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Circlestonesbooks.blog
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Lesebegeisterte Literaturbloggerin, https://www.circlestonesbooks.blog/

Bewertungen

Insgesamt 411 Bewertungen
Bewertung vom 12.08.2020
Gallay, Claudie

Ein Winter in Venedig


ausgezeichnet

Eine leise, poetische Geschichte

„So sehe ich Sie das erste Mal. Als sitzenden Mann. Beim Lesen, während draußen die Bora bläst und alles mit sich zu reißen droht.“ (Zitat Seite 43)

Inhalt
Sie ist gerade vierzig Jahre alt geworden. Ihr Freund Trevor, mit dem sie über ein Jahr lang zusammen war, hat sie verlassen. Es ist Dezember, Weihnachten mag sie nicht. Spontan reist sie nach Venedig. In der Pension im Palazzo Bragadin freundet sie sich mit dem alten russischen Fürsten Wladimir Pofkowitschin an, der ihr an den langen Abenden seine Lebensgeschichte erzählt, und mit der jungen Balletttänzerin Carla und deren Freund Valentino. Eines Tages entdeckt sie zufällig am Campo Bruno Corvato eine Buchhandlung und lernt einige Tage später auch Dino Manzoni, den Buchhändler, kennen. Sie beginnt, sich langsam in ihn zu verlieben, doch das Licht am Abend in der Wohnung über der Buchhandlung zeigt ihr, dass er erwartet wird.

Thema und Genre
Dieser Roman handelt vom Verlust, Erinnerungen, der Liebe, von Literatur und vor allem von der Stadt Venedig im Winter, wenn sie, abseits der sommerlichen Touristenströme, wieder den Venezianern gehört.

Charaktere
Wir wissen wenig über die Hauptfigur, eine namenlose Frau. Wir kennen ihr Alter, aber nicht ihren Beruf, doch sie ist erstaunlich ungebildet, aber interessiert. Wir wissen jedoch, dass sie bisher über die Trennung von Trevor nicht hinweggekommen ist. Sie spricht wenig, hört aber umso besser zu.

Handlung
Dieser Roman beschreibt Venedig im Winter, die Stimmungen dieser einmaligen Stadt, die in diesen Wochen im Dezember zur Ruhe kommt. Es ist eine leise, fließende Handlung, getragen durch die Gedanken der Ich-Erzählerin und den Ablauf ihrer Tage, in denen sie durch Venedig streift. An den Abenden teilt der alte Fürst, von Beruf Lehrer, seine Erinnerungen und sein Wissen mit ihr. Durch ihn und den Buchhändler beginnt sie zu lesen, besucht Museen und entdeckt die verborgene Schönheit Venedigs.

Fazit
Eine leise Geschichte von einer zarten, ähnlich brüchigen Schönheit, wie die Stadt Venedig im Winter. Die Ich-Erzählerin erlebt Tage, die ruhig fließen, während sie sich in den Gassen der Stadt neu findet.

Bewertung vom 09.08.2020
Barz, Helmut

Damenopfer


ausgezeichnet

„Sie weigert sich, sich unterzuordnen, ignoriert Dienstvorschriften und direkte Weisungen ihrer Vorgesetzten, integriert sich nur schwer ins Team und überschreitet bei ihrer Arbeit auch schon einmal die Grenzen der Legalität.“ (Zitat aus der Personalakte von Katharina Klein, Seite 74)

Inhalt
Der Sitz der neuen Sonderermittlungseinheit und das Institut für okkulte Pathologie und kryptoforensische Medizin in der Karl-Kreutzer-Villa sind dank vieler Sponsoren mit modernster Technik eingerichtet. Der Tag der feierlichen Eröffnung ist gekommen. Jan-Ole Vogel, Justizminister des Landes Hessen, ein brillanter Schachspieler und unbequemer, tatkräftiger Politiker, spricht in seiner Rede vom Schwarzen Schwarm des Todes, wendet sich an Katharina Klein, erklärt, er übergebe ihr hiermit ihren ersten Fall und erschießt sich. Katharina Klein und Andreas Amendt machen sich auf sie Suche nach den Hintergründen und finden plötzlich eine brisante Verbindung zu einem bekannten Pharmaunternehmen …

Thema und Genre
In diesem neuen Fall für Katharina Klein geht es um Forschung, die Pharmaindustrie, Verantwortung, Wirtschaft und Politik.

