Benutzer
Benutzername: 
Lilli33
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 596 Bewertungen
Bewertung vom 02.03.2022
Donovan, Gerard

In die Arme der Flut


ausgezeichnet

und Sterben in einer Kleinstadt

Inhalt:
Luke Roy, Mitte dreißig, lebt in Ross Point, einer in der Bedeutungslosigkeit versunkenen Kleinstadt in Maine. Seit frühester Kindheit empfindet er eine Todessehnsucht, hat schon mehrfach seinen Suizid geprobt, aber dann doch nicht konsequent durchgezogen.
An einem nebligen Tag steht er auf einer nahegelegenen Brücke, 35 Meter über einem Fluss mit todbringenden spitzen Felsen. Stundenlang sinniert er, ob er springen soll oder nicht.

Doch dann sieht Luke, dass ein Ausflugsboot gekentert ist und ein Junge hilflos im Wasser treibt. Ohne zu zögern, wirft Luke sich ins Wasser und rettet Paul. Die Medien machen einen Helden aus ihm, Politiker missbrauchen ihn für ihren Wahlkampf. Die Menschen lieben ihn - bis sie ihn hassen …

Meine Meinung:
Auf mich übte dieser Roman einen ungemeinen Sog aus. Lukes Überlegungen zu Leben und Tod im ersten Teil der Handlung erschienen mir absolut nachvollziehbar. Wer in dieser Hinsicht psychisch vorbelastet ist, sollte lieber die Finger von dem Buch lassen!

Mit eindringlichen Worten und leicht poetischen Bildern zeichnet Gerard Donovan seinen Protagonisten Luke. Der Charakter ist tiefgründig und plastisch angelegt, er wirkt authentisch und realitätsnah, dabei auch sehr sympathisch. Ich habe mit ihm gelitten und gebangt, gehofft und mich mit ihm gefreut. Es war eine Achterbahn der Gefühle.

Die Medien und die Politik bekommen in diesem Buch ihr Fett weg. Sie stilisieren einen Mann, der etwas Selbstverständliches tut, zu einem Helden wider Willen hoch. Luke wird von einer üblen Maschinerie vereinnahmt, was sein Leben nicht leichter macht - stets zum Nutzen der Medien oder der Politiker. Und er wird gnadenlos fallengelassen, wenn es den anderen in den Kram passt.

Mich haben die Bilder, die Gerard Donovan in meinem Kopf erzeugte, beeindruckt und bedrückt, aber nicht heruntergezogen. Diese Lektüre wird mir sicher noch lange in Erinnerung bleiben und nachhallen.

Bewertung vom 25.02.2022
Fölck, Romy

Nebelopfer / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.5


sehr gut

Atmosphärisch wie gewohnt

Inhalt:
Nicht nur ein erhängter Zeuge in einem längst vergangenen Prozess macht Kommissarin Frida Paulsen von der Kripo Itzehoe zu schaffen, sondern auch der neue Kollege Leonard Bootz. Auch privat läuft es nicht rund, in der Beziehung zu Torben kriselt es …

Meine Meinung:
Dies ist bereits der 5. Band der Reihe um die Itzehoer Kriminalkommissare Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn. Der Kriminalfall ist in sich abgeschlossen. Insofern könnte man das Buch auch gut ohne Vorkenntnisse lesen. Aber das Privatleben, die Entwicklung der Figuren spielt doch eine enorme Rolle, sodass es schöner ist, diese von Anfang an zu verfolgen. Ich freue mich immer wieder, lieb gewonnene Charaktere wieder zu treffen und sie wieder ein Stück ihres Wegs begleiten zu dürfen.

Aber ehrlich gesagt, war es mir in diesem Band für einen Krimi auch ein wenig zu viel des Privaten bzw. der Liebesgeschichten, die sich an allen Ecken anbahnen oder Probleme machen. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Der Kriminalfall an sich ist jedoch sehr spannend aufgebaut und entwickelt sich nachvollziehbar. Die Hintergründe lassen sich nicht zu schnell durchschauen, sodass man schnell weiterlesen will, um dem Täter auf die Spur zu kommen.

