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meerblick

Bewertungen

Insgesamt 448 Bewertungen
Bewertung vom 15.08.2024
Lombardo, Claire

Genau so, wie es immer war


sehr gut

Herausforderungen im Leben

Was stört die Harmonie, das Lebensgefühl des Glücks, wenn doch eigentlich alles vorhanden ist, was man sich unter einem wohlsituierten gutbürgerlichen Haushalt vorstellt? Rein äußerlich betrachtet ist die Familienidyll mit Ehemann und zwei Kindern perfekt und doch hadert Julia, die Protagonistin des Romans 'Genau so, wie es immer war' von Claire Lombardi mit sich und ihrem Leben. Nach vielen Jahren trifft sie auf Helen, eine Frau, die ihr früher hilfreich zur Seite stand. Doch ungeahnte Ereignisse stellten ihre Beziehung zu ihrem Mann Marc und zu Helen damals auf eine harte Belastungsprobe.
Die Autorin setzt sich sehr intensiv mit den Charakteren ihrer Darsteller auseinander, entwickelt besonders Julia Stück für Stück mit hoher Sensibilität. Dabei werden Themen wie das Mutter-Tochter Verhältnis, eigene Mutterschaft, Partnerschaft und Freundschaft in den Mittelpunkt des Geschehens gestellt mit all ihren dazu gehörigen Gefühlen. Es ist ein Roman, der Ruhe zum Lesen und Nachdenken braucht, der mit emotionalen Höhen und Tiefen kämpft.

Bewertung vom 15.08.2024
Bidian, Maria

Das Pfauengemälde (eBook, ePUB)


sehr gut

Rumänisches Erbe

Ana reist nach Rumänien zu den Wurzeln ihrer Familie, um das Erbe ihres Vaters Nicu anzutreten. Während der Diktatur der Ceaușescu`s wurde er als Widerstandskämpfer verhaftet, inhaftiert und später nach Deutschland abgeschoben. Der Familienbesitz ist seitdem beschlagnahmt und die Verwandten kämpfen um dessen Freigabe. Bei Tanten, Onkels, Cousinen und Cousins steht das Rumänienhaus im Mittelpunkt des Begehrens. Doch Anas Vater sprach immer vom Pfauengemälde, welches er seiner Tochter eines Tages vermachen wollte und das möchte Ana nun an sich nehmen. Langwierige, komplizierte bürokratische Handlungen verzögern die Herausgabe Eigentums, geben ein Bild des aktuellen Zeitgeschehens.
Maria Bidia, die Autorin des Romans 'Das Pfauengemälde', lässt die Protagonistin Ana in schönen Worten ihre berührende Familiengeschichte erzählen. Dabei wird der Lesende mit der Historie Rumäniens bekannt gemacht, mit einem absolutistischen, menschenverachtenden Regime, lernt die Menschen und ihre Kultur näher kennen. Man muss konzentriert beim Lesen dabeibleiben, weil sehr viele Personen eingeführt werden und die Erzählung immer wieder in die Vergangenheit führt. Die Charaktere sind authentisch und vielschichtig dargestellt, ergeben ein lebendiges Bild.

Bewertung vom 14.08.2024
Pellini, Petra

Der Bademeister ohne Himmel


sehr gut

Emotionen pur

Während Hubert, der Bademeister ohne Himmel, eingeschlossen in seinen vier Wänden, sein Leben mit Ende achtzig gelebt hat und seine Krankheit Demenz mehr und mehr voranschreitet, möchte die fünfzehnjährige Linda in Depressionen gefangen, ihr Leben wegwerfen. Ein Teufelskreis, der durchbrochen werden will und scheinbar durch die gemeinsamen Stunden mit Hubert auch durchbrochen werden kann. Linda kümmert sich hingebungsvoll um Hubert, erkennt seine Bedürfnisse, geht darauf ein und gibt ihm dadurch ein Stück Lebensqualität zurück. Sie entlastet die polnische Pflegerin Ewa stundenweise an drei Tagen in der Woche. Ihre Probleme hingegen nimmt nur ihr Freund Kevin wahr, der die Ursachen der negativen Lebenseinstellung von Julia teilen kann, kompensiert jedoch selbst seine Weltuntergangsstimmung mit stundenlangen Hocken vor dem Computer.
Petra Pellini versteht es, ein sehr schwieriges Thema mit Würde und Feingefühl darzustellen. Sehr berührend geht sie mit dem Tod als Teil des Lebens um. Sie schreibt authentisch, spiegelt die Gedanken- und Gefühlswelt von Linda in nachvollziehbarer Weise, zeichnet ebenso realitätsnah die anderen Protagonisten.
Das Hörbuch, gesprochen von Maria-Isabel Walke, ist ein Genuss.