Charaktere
Katharina Klein, erst dreiunddreißig Jahre alt, ist Kriminaldirektorin und Leiterin ihrer eigenen Einheit. Sie hat ein hochqualifiziertes, buntes Team zusammengestellt. Dr. Andreas Amendt leitet das rechtsmedizinische Institut. Als mit allen Mitteln und massivem Druck bis ins Privatleben versucht wird, ihre Recherchen zu verhindern, wissen sie, dass sie auf der richtigen Spur sind und ermitteln umso intensiver weiter.

Handlung und Schreibstil
Die aktuellen Ereignisse finden zwischen 6. und 16. April 2008 statt, doch die Ermittlungen führen tief in die Vergangenheit. Die Handlung ist rasant, spannend und die Themen sind zeitlos aktuell. Fachliche Details zeigen die intensive Recherchearbeit des Autors. Die Überschriften und Zitate am Beginn der einzelnen Kapitel stammen diesmal nicht aus dem Jazz, sondern vom Chess, wie auch der Titel des Buches.
Die Sprache ist wieder sehr flüssig und mit Vergnügen zu lesen, das ironische Augenzwinkern und die witzigen Dialoge fehlen auch in diesem neuen Band der Serie nicht. Man spürt, dass der Autor selbst viel Spaß beim Entwickeln der Figuren, der Geschichte und beim Schreiben hatte.

Fazit
Dieser Kriminalroman ist ein packender, rasanter Politthriller, den man auf Grund der kurzen Rückblicke und Erklärungen auch lesen kann, ohne die vorhergehenden drei Bücher zu kennen. Perfekt für Leser*innen, die eigenwillige Ermittlerfiguren schätzen, deren Ecken und Kanten sie speziell, sympathisch und nachdrücklich erinnerbar machen. Dazu eine komplexe, sehr gut aufgebaute, realistische Geschichte, spannend und charmant erzählt.

Bewertung vom 07.08.2020
Barz, Helmut

Jazz-Trilogie (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Drei Regional-Kriminalromane, packend und überraschend wie guter Jazz


„Ich verliere gerade zwei gute Beamte statt einem. Und das nur, weil sie Rambo spielen müssen und danach mit der Frankfurter Unterwelt zocken.“ (Zitat Pos. 242)

Inhalt Band 1 Westend Blues
Vor sechzehn Jahren hat Katharina Klein ihre Eltern und ihre ältere Schwester Susanne durch einen Mordanschlag verloren. Damals war sie gerade siebzehn Jahre alt geworden. Heute ist sie Kriminalhauptkommissarin beim K11 Frankfurt, mit umfassender Spezialausbildung, überqualifiziert, zornig, mit einer Ausklärungsquote von 100%. Sie ist gerade suspendiert, da sie zwei Geiselnehmer erschossen hat, als ihre Nachbarin ermordet wird. Dr. Andreas Amendt, Neurologe, als Rechtsmediziner ebenfalls suspendiert, unterstützt sie bei der Suche nach dem Mörder.

„Alte Rechnungen begleichen? Ja. Genau das würde ich machen. Alle. Endgültig und für immer.“ (Zitat Pos. 13390)

Inhalt Band 2 African Boogie
Katharina Klein wurde soeben zur Kriminaldirektorin der neuen Sonderermittlungseinhalt SEE I FFM befördert. Doch zunächst muss sie untertauchen, denn der südamerikanische Drogenboss, dessen Sohn einer der beiden Geiselnehmer war, die sie vor vierzehn Tagen in Notwehr erschossen hatte, hat einen hochspezialisierten Killer auf sie angesetzt. Zeit für ein paar Wochen Urlaub in einem Luxusressort auf Mafia Island, Tansania. Dort taucht auch Dr. Andreas Amendt auf, auf dessen Gegenwart sie absolut keinen Wert legt, seit sie weiß, dass sie eine gemeinsame Geschichte haben. Da ereignen sich mehrere eigenartige Unfälle im Ressort.

