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Raumzeitreisender
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 785 Bewertungen
Bewertung vom 05.01.2018
Eschbach, Andreas

Eine Billion Dollar


sehr gut

Kann Geld die Zukunft der Menschheit retten?

Welche Möglichkeiten die Welt zu verändern hat ein in Wirtschaftsfragen unerfahrener Mensch, wenn er unerwartet ein riesiges Vermögen erbt? In dieser Situation befindet sich der New Yorker Pizza-Bote John Salvatore Fontanelli. Er erbt im Jahre 1995 aufgrund eines 500 Jahre alten Testaments die unglaubliche Summe von einer Billion Dollar. Das Erbe ist mit einer Prophezeiung verknüpft. Fontanelli solle der Menschheit die verlorene Zukunft wiedergeben.

Andreas Eschbach erweist sich als kreativer Autor, der nicht nur in der Lage ist, originelle Ideen zu entwickeln, sondern es auch versteht, diese in einen realitätsnahen Handlungsrahmen einzubetten. Dabei glänzt er mit Fachwissen zu Wirtschafts- und Finanzfragen. Insofern handelt es sich nicht nur um einen spannenden, sondern auch um einen lehrreichen Roman. Eschbach konstruiert eine fiktive Welt, in der reale Personen und Firmen vorkommen.

„Kein Staat und keine Gesellschaft hat ein Interesse an einer finanziell unabhängigen Bevölkerung.“ (311) „Im wirklichen Leben zählen nur Nahrungsmittel und Energie.“ (348) „Man droht nicht. Man sorgt nur dafür, dass dem anderen klar ist, was man tun könnte, und dann sagt man, was man von ihm will. Das genügt schon.“ (349) Der Roman ist mit Weisheiten gespickt. Die Leser lernen einiges über die Wirtschafts- und Finanzwelt, über Machtstrukturen und über die Motivation der Wirtschaftsführer.

Eschbach skizziert ausführlich die Veränderungen im persönlichen Umfeld Fontanellis, die der Reichtum mit sich bringt und betont charakterliche und gesellschaftliche Gegensätze. Das gilt im privaten Umfeld für die Beziehungen zur Familie und zu ehemaligen Freunden und im geschäftlichen Umfeld für das Verhältnis zu seinem dynamischen Geschäftsführer Malcom McCaine. Fontanellis Erfahrungen in den Armenvierteln von Mexico City öffnen ihm die Augen.

Protagonist Fontanelli wirkt gegenüber dem energiegeladenen McCaine und auch gegenüber den prinzipientreuen Rechtsanwälten der Familie Vacchi farb- und kraftlos. Er ist ein Getriebener, der große Mühe hat, seinen eigenen Weg zu finden. Wie kann die Zukunft für die Menschheit aussehen? Lässt sich diese berechnen? Aufschlussreich sind die Computersimulationen von Professor Collins. (649) Im Roman werden nicht alle Fragen beantwortet. Das kann den Leser ärgern oder auch als Hinweis auf eine offene Zukunft interpretiert werden.

Bewertung vom 04.01.2018
Law, Stephen

Philosophie - Abenteuer Denken


ausgezeichnet

Die Entscheidung liegt bei dir

Seit dem Erfolg von „Sofies Welt“ Anfang der 1990er Jahre haben leicht verständliche Bücher über philosophische Themen Hochkonjunktur. „Philosophie – Abenteuer Denken“ von dem englischen Philosophiedozenten Stephen Law ist ein solches Buch. Es ist thematisch und stilistisch so aufgebaut, dass insbesondere jugendliche Leserinnen und Leser angesprochen werden.

