine einfache und direkte Art zu erzählen. Sein Volk gehört nicht zu den „unkontaktierten“, die es immer noch gibt und zu denen auch eine Gruppe der Tenharim gehört. Madarejúwa kennt zwei Welten. Er weiß um die Existenz von Facebook und Internet, er besitzt ein Handy und einen Motorroller und er schaut mit Interesse fern, um sich die Welt „da draußen“ anzusehen. Ich hatte den Eindruck, dass er ein sehr intelligenter junger Mann ist, der versucht, sich mit seiner Lebenssituation zu arrangieren und das Beste aus allen Gegebenheiten zu machen. Nur hat halt alles seine Grenzen.
Die heimische Natur verleiht ihm seine Identität, seine Kultur ist ihm wichtiger als die der Weißen. Von denen er sein Volk bedroht sieht.

In eindringlichen Worten berichtet er über die Zerstörung seines Lebensraums. Über die Weißen, die »eine Straße durch unser Land gebaut haben, über die Gräber unserer Toten hinweg. Jetzt dringen sie wieder ein und fällen die Bäume. Sie quälen die Tiere und schürfen im Boden nach Metall.« Er erzählt von zerstörten Dörfern, von eingeschleppten Krankheiten, an denen viele Mitglieder seines Volkes starben. Sein Volk umfasste einmal mehr als 10.000 Menschen, von denen nur noch knapp ein Zehntel übriggeblieben ist. Seine Erzählung ist natürlich subjektiv, zudem ist er noch jung und vieles hat er nicht selber erlebt, sondern weiß es zum Beispiel aus den Erinnerungen seines Großvaters. Thomas Fischermann sprach daher auch mit der Gegenseite, also beispielsweise den Holzfällern und fand leider die Bedrohung der Tenharim und der sie umgebenden Natur bestätigt. Und er fasst es mit den einfachen Worten zusammen: »Wenn dieses Stück Natur stirbt, sterben auch die Tenharim.«

Die Berichte werden ergänzt durch einen Mittelteil mit Farbfotos und einige informative Karten. So wird dieses Buch zu einem eindringlichen Appell. Die Natur im Amazonasgebiet ist wunderschön und faszinierend. Ganz dringend muss sie bewahrt werden, zumal in Zeiten des Klimawandels die Existenz großer Waldgebiete nicht nur für die dort lebenden Völker, sondern für die ganze Menschheit eine Überlebensfrage ist. Und die Kultur der Tenharim ist eine höchst wertvolle, v

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.01.2020
Ribeiro, Gil

Lost in Fuseta / Leander Lost Bd.1


ausgezeichnet

»Schön, dass Sie wieder an Bord sind, Senhor Lost.«
»Das freut mich auch. Ich freue mich auf meinen Aufenthalt in Portugal. Auch, wenn es arm ist und manchmal etwas vernachlässigt wirkt – die Zahl der Analphabeten nicht zu vergessen -, hat es doch … einen Zauber.«

Ein Austauschprogramm verschlägt Leander Lost, einen Kriminalkommissar aus Hamburg, in ein kleines Nest an der Algarve. Seine neuen Kollegen merken schnell, dass mit dem Alemão irgendetwas anders ist. Tatsächlich hat Lost bemerkenswerte Fähigkeiten wie zum Beispiel ein fotographisches Gedächtnis und nach wenigen Wochen Sprachkurs spricht er fließend Portugiesisch. Doch der Umgang mit ihm ist nicht immer einfach… Zudem wartet schon auf dem Rückweg vom Flughafen der erste Fall auf das neue Team. Ein Privatdetektiv wurde ermordet und schon bald werden die Ermittlungen enorme Kreise ziehen.

Ich war neugierig auf diesen ersten Band der Reihe um Leander Lost, ungewöhnliche Ermittler reizen mich immer. Schon nach wenigen Seiten war ich begeistert und zu meiner Freude konnte ich das bis zum Ende beibehalten. Es stimmte wirklich alles. Neben der faszinierenden Figur des Protagonisten sind auch seine Kollegen interessante Charaktere, die zusammen ein tolles, sich ergänzendes und gleichzeitig reibendes Team bilden. Weitere sympathische Nebencharaktere kommen noch hinzu, bei einem jungen Mädchen hoffe ich sehr, dass sie in den folgenden Bänden ebenfalls auftauchen wird.

