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Readaholic

Bewertungen

Insgesamt 425 Bewertungen
Bewertung vom 04.04.2019
Sullivan, J. Courtney

Aller Anfang


gut

Frauenfreundschaft
Die vier Studentinnen Sally, Bree, April und Celia lernen sich an ihrem ersten Tag im Wohnheim der Frauenuniversität Smith College kennen. Zwei von ihnen kommen aus reichem Elternhaus, eine aus der Mittelschicht und die Vierte muss sich ihr Studium durch diverse Jobs selbst finanzieren. Obwohl sie völlig verschieden sind, entwickelt sich schnelle eine tiefe Freundschaft zwischen ihnen und bis zum Abschluss des Studiums sind sie unzertrennlich.
Danach schlagen sie ganz unterschiedliche Wege ein und haben nur noch sporadisch Kontakt. Erst als eine von ihnen heiratet und sich wünscht, den Vorabend der Hochzeit noch einmal zusammen mit ihren Freundinnen zu begehen, kommen die vier wieder zusammen. Doch trotz der Wiedersehensfreude kommt es zum Eklat und es ist nicht klar, ob dies das Ende ihrer Freundschaft bedeutet.
J. Courtney Sullivan beschreibt im ersten Teil dieses Romans das Leben an einer reinen Frauenuniversität: Heimweh und Herzschmerz, seltsame Rituale sowie Saufgelage und Knutschorgien unter Frauen. Man bekommt den Eindruck, dass ein großer Teil der Studentinnen lesbisch ist oder zumindest für die Dauer des Studiums lesbisch wird. Es gibt sogar einen Tag, an dem sich Lesben als solche outen können und dafür gefeiert werden.
Auch Bree verliebt sich in eine Frau, Lara. Die Beziehung bleibt auch nach dem Studium bestehen, doch kann Bree nicht richtig dazu stehen. Als ihre Familie von der Beziehung erfährt, führt dies zum Bruch zwischen Bree und ihren Eltern.
Sally, die früh ihre Mutter verloren hat und sehr darunter leidet, beginnt eine Affäre mit einem sehr viel älteren verheirateten Mann und ist die erste der Freundinnen, die nach dem Studium heiratet.
Celia, deren größter Wunsch es ist, Schriftstellerin zu werden, verdient sich ihr Geld als Lektorin bei einem Verlag für Trivialliteratur und sucht sich gelegentliche One-night-stands.
April hingegen hat kein Interesse an einer Beziehung. Ihre Leidenschaft ist es, sich für unterprivilegierte Frauen und Mädchen einzusetzen. Zusammen mit der Feministin Robbie deckt sie Missstände auf und begibt sie sich dabei in Gefahr. Doch dann läuft ein Projekt vollkommen aus dem Ruder und April verschwindet...
Das Buch ist stellenweise sehr spannend und ich konnte es kaum aus der Hand legen, doch das Ende fand ich leider unrealistisch und wenig überzeugend. An „All die Jahre“ kommt es meiner Meinung nach nicht heran.

