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Aischa

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Insgesamt 572 Bewertungen
Bewertung vom 22.05.2020
Giuliani, Alberto

Im Wartezimmer der Unsterblichkeit


ausgezeichnet

Ein erfolgreicher Fotograf begibt sich aufgrund einer Weissagung eines Brahmanen auf sehr persönliche Reise um die Welt, auf der Suche nach einem "Mann aus der Zukunft".

Kann dies gutgehen, erwartet mich ein gutes Buch oder doch nur wieder eine dieser "Ich-habe-auf-der-Suche-nach-dem-Glück-mich-selbst-gefunden"-Nabelschauen, austauschbar, belanglos und nicht gerade von herausragender literarischer Qualität? Ich war zugegebenermaßen durchaus skeptisch, bevor ich die ersten Zeilen las, obwohl - oder gerade weil? - ich Alberto Giuliani als Fotograf sehr schätze. Kann jemand, der in seinem Beruf den Fokus auf den Moment legt, eine gute Geschichte erzählen? Kann jemand, dessen Handwerkszeug von Technik geprägt ist, auch mit Worten stimmungsvolle Bilder erzeugen?

Ja, das kann er. Und wie! Giuliani zeichnet in einfühlsamen Schilderungen ein skurriles, aber auch poetisches Panoptikum der möglichen Zukunft der Menschheit. Seine Begegnungen sind zwangsläufig subjektiv, nicht nur in der Auswahl seiner Gesprächspartner, sondern auch in der Interpretation des Erlebten. Und doch scheint etwas Großes, Allgemeingültiges zwischen diesen Buchdeckeln gefangen.

Giuliani erzählt ehrlich, ich hatte nicht den Eindruck, dass er beschönigt, um sich selbst besser darzustellen. Und er ist ein hervorragender Beobachter, er reflektiert und interpretiert. Und wird dabei auch philosophisch, etwa wenn er spekuliert, ob es uns freier macht, das zu wollen, was wir zu tun vermögen.

So bietet das Buch reichlich Stoff für Diskussionen. Eine besondere Stärke ist aber auch die Sprache, die einen ganz eigenen Zauber hat. So zum Beispiel, wenn Giuliani das Eden Projekt in Cornwall beschreibt, das einen künstlich angelegten Regenwald unter acht Kuppeln beherbergt: "... der Witz der Mangroven, deren Wurzeln Fangen zu spielen scheinen, die Gelassenheit der Banane, die ihre Blätter ganz langsam ausbreitet ..."

Eine schöne Ergänzung des Textes sind zahlreiche Farbfotos aus "der Welt, die uns erwartet".

Ein überraschendes Buch, das noch lange nachhallen wird.

Bewertung vom 13.05.2020
essen&trinken;ZS-Team

7 Tage, 7 Teller


ausgezeichnet

Sie wollen Abwechslung auf den heimischen Esstisch bringen, haben aber weder Lust, auf der Suche nach exotischen Zutaten die halbe Stadt abzuklappern, noch möchten Sie stundenlang für ein aufwändiges Gericht am Herd stehen? Dann ist dieses Kochbuch genau das Richtige für Sie.

64 Rezepte für Hauptspeisen gibt es zu entdecken, jedes ist in maximal 45 Minuten zubereitet. Die Gerichte sind in vier Kapitel entsprechend unserer vier Jahreszeiten gegliedert, wobei ab und zu auch nicht saisonale Zutaten auftauchen.

Die Rezepte sind sehr abwechslungsreich, es gibt heiße und kalte Suppen, Salate, Fleisch- und Fischgerichte oder auch Vegetarisches. Kleine Haushalte dürfen sich freuen, dass auch Rezepte für zwei Personen vorgestellt werden.

Die Aufmachung ist sehr hochwertig; besonders gefällt mir, dass das Hardcover mit Fadenbindung aufgeklappt gut liegen bleibt. Jedes Rezept mit mit einem wunderschönen Foto bebildert, die Zubereitung ist verständlich beschrieben und dürfte auch für Kochanfänger kein Problem darstellen. Angaben zu Nährstoffen, Zubereitungsdauer und Nährwert runden das Rezept ab.

