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Circlestonesbooks.blog
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Lesebegeisterte Literaturbloggerin, https://www.circlestonesbooks.blog/

Bewertungen

Insgesamt 411 Bewertungen
Bewertung vom 22.07.2020
Izquierdo, Andreas

Schatten der Welt / Wege der Zeit Bd.1


ausgezeichnet

„Damals erwachte in mir das unstillbare Verlangen, mir immer ein eigenes Bild zu machen. Ich wollte selbst beobachten, wollte wissen, wie sich die Dinge wirklich verhielten, und nicht von Beschreibungen anderer abhängig sein.“ (Zitat Pos. 551)

Inhalt
Sie sind Freunde und schon mit knapp vierzehn Jahren wissen sie, was sie nicht werden wollen: Carl Friedländer will Fotograf werden und nicht die väterliche Schneiderei übernehmen, Artur Burwitz will Erfolg haben und kein Wagner bleiben, wie sein Vater. Luise „Isi“ Beese will auf keinen Fall so werden, wie ihr strenger Vater Gottlieb Beese, Lehrer mit politischen Ambitionen. Sie haben kreative Geschäftsideen und können sie auch erfolgreich umsetzen, doch dann kommt das Jahr 1914 und damit der Krieg. Artur und Carl, beide achtzehn Jahre alt, werden sofort eingezogen. Die Jahre bis 1918 verlangen von jedem der drei jungen Menschen beinahe Unmögliches, und der Einfluss der mächtigen Gutsbesitzerfamilie Boysen, die feudal über ganz Thorn herrscht, reicht bis an die Front.

Thema und Genre
Im Mittelpunkt dieses historischen Romans, der gleichzeitig auch ein Abenteuer- und Entwicklungsroman ist, stehen drei mutige junge Menschen am Beginn des 20. Jahrhunderts, ihre Träume, Hoffnungen und die Realität. Wichtige Themen sind die Unterdrückung der Menschen im feudalen Ständesystem dieser Zeit, die schrecklichen Schlachten des Ersten Weltkrieges, Hunger, Schwarzhandel und der Kampf ums Überleben. Es geht aber auch um Familie, Tradition, Mut zum Neubeginn, Freundschaft, Vertrauen und Liebe.

Charaktere
Carl ist eher schmächtig, zurückhaltend und vorsichtig. Durch den draufgängerischen, ehrgeizigen Artur, der immer eine Idee hat, zu Geld und Erfolg zu kommen, oft am Rand der Gesetze, wird auch das Leben seines Freundes Carl abenteuerlich. Die unangepasste Isi entspricht absolut nicht den Vorstellungen dieser Zeit von einem wohlerzogenen Mädchen. Klug, keck und schauspielerisch begabt, nützt sie ihr gutes Aussehen für die Umsetzung ihrer Einfälle. Dazu kommen ihr Mut und ihre Willensstärke, sich nicht unterkriegen zu lassen.

Handlung und Schreibstil
Der Roman beginnt mit einer Vorstellung der drei Hauptfiguren: Carl, Artur und Isi. Die Handlung ist in fünf Abschnitte eingeteilt, diese wiederum in einzelne Kapitel. Die Ereignisse werden von Carl in der Ich-Form geschildert, chronologisch, ergänzt durch Rückblicke. Teilweise gleichzeitig an unterschiedlichen Orten stattfindende Episoden im Leben von Artur und Isi, von denen Carl nichts wissen kann, werden jedoch personal erzählt und stellen jeweils Artur oder Isi in den Mittelpunkt. Die Geschichte ist spannend und auch emotional fesselnd, da die einzelnen Figuren überzeugend und nachvollziehbar handeln. Die Sprache erzählt und beschreibt packend und einfühlsam und lässt auch den Humor nicht vermissen. „Es folgte eine lange Schimpfkanonade im breitesten Wiener Schmäh. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich fragte, wie ein Volk, das so melodisch fluchen konnte, einen solchen Krieg gewinnen wollte.“ (Zitat Pos. 4683).

Fazit
Ein spannender historischer Roman über die Hoffnungen und Träume einer Generation, die, kaum erwachsen, sich plötzlich in einem furchtbaren Krieg wiederfand. Jede der drei Hauptfiguren, die völlig unterschiedlich und doch durch eine tiefe Freundschaft verbunden sind, muss den eigenen Weg finden und aus Träumen werden Werte, für die es sich einzustehen lohnt, auch wenn der Einsatz das eigene Leben ist. Ein großartiges Leseerlebnis.