„In Ihrer Gegenwart ist es immer gut, eine medizinische Grundausstattung dabeizuhaben, Frau Klein.“ (Zitat Pos. 16766)

Inhalt Band 3 Dolphin Dance
Zurück in Frankfurt und mit einem wichtigen neuen Hinweis zum nach wie vor unaufgeklärten Mord an ihrer Familie, beginnt Katharina Klein, unterstützt von Andreas Amendt, mit einer neuen, intensiven Suche nach Fakten und Hintergründen in der Vergangenheit und Gegenwart.
„Wir bringen das jetzt zu Ende! Sie und ich! Ein für alle Mal!“ (Pos. 15899)

Thema und Genre
In diesem Sammelband von drei Kriminalromanen geht es um die ersten drei Fälle der Frankfurter Ermittlerin Katharina Klein, um Polizeiarbeit, Verbrechen, internationale Konzerne, Frankfurt und die Szene, um Inselfeeling, Familie, Freundschaft, Liebe, Trauer, Traumata, Verrat, Schuld und Rache.

Charaktere
Katharina Klein ist eine facettenreiche Ermittlerin, eigenwillig, unangepasst, hartnäckig. Eine kampferprobte Einzelgängerin, die im Grunde Gewalt verabscheut, Dienstvorschriften und Weisungen ignoriert und die legalen Grenzen sehr großzügig auslegt.
Dr. Andreas Amendt ist ein hervorragender Neurologe, doch noch mehr als die Lebenden interessiert ihn, was die Toten ihm zu sagen haben und daher arbeitet er als Rechtsmediziner. Durch eine wichtige Gedächtnislücke traumatisiert, ist auch er immer noch auf der Suche nach Antworten.

Handlung und Schreibstil
Jeder der drei Fälle und Ermittlungen findet innerhalb von wenigen Tagen statt, dadurch ist die Handlung straff und packend. Erdig und überraschend wie die vielschichtigen Klangfarben des Jazz sind auch die Ereignisse, ihre verschlungenen Hintergründe, überraschenden Wendungen und die Charaktere. Auch sprachlich überzeugend, gekonnt formuliert, nachvollziehbar und mit charmanten, sehr witzigen Dialogen und Szenen.

Fazit
Drei dicht aufeinander folgende Kriminalfälle und eine unangepasste, schräge, kämpferische und gleichzeitig einfühlsame Ermittlerin. Das Resultat ist eine gelungene Mischung aus Spannung und Lesevergnügen, drei Pageturner mit Garantie für nächtliche Lesestunden.

Bewertung vom 07.08.2020
Seethaler, Robert

Der letzte Satz


ausgezeichnet

„Dort draußen läuft ein Glück im Gras herum, und hier drinnen sitzt ein anderes mit mir am Tisch. Ich habe alles, was ich mir wünsche. Ich bin ein glücklicher Mann.“ (Zitat Seite 19)

Inhalt
Ein halbes Jahr nach seinem großartigen Erfolg in München reist Gustav Mahler an Bord der ‚Amerika‘ mit Alma und Anna wieder nach New York. Erst fünfzig Jahre alt, ist er nach wie vor voll musikalischer Schaffenskraft, ein unruhiger Geist, doch sein Körper ist von seiner schweren Krankheit gezeichnet und müde. Mit Blick auf das Meer denkt er über die vergangenen letzten Jahre nach.

Thema und Genre
Der Autor beschreibt einige Stunden im Leben des Komponisten Gustav Mahler, doch durch dessen Erinnerungen wird dieser Roman auch eine sehr persönliche Biografie des Künstlers.

Charaktere
Gustav Mahler wird als eigenwilliger, aber überzeugter Künstler geschildert, als Komponist ebenso innovativ, fordernd und auf der Suche nach der perfekten musikalischen Ausdruckskraft, wie als Dirigent. Gleichzeitig erfahren wir viel über den Menschen Gustav Mahler, seine Liebe zu seiner Frau Alma und zu seinen Töchtern, seine Begeisterung für die Natur und seinen Blick für das Glück der kleinen Dinge. Doch er erkennt auch, wie selbstverständlich es für ihn war, dass sich auch seine Familie seinem musikalischen Genie unterordnet.

Handlung und Schreibstil
Es sind nur wenige Stunden am Beginn eines neuen Morgens, in denen Gustav Mahler allein auf seinem persönlichen Lieblingsplatz auf dem Sonnendeck des Schiffes sitzt. Betreut von einem Schiffsjungen, hängt er seinen Gedanken nach und reist in der Erinnerung zurück zu den wichtigen Ereignissen der letzten Jahre.