Mit ihrem flotten, lockeren Schreibstil konnte Romy Fölck mich wieder kopfkinomäßig in die Elbmarsch versetzen, die sehr atmosphärisch beschrieben wird - für mich immer ein bisschen wir Urlaub.

Die Reihe:
1. Totenweg
2. Bluthaus
3. Sterbekammer
4. Mordsand
5. Nebelopfer

Bewertung vom 24.02.2022
Raabe, Marc

Violas Versteck / Tom Babylon Bd.4


ausgezeichnet

Spannend und bedrückend

Inhalt:
23 Jahre nach dem Verschwinden seiner kleinen Schwester Viola sucht Tom Babylon noch immer nach ihr. Dass sie tot ist, kann er einfach nicht glauben. Er setzt alles aufs Spiel: seinen Job, seine Ehe, sein Leben.

Als er mit einer Kopfverletzung in einem Londoner Krankenhaus aufwacht, klafft ein Loch in seinen Erinnerungen. Wie kommt er nach London? Warum ist er verletzt? Mit Hilfe der Ärztin Dr. Jillian Harris versucht Tom, Licht in das Dunkel zu bringen.

Seine Kollegin und Freundin Dr. Sita Johanns ermittelt inzwischen in einer psychiatrischen Klinik an der österreichischen Grenze, wo sie selbst in größte Gefahr gerät.

Meine Meinung:
Dies ist der vierte Band der Reihe um den Berliner LKA-Ermittler Tom Babylon. Während man die ersten drei Bände auch gut für sich allein lesen kann, sollte man hier besser Vorkenntnisse haben, wenn sie auch nicht zwingend notwendig sind. Das Verständnis erleichtern sie aber enorm. Wie der Titel schon sagt, dreht es sich hier um Viola, deren Geschichte in den Vorgängerbänden eher die Rahmenhandlung bildete.

Ich fand auch diesen vierten Band - wie schon die ersten drei - super spannend, zum Teil atemberaubend. Ich habe mit Tom gelitten, der sein Gedächtnis verloren hat, und mit Sita, der ganz übel mitgespielt wird. Zusammen mit den beiden können die Lesenden nach und nach das Geschehene aufdecken und dem Showdown entgegenfiebern. Ich konnte das Buch fast nicht zur Seite legen und habe die gut 600 Seiten innerhalb von zwei Tagen verschlungen.

Ein kleines Manko sind die Zeitsprünge, die etwas verwirrend sind, wenn man nicht genau liest und mitdenkt. Da befindet man sich „Sechs Wochen später“, „28 Tage vorher“, „11 Tage später“ usw. Es ist ein wildes Hin- und Herspringen in der Zeit, aber trotzdem logisch.

Die Reihe:
1. Schlüssel 17
2. Zimmer 19
3. Die Hornisse
4. Violas Versteck

Bewertung vom 23.02.2022
Dunne, Ellen

Boom Town Blues


sehr gut

Wieder ein spannender Fall für Patsy Logan

Inhalt:
Eigentlich wollte sich Patsy Logan von der Kripo München eine berufliche und eheliche Auszeit nehmen und ihre Cousine in Dublin besuchen. Doch als in der österreichischen Botschaft in Dublin eine junge Deutsche ermordet wird, soll Patsy die irischen Kollegen unterstützen, zusammen mit dem Österreicher Sam Feuerstein. Klar, dass Patsy sich nicht unbedingt an die ihr ans Herz gelegten Auflagen hält …

Meine Meinung:
Ellen Dunne war vor einigen Jahren für mich DIE Neuentdeckung unter den Autoren. Seither fiebere ich jedem ihrer Bücher entgegen. „Boom Town Blues“ ist nun schon der dritte Band in der Reihe um die deutsch-irische Kriminalkommissarin Patsy Logan, kann aber problemlos ohne Vorkenntnisse gelesen werden. Der Fall ist in sich abgeschlossen, wichtige Details zum Privatleben werden hier noch einmal kurz angerissen.

Ellen Dunne begeistert mich immer wieder mit ihrem mitreißenden und fesselnden Schreibstil. Dazu kommt eine interessante und in der Regel gesellschaftskritische Handlung. Hierbei kann ich immer noch etwas dazulernen, was ich klasse finde.