Bewertung vom 15.07.2020
Jonasson, Ragnar

INSEL / HULDA Bd.2


ausgezeichnet

„Ihre eigene Arbeit hatte sich im Laufe der Jahre immer weiter spezialisiert, sodass sie mittlerweile fast ausschließlich mit Gewaltverbrechen beschäftigt war, eine Kategorie, unter die auch ungeklärte Todesfälle fielen, die in Island allerdings relativ selten waren. Hulda wusste, dass sie gut war in dem, was sie tat.“ (Zitat Seite 185)

Inhalt
Vor zehn Jahren war ihr bei der Beförderung ein Kollege vorgezogen worden, der nun ihr direkter Vorgesetzter ist und Hulda Hermannsdóttir, Kommissarin bei der Polizei Reykjavík, hat inzwischen das Gefühl, mit Ende vierzig schon an der Spitze ihrer Karrieremöglichkeiten angelangt zu sein. Ebenfalls vor zehn Jahren ist ihre Tochter Dimma gestorben und zwei Jahr später ihr Ehemann Jón. Seither gibt es für Hulda nur mehr ihre Arbeit und sie spezialisiert sich auf ungeklärte Verbrechen. Als ihr ein eigenartiger Todesfall auf einer entlegenen kleinen Insel gemeldet wird, übernimmt sie den Fall selbst. Plötzlich stößt sie bei den Ermittlungen auf einen direkten Zusammenhang mit einem Mordfall in der Vergangenheit, der damals rasch aufgeklärt worden war – oder doch nicht?

Thema und Genre
In diesem packenden isländischen Thriller geht es um Familie, Verluste, vor allem aber um nachhaltend prägende Ereignisse, die das weitere Leben beeinflussen.

Charaktere
Nach dem Tod ihrer jungen Tochter und dem späteren Verlust ihres Ehemannes rettet Hulda Hermannsdóttir sich in ihre Arbeit. Da keine Familie mehr auf sie wartet, gibt es für sie auch keine Bürozeiten in ihren Ermittlungen, nichts lenkt sie ab. Ihre Erfahrung lässt sie prinzipiell auch angebliche Fakten und Beweise hinterfragen und hartnäckig sucht sie nach der Wahrheit.

Handlung und Schreibstil
Der Aufbau umfasst einen Prolog, einen Teil I, der im Jahr 1987 spielt und den Hauptteil, Teil II, der zehn Jahre später, 1997, stattfindet. Ein kurzer Epilog ergänzt fehlende Details. In Teil I untersucht Kommissar Lýður, später Huldas Vorgesetzter, einen Mordfall. In Teil II ermittelt Hulda. In einigen Kapiteln steht, abwechselnd mit Hulda, auch jeweils eine Person des Freundeskreises, um den es bei den Ereignissen auf der Insel geht, im Mittelpunkt: Dagur, Klara, Benedikt, Alexandra. So erhält man beim Lesen unterschiedliche, zusätzliche Informationen, die Hulda nicht wissen kann und dies sorgt gekonnt für ein sehr packendes Lesevergnügen, realistisch und nachvollziehbar. Dieser zweite Band der Hidden Iceland Trilogie beginnt die Lücke zu schließen, zwischen dem ersten Band, der im Zeitablauf der letzte ist, und dem noch nicht erschienenen dritten Band, der am weitesten in die Vergangenheit zurückreicht.

Fazit
Zwei Ereignisse in einsamen, abgeschiedenen Gegenden Islands, mitten in der ungezähmten Landschaft, dazu eine erfahrene, menschlich sehr sympathische Ermittlerin. Zusammen ergibt das einen sehr spannenden Nordic Noir Thriller, einen Pageturner, der nächtliche Lesestunden garantiert.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.07.2020
Holbe, Julia

Unsere glücklichen Tage


sehr gut

„Es war so unsagbar heiß gewesen an diesem letzten Tag, an dem wir uns alle das letzte Mal gesehen hatten. In diesem einen Sommer. Diesem nicht enden wollenden Sommer am Atlantik.“ (Zitat Seite 12)

Inhalt
Jedes Jahr verbringen sie im Sommer zwei Monate an der französischen Atlantikküste im Landhaus von Elsa’s Eltern: die Freundinnen Elsa, Marie und Fanny. Die vierte im Bunde ist Lenica, die in diesem Ort lebt, ein phantasievoller Wirbelwind. Sie sind jung, unbeschwert und voller Pläne. Doch dann kommt der Sommer, in dem Lenica ihren Jugendfreund Sean mitbringt und nach dem Ende dieser Sommerferien sehen sie einander nicht wieder. Viele Jahre später trifft Elsa zufällig Marie und dann auch Fanny, und sofort ist die alte Vertrautheit wieder da. Sie beschließen, noch einmal in das alte Haus am Atlantik zu fahren. Nur Lenica fehlt, die vor Jahren verstorben ist. Dafür trifft überraschend Sean ein …

Thema und Genre
In diesem Frauenroman geht es um eine besondere Frauenfreundschaft, unbeschwerte Sommertage und Zukunftspläne, schicksalhafte Wendungen, Entscheidungen und verdrängte Erinnerungen.