Der Fall selbst ist thematisch ungewöhnlich, verzwickt und spannend. Schon früh hatte ich das Gefühl, dass noch viel mehr dahintersteckt und rätselte über verschiedene Möglichkeiten. Die Auflösung gestaltete sich schlüssig und überraschend zugleich. Sehr schön war es auch zu beobachten, wie sich das Team zusammenrauft. Dazu die Beschreibungen der portugiesischen Landschaft, von Häusern, kleinen Straßen, Menschen, gutem Essen… da kommt gleich noch Fernweh auf. Diese Reihe werde ich auf jeden Fall weiterverfolgen.

Fazit: Tolle Kulissen, ein ungewöhnlicher Fall und ein faszinierender Ermittler. Dieser erste Trip nach Portugal hat mir sehr gefallen und ich werde mich gleich nach dem Folgeband umschauen.

Bewertung vom 05.01.2020
Burnett, Frances Hodgson

Der kleine Lord


ausgezeichnet

»Der feierliche Diener hätte fast seine Stellung und seinen Ruf durch ein unziemliches Lächeln aufs Spiel gesetzt. Es war ein sehr vornehmer Diener, der immer nur in aristokratischen Diensten gestanden hatte und sich vollständig entwürdigt und entehrt gefühlt haben würde, wenn er sich etwas so Unverzeihliches gestattet hätte, wie ein Lächeln in Gegenwart der Herrschaft. Diesmal aber war die Gefahr groß gewesen, und er konnte sich nur dadurch retten, dass er über seines Herrn Schulter hinweg unverwandt auf ein besonders hässliches Bild hinstarrte.«

Die Probleme des Dieners kann man leicht nachvollziehen. Der kleine Lord begegnet seinem Großvater mit solch herzlicher Offenheit und Liebenswürdigkeit, dass der alte Griesgram, der es gewohnt ist, dass die Menschen vor ihm zittern, entwaffnet wirkt.

Die Geschichte von dem kleinen Jungen aus ärmlichen Verhältnissen, der überraschend damit konfrontiert wird, dass er der einzige Erbe eines reichen englischen Adligen ist, der ihn zwecks vermeintlich notwendiger Charakterbildung in sein Haus holt, ist schon vielen Menschen ans Herz gegangen. Alle Jahre wieder läuft im Fernsehen eine der Verfilmungen und gefühlt hat bereits jeder, den ich kenne, den Film gesehen. Das habe ich zwar immer noch nicht geschafft, aber dafür das Buch gelesen und damit eine Bildungslücke geschlossen.

In die Sprache musste ich mich kurz reinfinden, schließlich wurde das Werk im 19. Jahrhundert geschrieben, die Sätze sind lang und das Vokabular der Zeit entsprechend. Das sorgt aber gleichzeitig dafür, dass man beim Lesen umso leichter in die Geschichte eintaucht.

Neben dem Großvater-Enkel-Verhältnis spielen durchgehend die drastischen Unterschiede zwischen Arm und Reich eine Rolle, ebenso Standesdünkel und Vorurteile. Und mittendrin ein kleiner Junge, der allen Erwachsenen um ihn herum klarmacht, auf welche Werte im Leben es wirklich ankommt. Das und die große Schlussharmonie sind vermutlich die Gründe, weshalb der Film regelmäßig zu Weihnachten im Fernsehen läuft. Denn eigentlich kommt das Fest im Buch nicht vor, so dass sich jeder, der Interesse an einem Klassiker hat, diesen auch zu allen anderen Zeiten vornehmen kann. Und wie das Eingangszitat zeigt, gibt es auch immer wieder Grund zum Schmunzeln.

Fazit: Ein kleiner Junge zeigt allen, welche Werte wirklich zählen. Ein Klassiker, der eigentlich nichts mit der Weihnachtszeit zu tun hat und daher jederzeit gelesen werden kann.