Während Jostein Gaarder sich ausführlich mit der Geschichte der Philosophie auseinandergesetzt hat, stehen bei Stephen Law zeitlose philosophische Fragen im Mittelpunkt, die er in einem aktuellen Kontext behandelt. So kommt im Hinblick auf die Computersimulation „Matrix“ das Thema „Realität“ nicht zu kurz. Hierzu gehören die Kapitel „Was ist real?“ und „Woher wissen wir, dass die Welt nicht virtuell ist?“, in denen zahlreiche spannende Gedankenexperimente beschrieben werden.

Die Phänomene „Ich“, „Geist“, „Moral“ und „Gott“ untersucht Law mit dem Ziel, die unterschiedlichen philosophischen Standpunkte zu verdeutlichen. Er baut Argumentationsketten auf, stellt diese gegenüber und möchte nach eigenem Verständnis dazu anregen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Diesem Anspruch wird er gerecht.

Bewertung vom 03.01.2018
Watzlawick, Paul; Beavin, Janet H.; Jackson, Don D.

Menschliche Kommunikation


ausgezeichnet

„Man kann nicht nicht kommunizieren“

Mit diesem Buch leistet Paul Watzlawick einen Beitrag zur kommunikationstheoretischen Forschung. In der Einleitung wird seine Motivation deutlich: „… offensichtlich ist, dass der Mensch von den ersten Tagen seines Lebens an die Regeln der Kommunikation zu erlernen beginnt, obwohl diese Regeln selbst, … ,ihm kaum jemals bewusst werden.“ Watzlawick definiert fünf pragmatische Axiome der Kommunikation. Er sucht bewusst den Bezug zur Mathematik, wenngleich einleuchtend ist, dass die Strenge der Mathematik in der Kommunikation nicht gelten kann. Daher spricht Watzlawick auch von „versuchsweise getroffenen Formulierungen“.

Im dritten Kapitel behandelt Watzlawick Störungen der menschlichen Kommunikation im Hinblick auf die fünf zugrunde liegenden Axiome. Er erläutert Beispiele aus Therapiesitzungen. So sind z.B. Eskalationen in symmetrischen Beziehungen möglich, weil Gleichheit subjektiv anders wahrgenommen wird. Hoimar von Ditfurth hat einst in „So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen“ die Rüstungsspirale auf diese Weise erklärt. Ein ununterbrochener Austausch von Mitteilungen kann zu selbsterfüllenden Prophezeiungen führen. Sobald ein bestimmtes Verhalten vom Gesprächspartner erwartet wird, erzwingt man durch eigenes Verhalten genau dieses Verhalten.

Ein Highlight bei Watzlawick ist die paradoxe Kommunikation im sechsten Kapitel. Hierzu gehören z.B. die „Sei spontan! - Paradoxie“ oder die „unerwartete Schulprüfung des Schulleiters“. Das Widersprüchliche ist bei Watzlawick oft schon in den Buchtiteln vorhanden. Er strukturiert Paradoxa und erläutert deren Grundlagen. Wer sich umfassend über Paradoxa und Gödels Unvollständigkeitssätze informieren will, greift auf „Gödel Escher Bach“ zurück, ein Buch aus dem Jahre 1979.

„Menschliche Kommunikation“ ist mehr ein wissenschaftliches und weniger ein unterhaltsames Werk wie z.B. „Anleitung zum Unglücklichsein“ oder „Vom Unsinn des Sinns oder Vom Sinn des Unsinns“. Das Buch stammt aus dem Jahr 1969, wurde viel kritisiert, aber auch sehr oft zitiert. Es handelt sich um ein Basiswerk, auf dessen Inhalt Watzlawick in anderen Büchern Bezug nimmt. In einer Besprechung kann nur ein kleiner Eindruck von diesem umfassenden Buch vermittelt werden. An Paul Watzlawick kommt nicht vorbei, wer sich mit Kommunikationswissenschaft beschäftigt. Man kennt ihn, man schätzt ihn, man zitiert ihn.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.01.2018
Watzlawick, Paul

Wie wirklich ist die Wirklichkeit?


ausgezeichnet

Kommunikationsforschung und subjektive Wirklichkeiten

Bei diesem Buch handelt es sich um einen Klassiker zum Thema Konstruktivismus. Watzlawicks These: Wirklichkeit ist nicht objektiv, sondern wird von Subjekten interpretiert. In diesem Sinne gibt es nicht „die“ Wirklichkeit, sondern so viele Wirklichkeiten, wie es Subjekte gibt.