Die Protagonistin Patsy Logan ist mir mittlerweile schon sehr ans Herz gewachsen. Zwar ist mir ihr zuweilen stark negatives Denken manchmal etwas zu viel (Ehekrise, unerfüllter Kinderwunsch, Selbstmord des Vaters), dafür kann sie mich aber mit ihren selbstironischen Einlagen auch wieder zum Schmunzeln bringen.

Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, dabei gibt es auch immer wieder Rückblenden in vergangene Jahre. Die Kapitel sind entsprechend gekennzeichnet, sodass man immer genau weiß, wo man sich gerade befindet.

Spannung ist durchweg vorhanden. Es gibt etliche (falsche) Spuren, und die Auflösung konnte mich überraschen. Als Leser*in kann man allerdings nicht selbst drauf kommen, was ich schade finde - vielleicht habe ich den entsprechenden Hinweis aber auch überlesen.

Alles in Allem ein sehr lesenswerter Kriminalroman, der mich wieder mal dem nächsten Band der Reihe um Patsy Logan entgegen fiebern lässt.

Die Patsy-Logan-Reihe:
1. Harte Landung
2. Schwarze Seele
3. Boom Town Blues

Bewertung vom 13.02.2022
Heins, Stefanie

Lieblingsplätze mit Hund - Nordseeküste Niedersachsen


gut

Vielfältige Tipps für Urlaub bzw. Ausflüge mit Hund

Stefanie Heins hat in diesem Reiseführer für Mensch und Hund 79 Plätze (Sehenswürdigkeiten, Parks, Hundespielplätze, Restaurants, Ferienwohnungen usw.) ausgewählt, die sie für besuchenswert hält. Jedem dieser Plätze ist ein kurzer Artikel gewidmet, in dem man nähere Informationen bekommt, was das Besondere ist, oder auch mal historische Details. Meist wird auch erwähnt, ob zum Beispiel Leinenpflicht für Hunde besteht oder ob Kotbeutel vorhanden sind. Am Ende jeder Beschreibung findet man ein Foto, das nicht immer wirklich aussagekräftig ist und irgendwo aufgenommen sein könnte, aber im Großen und Ganzen fand ich den Aufbau der einzelnen Kapitel für einen ersten Überblick ganz nützlich.

Leider werden auch einige Ausflugsziele beschrieben, die nicht für Hunde geeignet sind, weil der Weg über pfotenuntaugliche Gitter führt oder Hunde einfach nicht rein dürfen. Bei dem Titel „Lieblingsplätze mit Hund“ hätte ich dies nicht erwartet. Diese Plätze muss ich leider von vornherein für mich ausschließen, denn wenn ich schon mit meinem tierischen Freund in Urlaub fahre, dann will ich ihn nicht in der dortigen Tierpension abgeben.

Die beschriebenen Lieblingsplätze erstrecken sich über ein breites Gebiet, von Cuxhaven im Osten bis Borkum im Westen, von Wangerooge im Norden bis Papenburg im Süden. Etliche Orte liegen dabei leider zig Kilometer vom Meer weg.

Hinten im Buch gibt es dann noch Listen nach Themen geordnet, was ich sehr praktisch finde:
- Hundefreundliche Unterkünfte
- Hundefreundliche Gastronomie
- Geschäfte für Hundenahrung und -ausstattung
- Freilaufflächen
- Tierarztpraxen und Tierphysiotherapeuten
- Hundepensionen
- Hundesalons

Andere Leser mögen eine andere Erwartung an dieses Buch haben und mehr Nutzen daraus ziehen können. Daher eine eingeschränkte Leseempfehlung von mir.

Bewertung vom 11.02.2022
Arenz, Ewald

Meine kleine Welt


sehr gut

Amüsante Szenen aus dem Familienalltag

Vater Heinrich, Mutter Juliane, der siebzehnjährige Sohn Theo, die dreizehnjährige Philly und der dreijährige Otto - eine ungewöhnliche Familie, und doch auch wieder nicht. Ich zumindest bin immer wieder über Ereignisse oder Verhaltensweisen gestolpert, bei denen ich mir dachte, das ist bzw. war doch bei uns genau so.

