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Aischa

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Insgesamt 572 Bewertungen
Bewertung vom 13.07.2020
Wurth, Magdalena;Wildenauer, Moritz

Pilzgeflüster


sehr gut

Das originelle Sachbuch will Laien zum Kultivieren eigener Speisepilze motivieren, und dies ist rundum gelungen.

Das Autorenduo Wurth / Wildenauer führt seit Jahren einen biologischen Pilzbetrieb in Österreich. Die beiden teilen ihr Know-how, ihre Erfahrungen und nicht zuletzt auch ihre Leidenschaft für den Pilzanbau mit dem Leser.

Das Buch steckt voller Liebe zum Pilz. Man erfährt alles über Gestalt und Lebenszyklus der Fungi, die neben Tieren und Pflanzen ein eigenes Reich innerhalb der biologischen Klassifizierung einnehmen. 16 Pilze, die auch zu Hause kultiviert werden können, werden genauer porträtiert. Verschiedene Standorte, vom Keller bis zum Dachgarten, werden vorgestellt, ebenso wie unterschiedliche Kulturarten, vom in Bohrlöchern beimpften Baumstamm bis zu Kaffeesatzsubstrat in Plastikkübeln.

Kreative Rezepte geben Anregung, welche Gerichte man mit der eigenen Ernte zaubern kann. Sehr hilfreich sind Bezugsquellen für Pilzbrut, Substrate oder Fertigkits.

Das Buch ist sehr hochwertig gestaltet, viele Farbfotos machen richtig Lust, gleich nach der Lektüre mit dem Gärtnern loszulegen. (Was ich auch, anhand eines Fertigkits, erfolreich getan habe.) Besonders gefällt mir, dass hier Cradle to Cradle und klimapositiv produziert wurde, auch hat der Verlag auf Verpackung in Folie verzichtet.

Mein einziger Kritikpunkt betrifft die mangelnde Übersichtlichkeit. Der Layouter hat wohl etwas zu tief in die Kiste der verschiedenen Schriftarten gegriffen. Und es wimmelt nur so von Kästchen, Abbildungen, Grafiken und Tabellen. Was eigentlich der Veranschaulichung dienen könnte ist hier oft zu überladen geraten und wirkt sehr unruhig. Ich habe mich nur schwer zurecht gefunden, wenn ich noch mal schnell etwas nachschlagen wollte.

Fazit: Ein gelungener Ratgeber für Hobbypilzgärtner und alle, die es werden wollen.

Bewertung vom 13.07.2020
Flynn, Ellen C.

Der Tuchfuchs


gut

Manchester im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts: Der Mittelpunkt der englischen Baumwollindustrie, Webmanufakturen voll ausgebeuteter Arbeiter, adlige Spekulanten, das riesige britische Empire, das mit seinen Überseekolonien im Clinch liegt - das Setting für Ellen C. Flynns ersten historischen Roman versprach eine spannende Kulisse und reichlich ungewöhnlichen Stoff.

Der Plot ist auch durchaus gelungen. Ich schätze es sehr, wenn ein Buch nicht nur unterhaltsam, sondern auch lehrreich ist, und gerade Historienromane bieten hier viel Potenzial. Die Autorin gewährt Einblick in die damalige Tuchherstellung (samt Färbetechniken) und -handel, sehr interessant, wenn auch nicht immer leicht verständlich. Ein Glossar mit Fachbegriffen wäre hier sehr hilfreich gewesen.

Das gilt ebenso für den geschichtlichen Hintergrund. Wer als Leser nicht zumindest Grundkenntnisse der britischen Kolonialgeschichte und der politischen Struktur des Empires Ende des 18. Jahrhunderts mitbringt, der muss - wie ich - sehr viel selbst nachschlagen, um zwischen Townshend Duties, Squires, Whigs und Landed Gentry noch einigermaßen durchzublicken.