Bewertung vom 14.08.2024
Phillips, Julia

Cascadia (eBook, ePUB)


sehr gut

Gefühls-Chaos

Elena und Sam sind Schwestern, beide um die 30 Jahre alt, leben in San Juan, einer Insel im Nordwesten der USA nahe der kanadischen Grenze. Das Leben der Bevölkerung des Eilandes mit seiner faszinierenden, malerischen Landschaft und der artenreichen Tierwelt ist geprägt durch den wohlhabenden Tourismus, eine recht ergiebige Einnahmequelle. Nicht aber für die beiden Protagonistinnen, die von Schulden geplagt kaum ihr tägliches Brot verdienen können. Dazu reiht sich die kostenintensive Pflege der schwerkranken Mutter ein. Es kommt zu sensiblen, nahezu unkontrollierten Verhaltensreaktionen als ein Bär, ein gewaltiges, zottiges Tier, eines Tages auftaucht und die Menschen in Atem hält. Insbesondere das Verhältnis von Elena und Sam zueinander wird auf eine harte Probe stellt, was dramatische Ereignisse hervorruft.
Julia Philips zeichnet in ihrem Roman 'Cascadia' eindrucksvoll aus der Sicht der jüngeren Schwester Sam eine Welt voller Entbehrungen, der Einsamkeit, Verletzlichkeit und der steten Hoffnung in die Zukunft. Leise, eher unaufgeregt berichtet sie in einer schönen Sprache von Leben, das auch Ansprüche ans Erwachsenwerden stellt, um einen klaren Blick für die Wirklichkeit zu entwickeln. Sie arbeitet mit Symbolen, die die Fantasie der Lesenden anregt und eigene Interpretationen herausfordert.
Leseempfehlung!

Bewertung vom 13.08.2024
Maguire, Roisin

Mitternachtsschwimmer (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dramatische Schicksalsschläge

Roisin Maguire schenkt uns mit ihrem Roman 'Mitternachtsschwimmer' eine wunderschöne Geschichte, die von dramatischen Schicksalsschlägen berichtet, von bezaubernder Menschlichkeit, von Verlust und Gewinn, von Verzweiflung und der Entdeckung wesentlicher Dinge im Leben, von Wegen heraus aus der Einsamkeit zurück in die Vorzüge einer lebendigen Gemeinschaft. Tiefe Einblicke in die Gedankenwelt der Protagonisten machen das Buch zum Magneten der Leselust. Feinfühlig und gleichzeitig realitätsnah stellt die Autorin Charaktere in den Mittelpunkt, die verstörende Zeiten durchleben, sich ihrem Alltag stellen, mit Verhaltensweisen, die nicht immer der gesellschaftlichen Norm entsprechen und dennoch Akzeptanz finden.
Der Schreibstil der Autorin ist modern und besitzt Potenzial, das nach mehr davon verlangt. Das wunderschöne Cover lädt ein zum Verweilen, zum Entdecken und schließlich zum großen Lesevergnügen.
Es ist herausfordernd und spannend zugleich in die Gefühlswelten von Grace und Ewan einzutauchen, von der bezaubernden irischen Landschaft eines kleinen Küstendorfes zu lesen und die Kälte der irischen See in seiner warmherzigen Umarmung zu spüren.
Ich gebe meine unbedingte Leseempfehlung.