Alle drei Kinder sind in einem schwierigen Alter. Theo fühlt sich schon ziemlich erwachsen und will nicht über sich bestimmen lassen. Die krass pubertierende Philly fühlt sich generell unverstanden, und der kleine Otto hat die ein oder andere ziemlich abstruse Idee, die er selbst natürlich gar nicht so abstrus findet.

Auf in der Regel zwei bis drei Seiten schildert Ewald Arenz kleine Episoden aus dem Alltag der fünfköpfigen Familie seines Alter Egos Heinrich. Mit viel Ironie und Humor lässt der Autor uns an speziellen Vorkommnissen teilhaben, an schönen und peinlichen, an Streit und Versöhnung. Mit einem Augenzwinkern zeigt er uns auch, wie man sich aus festgefahrenen Situationen heraus manövrieren kann, indem man einfach mal fünf gerade sein lässt und zu unkonventionellen Mitteln greift.

Durch die Kürze der einzelnen Geschichten, die zwar chronologisch fortlaufen, aber problemlos unabhängig voneinander gelesen werden können, eignen sie sich hervorragend, um sie abends im Bett dem Partner vorzulesen und gemeinsam schmunzelnd den Tag ausklingen zu lassen.

Fazit:
Recht witzig und manchmal nachdenkenswert, aber nicht so gehaltvoll wie Arenz’ Romane. Daher gebe ich gern vier sehr gute Sterne.

Bewertung vom 10.02.2022
Leo, Maxim

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße


ausgezeichnet

Sehr amüsant, aber mit ernstem Hintergrund

Inhalt:
September 2019: Michael Hartung, ein unscheinbarer, glückloser Besitzer einer mehr schlecht als recht gehenden Videothek in Berlin, ergreift seine Chance, als sie ihm geboten wird. Der westdeutsche Journalist Alexander Landmann hat seinen Namen ausgegraben, als er auf der Suche nach einer genialen Story zum 30-jährigen Jubiläum des Mauerfalls war. Vor 36 Jahren verhalf Hartung, der damals bei der Reichsbahn arbeitete, 127 Menschen zur Flucht nach West-Berlin. Allerdings tat er dies unwillentlich und unbewusst. Doch Landmann baut ihn zum Helden auf, und Hartung spielt mit, wird dabei aber immer mehr zum Spielball von Medien und Politik. Und als er sich schließlich verliebt, will er am liebsten allen die Wahrheit sagen, doch das ist gar nicht so einfach …

Meine Meinung:
Nach dem Genuss dieses Buches ist Maxim Leo ein Name, den ich mir definitiv merken werde. Ich kannte den Autor bisher nicht, aber mit „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ konnte er mich absolut begeistern.

Mit ein wenig Satire, ein wenig Ironie und ein wenig Ernsthaftigkeit nimmt Leo so manches Vorurteil von Ost nach West und umgekehrt sowie etliche Klischees auf die Schippe. Presseleute, Politiker und Historiker bekommen ihr Fett weg. Dies ist sehr amüsant zu lesen, lässt aber auch den nötigen Ernst nicht vermissen. Es ist einfach eine absolut gelungene Mischung.

Dazu trägt auch viel der sympathische Held Hartung bei, an dessen Seite man beim Lesen diese kuriose Story erlebt. Man kann sich dabei sehr leicht in diesen anfangs etwas trantütig wirkenden, später immer sympathischeren Helden hineinversetzen und seine Gründe für manche abstruse Handlung nachvollziehen. Sein Charakter ist sehr tiefgründig angelegt und wird liebevoll beschrieben. Auch die anderen Figuren sind gut ausgearbeitet.

Der Schreibstil ist locker, aber nicht zu einfach und lässt sich mit großem Vergnügen lesen.

Fazit:
Tolle Story + toller Schreibstil = Leseempfehlung!