Charaktere
Es sind unterschiedliche Frauen, doch auch die Jahre, in denen sie keinen Konakt hatten und ihr eigenes Leben mit Familie und Karriere gelebt haben, können nichts an ihrer Verbundenheit ändern. Sie akzeptieren, was sie waren und was aus ihnen geworden ist. Marie ist offen und geerdet, Fanny ist ruhig und doch präsent. Elsa ist sehr intensiv in ihren Gefühlen und verliert manchmal den Überblick, Ich-bezogen sieht sie nur ihre eigene Befindlichkeit. Ihre Freundinnen stört das nicht, mich als Leserin schon.

Handlung und Schreibstil
Die Gegenwart wird chronologisch geschildert, doch unterbrochen von zahlreichen Rückblenden, welche die Ereignisse des letzten gemeinsamen Sommers erzählen. Offen ist die Frage, warum Elsa damals den Kontakt abgebrochen hat, buchstäblich aus dem Leben der Freundinnen verschwunden ist. Durch die Schilderung der Vorfälle in diesen besonderen Sommer in der Vergangenheit, teilweise aus aus unterschiedlichen Sichtweisen, ergeben sich langsam die Antworten. Der Schreibstil ist locker, schildert vergnügte Sommertage, das Meer, die Natur, das gemeinsame, fröhliche Genießen. Teilweise vermisse ich einen deutlicheren Unterschied in der Schilderung der nun längst erwachsenen Frauen im Gegensatz zu ihrem sorglosen jungen Ich.

Fazit
Ein lockerer, leichter Frauenroman über unbeschwerte Sommertage, Freundschaft und Erinnerungen, denen man sich stellen sollte, um nicht das eigene Leben zu verträumen.

Bewertung vom 14.07.2020
Beck, Zoë

Paradise City


ausgezeichnet

„Bei der hohen Überwachungsdichte ist ihr Job schon gefährlich genug, die Tarngeschichten, Vermeidungstaktiken und technischen Ablenkungsmanöver reichen nicht immer aus, um glaubhaft alle Spuren zu verwischen.“ (Zitat Seite 107)

Inhalt
Liina, Anfang dreißig, arbeitet als verdeckte Rechercheurin für eine der wenigen noch unabhängigen Nachrichtenagenturen in einem Deutschland der Zukunft, wo der Staat jeden Schritt der Menschen mit modernster Technologie kontrolliert und steuert, nichts wird mehr dem Zufall überlassen. Zuerst hält sie die Story über einen Schakalbiss, wegen der ihr Chef Yassin sie in die Uckermark schickt, für unwichtig und banal, doch etwas stimmt an dieser Geschichte nicht. Am selben Tag unternimmt Yassin angeblich einen Selbstmordversuch und liegt im Koma, gleichzeitig wird eine Kollegin, eine erfahrene Investigativjournalistin, tot aufgefunden. Das Team der Agentur sucht intensiv nach Informationen, an welcher Story die beiden zuletzt gearbeitet haben und stößt auf ein Forschungsprojekt im Gesundheitsbereich. Liina ist überzeugt, es muss einen Zusammenhang zu ihren Recherchen in der Uckermark geben, aber welchen?

Thema und Genre
In diesem spannenden, dystopischen Thriller geht es um moderne Technologien, Chips und Apps steuern die Gesundheitsvorsorge und den Alltag, Geheimdienste überwachen alles. Das Kernthema hinterfragt die Forschung und ihre ethischen Normen und Verantwortung.

Charaktere
Liina hat auch privat eine intensive Geschichte. Sie ist mutig, clever und engagiert. Özlem Gerlach hat gemeinsam mit Yassin Schiller die Agentur Gallus gegründet und führt jetzt das Rechercheteam. Unterstützt werden sie von Olga, Datenjournalistin und Hackerin aus Rostock, sehr kompetent und herzlich, obwohl sie nie viele Worte macht.