Bewertung vom 13.08.2024
Burr, Samuel

Das größte Rätsel aller Zeiten (eBook, ePUB)


sehr gut

Suchen und Finden

Wer sich gern mit kleinen oder großen Rätseln beschäftigt, aktiv nach deren Lösungen sucht, das ganze eingebettet in einer unterhaltsamen, spannenden Geschichte als amüsanten Lesevergnügen erlebt, ist mit 'Das größte Rätsel aller Zeiten' von Samuel Burr am Ziel seine Wünsche angekommen. Schon das wunderschön gestaltet Cover im goldenen Glanz lädt ein zum Verweilen und näheren Betrachten. Gleich auf den ersten Seiten wird der Leser mit einer verschlüsselten Zeile begrüßt, die an die Zeiten der geheimnisvollen Maschine Enigma erinnert.
Unaufgeregt und doch voller spannender Elemente erzählt der Autor von einer verschworenen Gemeinschaft der Rätselmacher. Sie leben gemeinsam in einem alten englischen Herrenhaus, sind in ihrem Alter fortgeschritten und eines Tages liegt in einem Pappkarton ein Baby vor ihrer Haustür. Pippa, die Hausherrin, ist begeistert und widmet sich mit Inbrunst dem kleinen Findelkind. Als sie stirbt, hinterlässt sie dem nun fünfundzwanzigjährigen Clayton eine Aufgabe in Form einer Schnitzeljagd, die ihn zu seinen Wurzeln führen wird. Eine Herausforderung für den jungen Mann, die ihm Kenntnisse über seine Identität vermitteln soll und die Welt als solche entdecken lässt.
Ich habe mich sehr wohl gefühlt beim Lesen, hatte Spaß beim Mitraten und war freudig überrascht wie kurzweilig das Buch sich präsentierte. Eine Leseempfehlung!

Bewertung vom 13.08.2024
Khayat, Rasha

Ich komme nicht zurück


ausgezeichnet

Prägende Verletzungen

Hanna oder Johanna, wie ihr Vorname laut Geburtenverzeichnis korrekt lautet, die Ich- Erzählerin des Romans, leidet. Sie leidet unter Einsamkeit, ja eigentlich auch darunter, dass die schönen und unbeschwerten Zeiten der Kindheit, der Vergangenheit angehörten. Damals war die Welt noch in Ordnung. Der Reichtum an Liebe und Geborgenheit schien in übergroßem Maße vorhanden zu sein, abgesehen von kleinen Eifersüchteleien, die sich vielleicht dennoch verankerten im heranwachsenden Bewusstsein der Protagonistin. Materielle Defizite spielten so gar keine Rolle im Leben der drei Freunde aus Kindertagen, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen. Die innere Verbundenheit von Hanna, Cem und Zeyna konnte, das war ihre feste Überzeugung, nichts erschüttern und doch hatte das Schicksal Stolperfallen zurechtgelegt, die tiefe Verletzungen, Kerben in die Seelen schlagen sollten.
Ein aufwühlender, sehr sensibler Roman, gebaut aus präzise konstruierten Charakteren erwartet den Lesenden von 'Ich komme nicht zurück'. Die Autorin Rasha Kahyat weiß eine Geschichte zu erzählen, die so überall in Deutschland hätte passiert sein könnte, ob nun verstärkt durch die Isolation in Pandemiezeiten oder durch andere schicksalsbehaftete Lebenswege. Einsamkeit sucht nach Verbundenheit, Stärke und Halt. Die stilistischen Mittel sind in gekonnt schriftstellerischer Art eingesetzt, poetisch betont, um die Spannung als auch den unterhaltenden Wert brillant in Szene zu setzen zur Freude des Lesers.
Was soll ich sagen? Lesen, dieser Roman will gelesen werden.