Das Buch gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil geht es um Kommunikationsstörungen, die es selbst bei Bienen unterschiedlicher Herkunft gibt. Echte Konfusion entsteht bei Paradoxien, da die Verwirrung systemimmanent ist und nicht beseitigt werden kann. Paradoxa gehören zu Watzlawicks Lieblingsthemen, wie man nicht nur seinen Büchern, sondern oft schon den Titeln seiner Bücher entnehmen kann.

Im zweiten Teil stellt Watzlawick Experimente und Fallbeispiele vor, in denen es um die Beeinflussung der zwischenmenschlichen Wirklichkeit geht. Die Experimente unterstreichen, dass Menschen dazu neigen, eine Ordnung im Ablauf von Geschehnissen zu suchen, um anschließend aufgrund selektiver Wahrnehmung diese Ordnung stets bestätigt zu sehen.

Schwierig wird es, wenn es an Verständigungsmöglichkeiten mangelt. Das ist Thema des dritten Teils des Buchs. Watzlawick beschreibt hierzu Versuche mit Affen und Delphinen. Da die Erlebniswelten sich extrem unterscheiden, stößt man hier an Grenzen der Kommunikationsmöglichkeiten. Ausführlich beschäftigt sich der Autor mit der Frage, wie man mit Außerirdischen kommunizieren könnte.

Paul Watzlawick wird seiner Ankündigung im Vorwort gerecht und schreibt unterhaltsam und humorvoll. Er legt eine große Anzahl an Beispielen vor, um gemeinsame Strukturen herauszuarbeiten. Watzlawick entlarvt den Glauben, dass die eigene Sicht der Wirklichkeit die Wirklichkeit schlechthin bedeute, als gefährliche Wahnidee. Damit handelt es sich um ein Aufklärungsbuch für alle Menschen, die immer schnell eine Erklärung parat haben.

Bewertung vom 24.12.2017
Bergmann, Emanuel

Der Trick


gut

Lebensgeschichten voller magischer Momente

Kurz nach dem Ersten Weltkrieg, im Jahre 1919, wird Mosche Goldenhirsch in Prag geboren. Er ist der Sohn des Rabbiners Laibl Goldenhirsch und seiner Ehefrau Rifka. Familiäre Konflikte führen dazu, dass er im Alter von 15 Jahren von zu Hause abhaut und sich einem Zirkus anschließt. Dort lernt er nicht nur den Zauberer Halbmondmann kennen, sondern auch dessen Assistentin Julia Klein.

Der zehnjährige Max Cohn, geboren 1997, wohnt in Los Angeles. Seine Eltern leben in Streit und wollen sich trennen. Max möchte die Scheidung mit allen Mitteln verhindern und hofft auf Hilfe des großen Magiers Zabbatini, der auf einer alten Schallplatte einen Liebeszauber beschwört. Er begibt sich auf die Suche nach Zabbatini, der seine besten Zeiten hinter sich hat und im Jahre 2007 ein abgehalfteter mürrischer alter Mann ist.

Autor Emanuel Bergmann erzählt parallel zwei Geschichten, deren Handlungsfäden konvergieren und zunehmend miteinander verwoben werden. Im Schnittpunkt der Erzählungen agiert der große Magier Zabbatini. Die Verbindungen der Protagonisten miteinander werden m.E. zu früh aufgedeckt. Das raubt dem Roman ein wenig der sich entwickelnden Spannung. Dennoch hat der Autor weitere Überraschungen parat.