Bewertung vom 06.02.2022
Gerhardt, Sven

Minna Melone - Wundersame Geschichten aus dem Wahrlichwald / Minna Melone Bd.1


ausgezeichnet

Ein wunderschönes Buch zum Vorlesen und Anschauen

Tag für Tag verbringen die Tiere im Wahrlichwald in freundschaftlicher Gemeinschaft und mit immer wiederkehrenden Arbeiten. Da sieht das Eichhörnchen Zara eine fremde Wanderratte, die einen Bollerwagen hinter sich herzieht. Neugierig beobachtet Zara, wie die Ratte Minna eine Bühne aufbaut, auf der es von nun an jeden Abend neue Abenteuer zu sehen und zu hören gibt. Doch außer Zara mag sich zunächst niemand dafür begeistern. Zu tief verwurzelt sind die Vorurteile gegenüber Fremden - und dann auch noch Wanderratten! Man weiß ja, dass das Lügner und Betrüger sind. Doch woher will man das eigentlich wissen?

Zara jedenfalls ist begeistert von den fantastischen Abenteuern, die Minna vom Leben außerhalb des Wahrlichwaldes, ja eigentlich von der ganzen Welt erzählt. Dass das Leben so bunt sein kann, hätte sie nie für möglich gehalten.

Nach und nach erwärmen sich immer mehr für Minnas Geschichten und haben dadurch noch viel mehr Spaß miteinander. Da spielt es gar keine Rolle mehr, ob die Erzählungen wahr oder erfunden sind.

Sven Gerhardt erzählt sehr kindgerecht von Minna Melone und den Tieren im Wahrlichwald. Kinder ab etwa sechs Jahren werden sicher ihre Freude an dieser Geschichte haben, wenn man sie ihnen vorliest. Die Wanderratte Minna ist in der ganzen Welt herumgekommen und man kann vielleicht ihre einzelnen Stationen den Kindern auf einem Globus zeigen. Auch viele sonstige Informationen stecken in dem Buch, über die man mit den Kindern sprechen kann. Dies alles ist mit sehr viel Fantasie ausgeschmückt.

Auch die wunderschönen Illustrationen von Mareike Ammersken, die zum Teil über eine ganze Seite oder sogar eine Doppelseite gehen, sorgen für ein tolles Leseerlebnis.

Bewertung vom 06.02.2022
Michaelis, Antonia

Weil wir träumten


ausgezeichnet

Dramatisch, wunderschön und sehr wichtig

Inhalt:
Die sechzehnjährige Emma möchte ein Mal im Leben ihr krankes Herz vergessen und etwas erleben. Das paradiesische Madagaskar scheint ihr dafür genau der richtige Ort zu sein. Doch als sie sich mit der gleichaltrigen Madagassin Fy anfreundet, muss Emma erkennen, dass unter der traumhaften Oberfläche ganz und gar keine paradiesischen Zustände herrschen, sondern Armut, Hunger und Korruption die Bevölkerung beherrschen.

Meine Meinung:
Zwei Jahre lang hat Antonia Michaelis mit ihrer Familie in Madagaskar gelebt. Da ist es nur folgerichtig, dass ihre letzten Bücher in diesem südostafrikanischen Inselstaat handeln: das Kinderbuch „Der Koffer der tausend Träume“, für Erwachsene „Die Wiederentdeckung des Glücks“ und nun das Jugendbuch „Weil wir träumten“. Von dessen Verkaufserlös geht übrigens 1 € pro Buch an „Kinder für die Zukunft e.V.“, einen Verein, der sich in Madagaskar engagiert.

Schon lange bin ich eingeschweißter Fan von Antonia Michaelis und jede Neuerscheinung von ihr wandert unbesehen auf meinen Wunschzettel. Enttäuscht wurde ich dabei noch nie. Auch „Weil wir träumten“ ist ein wirklich großartiges Buch, das mich aufgewühlt, berührt und begeistert hat.

Erzählt wird hauptsächlich aus zwei wechselnden Perspektiven, jeweils in der Ich-Form. Dabei schreibt Emma ihre Erlebnisse in eine Art Reisetagebuch, während Fy ihre Geschichte ihrem Baby Onja erzählt. Beides bringt einen ganz nah an die Protagonistinnen heran und man bangt und hofft unweigerlich mit ihnen, dass die Geschichte gut ausgehen möge, auch wenn es lange Zeit gar nicht so aussieht.