Fazit
In seiner leisen, eindrücklichen Sprache erzählt der Autor auf nur 126 Seiten eine in ihrer Tiefe und Dichte beeindruckende Geschichte eines intensiv gelebten Künstlerlebens. „Ich hätte noch so viel mehr komponieren können. Es fühlt sich an, als hätte ich gerade erst angefangen, dabei ist es schon wieder zu Ende.“ (Zitat Seite 30)

Bewertung vom 07.08.2020
Schlink, Bernhard

Abschiedsfarben


ausgezeichnet

„So oft wird aus etwas Richtigem etwas Falsches. Warum soll nicht ebenso aus etwas Falschem etwas Richtiges werden können?“ (Zitat aus „Geliebte Tochter“, Seite 150)

Inhalt und Thema
Dieser Erzählband ist eine Sammlung von Geschichten, in denen es um das Abschiednehmen geht. Jeder Abschied hat eine Vorgeschichte, eine kurze Episode, oder auch ein ganzes Leben. Damit verbunden sind immer Erinnerungen, intensive Gefühle und auch Entscheidungen, die getroffen werden und dem Leben eine neue Wendung geben, in der Erinnerung dann bestätigt oder bedauert werden. Genau davon handeln diese Erzählungen, die sich dem Thema aus immer neuen, völlig unterschiedlichen Blickwinkeln nähern, vielfältig wie eine Farbpalette.

Handlung und Schreibstil
So unterschiedlich wie die Problematik, ist auch die Erzählform. Es gibt Ich-Erzähler, Hauptfiguren, die der Autor nur „er“ oder „sie“ nennt, von anderen erfahren wir den Namen durch die Dialoge.
In der ersten Geschichte geht es um ein Gespräch, das ein Mann schon längst mit seinem Freund hätte führen wollen, doch es schien nie der passende Zeitpunkt zu sein. Nun ist der Freund gestorben.
In der zweiten Geschichte findet ein nächtlicher Mord statt, der auf der Straße gegenüber dem Haus des Ich-Erzählers stattfindet, doch dieser hat geschlafen und nichts bemerkt.
Die dritte Geschichte handelt von einem überraschenden Wiedersehen. Das Mädchen war seine Jugendliebe, mit ihrem Bruder war er damals eng befreundet, doch dann hatte er sich für ein Amerikajahr für Schüler entschieden.
In der vierten Geschichte bittet ein schwer kranker Mann seine erste Ehefrau, die er vor neunzehn Jahren verlassen hatte, um ein Treffen und ein letztes Gespräch.
Ein Mann und eine Frau lernen sich in der fünften Geschichte bei einem Yoga-Treffen kennen und drei Wochen später haben beide ihre bisherigen Ehepartner verlassen und beginnen ihr gemeinsames Leben, zu dem auch die fünfjährige Tochter der Frau gehört.
Die sechste Geschichte handelt von besonderen Sommerferien eines elfjährigen Jungen mit seiner Mutter auf einer Nordseeinsel. Vier Wochen, in denen er beginnt, sich für Mädchen zu interessieren.
Die siebente Geschichte ist die persönlichste in dieser Sammlung. Es geht um den plötzlichen Tod des älteren Bruders eines Schriftstellers und die damit verbundenen Erinnerungen, vor denen er nicht in die Welt seiner Geschichten fliehen kann.
In der achten Geschichte begibt sich ein Mann kurz nach seinem siebzigsten Geburtstag auf die Suche nach einer Frau, mit der er vor vielen Jahren die glücklichsten Stunden seines Lebens verbracht hatte.
Die neunte Geschichte erzählt vom Jahrestag einer Beziehung eines Mannes, er ist einundsiebzig Jahre alt, zu einer wesentlich jüngeren Frau. Er ist glücklich, macht sich aber Gedanken über die Zukunft.
Der Autor entwickelt seine Geschichten langsam, leise, in einer poetischen Sprache, klar schnörkellos und gerade dies macht sie so packend und eindrücklich.