Der Roman handelt von einem Magier und ist auch selbst voller Magie. Es ist eine Art von Magie, die eher Kinder und Jugendliche anspricht und weniger Erwachsene. Der Zufall spielt eine große Rolle, was dazu führt, dass manche Stellen naiv konstruiert wirken. Dennoch behandelt Autor Bergmann eine Bandbreite an Themen, die neben gesellschaftlichen Entwicklungen und Beziehungsproblemen auch die NS-Zeit umfasst.

Bewertung vom 16.12.2017
Kehlmann, Daniel

Beerholms Vorstellung


sehr gut

Die Vermessung der Psyche

Der Titel „Beerholms Vorstellung“ bringt prägnant zum Ausdruck, wovon Daniel Kehlmanns Erstlingswerk handelt. Es ist mehr als die Biografie von Protagonist Arthur Beerholm, es ist eine Introspektion, eine Beschreibung seiner Gedankenwelt, seiner Entwicklungsphasen, seiner Erfolge und seines Scheiterns.

Arthur wird von Familie Beerholm adoptiert. Ich-Erzähler Arthur beschreibt seine Kindheit, seine Jugend und seine Vorliebe für die Zauberei. Bereits zu Beginn wird deutlich, dass der Protagonist direkt jemanden anspricht. (12) Arthurs Stiefmutter stirbt kurz nach seiner Erstkommunion; er wird in einem Internat untergebracht, als sein Stiefvater seine Haushälterin heiratet.

Sein Weg ist nicht geradlinig. Die Zauberei, genau genommen die Magie, wird zu seiner Profession, nachdem er seine Ausbildung zum Priester abgebrochen hat. Er hat Erfolg, auch aufgrund seiner Lehrzeit bei dem Magier van Rode. Im Zuge seiner persönlichen Entwicklung findet er seine Grenzen in der Auseinandersetzung mit der Unendlichkeit.

Kehlmann versteht es, mathematische, physikalische, philosophische und theologische Betrachtungen einfließen zu lassen. Bei Törleß [1] sind es die imaginären Zahlen, bei Beerholm ist es die Irrationalität, die symbolisch für die Unberechenbarkeit der Welt bzw. für die Begrenztheit der Vorstellungswelt steht. Hier findet selbst die Magie ihre Grenzen.

An dieser Situation verzweifelt Protagonist Arthur, dem schon, wie einst Faust, die Theologie nicht helfen kann. Paradoxerweise verzweifelt er am Zweifel selbst, wie Pater Fassbinder ihm zu erklären versucht. Dennoch zählt der Zweifel nicht zu den sieben Todsünden. (113) Auch verwechselt der Autor bei seinen physikalischen Betrachtungen Beschleunigung und Kraft. (244)

Daniel Kehlmann hat einen Roman mit Tiefgang abgeliefert, der für einen 22-jährigen Autor ungewöhnlich ist. Im gelingt das, ohne dass seine vielfältigen Gedankengänge lächerlich oder naiv wirken. Über kleine Unschärfen kann hinweg gesehen werden. Die Literaturwelt wird um einen experimentierfreudigen Autor bereichert.

[1] Robert Musil: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.12.2017
Lunde, Maja

Die Geschichte der Bienen / Klima Quartett Bd.1


sehr gut

Welt ohne Bienen

Die tote Biene auf dem Umschlag bringt prägnant zum Ausdruck, worum es in diesem Buch geht. Es ist nicht nur die Geschichte der Bienen, sondern insbesondere die Geschichte über das Sterben der Bienen. Wie sieht die Welt aus, wenn es keine Bienen mehr gibt? Damit verarbeitet Maja Lunde ein aktuelles Thema, denn Störungen in der Ökologie führen real zum Sterben der Bienen. Daneben greift Lunde durch den jeweiligen gesellschaftlichen Rahmen bedingte Störungen in familiären Beziehungen auf.