Bewertung vom 02.04.2019
Naumann, Kati

Was uns erinnern lässt


sehr gut

Leben zwischen Ost und West
Die Anwaltsgehilfin Milla hat ein ausgefallenes Hobby: Lost Places, verlassene Orte. Als sie eines Tages im Thüringer Wald unterwegs ist, findet sie einen solchen Ort, den Keller eines ehemaligen Hotels, in dem sich noch allerlei Habseligkeiten der früheren Bewohner befinden. Vom Hotel selbst ist nur noch Schutt vorhanden. Durch ein beschriftetes Schulheft erfährt Milla den Namen einer Familienangehörigen, Christine, und nimmt Kontakt zu ihr auf.
Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich schnell eine Freundschaft. Milla erfährt, dass Christines Familie in den 1950er Jahren aus ihrer Heimat im Sperrgebiet zwischen DDR und BRD vertrieben und zwangsumgesiedelt wurde. Wer die Umsiedlung veranlasst hat, wissen sie bis heute nicht. Nachforschungen, die Christines Tante Elvira angestellt hatte, verliefen im Sande, und auch eine Entschädigung hat die Familie nie erhalten.
Milla ist von der Geschichte fasziniert und beginnt ebenfalls damit, im Namen der Familie Nachforschungen anzustellen und Unterlagen anzufordern. Zusammen mit Christine sucht sie Zeitzeugen und ehemalige Freunde der Familie auf. Dabei entdeckt sie, dass der Verräter von damals ein ganz anderer ist als vermutet...
Das Buch behandelt ein interessantes Thema: das Leben einer Familie im Sperrgebiet zwischen Ost- und Westdeutschland. Es ist haarsträubend zu lesen, welchen Repressalien und Schikanen die Familie ausgeliefert war. So durften die Großeltern eines Tages nicht mit den Enkeln ins Sperrgebiet zurück, weil die Enkel nicht in ihren Ausweisen vermerkt waren. War der Schlagbaum unbesetzt, hieß es warten, bis sich der Beamte endlich blicken ließ. Wehe, man wagte es, ohne Kontrolle die Grenze ins Sperrgebiet zu passieren. Im nächsten Moment war der Beamte zur Stelle und nahm einen fest.
Das Buch liest sich größtenteils flüssig, doch teilweise ist die Geschichte unnötig in die Länge gezogen und trivial. Nach einem der vielen Stromausfälle weint Christines kleine Schwester im Dunkeln, woraufhin die große Schwester ihr den Nacken kitzelt, bis sie wieder lacht. Wie interessant...
Was mich ebenfalls genervt hat, war das Festhalten am wöchentlichen Ritual des Gästezimmer Putzens. Seit Jahren hat das Hotel Waldeshöh keine Gäste mehr gesehen, trotzdem werden jeden Samstag die Zimmer geputzt und die Betten frisch bezogen. Die Kinder hausen beengt in einem kleinen Kämmerchen, doch die Gästezimmer sind tabu. Ein für die nicht vorhandenen Gäste angeschaffter Badeofen steht neu herum, die Familie heizt das Badewasser mit der Waschmaschine. Alles für meine Begriffe nicht nachvollziehbar.
Ob das Leben in der DDR sich tatsächlich so abgespielt hat, kann ich nicht beurteilen, es war aber auf jeden Fall sehr interessant, einen Einblick in das Leben einer Familie zu bekommen, die zunehmend isoliert und auf sich selbst gestellt im Grenzgebiet zwischen Ost und West lebte.

Bewertung vom 25.03.2019
Horowitz, Anthony

Ein perfider Plan / Hawthorne ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Perfide und genial
Anthony Horowitz wird im vorliegenden Band von dem ehemaligen Polizisten Hawthorne, der mittlerweile als Privatdetektiv und Berater der Polizei tätig ist, gefragt, ob er nicht ein Buch über ihn und seinen derzeitigen Kriminalfall schreiben möchte. Zunächst lehnt Horowitz ab, doch nachdem ihm bei einer Lesung vorgeworfen wird, immer nur über Fiktives und nie über echte Fälle zu schreiben, nimmt er den Auftrag doch an.
Diana Cowper, eine wohlhabende Witwe aus London, geht zu einem Bestattungsunternehmen, um ihre eigene Beerdigung bis ins Detail zu planen. Noch am selben Tag wird sie ermordet, erdrosselt in ihrem eigenen Haus. Da keinerlei Einbruchspuren vorhanden sind, scheint sie den Mörder gekannt zu haben. Eine ominöse SMS, die sie noch kurz vor ihrem Tod an ihren Sohn Damian, einen berühmten Schauspieler, geschickt hat, scheint darauf hinzudeuten, dass ihr Tod mit einem Unfall in Zusammenhang steht, bei dem sie vor fast genau 10 Jahren ein Kind totgefahren und dessen Zwillingsbruder schwer verletzt hat.
Während Hawthorne in diese Richtung ermittelt und Horowitz ihn dabei begleitet und sich natürlich selbst seine Gedanken macht, geschieht ein zweiter Mord...
Normalerweise mag ich Romane nicht besonders, die aus der Ich-Perspektive geschrieben sind, aber hier hat es mir wirklich großen Spaß gemacht, Anthony Horowitz über die Schulter zu schauen und in seine Gedankenwelt einzutauchen. Seine Sprache und sein Humor treffen genau meinen Geschmack und die Geschichte selbst ist äußerst kurzweilig. Die Auflösung dieses ganz in der Tradition von Sherlock Holmes und Watson geschriebenen Romans ist einigermaßen überraschend. Ein sehr gelungener Auftakt einer neuen Krimireihe, auf deren Fortsetzung ich mich schon freue!