Fazit
Geschichten, wie sie das Leben schreibt, Entscheidungen, für die es, einmal getroffen, keinen Weg zurück gibt, denn das mögliche andere Leben kann niemals mehr gelebt werden. In der Erzählung Altersflecken bringt es eine Protagonistin auf den Punkt: „Gemeinheiten, Peinlichkeiten, Fehler? – Altersflecken“ (Seite 219).

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.07.2020
Maxian, Beate

Der Tote im Fiaker / Sarah Pauli Bd.10


ausgezeichnet

„Es wird Tote geben, ging ihr die verschlüsselte Botschaft wieder durch den Kopf.“ (Zitat Seite 91)

Inhalt
„Christliche Geschenke“ heißt das gediegene Geschäft in der Wiener Goldschmiedgasse, dessen Inhaber während einer Fahrt mit dem Fiaker ermordet wird. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dieser Tat und den geheimnissen Tau-Kreuzen, die seit Tagen heimlich an Häuser und Sehenswürdigkeiten in der Wiener Innenstadt gemalt werden? Denn bei dem Toten wird ein Zettel mit genau diesem Kreuzzeichen gefunden und einer geheimnisvollen Zahlenreihe. Für den Chefermittler Martin Stein ist sofort klar: er braucht die Hilfe von Sarah Pauli, Chefredakteurin beim „Wiener Boten“, denn sie kennt sich mit mystischen Zeichen aus.

Thema und Genre
In diesem Wiener Kriminalroman geht es um geheimnisvolle Kreuze und verschlüsselte Botschaften. Ein aktuelles Thema ist Love-Scaming, eine moderne Form des Internet-Betrugs durch gefälschte Profile und Identitäten in Verbindung mit rührseligen Geschichten. Obwohl bereits Band 10 einer Serie, kann dieser in sich abgeschlossene Wien-Krimi auch als Einzelbuch oder Einstieg in die Serie gelesen werden.

Charaktere
Sarah Pauli ist gerade leitende Chefredakteurin des „Wiener Boten“ geworden. Doch das ist für sie noch lange kein Grund, nun am Schreibtisch zu bleiben. Sie liebt die Recherchen, die Gespräche vor Ort. Als Martin Stein ihre Hilfe braucht, ist sie, unterstützt von ihrem Team, sofort mitten im Geschehen: neugierig, kompetent, hartnäckig und aus innerer Überzeugung dem Qualitätsjournalismus verpflichtet.

Handlung und Schreibstil
Die Geschichte spielt in einem Zeitraum von nur vierzehn Tagen, dies macht die Handlung straff und spannend. Ergänzende Rückblenden bringen Schritt für Schritt zusätzliche Details und Überraschungen in das aktuelle Geschehen. Sehr realistisch und unterhaltsam zu lesen sind die Dialoge zwischen dem Ermittler und der Journalistin, sie will möglichst viele Hintergrundinformationen für ihre Zeitungsartikel, und er braucht ihr Wissen über Symbolik und Zahlen. Doch mit den gemeinsamen Fällen sind auch das gegenseitige Vertrauen und die Wertschätzung gewachsen.

Fazit
Ein Regio-Krimi mit Wiener Charme und einer sympathischen Journalistin, die in Mordfällen gerne selbst ermittelt und recherchiert. Spannend und unterhaltsam grantelnd macht dieses Buch Lust auf Wien.

Bewertung vom 22.07.2020
Amigorena, Santiago

Kein Ort ist fern genug


sehr gut

„Mit am schlimmsten am Antisemitismus ist die Tatsache, dass die Juden sich zwangsläufig als Juden zu fühlen haben, dass man sie auf eine Identität jenseits ihres Willens festlegt und kurzerhand für sie beschließt, wer sie wirklich sind.“ (Zitat Pos. 572)

Inhalt
1928 verlässt der junge Pole Vicente Rosenberg Europa und wandert nach Argentinien aus. Fünf Jahre später begegnet er Rosita Szapire, die er heiratet. 1940 haben die beiden drei Kinder und Vicente hat gerade sein Möbelhaus eröffnet. Als er im Oktober 1941 einen Brief von seiner Mutter erhält, in dem sie ihm das Leben im Warschauer Ghetto schildert, fühlt er sich schuldig, weil er sie und seinen Bruder nicht schon längst zu sich nach Argentinien geholt hat. Um die Stimme des eigenen Gewissens nicht mehr hören zu müssen, spricht auch er nicht mehr, er zieht sich völlig in sein Schweigen zurück.