Noch viel störender sind für mich jedoch die zahlreichen Rechtschreib-, Grammatik- und Konjunktionsfehler. Hier bewahrheitet sich leider das Vorurteil, dass viele Selfpublisher an Korrektorat und Lektorat sparen. Wenn dann auch noch Sachfehler hinzukommen, trübt das meinen Lesegenuss sehr. Da ist schon mal die Rede vom Stethoskop, das jedoch erst Anfang des 19. Jahrhunderts erfunden wurde. Man mag das kleinlich finden - ich stelle mir jedoch die Frage, wie gut (oder schlecht?) die Dinge recherchiert wurden, von denen ich nichts verstehe und bei denen ich folglich Gefahr laufe, mir Fehler anzueignen, da ich sie nicht als solche erkenne.

Sehr gut gelungen sind Flynn hingegen ihre Figuren. Hier gibt es keine Schwarz-Weiß-Malerei, kein stereotypes "Gut gegen Böse". Die Protagonisten werden mit Liebe zum Detail gezeichnet, der fiese Gegenspieler zeigt auch sympathische Züge und die Guten sind nicht durchweg moralische Vorbilder.

Der Plot ist spannend und Flynn weiß mit erfrischendem Wortwitz und einigen Twists gut zu unterhalten. Die Erzählung wechselt zwischen verschiedenen Ich-Perspektiven der Figuren, was zusätzlichen Schwung bringt.

Fazit: Plausible Charaktere mit Ecken und Kanten transportieren einen sehr interessanten, spannenden Stoff. Für mich dennoch leider nur mittlerer Lesegenuss aufgrund der vielen sprachlichen und einiger sachlicher Fehler. Es bleibt zu wünschen, dass der Text eine gewissenhafte Überarbeitung erfährt, die Geschichte hat es verdient.

Bewertung vom 30.06.2020
Ebert, Sabine

Herz aus Stein / Schwert und Krone Bd.4


ausgezeichnet

Der vierte Band der Barbarossa-Saga hat mich wieder etwas besser unterhalten als der vorherige.

Ob das daran liegt, dass er mit 483 Seiten (zuzüglich Anhang) auch der knappste ist? Zum Teil sicherlich, denn die ersten drei Bände der Reihe sparten nicht an unnötigen Wiederholungen und zähen, langweiligen Abschnitten. Zwar gibt es auch in "Herz aus Stein" Repetitionen fast gleich lautender Sätze, manche Sachverhalte werden so oft wiederholt, dass ich mich schon gefragt habe, ob Autorin Ebert ihre Leserschaft für unterdurchschnittlich intelligent hält. Und doch liest sich die Geschichte diesmal ein wenig flüssiger.

Dazu mag auch beitragen, dass mir einige Protagonisten inzwischen ans Herz gewachsen sind und ich mich bei den vielen Heinrichs, Friedrichs und Welfen etwas besser zurechtgefunden habe.

Für Verwirrung sorgte allerdings die Tatsache, dass die ersten Kapitel das Ende des dritten Bandes wiederholen, statt den Zeitstrahl weiterzuführen. Ich weiß nicht so recht, wieso sich die Autorin dafür entschieden hat, denn die Bände sind so oder so nicht als einzelne Romane, sondern nur als Reihe gut verständlich und lesbar.

Mein großer Wunsch wäre etwas mehr narrativer Kitt, damit die Geschichte runder wird. So bleibt es mehr oder weniger eine Aneinanderreihung geschichtlicher Ereignisse, selbst die Kriegszüge und Intrigen wirken austauschbar, ich hatte nicht das Gefühl, im Vergleich zu den ersten Bänden hier wirklich Neues, Überraschendes zu lesen.