Bewertung vom 05.01.2020
Siers, Sophie

Hallo Donald Trump


ausgezeichnet

»Hallo Donald Trump, ich wohne mit meiner Familie in Deutschland und schreibe dir heute diesen Brief, weil ich mein Zimmer mit meinem großen Bruder teilen muss. Leider. Denn mein Bruder nervt! Er entspricht ziemlich genau deiner Beschreibung von einer unerwünschten Person.«

Sam hat ein Problem, das sicher vielen bekannt vorkommen wird, die sich ein Kinderzimmer teilen müssen. Eines Abends sieht er in den Nachrichten, wie Donald Trump als Problemlösung eine Mauer bauen will. Eine tolle Idee, findet Sam. Und da er in seinem Umfeld auf wenig Begeisterung stößt, schreibt er an den vermeintlichen Leidensgenossen in Amerika. Vielleicht kann man sich ja gegenseitig helfen?

Die Idee dieses Buchs fand ich einfach klasse. Mit den Augen eines Kindes geht Sam an das Thema „Grenzkonflikte“ heran. Sein Bruder nervt und über die Lösung einer Mauer quer durchs Kinderzimmer schmunzelt man als Erwachsener natürlich, aber Sam meint es völlig ernst. Während er versucht, seine Eltern von den notwendigen Schritten zu überzeugen, beschäftigt er sich intensiver mit dem Thema und erkennt am Ende, dass es doch weitaus bessere Wege gibt, um den Frieden im Kinderzimmer wiederherzustellen.

Das ganze Buch besteht aus Briefen von Sam an Donald Trump. In diesen berichtet er ihm über seine Gedanken und Erlebnisse. Natürlich erhält er keine Antwort, auf den witzigen Illustrationen sieht man aber jedes Mal, wie ein Bote versucht, dem Empfänger seinen Brief zuzustellen. Natürlich ist es eine Utopie, dass der aktuelle Präsident der USA versuchen würde, Konflikte durch vernünftige Gespräche zu lösen, da ist ihm Sam eindeutig voraus - aber eine witzige Vorstellung ist es allemal.

Fazit: Kinder können eben Dinge, die Donald Trump nicht kann. Ein durchaus ernstes Thema, witzig umgesetzt.

Bewertung vom 05.01.2020
Jänicke, Gerlinde;Fitzek, Sebastian

Die Geschichte vom traurigen Weihnachtsbaum


sehr gut

»Hier wünsche ich mir einen kleinen Engel hin, ganz aus Zucker und bunten Perlen!«

Der kleine Tannenbaum freut sich so sehr auf das anstehende Weihnachtsfest! Ganz sicher, so meint er, käme bald eine nette Familie, um ihn abzuholen und zu schmücken. Aber das Bäumchen ist wirklich sehr klein und außerdem etwas krumm und ein Tag nach dem anderen vergeht, ohne dass sich der Traum des Bäumchens erfüllt. Als wäre das noch nicht schlimm genug, lachen es die großen Bäume aus und hänseln es. Doch dann kommt Heiligabend…

Ganz, ganz selten kommt es vor, dass ich ein Buch lesen will, weil ich das Cover gesehen habe. Bei diesem Buch geschah genau das. Der kleine traurige Baum auf dem Cover ging mir unmittelbar ans Herz und ich musste seine Geschichte lesen, es ging nicht anders. Hätte auch schiefgehen können, ist es aber nicht.

Der zauberhafte erste Eindruck zieht sich durch das ganze Buch. Auf jeder Seite findet sich eine liebenswert witzige Illustration, die den Text wiederspiegelt. Dieser hat, ganz weihnachtlich harmonisch, ein gutes Ende und darüber hinaus wichtige Botschaften: Beurteilt jemanden nicht nach dem ersten, äußeren Eindruck. Seid nicht überheblich gegenüber Schwächeren. Und gebt nicht die Hoffnung auf, wenn es mal nicht gut läuft.

Leider habe ich auch einen kleinen Kritikpunkt. An ein paar Stellen passt der Text nicht genau zum Bild, gibt es farbliche Abweichungen. Da wird beschrieben, dass der Weihnachtsbaumverkäufer eine dicke rote Jacke tragen würde und auf dem Kopf ein grauer Hut sitzen würde. Tatsächlich ist die Jacke aber blau und der Hut beigebraun. Im Gegensatz zu seinem Auto, das laut Text braun sein sollte, aber tatsächlich rot ist. Sind Kleinigkeiten, aber ich bin mir sicher, dass sich meine Kinder beim Vorlesen darüber beschwert hätten.

Fazit: Ganz zauberhafte weihnachtliche Geschichte, mit positiver Botschaft und liebenswerten Bildern.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.