Thema und Genre
Das Hauptthema dieses biografischen Romans ist eine andere Perspektive des Völkermordes an den Juden im WKII, es geht um die Schuldgefühle jener, die überlebt haben, ihre Fassungslosigkeit, Scham und Ohnmacht, nichts tun zu können. Weitere Themen sind die Frage nach den eigenen Wurzeln und Identität, und die Familie.

Charaktere
Vicente Rosenberg war der Großvater des Autors, der sich als Pole, später als Argentinier, aber nie als Jude fühlte. Die Ungewissheit über das Schicksal seiner Mutter und seines Bruders stürzen ihn in tiefe Schuldgefühle, gefolgt von Depressionen und Spielsucht. Er hüllt sich buchstäblich in ein umfassendes Schweigen.

Handlung und Schreibstil
Im Mittelpunkt der Handlung stehen die Jahre 1940 bis 1945, ergänzt durch Rückblenden und sachliche Berichte über geschichtliche Tatsachen. Die bewegende Geschichte beginnt voll Hoffnung, Vicente ist dabei, sich ein erfolgreiches Leben aufzubauen, ist ein romantischer Ehemann und liebevoller Vater. Dies alles ändert sich schlagartig, als die ersten kurzen Meldungen über die Situation der Juden in Europa nach Argentinien gelangen. Nun stehen Vicente und seine Befindlichkeiten und Schuldgefühle im Mittelpunkt der weiteren Geschichte und die bisherige Intensität der Handlung und die eindrückliche Sprache verlieren etwas von der ursprünglichen Aussagekraft.

Fazit
Eine ergreifende Geschichte, beklemmend in ihrer Hoffnungslosigkeit. Irgendwann jedoch mündest sie in eine ständige Wiederholung der Metaphern und Schilderungen der Befindlichkeit des Hauptprotagonisten, als ob auch dem Autor weitere Worte fehlten. Ich vermute, dass dies Absicht ist, mich konnte es jedoch nicht vollkommen überzeugen.

Bewertung vom 22.07.2020
Schäfer, Andreas

Das Gartenzimmer


ausgezeichnet

„Solche Häuser sind ein Fluch. Man wird ihnen nie gerecht. Sie sind immer stärker als ihre Bewohner.“ (Zitat Pos. 2817)

Inhalt
Max Taubert ist ein junger, noch unbekannter Architekt, als er 1908 von Professor Adam Rosen beauftragt wird, ein Landhaus in Berlin Dahlem für ihn und seine Frau Elsa zu bauen. Der Bauherr wünscht klare, schnörkellose Formen, auf keinen Fall die Jugendstil-Details und Türmchen der umliegenden Villen. Schon beim ersten Besuch des Grundstücks sieht Taubert das fertige Haus vor sich, das die Kriege überdauert und dann, leerstehend, unter Denkmalschutz, langsam verfällt. 1995 entdeckt Frieder Lekebusch das Haus durch Zufall, erwirbt und restauriert es. Wird es seiner Frau Hannah gelingen, die Villa Rosen wieder zu einem gesellschaftlichen Zentrum für Gäste aus Kunst und Kultur zu machen?

Thema und Genre
Im Mittelpunkt dieses Romans steht ein Haus, die berühmte Villa Rosen am Rande des Grunewalds, und das Leben und Schicksal seiner Bewohner. Es ist ein besonders Haus, das begeistert, aber auch fordernd und beklemmend ist, und in seinen Räumen die Spuren der Vergangenheit zu bewahren scheint.

Charaktere
Für Elsa sollte das neue Landhaus ein Rückzugsort sein, nur unwillig repräsentiert sie bei Einladungen an der Seite ihres Mannes und erkennt auch bald die drohende politische Veränderung. Die Familien Rosen und Lekebusch sind nicht verwandt und kennen einander nicht. Nur ein altes Gästebuch verbindet die Vergangenheit mit der Gegenwart und regt Hannah an, die Villa wieder für Gäste und Interessierte zu öffnen. Sie bemerkt nicht, wie das Haus immer mehr zum Mittelpunkt ihres Lebens wird. Ihr Sohn Luis lehnt das Haus ab, als er durch Zufall Details aus der Vergangenheit erfährt.