Besonders lobend erwähnen möchte ich das praktische Register. Denn dort sin zum einen alle Gerichte alphabetisch aufgelistet, zusätzlich finden sie sich aber auch noch unter Zutatenschlagwörtern. So muss man nicht das ganze Buch durchblättern, wenn man den Namen eines Gerichts vergessen hat oder man etwa auf der Suche nach einem Rezept ist, mit dem man ein bestimmtes Gemüse verwerten kann.

Ich habe verschiedenste Gericht ausprobiert, und es ist bislang alles gut gelungen. Dieses Kochbuch bekommt einen Stammplatz im Küchenregal und wird mit Sicherheit regelmäßig benutzt werden. Es bietet tolle, schmackhafte Gerichte, die schnell und ohne viel Chichi zubereitet werden können und die durch originelle Zutatenkombinationen punkten.

Bewertung vom 11.05.2020
Ebert, Sabine

Zeit des Verrats / Schwert und Krone Bd.3


gut

"Es bleibt meine feste Überzeugung: Mit jedem neuen Buch geht man als Autor seinen Lesern gegenüber die Verpflichtung ein, die vorangegangenen damit noch zu übertreffen." Dies betont Autorin Sabine Ebert im Nachwort zu "Zeit des Verrats". Eine ehrenwerte Absichtserklärung, doch leider konnte Ebert mit dem dritten Band der Schwert-und-Krone-Saga rund um Kaiser Barbarossa diesem selbst gestellten Anspruch nicht genügen.

Auf über 600 Seiten reihen sich Banalitäten wie politisch arrangierte Ehen, Scheidungen, Festmahle und Missernten aneinander. Bei der Vielzahl an Adligen kann der historisch nicht fundierte Leser trotz Liste der handelnden Personen schon mal durcheinander kommen. Zumal die Charakterisierung er Protagonisten rech eindimensional daher kommt, eine Entwicklung der Personen oder auch nur sympathische Merkmale eines Schurken oder negative Eigenschaften eines Helder sind kaum zu finden. Über manche Nebenfiguren erfährt man äußerst wenig, diese spärlichen Informationen werden dafür aber penetrant oft wiederholt, ohne dass sie eine erkennbare Bedeutung in Bezug auf die weitere Handlung haben. Beispielsweise wird so gut wie jedes Mal, wenn es um die Söhne Konrads von Wettin geht, betont, dass der Sprößling Dedo übermäßig isst und entsprechend dick ist - ich frage mich nur: wieso? Eine andere Nebenfigur, der junge Übersetzer, darf eine gewisse Entwicklung durchmachen, wird zum Sympathieträger aufgebaut, nur um dann abrupt zu verschwinden und auch für den Rest des Romans nicht mehr erwähnt zu werden.

Einzelne Handlungsstränge konnten mich fesseln, z.B. der Kampf um den dänischen Thron. Doch das tröstete mich nur wenig über die vielen, zähen Kapitel hinweg.

An der hochwertigen Ausstattung werden vor allem Geschichtsfans ihre helle Freude haben: Eigens von Historikern entwickelte Karten sowie sage und schreibe 13 Stammtafeln, von Staufern und Welfen bis hin zu Piasten und Zähringern bieten einschlägig Interessierten gute Ein- und Überblicke.

Fazit: Ohne Frage unterhaltsamer und spannender als ein trockenes Geschichtsbuch. Doch für einen guten Historienroman fehlt es mir an stimmiger Entwicklung der Charaktere. Der Plot ist etwas überfrachtet, eine Konzentration aufs Wesentliche hätte der Geschichte gut getan.

Bewertung vom 11.05.2020
Winter, C'rysta

Mitternachts Soirée


ausgezeichnet

Bereits zum zweiten Mal ermittelt Achille Perrot, Enkel des legendären belgischen Ermittlers Hercule Poirot, im idyllischen Lower Saxony (hierzulande besser bekannt als Niedersachsen).

Wie Agatha Cristie, die Königin des klassischen Whodunit, erzählt auch Autorin C´rysta Winter ihren Kriminalfall als Cosy-Krimi. Die Morde passieren in abgeschlossener Umgebung, in diesem Fall im Haus der betagten, aber auf die Herrenwelt immer noch sehr anziehend wirkenden Madame Elsa. Diese hatte die ländliche Gesellschaft zu einer Mitternachtssoirée geladen. Der Kreis der Verdächtigen ist somit begrenzt, was das Rätseln um den Täter jedoch nicht wenig knifflig werden lässt.