Bewertung vom 12.08.2024
Strout, Elizabeth

Am Meer


ausgezeichnet

Ein Roman der leisen Töne

Elizabeth Strout ist eine brillante Erzählerin, was sie auch wieder in ihrem Roman 'Am Meer', dem vierten Teil der Lucy Barton Reihe unter Beweis stellt. Sie packt das Thema Corona-Pandemie, welches uns alle auf eine unendliche Geduldsprobe gestellt hat, in eine Geschichte mit empathischen Protagonisten und pittoresken Landschaften. Doch auch kritische Töne wie das Dulden von Fremden in der heimatlichen Umgebung schlägt sie an und zeigt damit Grenzen der Toleranz auf. Ihre scharfe Beobachtungsgabe und ihr feines Gespür für die Handlungen der Menschen verleihen dem Buch eine ganz besondere Note, die den Lesegenuss zum Erblühen bringen.
Lucy ist Schriftstellerin, lebt in New York allein in ihrer Wohnung, nachdem sie von ihrem ersten Ehemann William geschieden wurde und ihr zweiter Ehemann verstorben ist. Zu William pflegt sie ein freundschaftliches, zu ihren beiden Töchtern ein entspannt mütterliches Verhältnis. Als die stark infektiöse Bedrohung des Corana-Virus auch die Millionenstadt New York droht in die Knie zu zwingen, packt William Lucy kurzerhand in sein Auto und bringt beide aus der unmittelbaren Gefahrenzone. Sie richten sich ein in einem leerstehenden wunderschönen Haus am Meer, im malerischen Crosby (Maine). Welche Wandlungen sie in der Abgeschiedenheit durchleben, wie sich ihre Gedankenwelt verändert, aber auch wie Sorge und Ängste sie plagen, erzählt dieses bezaubernde Buch in leisen Tönen.
Es braucht keine Vorerfahrung vorangegangener Romanteile, um in die Geschichte eintauchen zu können. Ich gebe sehr gern meine Leseempfehlung.

Bewertung vom 12.08.2024
Kuang, R. F.

Yellowface


sehr gut

Wo beginnt geistiger Diebstahl?

June Hayward und Athena Liu kennen sich flüchtig aus Zeiten des gemeinsamen Collegebesuches. Während Athena der gefeierte Jungstar am Literaturhimmel ist, gefragt bei den Verlagen und in den Social-Media-Kanälen gehyped, floppt das Erstlingswerk von June komplett. Als Athena unter tragischen Umständen ums Leben kommt und June in den Besitz ihres unveröffentlichten Romans gelangt, beginnt für sie ein neues Leben, indem sie das Manuskript umarbeitet und es unter ihrem Künstlernamen veröffentlicht wird. Ein Traum wird wahr, doch zu welchem Preis?
Rebecca F. Kuang erzählt in ihrem Roman 'Yellowface' eine Geschichte, die schonungslos ehrlich hinter die Kulissen der Verlagsbranche blickt. Was zählt sind Verkaufszahlen, die gepusht werden mit allen Mittel, die die modernen Medien bieten. Menschliche Schwächen sind fehl am Platz, stete Präsenz am Markt ist gefragt, um nicht in Vergessenheit zu geraten.
Die Geschichte lebt vom erzählerischen Tempo, dem konfliktreichen Potenzial menschlicher Verhaltensweisen unter dem Einfluss der weltweit vernetzten Medien und nicht zuletzt auch durch die fabelhafte Darstellung der Charaktere, die sich durch einen scharfen Blick auf die uns umgebende Wirklichkeit auszeichnen.

Bewertung vom 12.08.2024
Jay von Seldeneck, Lucia

Komm tanzen!


sehr gut

Wo tanzen wir hin?

Es ist eine laue Sommernacht, die geradezu einlädt zum Tanzen, die Sorgen beiseite zu lassen, sich dem Genuss des unbeschwerten Vergnügens hinzugeben. Ein Grundstück direkt am Berliner Wannsee bietet genug Platz und die Besitzer versammeln ihre Freunde und Bekannten zum ausgelassenen Beisammensein. Vorbei ist die Zeit der Isolation durch die Corona-Krise. Doch sind wir wirklich frei von unseren Alltagsproblemen an solchen Tagen? Offensichtlich haben die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen auf unsere Umwelt auch einen direkten Einfluss auf unser Wohlbefinden. Ein Thema, dass aufgeworfen wird in der illustren Runde durch das Verhalten eines kleinen Jungen, der Veränderungen des Klimas intensiv körperlich wahrnimmt und durch extremes Gebaren auf sich aufmerksam macht. Der Abend endet schließlich unvorhergesehen.
Lucia Jay von Seldeneck spielt mit Metaphern in ihrem Roman 'Komm tanzen!', in dem sie eine scheinbar unbeschwerte Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt, die Versäumnisse erkennt, die Zeit als unendliches Reservoir betrachtete, die Langeweile bekämpft durch Zerstreuung und schließlich doch mit den Folgen, wie auch immer sie geartet sind, zu leben hat. Stellen wir uns der uns übergebenen Verantwortung für unser Leben im angemessenen Maße? Haben wir alles im Blick?