Handlung und Schreibstil
Es sind Episoden und Ereignisse, die der Autor abwechselnd in zwei Handlungssträngen erzählt, die in sich nicht immer chronologisch verlaufen. Im Mittelpunkt steht jeweils eine der Personen der jeweiligen Besitzerfamilie und immer spielt die Villa Rosen eine wichtige Rolle, meistens auch als Handlungsort. Es sind mehr als einhundert Jahre deutsche Geschichte, die das Leben der Menschen bestimmen und prägen, die in diesem Haus wohnen. Die Sprache ist leise und eindringlich, der Autor beleuchtet manche Szenen aus unterschiedlichen Sichtweisen, indem er sie später nochmals aufgreift, ergänzt und so die Zusammenhänge klar erkennen lässt.

Fazit
Dieser Roman erzählt von einer Berliner Villa, die mehr als einhundert Jahre lang das Leben seiner Bewohner geprägt hat, zwei unterschiedliche Familien, die einander nie kennengelernt haben. Ein interessanter, beeindruckender Streifzug durch die weitläufige Halle und lichtdurchflutete Zimmer, mit Einblicken nicht nur in einzelne Entscheidungen und Schicksale, sondern auch in wichtige Kapitel deutscher Zeitgeschichte.

Bewertung vom 22.07.2020
Revedin, Jana

Margherita


ausgezeichnet

„Wir feiern dich, ma belle, ausschließlich dich! Nicht die Mittel, nicht den Rahmen, nicht die Statisten.“ (Zitat Pos. 1153)

Inhalt
Margherita wird 1920 fünfundzwanzig Jahre alt, der Conte Antonio „Nino“ Revedin ist sechsunddreißig, als er Margherita in Treviso kennenlernt und ihr bald darauf einen Antrag macht. Vor der Hochzeit verbringt sie ein halbes Jahr in Paris, besucht Kunstgalerien und lernt aufstrebende, junge Künstler kennen, die auch zur Hochzeit kommen, Coco Chanel, Alberto Giacometti, Elsa Schiaparelli, Jean Patou, Eugenia Errázuriz. Diese Freundschaften prägen sie und regen ihre Ideen an, als sie gemeinsam mit ihrem visionären Ehemann Nino erste Schritte für einen neuen Kultur- und Naturtourismus plant und sie beginnen, Venedig und den Lido zu einem weltoffenen, modernen kulturellen Zentrum zu machen. So lernt sie auch Peggy Guggenheim kennen. Dann kommt das Jahr 1936 und dieses Jahr verändert alles, nicht nur in politischer Sicht. Doch Margherita ist stark, kreativ und sie gibt nie auf – das hat sie mit der Stadt Venedig gemeinsam.

Thema und Genre
Dieser Roman verbindet Fiktion und Realität, indem er die Geschichte der adeligen Familie Revedin, und damit auch des modernen Venedig, mit fiktiven Ereignissen verbindet. Ein Thema ist das bewegte Leben von Margherita Revedin, doch vor allem geht es um das lebendige Künstlerleben zwischen Paris und Venedig, beginnend in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, um die Entstehung der Filmfestspiele und der Architektur-Biennale.

Charaktere
Margherita stammt aus einfachen Verhältnissen und wird Zeit ihres Lebens vom alteingesessenen venezianischen Adel geschnitten. Doch dies stört sie nicht, denn sie sucht nicht die alten Traditionen, sondern sie blickt in die Zukunft und erkennt auch das Potential der neuen Zeit. Die bekannten Künstler*innen des Kreises um Margherita sind in ihren Eigenheiten beeindruckend real und stimmig geschildert.

Handlung und Schreibstil
Die Autorin erzählt das Leben von Margherita Revedin, der Großmutter ihres Ehemannes und damit verbunden auch die Geschichte des modernen Venedig ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Jahre zwischen wichtigen Ereignissen fasst sie zusammen, indem sie am Beginn eines neuen Kapitels kurz beschreibt, wie viele Jahre inzwischen vergangen sind. Damit vermeidet sie mögliche Längen und man verfolgt die Geschichte mit Spannung, die nicht nachlässt, sondern ihren steten Sog behält. Die letzten Kapitel, die sie mit „Ausklang“ tituliert, spielen 1987 und es schließt sich der Kreis.