Positiv erwähnen möchte ich die wirklich hochwertige Ausstattung des Hardcovers. Kolorierte historische Karten auf Vor- und Nachsatz, Zeittafel, Glossar und Stammtafeln der Herrschergeschlechter erleichtern es, sich im Plot zurechtzufinden. Dennoch hat es für vier Sterne nicht ganz gereicht. Ob ich mir den fünften und letzten Band zulegen werde, der im November erscheint? Ich weiß es noch nicht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.06.2020
Borrmann, Mechtild

Grenzgänger


ausgezeichnet

Es sind gewichtige Themen, die Mechtild Borrmann in diese Familiengeschichte gepackt hat, und zwar nicht wenige: Ein Vater, durch Kriegserlebnisse schwer traumatisiert, vermag seine Familie nicht mehr zu ernähren und sondert sich ab. Die Bigotterie eines Kirchenmannes, der Sünden seiner Gemeindemitglieder aufs Schärfste anprangert, ja sogar verfolgt, zugleich aber nicht davor zurückschreckt, sich selbst durch Betrug zu bereichern. Menschen, die andere nur allzu schnell (vor-)verurteilen, während sie eigene Verfehlungen gern beschönigen und verdrängen. Die unfassbar grausamen körperlichen wie seelischen Misshandlungen, denen Kinder in kirchlich geführten Heimen ausgesetzt waren. Eine Gesellschaft, die weg sieht, weil nicht sein kann was nicht sein darf. Und schließlich thematisiert dieser Roman auch den Schmuggel in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg in deutschen Grenzregionen und fragt, inwieweit Kriminalität durch große Not entschuldigt werden kann.

Ich habe durch die Lektüre großen Respekt vor der Autorin gewonnen. Denn nicht nur, dass sie sich an eine derart große Vielzahl von Themen wagt, sondern sie schafft es auch noch, diese zu einer berührenden, fesselnden Familiengeschichte von weniger als 300 Seiten zu verweben. In diesem Buch ist kein Abschnitt zu viel, aber auch kein Wort zu wenig.

Der Leser ist durch viele Perspektivwechsel und Zeitsprünge gefordert, dies macht den Roman aber gleichzeitig sehr kurzweilig. Mich hat das Buch unerwartet mitten ins Herz getroffen. Ein großartiger, nein, mehr ... ein großer Roman, unbedingt lesen!

