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meerblick

Bewertungen

Insgesamt 415 Bewertungen
Bewertung vom 06.06.2024
Saller, Tom

Ich bin Anna (eBook, ePUB)


sehr gut

Einblicke in das Leben von Anna und Siegmund Freund

Anna ist die Letztgeborene der insgesamt sechs Kinder im Hause Freud. Sie blickt auf ihr Leben zurück als ihr eine Todesanzeige eines Menschen zugestellt wird, mit dem sie ein zwiegespaltenes Verhältnis verband. Sowohl der Begründer der Psychoanalyse als auch Anna selbst erzählen aus ihrem Leben, ihrem beruflichen Werdegang und der Arbeit mit dem Patienten Ludwig Stadlober. Das Vermächtnis seiner Arbeit, die im Kollegenkreis nicht ganz unumstritten ist, möchte Freud unbedingt weitergeben. Und Anna scheint die Richtige zu sein.
Es ist ein Roman, der Einblicke in die Anfänge der Analyse des menschlichen Unterbewusstseins liefert. Tom Saller, selbst vom Fach, schildert mit viel Einfühlungsvermögen und sprachlich gewandt von Annas Selbstfindung, ihrer Entwicklung von der ewig Kränkelnden zur selbstbewussten, starken Frau.

Bewertung vom 05.06.2024
Riedel, Susanne M.

Lebensmitteallergie


ausgezeichnet

Mit Humor dem Alltag begegnen

Wenn man einfach mal das Mobile aus der Hand legt, es in der Tasche liegen lässt, gibt es jede Menge zu sehen, was so alles um uns herum geschieht. Man glaubt es kaum, aber das Leben selbst schreibt unfassbare, schräge, lustige, großartige Geschichten, die entdeckt werden wollen und das jeden Tag aufs Neue.
Susanne M. Riedel ist eine aufmerksame Beobachterin, die kleine Alltagserlebnisse in großartige Geschichten mit Wortwitz verpackt und in ihrem Buch -Lebensmitteallergie- präsentiert. Achtung kleine Stolperfalle: Lebensmitteallergie wird nur mit zwei "l" geschrieben! Sie selbst nimmt sich nicht so wichtig und begegnet Situationen oder Gesprächen, die die Zornesfalten schon mal wachsen lassen könnten mit einer großen Portion Humor. Warum eigentlich nicht? Gestalte ich meinen Tag nicht auch ein wenig glücklicher, entspannter, indem ich der Gelassenheit einfach mehr Raum gebe? Die kleinen Erzählungen zeigen wie es funktioniert.

Bewertung vom 04.06.2024
Thalberg, Beate

Die Doppelte Frau


sehr gut

Spannungsgeladener Roman

Die Film- und Theaterregisseurin Beate Thalberg liefert mit 'Die doppelte Frau' ihren Romandebüt. Gekonnt werden in der Geschichte historisch belegte Tatsachen mit fiktionalen Begebenheiten gemischt, packend erzählt und durch szenische Fotografien aber auch mit Graphic-Novel-Bausteinen bereichert.
Der Plot spielt im Jahre 1946 in Salzburg. Die Protagonistin Betty Steinhardt führte das Fotoatelier des nach Kanada ausgewanderten Carl Ellinger und fotografierte in der NS-Zeit die Stars der Salzburger Festspiele. Eben diese Fotografien geben Rätsel auf und sorgen für großes Unbehagen. Untergetauchte Nazis mit ihrem Schwarzmarktgeschäften bringen weitere spannungsgeladene Momente ins Spiel.
Dieses Buch ist eine Empfehlung für alle Fans von 'Der dritte Mann'.

Bewertung vom 03.06.2024
Nugent, Liz

Seltsame Sally Diamond (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Verstörende Opfer – Täter Beziehungen

Liz Nugent schenkt den Lesenden mit ihrem Roman 'Seltsame Sally Diamond' eine Geschichte in einem äußerst ungewöhnlichen, ausgefallenen Format. Bestechend ist dabei die sensible Darstellung der Protagonisten, die in ihrem sozialen Umfeld über eine weitreichende Zeitspanne erfasst und beschrieben werden. Man taucht tief in die Gefühlswelten von Opfer und Täter ein, kann Verständnis für Verhaltensweisen aufbauen und die Absurdität menschlicher Charaktere nachvollziehen. Es ist eine unfassbar bewegende Reise in die verwirrende Gedankenwelt eines Menschen, der seltsamen, oft sehr distanziert wirkenden, Sally Diamond, die versucht ihren Weg in der sie umgebenden Gesellschaft zu finden, um die grausame Vergangenheit zu überwinden. Doch wieviel Hilfe kann die Wissenschaft der modernen Psychologie tatsächlich leisten, um gestörte Verhaltensmuster in angepasste Lebensqualität zu wandeln? Was tut der menschlichen Psyche an Veränderung tatsächlich gut und was sollte die Gesellschaft an seltsamen Verhalten tolerant annehmen?
Diesem Roman möchte ich meine Leseempfehlung aussprechen. Er ist warmherzig und gleichzeitig realitätsnah, regt an zum Nachdenken, eröffnet neue Perspektiven.