Handlung und Schreibstil
Die Geschichte spielt in Deutschland in einer Zukunft, die von Erderwärmung und der Veränderung der Natur geprägt ist. Die meisten Menschen haben die ländlichen Gebiete verlassen und leben in riesigen Ballungsräumen. Die aktuelle Handlung spielt in einem straffen, kurzen Zeitraum und wird durch eine Parallelgeschichte ergänzt, die mit Ereignissen aus Liinas Jugendjahren beginnt und bis in die Gegenwart führt. Zoë Beck ist eine Autorin, der es gelingt, mit ihrer verhältnismäßig knappen Sprache so eindrücklich zu schildern, dass sich beim Lesen sofort die entsprechenden Gedankenbilder ergeben, man in die Handlung eintaucht und dieser gebannt bis zur letzten Seite folgt.

Fazit
Ein packender Thriller von brisanter Aktualität, der Spannung und ernste Themen gekonnt verknüpft, mit Figuren, denen man sofort mit Interesse folgt. Auch sprachlich ein überzeugender Pageturner.

Bewertung vom 07.07.2020
Jonasson, Ragnar

DUNKEL / HULDA Bd.1


ausgezeichnet

„Dabei musste Hulda in Wahrheit nicht mal überlegen: Es gab einen unaufgeklärten Todesfall, der förmlich danach schrie, ihn sich wieder vorzunehmen.“ (Zitat Seite 36)

Inhalt
Hulda Hermannsdóttir ist bekannt dafür, im Job kompetent, präzise und freundlich zu sein. Privat ist die Kommissarin bei der Polizei Reykjavík in diesem Monat Mai erschöpft und deprimiert, denn sie wird demnächst fünfundsechzig Jahre alt und dies bedeutet, dass sie Ende des Jahres in Pension gehen muss. Doch nun wird sie sogar frühzeitig in den Ruhestand geschickt, innerhalb von zwei Wochen muss sie ihren Schreibtisch räumen. Während dieser Zeit darf sie einen unaufgeklärten Altfall bearbeiten. Sofort denkt sie an den Fall der jungen Elena, eine russische Asylsuchende, die tot in einer felsigen Bucht gefunden worden war. Weder der ermittelnde Kollege noch die Medien interessierten sich für das Schicksal dieser Frau, die in Island ein besseres Leben gesucht und den Tod gefunden hatte. Hulda beginnt zu ermitteln. Doch die Suche nach der Wahrheit ist schwierig und gefährlicher, als sie es sich vorstellen konnte.

Thema und Genre
In diesem packenden isländischen Thriller geht es um die schwierige Situation von Asylsuchenden zwischen Hoffnung und Abschiebung, besonders, wenn es sich um junge Frauen handelt. Wichtige Themen sind Kindheitserlebnisse, die prägend für das weitere Leben sind, problematische Mutter-Tochter-Beziehungen, Verlust, Enttäuschung, Einsamkeit.

Charaktere
Hulda Hermannsdóttir ist eine Frau, in deren Leben der Beruf im Mittelpunkt steht. Die plötzliche, vorgezogene Pensionierung, das Gefühl, in dieser von Männern dominierten Polizeiarbeit für zu alt und nicht mehr kompetent gehalten zu werden, beschäftigt und blockiert sie und führt zu Fehleinschätzungen bei ihren Ermittlungen. Privat lebt sie in selbst gewählter Zurückgezogenheit, denkt aber über eine mögliche neue Beziehung nach. Doch zuvor will sie unbedingt diesen cold case lösen.

Handlung und Schreibstil
Der Zeitraum der aktuellen Handlung umfasst nur drei Tage, drei in Kapitel unterteilte Hauptteile. Parallel zur Haupthandlung verlaufen zwei weitere Geschichten, die ebenfalls chronologisch geschildert werden. Sie haben einen direkten Bezug zum aktuellen Geschehen und legen in kleinen Abschnitten immer mehr Hintergrundinformationen offen. Unvorhersehbare Wendungen überraschen und erhöhen die Spannung. Diese wird durch die Sprache verstärkt und der Autor schildert so gekonnt das Leben der Menschen und beschreibt so eindrücklich die raue Natur in Island, dass man beim Lesen sofort in diese düstere, beklemmende Welt eintaucht. Genial ist die Idee, die Hidden Iceland Trilogie mit einem ersten Band zu beginnen, der inhaltlich der letzte ist.