Bewertung vom 25.06.2020
Hartl, Arnulf;Geyer, Christina

Heilkraft der Alpen


weniger gut

Der Klappentext hatte mich sehr angesprochen: "Gesund durch die Berge, Wandern tut gut", diese Aussagen sollten durch wissenschaftliche Fakten untermauert werden.
Aber was für eine Enttäuschung: Zwar werden viele Studien zitiert, doch genaue Quellenangaben sucht man vergebens. Eine Studie an sich ist noch kein Qualitätskriterium; daher werden Ergebnisse in großen Fachzeitschriften in der Regel nur publiziert, wenn sie ein sogenanntes Peer-Review durchlaufen haben: eine Beurteilung durch unabhängige Gutachter aus dem gleichen Fachgebiet. Ohne Nennung der Quellen kann ich somit als Leser nur schwerlich beurteilen, welchen fachlichen Wert ich einer Studie beimessen kann.
Doch es wurde noch schwerwiegender: Das Institut, an dem der Co-Autor des Buches forscht, hat herausgefunden, dass es unter Bergsteigern weniger Depressionen und andere psychische Erkrankungen gibt als beim Durchschnitt der europäischen Bevölkerung. Daraus schließt die Autorin, dass man wesentlich seltener an Depressionen erkrankt, wenn man regelmäßig Bergsteigen geht. Dies ist alles andere als wissenschaftlich, es ist mit Verlaub einfach dumm! Aus dem gleichzeitigen Vorkommen zweier Sachverhalte lässt sich nicht zwingend eine Ursache-Wirkung-Beziehung derselben ableiten. Ist es nicht möglich, dass depressive Menschen einfach seltener bergsteigen? Ja, denn Antriebslosigkeit ist oft eine Begleiterscheinung von Depressionen, somit ist dies eine mögliche Ursache für die geringere Prävalenz von Depressionen bei Bergsteigern.
Nicht nur der Inhalt, auch der Stil ist nicht gerade wissenschaftlich geprägt. Als die heilende Wirkung der Aerosole verschiedene Wasserfälle (v.a. hinsichtlich Atemwegserkrankungen) beschrieben wird, erhält gleich jede Kaskade "eine eigene Superkraft". Wo bin ich hier als Leser bloß gelandet, in einer alpinen Version von Avengers? An Superlativen mangelt es nicht: "Die Krimmler Wasserfälle können es ohne weiteres mit den weltbesten Lungenfachärzten aufnehmen." Derartige Übertreibungen finde ich sehr schade, das ist einfach unprofessionell und schmälert in meinen Augen die positiven Wirkungen, die die Wasserfälle in der Tat haben mögen.
Dann gibt es wieder sachliche Fehler, etwa wenn der Verfalltag von Lebensmitteln mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum gleichgesetzt wird.
Insgesamt behandelt das Buch viele Banalitäten. Daneben scheint es noch den Gesundheitstourismus im Salzburger Land befördern zu wollen. Jedenfalls enthält es Werbung für touristische Angebote, die "per Mausklick buchbar" sind. Die Gesundheitsförderung gilt offenbar nicht nur für Touristen, sonder auch für die lokale Wirtschaft, ist doch von einer deutlichen Steigerung der Übernachtungen die Rede. Schön und gut, nur: Was bring diese Information mir als Leser?
Außer den bereits erwähnten Krimmler Wasserfällen für Asthmatiker fand ich leider wenig Konkretes. Und so quälte ich mich ehrlich gesagt durch weiter Strecken dieses (Sach-?)Buchs. Gegen Ende hin wurde es etwas interessanter, als es um die Wahrnehmung von Virtual Reality oder das Konzept von Green Spaces ging.
Doch leider reicht dies nicht für ein gutes Buch und tröstet vor allem nicht über Fehlschlüsse hinweg. Auch das Vorwort hinterlässt bei mir einen schalen Beigeschmack: Ulrike Köstler macht hier Eigenwerbung für ihre Website, die praktischerweise den gleichen Namen trägt wie das vorliegende Buch: "Heilkraft der Alpen". Laut Eigendarstellung liegt der Schwerpunkt dieser Online-Plattform auf der Orthomolekularen Medizin. In deren Mittelpunkt steht die Behandlung und Vermeidung von Krankheiten durch hochdosierte Einnahmen von Vitaminen, Spurenelementen und Mineralien. Einen Nachweis für die Wirksamkeit dieses Ansatzes existiert bislang nicht, auch hier gibt man sich lediglich einen wissenschaftlichen Anstrich. Schade, aber auch diese zweifelhafte Verflechtung passt zum schlechten Gesamteindruck dieses Buches. Man kann es lesen, man kann stattdessen aber auch einfach über Wiesen und durch Wälder streifen - davon hat ma

Bewertung vom 18.06.2020
Mácha, Karel Hynek

Mai


ausgezeichnet

Er wurde nur 26 Jahre alt, und doch ist Karel Hynek Máche (*1810) zum tschechischen Kultliteraten aufgestiegen.

Sein Liebesepos "Mai" erschien zunächst mit Unterstützung eines Sponsors im Selbstverlag; seit langem zählt es in Tschechien zur schulischen Pflichtlektüre und erfreut sich über Generationen und in allen Gesellschaftsschichten größter Beliebtheit.

Hierzulande ist der "Mai" leider eher unbekannt. Das Gedicht galt lange als unübersetzbar. Zu Unrecht, wie ich finde. Denn der zweisprachig aufgewachsene Dichter Ondřej Cikán tritt mit der vorliegenden (ebenfalls zweisprachigen) Ausgabe erfolgreich den Gegenbeweis an. Zwar spreche ich kein Tschechisch und kann somit die Übersetzung nicht direkt beurteilen, aber im überraschend ausführlichen Anhang - dieser ist immerhin nahezu halb so lang wie das Epos selbst - gibt Cikán dem literarischen Laien interessante Einblicke in seine Herangehensweise als Übersetzer. So darf man nachvollziehen, wie er sich darum bemüht, einerseits möglichst nah an der wörtlichen Translation zu bleiben, andererseits diese nicht zu Lasten der Lautmalerei gehen zu lassen.