Die Autorin erzählt drei Geschichten aus unterschiedlichen Orten und Zeiten, die im Laufe der Entwicklung auf unspektakuläre Weise miteinander verknüpft werden. Die Kapitel sind nach den Ich-Erzählern benannt und wechseln einander ab. Diese Struktur trägt wesentlich zur Übersicht bei. Die erste Geschichte handelt vom Beginn der Bienenzucht im Jahre 1852, die zweite Geschichte von ersten Anzeichen der Krise im Jahr 2007 und die dritte Geschichte beschreibt die Folgen des Bienensterbens im Jahr 2098.

William Atticus Savage ist Biologe und angehender Imker im England des Jahres 1852. Er entwickelt zusammen mit seiner forschen Tochter Charlotte einen modernen Bienenstock, den er vermarkten möchte. Deutlich wird, dass intelligente Frauen es in einer patriarchalischen Welt nicht leicht haben, anerkannt zu werden. Sowohl die berufliche als auch die familiäre Situation ist von Rückschlägen geprägt.

Im Jahre 2007 gibt es in den USA bereits Bienenbestäuber, die mit ihren Bienenstöcken durch das Land reisen. George ist Imker, aber durch seinen Hof ortsgebunden. Seine finanzielle Situation ist angespannt und er versucht seinen Sohn Tom für die Hofarbeit zu gewinnen. Dieser interessiert sich mehr für Journalismus. Eines Tages verschwinden die Bienen und es beginnt eine hektische Suche nach den Ursachen.

Dramatisch geht es im China des Jahres 2098 zu. Die Ich-Erzählerin Tao, Mutter eines dreijährigen Sohnes, ist wie viele andere Frauen Bestäuberin, da es keine Bienen mehr gibt. Sohn Wei-Wen wird der Familie nach einem unerklärlichen Unfall entrissen und von den Machthabern an einen unbekannten Ort verlegt. Tao erweist sich bei der Suche nach ihrem Sohn als starke Frau, die sich nicht von ihrem Weg abbringen lässt.

Das Buch ist ein Lehrstück. Es holt die Leser dort ab, wo sie sich gerade befinden und zeigt ihnen eine Welt auf, auf die sie zusteuern. Von den drei Geschichten ist die in China die spannendste. Allein dieser Stoff hätte ausgereicht für ein eigenes Buch. Über die Bienenzucht und die Ursachen des Bienensterbens gibt es noch wesentlich mehr zu sagen. Dennoch ist die Botschaft angekommen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.12.2017
Weinberg, Steven

Die ersten drei Minuten


gut

Geburt eines Universums

"Jedes Teilchen muss also, lax ausgedrückt, ungefähr so groß gewesen sein wie das beobachtbare Universum!" Was der Physiker und Kosmologe Steven Weinberg hier zum Ausdruck bringt, ist der einen Bruchteil einer Sekunde folgende Augenblick nach einem Ereignis, welches für uns in jeder Hinsicht unerreichbar ist. Daher beschreibt Weinberg nicht den Urknall, sondern die ersten Minuten danach.

In diesem ersten Augenblick fallen Mikrokosmos und Makrokosmos zusammen. Es handelt sich um Modellvorstellungen auf Basis der etablierten Naturwissenschaften, die Grenzbereiche betreffen, wo es spekulativ wird. Natürlich gibt es keine Gewissheit über die Entstehung des Universums, auf der anderen Seite handelt es sich nicht um Mythen der Menschheitsgeschichte.

Weinberg widmet sich ausführlich des von Penzias und Wilson 1965 entdeckten richtungsunabhängigen Mikrowellenrauschens, welches später als durch den Urknall ausgelöste kosmische Hintergrundstrahlung interpretiert wurde. Er macht deutlich, dass diese Strahlung aufgrund theoretischer Überlegungen auch schon zu einem früheren Zeitpunkt hätte gefunden werden können.