Fazit
Ein düsterer, packender und sehr komplexer Thriller mit einer facettenreichen, ungewöhnlichen Ermittlerin, die man gerade deshalb sofort ins Herz schließt. Eine großartige Geschichte, wenn man das Genre Nordic Noir zu schätzen weiß.

Bewertung vom 04.07.2020
Loibelsberger, Gerhard

Alles Geld der Welt


ausgezeichnet

„Dazu kam, dass die allermeisten Wertpapiere, mit denen an der Börse gehandelt wurde, nur einen Bruchteil ihres derzeitigen Kurses wert waren. Ein Faktum, das für ihn als Börsenfachmann und Spekulant evident, das aber dem normalen Bürger, der ein bisschen Erspartes im Sparstrumpf hatte, völlig unklar war.“ (Zitat Seite 29)

Inhalt
Mit dem Abriss der Stadtmauer ab 1858 und dem Bau der Wiener Ringstraße mit ihren Prachtbauten beginnt ein gründerzeitlicher Bauboom. In Verbindung mit der geplanten Weltausstellung führt dies zu einer euphorischen Aufbruchsstimmung, die alle Bevölkerungsschichten erfasst. Auch Heinrich von Strauch, der Inhaber des gleichnamigen Wiener Bankhauses, erkennt rasch die Möglichkeiten der schnellen Gewinne durch Investitionen in Immobilien und das Auflegen immer neuer Aktien an der Börse. Doch kann die Weltausstellung, die am 1. Mai 1873 eröffnet wird, die hohen Erwartungen erfüllen? Nicht nur auf Grund der schönen, jungen Frauen, denen er noch nie widerstehen konnte, hat Heinrich von Strauch immer öfter schlaflose Nächte.

Thema und Genre
Dieser historische Roman spielt im Jahr 1873. Themen sind das aufwändige Leben der damals herrschenden Gesellschaftsschicht und die enormen Klassenunterschiede, gewagte Börsen- und Immobiliengeschäfte und Spekulationen, aber auch Genuss und Lebensfreude im Wien des 19. Jahrhunderts.

Charaktere
Die fiktiven Hauptprotagonisten sind gekonnt in das tatsächliche historische Umfeld eingefügt und durch die bekannten realen Personen dieser Zeitperiode ergänzt. Die Charaktereigenschaften entsprechen, obwohl in ihrer Negativität etwas einseitig und teilweise überzeichnet, dem Denk- und Verhaltensmuster der damaligen Zeit. Heinrich von Strauch ist der typische Sohn, der das vom Vater zuvor Aufgebaute erbt, ein Lebemann und Genussmensch, der aber auch das nötige Fachwissen für das Bankwesen und die Börsengeschäfte besitzt. Die Risiken seiner intensiven Investitionstätigkeit sind ihm durchaus bewusst.

Handlung und Schreibstil
Die Geschichte spielt in der Zeit von Januar bis Juli 1873, ein Prolog und Epilog erweitern diesen Zeitrahmen. Rückblenden und zusätzliche Hintergrundinformationen in Form von Zeitungsartikeln zu aktuellen Ereignissen, Expertenmeinung und allgemeiner Stimmungslage ergänzen die Handlung. Auch wenn der Wiener Börsenkrach und die Ursachen bekannte Fakten sind, ist die Geschichte um das fiktive Wiener Bankhaus spannend zu lesen.
Die Sprache mit den speziellen Wiener Ausdrücken entspricht der damaligen Zeit, die Dialoge sind zusätzlich der gesellschaftlichen Stellung und Bildung des/der Sprechenden angepasst.

Fazit
Ein Roman aus der rasanten Finanzwelt der späten Gründerzeit 1873 in Wien, wo die nahe Weltausstellung Reichtum und Aufstieg für alle Bevölkerungsgruppen verspricht und alles möglich scheint. Man taucht ein in die „gute“, alte Zeit, die nur für eine kleine Bevölkerungsgruppe wirklich gut war, genießt das gesellschaftliche Leben in den Wiener Kaffeehäusern und Salons und erhält ungeschönte Einblicke in das Leben der von den Launen der Herrschaft abhängigen Bediensteten. Die authentische Sprache vervollständigt diese interessante, facettenreiche Reise ins alte Wien.