Cikán lässt uns an seinem Ringen teilhaben, Signalreimwörter zu erhalten, ohne dabei den Charakter der Verse zu verändern. Er wägt ab und strebt danach, Klang und Bedeutung gleichen Wert einzuräumen. Cikán ist ein virtuoser Übersetzer und ein Dichter mit Leidenschaft, und somit kann ich die vorliegende Ausgabe des "Mai" nur wärmstens empfehlen.

Die schwarz-weißen Illustrationen von Antonín Šilar ergänzen die Geschichte um Liebe, Natur und Tod auf wunderbarste Weise. Mal abstrakt, an die Tintenkleckse eines Rohrschach-Tests erinnernd, mal figurativ einzelne Szenen aufgreifend, immer aber mit ganz eigenem Zauber, der der Fantasie des Betrachters Raum lässt und dabei die Stimmung des Gedichts unterstützt.

Die Ausstattung des handlichen Büchleins ist hochwertig. Es liegt schwer in der Hand, das glattgestrichene Papier ist dick genug, um auch nach vielen Jahren und wiederholtem Lesen noch wie neu zu wirken und das Lesebändchen ist ein liebevolles Detail. Lediglich das (sehr stabile) Hardcover stellt mich nicht ganz zufrieden: Es ist mir doch etwas zu nüchtern für den romantischen, bild- und gefühlsstarken Inhalt. Fast stellt der Einband in seiner Reduziertheit das strahlende Licht des Gedichts etwas unter den Scheffel. Mir hätte eine Illustration Šilars auf dem Cover besser gefallen.

Ich wünsche diesem wundervollen Gedicht, dass es in der vorliegenden Übersetzung endlich auch zahlreiche deutschsprachige Fans findet - ich bin definitiv bereits einer davon!

Bewertung vom 05.06.2020
Perwanger, Hanna

Südtiroler Leibgerichte


sehr gut

Schon der edle Leineneinband lässt ahnen, dass man ein ganz besonderes Kochbuch in Händen hält. Und der Schein trügt nicht: Auf knapp 200 Seiten finden sich nicht nur Klassiker der Südtiroler Küche wie Schlutzkrapfen oder Speckknödel, sondern auch in Deutschland eher unbekannte Rezepte wie Schwarzplententorte, Tschutsch oder Saure Suppe (Trippa).

Hanna Perwanger, Großmutter des jetzigen Eigentümers des Zirmerhofs in Radein, schrieb vor über 50 Jahren ihre "Leibgerichte" auf. Die Sammlung wurde zum ersten erfolgreichen Südtiroler Kochbuch und bildet die Grundlage für die nun vorliegende Ausgabe.

Einen nostalgischen Einblick in die (Familien-)Geschichte geben kurze persönliche Anmerkungen der Autorin, etwa wenn sie von einem Ausflug mit ihrem Mann und der Gastfreundschaft der Landwirte schwärmt. Oder auch, wenn sie das spontan entstandene Kürbis-Gurken-Liebe-Gedicht eines Gastes zitiert.

Die vorgestellten Gerichte sind bodenständig, kommen ohne überflüssiges Chichi oder exotische Gewürze aus und sind dennoch schmackhaft. Die Zutaten sind in der Regel leicht zu bekommen, sieht man mal von Spielhahn oder "gut abgehangenem" Fasan ab. Die Rezepte sind recht knapp gehalten, Angaben zu Nährwerten, Zubereitungsdauer oder Schwierigkeitsgrad sucht man vergeblich. Auch sollte man meiner Meinung nach etwas Erfahrung in der Küche mitbringen; für Kochanfänger dürfte die Zubereitung manchmal etwas sehr knapp beschrieben sein.

Schön sind Perwangers Tipps für Variationen oder passende Beilagen. Die Fotos strahlen passend zu den Gerichten eine bäuerlich-rustikale Ästhetik aus, leider gibt es nicht zu allen Speisen eine Abbildung.