Fazit
Ein biografischer Generationenroman über die europäische Kunst- und Kulturszene im 20. Jahrhundert, verbunden mit der jüngeren Geschichte der Stadt Venedig. Die Autorin nimmt uns mit in die prächtigen Palazzi am Canal Grande und das elegante Ambiente des Lido. Es ist ein Vergnügen, dieses interessante, einfühlsam und lebendig geschriebene Buch zu lesen, nicht nur für begeisterte Venedig-Kenner.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.07.2020
Barz, Helmut

Brumm!


sehr gut

„Bei uns sagt man, der Panda ist freundlich und die Verkörperung der Seelenruhe, doch begegnest du ihm, tritt ihm nicht zu nahe, willst du nicht gegen einen gnadenlosen Krieger kämpfen.“ (Zitat Seite 46)

Inhalt
Dr. Urs A. Podini, 46 Jahre alt, von seiner egozentrischen Lebensgefährtin Karolin „Bärchen“ genannt, ist als Werbemanager und Co-Geschäftsführer eines Marketingunternehmens erfolgreich. Sein Traum von einer Professur für vergleichende Literaturwissenschaften und vom eigenen Roman dagegen hat sich nicht erfüllt. Gutmütig lässt er zu, dass ihn sein Leben lebt statt umgekehrt. Bis er eines Tages in der schrägen Boutique „Transitions!“ ein flauschiges Pandakostüm entdeckt, in das er mit einem zunächst vorsichtigen „Brumm“ schlüpft. Damit beginnt ein neues Leben für ihn, denn jetzt bestimmt sein Krafttier, der Panda, seine Handlungen, sanft, gemütlich, verspielt – doch wenn es darauf ankommt, fletscht er die Zähne und wird zum hartnäckigen Kämpfer.

Thema und Genre
Der Autor nennt seinen Roman eine moderne Fabel für unsere Zeit, in der Fakten bewusst durch gefühlte Wahrnehmungen ersetzt werden. Themen sind die alles bestimmende Medienpräsenz unserer Tage und ihre Scheinwelten, satirische Gesellschaftskritik und Politik. Es geht aber auch um Entscheidungen darüber, wer man sein will und wie man sein Leben gestaltet.

Charaktere
Ein Stückchen „Doktor Urs Ailuro Podini“ findet sich wohl im Leben vieler Menschen, die Entscheidung für Karriere und ein finanziell abgesichertes Leben, statt zumindest zu versuchen, die eigenen Träume zu leben. Kreativität ohne das notwendige Umsetzungspotential. Bei Dr. Urs A. Podini bewirkt der Panda in seinen Gedanken und dann auch in seinem Kostüm das Umdenken und die Veränderung. In welcher Form auch immer, als Leser schließt man diesen sympathischen, liebenswerten Hauptprotagonisten der Handlung sofort ins Herz.

Handlung und Schreibstil
Die Sprache zeigt den studierten Theaterwissenschaftler, sie führt uns flüssig durch die Handlung, ein großartiges Lesevergnügen. Unsere moderne Zeit der Influencer und ihrer Netzwerke, die Schwächen der derzeit die politische Bühne bespielenden Figuren werden gekonnt überspitzt, treffend, und mit einem großen Augenzwinkern beschrieben. Es sind der Humor und Witz, die skurrilen und doch aus dem Alltagsleben gegriffenen Szenen, die für laute Heiterkeit während des Lesens sorgen, unterbrochen durch Nachdenklichkeit und manchmal die Sorge um Urs. Denn auch sein Leben als erster anerkannter menschlicher Panda wird in der Geschichte immer noch von außen gesteuert, und als Romanfigur vom Autor, der mit einer überraschenden Wendung das von mir erwartete open End kappt. Für mich trotz verschiedener Andeutungen nicht stimmig, zu viel gewollt und zu bewusst konstruiert.

Fazit
Ein vergnüglich zu lesender, sprachlich großartiger Roman mit einer liebenswerten Hauptfigur. Mit einem grollenden „Brumm!“ für das Ende ziehe ich persönlich zwar einen Bewertungsstern ab, aber empfehle, dieses ungewöhnliche Buch auf jeden Fall zu lesen, es macht wirklich Spaß!