Bewertung vom 01.07.2020
Singh, Nalini

Im grausamen Licht der Sonne


ausgezeichnet

„So war das in dieser Stadt: Die Gerüchte verbreiteten sich, und man glaubte, alles über jeden zu wissen. Aber es gab dennoch Geheimnisse hier. Eine dicke Schicht Lava brodelte unter der Oberfläche.“ (Zitat Pos. 345)

Inhalt
Nach dem Tod ihrer Mutter verlässt Anahera Golden Cove, den Ort, in dem sie aufgewachsen ist. Sie wollte niemals zurückkehren. Wenige Jahre später ist sie eine berühmte Pianistin und kommt nach dem überraschenden Tod ihres Ehemannes zurück. Sie trifft die alten Freunde wieder, vor allem ihre beste Freundin Josie, in deren Café Miriama aushilft, eine junge, fröhliche Schönheit und angehende Fotografin. Eines Abends kommt Miriama nicht vom Joggen zurück und eine große Suchaktion startet. Schon ein Mal, im Sommer vor fünfzehn Jahren, waren insgesamt drei junge Urlauberinnen spurlos verschwunden. Damals wie heute waren keine Fremden im Ort, hat jemand aus Golden Cove etwas mit dem Verschwinden der Mädchen zu tun?

Thema und Genre
Dieser spannende Thriller spielt auf der Südinsel Neuseelands. Es geht um die besondere Gemeinschaft in einer kleinen Stadt, wo die Menschen einander kennen, für einander da sind, wo es schwierig scheint, Privates geheim zu halten. Dennoch gibt es sie, die verborgenen, dunklen Seiten. Wichtige Themen sind Familie, Verlust, Kindheitserinnerungen, Träume und Hoffnung, Freundschaft und die Liebe.

Charaktere
In ihrer Jugend waren die Hauptprotagonisten eine eingeschworene Clique: Anahera und Josie, Keira und Daniel, Vincent und Nikau. Der Polizist Will ist erst seit drei Monaten in Golden Cove, doch er kümmert sich um die Menschen und gibt nicht auf, intensiv allen Spuren zu folgen, um Miriama zu finden. Anahera unterstützt ihn, gleichzeitig versucht sie, mit den Ereignissen in ihrer Vergangenheit abzuschließen, die sie blockieren.

Handlung und Schreibstil
Es ist das ungewöhnliche Konzept dieser Geschichte, das uns Leser sofort in den Bann zieht. Ein packender Thriller, bei dem es nicht um die blutige Beschreibung einer Tat geht, sondern um die intensive Suche nach einer verschwundenen Person, in Verbindung mit psychologisch interessanten Beschreibungen des Lebens der einzelnen Menschen in einer Kleinstadt. Naturschilderungen der wilden Schönheit dieses Landes und Einblick in die Traditionen der Maori lassen Neuseeland beim Lesen in den Gedanken lebendig werden. Durch überraschende Details und neue Erkenntnisse ergeben sich wechselnde Sichtweisen und so bleibt die flüssig und sehr gut zu lesende Geschichte bis zum Schluss unvorhersehbar und spannend.

Fazit
Ein packender, ungewöhnlich vielschichtiger Thriller mit Tiefgang, der uns in die wilde Schönheit Neuseelands entführt, wo es viel Licht, aber auch dunkle Schatten gibt.

Bewertung vom 26.06.2020
Grasl, Monika

Die Chronik der Dämonenfürsten


ausgezeichnet

„Wir waren nicht immer die Bösen und auch nicht immer die Guten. Wir sind, was wir sind. Nicht anders als die Menschen. Mit Fehlern und Gefühlen.“ (Zitat Seite 8)

Inhalt
In den nebeligen, dunklen Gassen Londons geschieht ein Mord an einem Engel und einem Dämon, Abgesandte zum jährlichen Konzil zwischen dem Himmel und der Hölle. Mit letzter Kraft flüstert der Engel „Krokodil“, und dies weist eindeutig auf Nehemiael hin, Sohn von Prinz Seere und der Menschenfrau Perla. Sechzig Jahre alt, kann der Dämonenmischling seine Gestalt zwischen Menschengestalt und Krokodilgestalt verändern. Nehemiael beteuert, diese Tat nicht begangen zu haben, doch er muss persönlich Luzifer von seiner Unschuld überzeugen. Ein Dämonenfürst, ein Dämon, ein Engel und ein Mensch müssen ihn begleiten und dies bestätigen, doch es müssen fremde Verbündete sein, nur Vincent darf ihn begleiten. Die gefährliche Reise führt sie nach Island, Irland, Trier, die älteste Stadt Deutschlands und Ägypten. Bald wird klar, dass es ein mächtiger Gegner auf Nehemiael abgesehen hat, jemand, nach dessen Meinung dieser besondere Mischling schon längst hätte getötet werden müssen.