Winters Kriminalgeschichte lebt zu einem bedeutenden Teil von der großartigen Charakterisierung der beiden Protagonisten, dem bereits erwähnten Achille Perrot und seinem Ermittlerfreund John Harold Jeff, seinerseits Nachkomme des einschlägig bekannten Inspector Japp von Scotland Yard. Perrot scheint wie aus der Zeit gefallen, mit seinem stilvollen, aber doch etwas verstaubt anmutenden Äußeren samt Taschenuhr, dem großen Wert, den er auf gesellschaftliche Etikette legt und - nicht zuletzt - seiner altertümlichen Ausdrucksweise. Letztere findet sich auch in vielen Erzählpassagen , was dem Krimi eine ganz eigene, bezaubernde Atmosphäre verleiht.

Alle Figuren werden mit viel Liebe zum Detail beschrieben, und der feine Witz brachte mich oft zum Schmunzeln. Der Plot ist gut durchdacht, Autorin Winter zündet reichlich Nebelkerzen, und so tappt man als nur durchschnittlich kriminalistisch begabter Leser immer wieder im Dunkeln, bis zur finalen Auflösung durch Meisterspürnase Achille. Dieser präsentiert das Ergebnis, das seine grauen Zellen zutage gefördert haben, in schönster Poirot - Verzeihung: Perrot-Manier im Stuhlkreis vor den versammelten Tatverdächtigen.

Auch wenn die ein oder andere kleine Frage offen bleibt, mir hat diese Lektüre höchst vergnügliche und außerordentlich spannende Lesestunden beschert.

Hercule Poirot gelangte schnell zu Weltruhm; es bleibt abzuwarten, ob sein Enkel Achille ebenso zahlreiche Fans auf allen Kontinenten finden wird - zu wünschen wäre es ihm unbedingt! Ich jedenfalls gebe eine unbedingte Leseempfehlung für alle Freunde des Cosy-Krimis und warte bereits jetzt sehnsüchtig auf "Trudy", den für 2021 angekündigten dritten Fall Perrots.

Bewertung vom 27.04.2020
Maxian, Beate

Das Geheimnis der letzten Schäferin


sehr gut

Was zunächst wie eine 08/15 Liebesgeschichte anmutet, entwickelt sich zu einem durchdacht komponierten Familienroman mit Tiefgang. Beate Maxian konnte mich auch mit dieser Geschichte wieder sehr gut unterhalten.

Zwar ist die Lovestory in der Rahmenhandlung nicht wirklich überraschend, dies wird aber durch überaus spannende Verwicklungen in der Familiengeschichte der Protagonistin mehr als ausgeglichen. Die Geschichte streift in Rückblicken die Gräuel des Nazi-Regimes und zeigt, wie großherzig Menschen auch in schwierigsten Zeiten handeln können.

Der Roman liest sich sehr flüssig, ist fesselnd und unterhaltsam. Besonders gefallen hat mir, dass die österreichische Autorin in witziger Weise auf einige Unterschiede der deutschen und österreichischen Sprache eingeht. Eine schöne Zugabe sind zwei Rezepte auf den Umschlaginnenseiten zu Gerichten, die auch in der Geschichte vorkommen.

Einzig und allein die Auflösung am Ende war mit etwas zu konstruiert - so viel Zufall auf einmal war mir persönlich eine Idee zu viel.

Dennoch: Ein gelungener Unterhaltungsroman, der Eindruck hinterlässt.

Bewertung vom 23.04.2020
Filipenko, Sasha

Rote Kreuze


ausgezeichnet

Oft habe ich es mit den Großen der russischen Literatur versucht: Tolstoi, Pasternak, Solschenizyn. Doch selten haben mich deren Werke wirklich gepackt. Ich fand die Lektüre mühsam, brachte die für meine westlich geprägten Ohren zu sperrig klingenden Namen durcheinander udn fand nicht den rechten Zugang zur schwermütigen, dramatischen russischen Seele.