Etwas störend finde ich die ganzseitigen Werbeanzeigen (Weingut, Winzergenossenschaft, Hotel), dies ist in einer Zeitschrift in Ordnung, in einem Buch zum Verkaufspreis von knapp 25 Euro sollte man darauf verzichten können. Auch das Register kann noch etwas verbessert werden, manche Rezepte (z.B. Rindsgulasch) sind im Anhang leider nicht verschlagwortet, so dass man das Buch auf der Suche nach diesen mühsam durchblättern muss.

Hilfreich ist hingegen - vor allem für deutsche Köche nördlich des "Weißwurst-Äquators" - ein Glossar, das die Südtiroler Küchensprache ins Hochdeutsche übersetzt.

Fazit: Eine tolle Sammlung traditioneller Rezepte mit leicht nostalgischem Charme, die mit ein wenig Erfahrung gut gelingen.

Bewertung vom 02.06.2020
Kloeble, Christopher

Das Museum der Welt


gut

Autor Christopher Kloeble hat mit diesem Roman eine originelle Idee umgesetzt: Er schreibt über eine der größten Expeditionen Mitte des 19. Jahrhunderts, nämlich die der drei bayrischen Brüder Schlagintweit, die durch Unterstützung Humboldts Indien und den Himalaya bereisten und erforschten. Dabei stellt Kloeble den Brüdern den fiktiven indischen Waisenjungen Bartholomäus zur Seite, der enormes Sprachtalent besitzt und ihnen fortan als Dolmetscher dient.

Ein Junge als Protagonist und auktorialer Erzähler ist an sich nicht nicht besonders originell, wohl aber wie der Autor dies nutzt: Zum einen blitzt immer wieder ein ganz eigener Humor auf, etwa wenn der Junge eigene Bezeichnungen für Dinge erfindet, weil in seinen Augen die englischen Kolonialherren auch alles einfach so benennen, wie es ihnen beliebt.

Außerdem - und das ist eine große Stärke des Romans - verdeutlicht er dem europäischen Leser wie überheblich, oder besser gesagt: rassistisch und unmenschlich die Kolonialpolitik war. Und auch wie überheblich (und teils auch rassistisch) unser postkoloniales Denken immer noch ist.

Leider konnte mich die Geschichte aber nicht durchgehend fesseln. Zum einen lag das daran, dass der Autor unzählige Worte in Hindi verwendet, ohne dass diese in einem Glossar oder in Fußnoten übersetzt werden. Zwar kann man sich die meisten Begriffe aus dem Kontext grob erschließen, aber ich möchte gerne genau wissen, was ich lese. Daher habe ich die Worte online übersetzen lassen, was die Lektüre immer wieder unterbrochen und mich zunehmend genervt hat. Zum anderen habe ich leider nicht alle politischen Hintergründe verstanden, so dass ich etwas verloren war; hier wäre eine Zeittafel hilfreich gewesen. Stattdessen findet man eine historische Karte im Anhang, die jedoch leider von derart schlechter Druckqualität ist, dass man kaum etwas erkennen kann. Schade, es wäre durchaus interessant gewesen, die Route der Schlagintweits nachschlagen zu können.

In manchen Kapiteln kam Spannung auf, es gibt einige schöne Landschaftsbeschreibungen und interessante Charaktere. Allerdings habe ich mich auch oft gelangweilt, die Geschichte weist einige Längen auf. Protagonist Bartholomäus wirkt für einen "mindestens" 12jährigen reichlich altklug, und die Charakterisierung der Brüder Schlagintweit hätte ausführlicher ausfallen können.

Dennoch: Wer sich auf die Geschichte einlässt, wird mit einer anderen Sicht auf die Welt belohnt.

Bewertung vom 24.05.2020
Múñez, Fernando J.

Claras Geheimnis / Die Köchin von Castamar Bd.1


sehr gut

Wer auf der Suche nach einem gut gemachten Unterhaltungsroman ist, der kann hier getrost zugreifen. Nicht von ungefähr wurde der Auftakt zur Castamar-Saga des (Dtehbuch-)Autors Fernando J. Múñez in seiner Heimat sofort zum Bestseller.