Thema und Genre
Dieser packende Urban Dark Fantasy Roman ist der vierte Teil der „Chronik der Dämonenfürsten“. Zeit der Handlung ist eine ferne Zukunft, in der sich die Engel und die auf der Erde herrschenden Dämonenfürsten um ein geordnetes Zusammenleben bemühen, mit strengen Regeln und Hierarchien, doch Intrigen und kämpferische Auseinandersetzungen bedrohen den brüchigen Frieden. Es geht um Entscheidungen, den Mut zu Veränderungen, um Freundschaft und Liebe.

Charaktere
Nehemial ist etwas überheblich, manchmal vorlaut und ungestüm, was es Vincent, Engel des Todes und langjähriger Lehrmeister von Nehemial, nicht einfach macht, den Mischling zu begleiten und beschützen. Es ist eine ungewöhnliche Gruppe von eigenwilligen Außenseitern, die schließlich gemeinsam auf dem Weg zu Luzifer ist. Das besondere an den Figuren dieser gesamten Chronik-Serie ist ihre Vielschichtigkeit, Engel sind nicht nur gut und strahlend, Dämonen sind nicht immer böse und grausam, und sie alle verhalten sich trotz ihrer besonderen Fähigkeiten sehr menschlich.

Handlung und Schreibstil
Schon mit der ersten Seite entwickelt die Geschichte ihren starken Sog, es beginnt spannend und bleibt es bis zur letzten Seite. Der Zeitrahmen ist straff und wird nur durch kurze Rückblenden unterbrochen, ergänzende Erklärungen und Erinnerungen an Ereignisse in der Vergangenheit. Man kann daher diesen Roman auch lesen, ohne die vorhergehenden Bände zu kennen. Die Sprache erzählt und schildert detailliert. Tödliche Kämpfe wechseln einander mit erfrischend humorvollen Szenen und Dialogen ab.

Fazit
Ein spannender Urban Dark Fantasy Roman mit einer packenden Geschichte und überzeugenden Figuren. Auch dieser vierte Teil der Serie macht Spaß und garantiert Lesevergnügen.

Bewertung vom 19.06.2020
Sigurdardottir, Lilja

Das Netz / Island-Trilogie Bd.1


sehr gut

„Wenn Sie Macht haben wollen, brauchen Sie Sicht nach oben.“ (Zitat Pos. 2873)

Inhalt
Sonja Gunnarsdóttir träumt davon, endlich ihren Sohn Tómas zu sich nehmen zu können, der bei der Scheidung dem Vater zugesprochen worden war. Doch dafür braucht sie genügend Geld für ein finanziell unabhängiges und abgesichertes Leben.
Gegen die bisher sehr erfolgreiche Investmentbankerin Agla Margeirsdóttir, mit Sonja in einer Liebesbeziehung, laufen Ermittlungen im Zusammenhang mit dem isländischen Bankenskandal.
Bragi ist ein erfahrener Zollbeamter kurz vor der Pensionierung. Sein Dienstort ist der Flughafen von Reykjavik. Schon mehrmals ist ihm eine gut aussehende, gepflegte Frau aufgefallen, wohl eine Geschäftsfrau. Doch dann sieht er zufällig in einer Zeitschrift Modevorschläge für die erfolgreiche Frau im Beruf und plötzlich fällt es ihm ein. Die fremde Frau war stets genau nach diesen Bildern gekleidet, perfekt bis ins kleinste Detail - zu perfekt. Was ist ihr Geheimnis?

Thema und Genre
Dieser Kriminalroman ist der erste Band einer Trilogie aus Island. Ein typischer Roman noir, der zur Gänze in der Grauzone zwischen Gut und Böse spielt. Es geht um kriminelle Handlungen und ihre Beweggründe, wobei die Schuldfrage aus unterschiedlichen Gesichtspunkten zu betrachten ist.

Charaktere
Die drei Hauptfiguren Sonja, Bragi und Agla sind gut beschrieben, ihre Situation ist glaubhaft und ihre Entscheidungen nachvollziehbar. Dennoch bleiben sie irgendwie auf Distanz, man verfolgt interessiert und mit Spannung was sie tun, wie sie sich verhalten, was passiert, ohne jedoch um das Schicksal der einzelnen Charaktere zu bangen. Sonja und Agla kämpfen um die Dinge, die ihnen wichtig sind, aber sie reagieren, statt zu agieren. Die Zeit, in Ruhe über mögliche Hintergründe nachzudenken, nehmen sie sich nicht, dadurch handeln sie für ihre Gegner vorhersehbar und sind leicht zu manipulieren.