Dies hat Sasha Filipenko geändert. (Zwar ist er als gebürtiger Minsker eigentlich Weißrusse, da er aber seine Romane auf Russisch schreibt, zähle ich ihn zu den russischen Literaten.) "Rote Kreuze" machte es mir schon nach wenigen Seiten leicht. Die Erzählung wechselt gekonnt großes Drama mit humorvollen Szenen ab.

Die Rahmenhandlung ist banal, so banal wie das Leben eben oft ist: Ein junger Familienvater zieht in ein großes Mietshaus und macht - eher ungewollt - Bekanntschaft mit einer alten, an Alzheimer erkrankten Nachbarin. In langen Gesprächen erzählt sie ihm ihr abenteuerliches Leben, oder besser gesagt: In mitreißenden Szenen beschreibt Filipenko dem Leser das 20. Jahrhundert aus russischer Sicht. Stalins blutiges Terrorregime verbreitet unfassbares Leid und Schrecken in der Bevölkerung, Menschen verschwinden einfach, das gegenseitige Misstrauen wächst.

Als Rot-Kreuz-Mitarbeiterin war es für mich besonders faszinierend, einen russischen Blick auf die Arbeit des IKRK (Internationales Komitee des Roten Kreuzes) vor und zu Beginn des zweiten Weltkrieges werfen zu dürfen. Denn Filipenko zitiert oft und ausführlich Originaldokumente, deren Kopien er im Archiv des Roten Kreuzes in Genf einsehen durfte. (Der Zutritt zu den russischen Archiven blieb dem Autor verwehrt.)

Auch sprachlich hat der Roman einiges zu bieten. Er ist stilistisch gelungen, bietet viele Perspektivwechsel und zitiert zahlreiche russische Gedichte und Lieder, deren Übersetzung Ruth Altenhofer äußerst gelungen ist.

Fazit: Ein großartiger Roman, der in nicht einmal 300 Seiten dafür sorgt, dass Vergangenes nicht vergessen wird. Eine berührende, eindringliche Geschichte, die an menschliches Leid erinnert, länder- und generationsübergreifend.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.04.2020
Nichterl, Claudia

Einfach essen - leichter leben Ernährung bei Histaminunverträglichkeit


sehr gut

Autorin Dr. Claudia Nichterl ist Ernährungswissenschaftlerin und Ernährungsberaterin nach der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Sie verfügt folglich sowohl über ausreichend theoretisches Wissen als auch reichen praktischen Erfahrungsschatz im Hinblick auf die passende Ernährung bei Histaminunverträglichkeit. Und das merkt man diesem handlichen Ratgeber auch an.

Der erste Teil des Buches - gut ein Drittel - führt detailliert und dennoch auch für medizinische Laien gut verständlich ins Thema ein. Claudia Nichterl erklärt ohne zu belehren, sie informiert und gibt praktische Tipps. Dabei ermuntert sie den Betroffenen vor allem, auszuprobieren und die Reaktion des eigenen Körpers auf verschiedene Lebensmittel zu beobachten und in einem Ernährungstagebuch festzuhalten. Aber auch die verschiedenen Untersuchungsmethoden bei Histaminintoleranz und deren Interpretation werden behandelt. Schließlich legt die Autorin noch besonderes Augenmerk auf ihr Fachgebiet, die TCM, und erläutert deren Sichtweise auf die Histaminunverträglichkeit.

Der ausführliche Rezeptteil bietet Kochideen für ein Vier-Wochen-Programm, das einen Start in ein möglichst beschwerdearmes Leben bieten soll. Die Rezepte sind einfach, kommen meist ohne ausgefallene Zutaten aus und sind auch für Ungeübte leicht zuzubereiten. Jedoch ist die Zahl der Rezepte etwas knapp bemessen. Für die zweite und dritte Woche werden zusammengenommen nur acht Frühstücke und sieben weitere Rezepte (wahlweise für Mittag- oder Abendessen) aufgeführt. Zwar lässt sich manches durch die Wahl anderer Obst- oder Gemüsesorten variieren, aber hier hätte ich mir doch etwas mehr Rezepte gewünscht, um mehr Abwechslung auf den Speiseplan zu bringen.