Zwar erfährt man zu Beginn von den schönen Seiten Madagaskars, doch nach und nach dringt man tiefer vor und erhascht immer mehr Einblicke unter die Oberfläche. Und was darunter zum Vorschein kommt, ist einfach nur himmelschreiendes Unrecht, unfassbar, dass das leider nicht nur im Roman, sondern auch in der Realität so ist.

Emma und Fy sind tolle Protagonistinnen. Sie haben beide einen bestürzenden Hintergrund und wirken zunächst wie krasse Gegenteile. Doch schon bald stellt sich eine Verbindung zwischen ihnen heraus. Emma versucht zu helfen und empfindet zum ersten Mal in ihrem Leben einen Sinn. Ihre Entwicklung während ihrer Zeit in Madagaskar ist deutlich zu erkennen und nachvollziehbar.
Zwar geht es ihr durch ihre Herzkrankheit, an der sie seit der Geburt leidet, gar nicht gut, doch sie fühlt sich so lebendig wie noch nie und deshalb auch glücklich.

Antonia MIchaelis legt in „Weil wir träumten“ dar, wie unterschiedlich man etwas wahrnehmen kann, je nachdem, auf welcher Seite man steht und ob man bereit ist, hinter die Dinge zu sehen und sich damit auseinanderzusetzen.

Fazit:
Ein großartiges Buch, das viele Informationen über ein kontrastreiches Land bietet und mit einer dramatischen und fesselnden Geschichte aufwartet. Ein Buch, das schockiert, aber auch Hoffnung macht. Ein Buch, das zum Denken und Handeln aufruft.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.02.2022
Haig, Matt

Der fürsorgliche Mr Cave


ausgezeichnet

Ein zutiefst leidender und verstörter Vater

Der Antiquitätenhändler Terence Cave muss mitansehen, wie sein vierzehnjähriger Sohn Reuben bei einer Mutprobe ums Leben kommt. Leider ist dies nicht der erste Fall eines gewaltsamen Todes in seiner Familie: Seine Mutter hat Suizid begangen, seine Frau wurde bei einem Raubüberfall getötet. Nun bleibt Terence nur noch Reubens Zwillingsschwester Bryony, die er um jeden Preis beschützen will und die er mit seinen extrem einengenden Regeln immer weiter von sich stößt.

Meine Meinung:
Der Roman ist aus der Perspektive von Terence geschrieben, der sich an seine Tochter Bryony wendet, um ihr seine Sicht der Dinge darzustellen - nachdem die Tragödie ihren Lauf genommen hat.

Fast berichtartig schreibt er über das Geschehen, Über das, was er gesehen und sich zusammengereimt hat, über das, was er glauben wollte, über das, was er hoffte. Über seinen unbändigen Wunsch, seine geliebte Tochter zu beschützen. Und über seine Schuld.

Der Schreibstil wirkt dabei relativ sachlich und etwas distanziert und es gelingt kaum, sich mit dem Protagonisten zu identifizieren. Und das ist gut so, denn mit einem dermaßen verstörten und traumatisierten Menschen will sich bestimmt niemand identifizieren. Trotzdem fällt es sehr leicht, seine Gedankengänge und seine Handlungsweisen nachzuvollziehen, mögen sie auch noch so abstrus und offensichtlich falsch erscheinen. Gerade Eltern können sicher Terence’ Bemühungen, seine Tochter vor allem Übel zu beschützen, verstehen, wenn auch hoffentlich niemand so extrem reagiert wie diese Romanfigur.

Mich konnte Matt Haig von der ersten Seite an absolut packen. Die Handlung entwickelt sich total spannend und liest sich, je weiter sie fortschreitet, immer mehr wie ein Krimi. Der versprochene Pageturner steckt tatsächlich zwischen diesen Buchdeckeln.

Dieser Roman hat mich zutiefst berührt und schockiert. Er ist bedrückend, hat aber auch seine hellen Momente (vor allem in Form von Bryonys Grußmutter, die das krasse Gegenteil von Terence ist). Für mich definitiv einer der besten Romane des Autors und ich frage mich, warum er erst jetzt auf Deutsch erscheint, wo Haig ihn doch schon 2008 schrieb. Naja, besser spät als nie!