Die Handlung bietet alles, was es für ein paar äußerst unterhaltsame Lesestunden braucht: Eine sympathische Protagonistin, vom Schicksal schwer gebeutelt, die nicht aufgibt. Missgünstige Widersacherinen, die ihr Steine in den Weg legen. Eine unmöglich erscheinende Liebe, die sich langsam und glaubwürdig entwickelt. Irrungen und Wirrungen, Abenteuer, Heimtücke und Winkelzüge lassen keine Langeweile aufkommen.

Múñez schreibt bildgewaltig und detailreich, der Leser braucht nicht viel Fantasie, um zu den Zeilen die entsprechenden Bilder entstehen zu lassen. Abgesehen von den - wie der Titel bereits vermuten lässt - zahlreichen Beschreibungen lukullischer Genüsse haben es mir vor allem die fiesen Intrigen des Plots angetan. Ein kleiner Kritikpunkt ist, dass der historische Hintergrund etwas zu kurz kommt.

Die Charaktere zeigen hingegen eine gute, oft überraschende Entwicklung. Der Aufbau der Geschichte hat mich an vielen Stellen an einen Klassiker unter den Abenteuerromanen erinnert: Der Graf von Monte Christo von Alexandre Dumas. Dieser erschien zunächst als Fortsetzungsroman in einer Zeitschrift.

Die Köchin von Castamar liegt als Buch vir, doch auch hier ist die Fortsetzung gesichert: Der zweite Band Saga erscheint in Kürze, ich bin schon jetzt gespannt!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.05.2020
Groenewoud, André

Das wollte ich Ihnen noch sagen


gut

Ich mag Interviews als Erzählform. Auch wenn natürlich die Auswahl und Formulierung der Fragen durch den Interviewer das Ergebnis beeinflusst, obwohl er unliebsame Antworten streichen kann und oftmals der Befragte der Veröffentlichung zustimmen muss, so habe ich doch den Eindruck, einen direkten, nur wenig gefilterten Blick auf das Leben, auf die Ansichten eines Menschen zu erhaschen.

Und doch hat mich diese Sammlung der Gespräche mit 22 prominenten Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts ein wenig enttäuscht. Vielleicht lag es zum Teil an meinen Erwartungen - der Untertitel "ein Jahrhundert im Gespräch" verspricht ja nicht gerade wenig. Die Interviews sind nach Dekaden gegliedert, wobei diese leider sehr unterschiedlich stark repräsentiert sind: So gibt es über die 1940er Jahre gleich sechs Interviewpartner, für die 1950er gerade mal einen. Die Auswahl wird nicht erklärt und scheint mir recht willkürlich.

Und auch der Titel ist etwas irreführend: Denn in der Regel sind die Befragten ja nicht an Autor Groenewoud herangetreten und wollten unbedingt etwas mitteilen, sondern im Gegenteil. Um viele Interviews musste der Journalist lange Zeit und immer wieder hartnäckig bitten.

Interessant ist, wenn Groenewoud Einblick gewährt, mit welchen journalistischen Tricks er schwierige Interviewpartner "knackt". Was diese jedoch erzählen, hat mich sehr unterschiedlich gut unterhalten. Tsvi Nussbaum, der als jüdischer Junge in Warschau den Holocaust überlebte und flüchten konnte, erzählt in bewegenden Worten von seinen Schuldgefühlen, als einziger der Familie überlebt zu haben. Dagegen sind die Aussagen der ehemaligen iranischen Kaiserin Farah Diba-Pahlavi wenig überraschend. Zu oft habe ich bereits gelesen und gehört, wie sie die Gräueltaten beschönigt oder leugnet, die unter der Schreckensherrschaft ihres Mannes begangen wurden.

Insgesamt ein Buch mit Stärken und Schwächen, aus dem wahrscheinlich eher jüngere Leser noch viel Neues ziehen dürften.