Außerdem enthalten viele Rezepte Fisch oder Fleisch, hier vermisse ich Hinweise, durch welche Zutaten Vegetarier dies ersetzen können.

Optisch ist das Buch sehr ansprechen, es gibt viele Farbfotos (wenn auch nicht zu jedem Gericht), und die Klappen an Cover und Rückseite können als praktische Lesezeichen fungieren.

Fazit: Ein praxistauglicher Ratgeber mit guten Tipps vom Profi.

Bewertung vom 09.04.2020
McCann, Jennifer

Reisedepeschen aus Bolivien und Peru


sehr gut

"Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen."

In der Tat, das stellt Autorin Jennifer McCann in ihrem spannenden Reisebericht durch zwei südamerikanische Länder unter Beweis. Und wie sie erzählt ist faszinierend: gleichermaßen kurzweilig wie tiefsinnig. Es finden sich tief bewegende Schilderungen, etwa über die unmenschlichen, Leib und Leben gefährdenden Bedingungen, die in den Minen im bolivianischen Potosí herrschen. Dann wieder lässt uns die Autorin an bizarren, skurrilen Begegnungen teilhaben, wie der mit einer Bläsercombo, die inmitten einer Salzwüste "Don´t let me be misunderstood" anstimmt.

Die persönlichen Begegnungen und Erlebnisse sind sehr vielfältig, auch in ihrer Beschreibung. Manches hätte ich mir ein wenig ausführlicher gewünscht, teils waren die Hintergrundinfos recht spärlich, etwa zur peruanischen Terrororganisation "Leuchtender Pfad".

Positiv hervorheben möchte ich den sehr reflektieren Stil McCanns. "Immer wenn ich mich in der Welt bewege, interpretiere ich. Ich glaube, es gibt niemanden, der die Grenze zwischen Fiktion und Realität zweifelsfrei erkennen kann." Dieses Zitat Jennifers zeigt, dass sie sich ihrer bewertenden Rolle als Reisende sehr bewusst ist und sie verantwortungsvoll damit umgeht.

Die Ausstattung der Reisedepeschen lässt kaum zu wünschen übrig: Zahlreiche hochwertige Farbfotografien illustrieren das Erlebte, der Anhang erklärt landestypische Begriffe. Lediglich die geografischen Karten, in denen die Reiseroute verzeichnet ist, könnten noch verbessert werden; hier habe ich einige der bereisten Orte vermisst.

Insgesamt ein sehr empfehlenswertes Buch mit vielen Denkanstößen. Und in Zeiten der Reisebeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie kann es das Fernweh etwas stillen, indem sich der Leser wenigstens bei der Lektüre in unbekannte Gefilde begeben kann.

Bewertung vom 21.02.2020
Moggach, Deborah

Die Liebe einer Tochter


sehr gut

Ja, das ist ein Roman nach meinem Geschmack: Autorin Deborah Moggach, dem ein oder anderen vielleicht bekannt durch ihren Roman "These Foolisht Things", der in seiner Verfilmung unter dem Namen "The Best Exotic Marigold Hotel" zum Kassenschlager avancierte, hat auch hier wieder eine äußerst facettenreiche Story zu Papier gebracht.

Sie erzählt die Familiengeschichte des ehemaligen Hochschulprofessors James und seiner beiden erwachsenen Kinder Robert und Phoebe. Diese sind heilfroh, als sie mit Mandy eine Pflegerin für den doch schon sehr gebrechlichen Vater finden, die auch von ihm akzeptiert wird. Doch nach kurzer Zeit wächst das Misstrauen bei den Kindern - ist Mandy nur hinter dem Erbe her?

Die Story ist wirklich tiefsinnig und bietet einige gut gemachte Twists, die mich völlig überrascht haben. Es geht um Erwachsene, die sich lange nicht von Verletzungen frei machen können, die sie in ihrer Kindheit erlitten haben, um Geschwisterrivalität bis ins hohe Alter, Egoismus und nicht zuletzt um Familiengeheimnisse.

Für uns deutsche Leser eher etwas ungewöhnlich ist die Thematik der britischen Klassenunterschiede und damit verbundener Snobismus der Upper Class, aber die Autorin transportiert dies durchaus verständlich.