Die historischen Betrachtungen sind lesenswert. Die detaillierten Ausführungen zur Entwicklung der verschiedenen Teilchen wirken trocken und langatmig. Für ein populärwissenschaftliches Buch ist dieser Teil zu fachspezifisch. Es spricht für Weinberg, dass er auch Kritiker ernst nimmt (z.B. Halton Arp) und die Grenzen theoretischer Beschreibungen aufzeigt. Das Buch ist informativ, aber in Teilen auch schwer verständlich.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.12.2017
Anna Marie Birken

Schlüsselkind


sehr gut

Eine Kindheit in der Nachkriegszeit

Bereits im ersten Kapitel wird deutlich, um welche Zeit es sich handelt. Bunker aus der Kriegszeit dienen den Kindern als Abenteuerspielplatz. In diesen stockdunklen Höhlen sind sie unter sich und können sich und anderen Mut beweisen.

Susanne, im weiteren Verlauf einfach S. genannt, ist ein Schlüsselkind, da sie stets den Haustürschlüssel bei sich trägt und tagsüber alleine ist. Sie wächst, wie viele Kinder der Kriegsgeneration, ohne Vater auf. Mutter muss arbeiten und eine Kinderbetreuung gibt es nicht.

Auf der Straße trifft man, im Gegensatz zur heutigen Zeit, noch Kinder an. Der Alltag ist nicht verplant. Dennoch müssen die Kinder im Haushalt helfen, in dem es noch keine elektrischen Maschinen gibt. Die Arbeit in der Waschküche ist Schwerstarbeit.

Anne Marie Birken erzählt aus der Perspektive des Schlüsselkindes Susanne. Es handelt sich nicht um fiktive Geschichten, sondern Erinnerungen der Autorin fließen ein. Das Buch besteht aus kleinen Erzählungen, die themenbezogen den Alltag beschreiben.

In dem Buch werden keine Sachverhalte aufgelistet, sondern der Zeitgeist der 1950er Jahre wird in kleinen unterhaltsamen Geschichten transparent. Die Leser können in diese Zeit wie in eine Romanwelt eintauchen.

Die Beschreibungen machen deutlich, wie schnelllebig unsere Zeit geworden ist. Neben gesellschaftlichen Veränderungen ist es insbesondere der Wandel in der Technik, der das Leben verändert. Die Autorin öffnet ein Fenster in eine Zeit, die noch gar nicht so lange zurückliegt.

Bewertung vom 24.11.2017
Kundera, Milan

Die Unwissenheit


gut

1969, wenige Monate nach der Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Sowjetunion, emigrieren Irene und ihr Ehemann Martin sowie der Tierarzt Josef nach Frankreich bzw. Dänemark. Zwanzig Jahre später reisen beide (Martin ist zwischenzeitlich verstorben) – unabhängig voneinander – zurück in die Tschechoslowakei. Irene und Josef, die sich in ihrer Jugendzeit kennen gelernt haben, begegnen sich zufällig am Flughafen.

In den Lebensgeschichten der Protagonisten gibt es Bruchstellen. Das gilt sowohl für ihre Liebesbeziehungen als auch für ihre gesellschaftlichen und familiären Beziehungen in ihrer Heimat. Auf ihrer Reise müssen sie Enttäuschungen verarbeiten und lernen mit dem Desinteresse ihrer ehemaligen Freunde und Verwandten umzugehen. Kundera bringt es auf den Punkt: Sie existieren quasi nicht mehr.

Es geht in diesem Buch nicht nur um Unwissenheit. Melancholie und Ignoranz dominieren den Roman. Der Leser sucht vergeblich positive Aspekte. Das ganze wird garniert mit unerfüllten und Tabu brechenden Liebesbeziehungen. Damit ist die Entzauberung perfekt. Heimat kann man nur verlieren, nicht gewinnen. Zudem spiegelt sich Entfremdung durch totalitäre Systeme in den gesellschaftlichen Beziehungen wider.