Bewertung vom 29.05.2024
Hamberg, Emma

Bonjour Agneta / Neuanfang auf Französisch Bd.1


ausgezeichnet

Wunderschöne Lavendelfrau

Wie tief ist das Selbstwertgefühl gesunken, wenn man sich als durchsichtig bezeichnet, als nicht wahrgenommen als Persönlichkeit von der Familie, vom Kollegenkreis? Agneta ist neunundvierzig Jahre alt und befindet sich permanent im Selbstzweifel, obwohl doch eigentlich alles perfekt zu sein scheint. Das Reihenhaus lässt keine Wünsche offen, Magnus, ihr Ehemann ist gebildet, versorgt die Familie ausreichend mit Geld, die Kinder sind aus dem Haus und leben ihr eigenes Leben. Dennoch läuft grundlegend etwas schief für Agneta, denn ihr Mann ist nur mit sich und seiner übertrieben gesunden Lebensweise beschäftigt oder mit seinem Hobby. Beide Interessen kann und möchte Agneta nicht teilen. Für ihre Kinder ist sie die zentrale Anlaufstelle in Geldnöten und auch mit ihren selbstbezogenen Eltern findet sie keinen gemeinsamen Nenner. Ihr Alltag mit all seinen Regeln und Verboten wird ihr zu eng und so bricht sie aus, geht als Au-Pair in die Provence, um sich von all den einengenden Zwängen zu befreien.
'Bonjour Agneta' ist ein hinreißend empathischer Roman aus der Feder der schwedischen Autorin Emma Hamberg. Er besticht durch seine Klarheit in der Darstellung und Entwicklung der Charaktere. Er greift Themen wie Demenz und Homosexualität von einer unkonventionellen Seite auf. Der Humor kommt bei aller Tragik nicht zu kurz. Ich freue mich jetzt schon auf die geplante Fortsetzung der Geschichte von der zauberhaften Lavendelfrau Agneta.

Bewertung vom 21.05.2024
Granados, Marlowe

Happy Hour (eBook, ePUB)


gut

New York zwischen Spaß und Überlebenskampf

Die beiden Freundinnen Isa und Gala sind Anfang zwanzig und wollen eine Zeit lang Spaß haben in der Glamourwelt New Yorks. So verlegen sie kurzerhand ihren Aufenthaltsort von London in die Stadt, die niemals schläft, wohnen zur sündhaft teuren Miete in einer WG und halten sich mit Flohmarktverkäufen und Gelegenheitsshops leidlich über Wasser. Ihr Aussehen gepaart mit weiblichem Geschick verschafft ihnen den Zugang zu angesagten Partys, auf denen immer genug Drinks und mitunter auch kleine Häppchen spendiert werden.
Die Autorin Marlowe Granados lässt die Protagonistin Isa in ihrem Debütroman 'Happy Hour' in einer Form von Tagebuch über die Ereignisse erzählen. Der Schreibstil ist modern und angenehm zu lesen. Doch der Spannungsbogen flacht schnell ab, erreicht kein interessantes Level. Sozialkritische Themen werden oberflächlich behandelt und die Geschichte geht wenig in die Tiefe. Es ist ein locker geschriebener Sommerroman.

Bewertung vom 21.05.2024
Léost, Claire

Der Sommer, in dem alles begann


sehr gut

Dramatische Ereignisse in der Bretagne

Drei Frauen sind auf der Suche nach unterschiedlichen Dingen im Leben. Während Héléne, gerade sechzehnjährig, ihre erste Liebe erlebt, begegnet ihr die Literaturprofessorin Marguerite, die mit ihrem Mann, dem Bestsellerautoren, aus dem mondänen Paris in die Abgeschiedenheit eines bretonischen Dorfes gezogen ist. Das Zentrum jeglicher Kommunikation ist ein Krämerladen, in dem die Witwe Tanguy herrscht. Dort werden die Meinungen gebildet, Klatsch und Tratsch verbreitet. In der um kulturelle Unabhängigkeit kämpfenden Region ist die gebildete und modisch gekleidete Marguerite ein Dorn im Auge der Ortsansässigen. Besonders die Witwe schürt böses Blut. Während Héléne sich mehr und mehr emanzipiert, ist ihre Lehrerin für Literatur auf der Suche nach ihren familiären Wurzeln, wohingegen die Witwe Tanguy eine tiefe seelische Wunde in sich trägt, die sie verdrängt.
Das Schicksal der drei Frauen beschreibt Claire Léost in ihrem Roman 'Der Sommer, in dem alles begann' eindrucksvoll und sensibel. Die Charaktere werden mit fortschreitender Geschichte in einer Tiefe herausgearbeitet, die ihnen eine glaubwürdige Lebendigkeit verleihen. Pittoreske Landschaftsbeschreibungen erzählen von der herben Schönheit der Wälder mit ihren schroffen, bewachsenen Steinriesen. Es ist ein Roman mit Sogwirkung, der sich nach den dramatischen einleitenden Ereignissen nach und nach aufbaut und ungeahnte Wendungen hervorzaubert.