Die Erzählung ist sehr unterhaltsam, die Sprache teils etwas derb, aber ich mag den typisch britischen bissigen Humor, der immer wieder durchkommt. Häufige Perspektivwechsel lassen keine Langeweile aufkommen. Besonders hervorheben möchte ich die sehr gelungenen Charakterstudien. Jeder der Protagonisten ist für Überraschungen gut, und es gibt wirkliche Entwicklungen innerhalb der Geschichte.

Ein einziger kleiner Kritikpunkt ist für mich das doch etwas zu weichgespülte Ende, das war in meinen Augen nicht rundum glaubhaft.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2020
Kowalewicz, Alia;Wunram, Nicole

#DieSichtderDinge


weniger gut

Tierische Erzählperspektiven kennt man inzwischen reichlich, nicht zuletzt aus unzähligen Katzen-Krimis. Nicole Wunrams Kurzgeschichten lockten mich dennoch, da sie nicht nur ungewöhnliche tierische Protagonisten zu Wort kommen lässt, wie etwa eine Ratte auf der Mülldeponie, sondern auch aus Sicht von Gegenständen erzählt. Ich war sehr gespannt, wie etwa ein Kieselstein die Welt "erlebt", oder was ein Handfeger, ein Schuh oder ein Schmuckstück zu erzählen haben. Denn ich blicke gern über meinen eigenen Tellerrand, und eine andere Sichtweise einzunehmen, kann in großem Maß helfen, mehr Toleranz und Verständnis für andere zu entwickeln.

Ich schlug diese Sammlung von 50 Kurzgeschichten (genauer gesagt: 48 Geschichten und zwei Gedichten) also höchst neugierig und vielleicht mit etwas zu viel Erwartung auf. Und wurde prompt enttäuscht: Zum einen gibt es etliche Geschichten, die gar keine ungewöhnliche Erzählperspektive bieten. Wenn dann noch belangloser Inhalt hinzukommt, fühle ich mich schnell gelangweilt. So wird etwa detailliert und langatmig beschrieben, wie eine Mutter mit ihrer Tochter kocht, nur um die anschließende Reise einer Nudel vom Tellerrand über den Mülleimer zur Deponie einzuleiten. Eine andere Geschichte von nicht einmal einer Seite handelt von der Übernachtung eines Paares auf seinem Balkon mitten in der Stadt. Das könnte eine interessante Geschichte ergeben, hat es aber leider nicht. Weder erfährt der Leser, was die Beiden in der Nacht gesehen oder gehört haben, noch bekommt man einen Einblick in die Gefühle der Protagonisten, schade.

Eine Handvoll Geschichten sticht positiv hervor, etwa "Krankheit als Lebensabschnitt", in der gute Momentaufnahmen aus dem Leben eines Dementen geschildert werden. Auch "Zuckerwürfel" und nicht zuletzt "Der alberne Wind" haben mich hervorragend unterhalten und wirklich zum Nachdenken gebracht. Hier zeigt sich Unerwartetes und Witziges, der Plot entwickelt sich trotz der kurzen Erzählform - so hätte ich mir das von allen Geschichten gewünscht.

Auch sprachlich ist das Büchlein recht anspruchslos. Es wirkt auf mich fast wie eine Sammlung von Schulaufsätzen. Das muss nicht zwingend schlecht sein, ich lese nur eben gerne Texte, die stilistisch komplexer sind. Außerdem hat das Korrektorat leider einige Fehler übersehen.

Sehr gut gefallen haben mir hingegen die kleinen Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die die Texte kreativ und mit einem Augenzwinkern illustrieren. Eine besondere Erwähnung verdient auch die Schriftart für die Überschriften, in der der rechte Schenkel des großen "W"s als Federkiel dargestellt wird. Ein sehr hübsches Detail!

Als Kinderbuch, speziell zum Vorlesen, scheint mir diese kleine Sammlung besser geeignet denn als Lektüre für Erwachsene, zumal einige Geschichten am Anfang wie ein Rätsel aufgebaut sind, bei dem die jungen Leser raten können, von welchem Gegenstand die Rede ist.

Wer keine großen literarischen Ansprüche stellt, sondern einfach ein paar nette kleine Geschichten für zwischendurch sucht, wird vermutlich gut unterhalten, mir war das leider zu wenig.