Handlung und Schreibstil
Die Geschichte spielt kurz nach dem Bankencrash in Island, zwischen November 2010 und Februar 2011. In drei durchgehenden Erzählsträngen steht entweder Sonja, oder Agla, oder Bragi im Mittelpunkt. Abwechselnd geschildert, geschehen die Ereignisse manchmal gleichzeitig, überschneiden sich, verknüpfen sich. Der straffe Zeitrahmen sorgt für Spannung, obwohl wenn man manche Zusammenhänge bald vermutet. Der Schreibstil ist flüssig zu lesen und entspricht dem Genre.

Fazit
Ein nordischer Kriminalroman für Leser*innen, die in erster Linie an einer packenden, guten
Geschichte interessiert sind und denen die einzelnen Figuren weniger wichtig sind, als das Gesamtbild. Ein Buch für spannende, unterhaltsame Lesestunden.

Bewertung vom 16.06.2020
Koelle, Patricia

Die Zeit der Glühwürmchen / Inselgärten Bd.1


ausgezeichnet

„Wenn es an einer Stelle nicht vorangeht, dann mache ich an einer anderen weiter. Immer dort, wo sich gerade am meisten bewegen lässt. Und wenn ich in einer Sackgasse stecke, dann gehe ich die Sache einfach von einer ganz anderen Seite an. (Zitat Seite 155)

Inhalt
Taru Favonius, Biologin und Journalistin, hat an ihrem fünfzigsten Geburtstag ihrem Privatleben eine neue Richtung gegeben. Dies tut sie nun auch beruflich, indem sie spontan den Job bei einem Zeitungsherausgeber kündigt, der ihr keinen Freiraum lässt, ihre Artikel so zu schreiben, wie sie es für richtig hält. Ihre Tochter Kaia, Studentin, besucht sie und bringt ihre Freundin Remy mit. Remy, die auf einem Dachboden einen großen, alten Sekretär entdeckt hat, dessen Front eine Fülle von wunderbar gearbeiteten Insekten ziert. Während sie die Geschichte um dieses besondere Möbelstück recherchieren und den Garten, von dem es erzählt, beginnen sie mit der Umsetzung ihrer Idee von einer eigenen Zeitschrift, die den Menschen Freude macht, und von einem ganz besonderen Garten, der eine Heimat für Insekten, Pflanzen und Menschen werden soll – kann so ein Garten auf der Insel Rügen Wirklichkeit werden?

Thema
In diesem ersten Band der Inselgärten-Reihe geht es um den Schutz des natürlichen Lebensraumes, um die Artenvielfalt der Insekten, um Gärten als magische Orte für Pflanzen, Tiere und Menschen. Ein wichtiges Thema sind auch Erinnerungen, Träume, Familie, Freundschaft, Liebe und der Mut für einen Neubeginn.

Charaktere
Taru hat die Erfahrung, Remy die Pläne, Ideen haben sie beide und gemeinsam mit Heiko, einem Kollegen von Taru, sind sie in der Stimmung, etwas Neues zu wagen. Es sind kreative, sympathische Figuren, die uns in dieser Geschichte begegnen, Menschen, die Träume haben, wissen, was sie wollen, oder noch auf der Suche sind. Leser*innen der Ostseetrilogie wird es besonders freuen, in diesem Roman Remy aus Ahrenshoop wiederzutreffen.

Handlung und Schreibstil
Die aktuelle Handlung spielt im Jahr 2014 in Ahrenshoop, Groß Nemerow und auf der Insel Rügen. Sie ist in Abschnitte eingeteilt, in denen abwechselnd Remy oder Taru im Mittelpunkt stehen. Ergänzt wird diese Geschichte durch Tarus Kindheit und Jugend auf der Insel Rügen in den Jahren 1971–1976. Detaillierte Schilderungen und bildintensive Beschreibungen führen beim Lesen direkt zur Mecklenburgischen Seenplatte, an die Ostseeküste, in Rügens Buchenwälder mit den Kreidefelsen, und in Gärten mit Magie und Seele.

Fazit
Ein Wohlfühlroman, in dem Träume, Kreativität und der Mut, etwas Neues zu wagen, im Vordergrund stehen und natürlich die Natur und naturnahe Gärten. Ein Buch für entspannte Lesestunden im Grünen, begleitet vom Zwitschern der Vögel und dem Summen der Bienen, oder auch für einen Tag am Meer, wo die Wellen nicht nur zwischen den Buchseiten rauschen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.