Bewertung vom 21.05.2024
Millner, Maggie

Paare


sehr gut

Der etwas andere Roman

Der Roman 'Paare' von Maggi Millner ist anders in seiner Art. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er abweicht vom konventionellen Schreibstil und stetig zwischen Lyrik und Prosa wechselt. Das macht ihn interessant und zu einem Leseerlebnis, besonders in der für mich gelungenen Übersetzung in die deutsche Sprache von Eva Bonné.
Die Liebesgeschichte einer jungen Frau gestaltet sich zu einer Selbstfindungsphase, wechselnder Anziehung zwischen den Geschlechtern mit Erfahrungen, die sie prägen. Die Beschreibung aufkommender Emotionen ist sensibel, äußerst einfühlsam.
Man muss sich einlassen auf etwas Ungewohntes und erhält ein besonderes Geschenk.
Meine Leseempfehlung bekommt dieses Buch.

Bewertung vom 21.05.2024
Heidenreich, Elke

Altern (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die schönen Seiten des Lebens sehen und genießen

In ihrem neusten Essay 'Altern' setzt sich Elke Heidenreich damit auseinander wie die Zeit verstreicht und auf einmal sind sie da die kleinen Zipperlein, aber gleichzeitig verfügt man auch über einen unendlich wertvollen Erfahrungsschatz aus einem langen, gut gelebten Leben. Sie packt das Alter von seiner schönen Seite, versagt sich dem ewigen Gejammer, zeigt, dass eine sinnvolle Beschäftigung immer hilfreich ist. Sie bezieht sich auf zahlreiche Auszüge aus der modernen Literatur oder den Klassikern, die als Denkanstöße gesehen werden können. Wie immer bleibt sie streitbar in ihren Ansichten und fordert damit auf, sich auseinander zu setzen mit den Themen der Zeit trotz oder gerade wegen des fortgeschrittenen Alters und sich niemals als abgeschrieben aufzugeben.
Ich gebe diesem Buch meine Leseempfehlung.

4 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.05.2024
Tóibín, Colm

Long Island


ausgezeichnet

Komplizierte Liebesbeziehungen

Dieser Roman 'Long Island' von Colm Tòibin ist bemerkenswert scharfsinnig und gleichzeitig fein abgestimmt in seiner Darstellung der Charaktere. Er lebt von den deutlich herausgearbeiteten abwägenden Überlegungen der Protagonisten, die den Leser Entscheidungen oder zögerliche Handlungen erklären. Die detaillierte auf den Punkt gebrachten Beschreibungen menschlicher Stärken und Schwächen erfordern einen geschulten Blick auf menschliche Eigenschaften, die der Schriftsteller einzigartig umsetzt. Man fühlt sich integriert in die Geschichte, kann die Handlungsweisen nachvollziehen, ohne vielleicht immer das notwendige Verständnis aufzubringen.
Nach zwanzig Jahren kehrt Eilis Lacey zurück in ihre irische Heimat. Sie flüchtet vor ihrem Ehemann und seiner Entscheidung, die sie einfach nicht tolerieren kann. Zu Hause in Irland trifft sie auf Jim Farrell, den Barbesitzer. Beide verband einst eine romantische Beziehung. Und wieder knistert es zwischen Beiden. Doch Jim hat ein Verlobungsversprechen gegenüber einer anderen Frau abgegeben. Eilis und Jim sind nicht in der Lage, sich gegenseitig zu öffnen, ihre Gefühle für einander zum Ausdruck zu bringen.
Meisterhaft, sprachlich gewandt knüpft Colm Tòibin an seinen Roman 'Brooklyn', die Vorgeschichte zu 'Long Island', an und lässt das Ende zur Freude der Leserschaft offen, denn damit kann auf eine Fortsetzung der fesselnden Geschichte gehofft werden.
Meine Leseempfehlung gebe ich diesem hervorragenden Roman.