Bewertung vom 17.03.2019
Herrmann, Elisabeth

Schatten der Toten / Judith Kepler Bd.3


sehr gut

Die Schatten der Vergangenheit
Da ich die ersten beiden Bücher der Reihe nicht gelesen habe und der vorliegende Band auf den beiden anderen aufbaut, hatte ich anfangs ziemliche Probleme damit, der Handlung zu folgen. Es wird zwar auf die Vorkommnisse dieser Vorgängerbände Bezug genommen, aber es ist so eine Fülle an Informationen in zusammengefasster Form, dass es nicht unbedingt ratsam ist, so wie ich, mit dem 3. Band zu beginnen.
Zunächst handelt die Story von der Tatortreinigerin Judith Kepler, die in einem Reinigungsunternehmen in Berlin beschäftigt ist. Ihr Chef, Dombrowski, scheint große Stücke auf sie zu halten, denn als er notfallmäßig ins Krankenhaus eingeliefert wird, übergibt er ihr die Schlüssel zum Unternehmen und bittet sie, die Geschäfte für ihn weiterzuleiten.
Judith Kepler ist die Tochter eines Doppelagenten aus der Zeit des kalten Kriegs, der unter dem Namen Bastide Larcan inzwischen als Waffenhändler tätig ist. Er hat sie bereits zweimal verraten, einmal, als er mit ihr und ihrer Mutter aus der DDR ausreiste und Judiths Mutter dabei ums Leben kam und ein zweites Mal bei der sogenannten Operation Saßnitz, die wohl Gegenstand des letzten Bands der Reihe war. Die Protagonisten dieser Operation tauchen in „Schatten der Toten“ wieder auf, was für Leser, die mit der Reihe vertraut sind, sicher interessant ist, für mich jedoch äußerst verwirrend war. Da gibt es beispielsweise zwei Männer namens Kaiserley, Vater und Sohn, doch mir war nicht immer klar, von wem gerade die Rede ist.
Eine frühere Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes, Isa Kellermann, deren Mutter Bastide Larcan (damals noch unter seinem eigentlichen Namen Lindner) als sogenannter Romeo verführte, um an geheime Informationen zu kommen, schwört sich nach dem Tod der Mutter, Rache an Larcan zu nehmen und ist bereit, dafür auch über Leichen zu gehen. Bei einer Operation in Odessa, bei der sämtliche Hauptbeteiligten wieder zusammenkommen, kommt es zu einem Showdown, bei dem allerdings nicht alles so läuft wie geplant.
Mir hat „Schatten der Toten“ ganz gut gefallen, auch wenn ich es streckenweise doch sehr verwirrend fand. Elisabeth Hermanns Stärke liegt in ihren Beschreibungen. Der Markt der tausend Wunder in Odessa, bei dem man von Wachstuchtischdecken bis zu Waffen alles kaufen kann, was das Herz begehrt, war so detailliert und gut beschrieben, dass ich das Gefühl hatte, vor Ort zu sein. Auch die Katakomben von Odessa und die Beschreibung der Stadt an sich haben mich sehr beeindruckt. Mit der Zeit kam ich auch gut in die Geschichte rein. Für Fans von Frederick Forsyth ist dieser Spionagekrimi sehr zu empfehlen, allerdings mit den eingangs erwähnten Einschränkungen.

Bewertung vom 01.03.2019
Moström, Jonas

Mitternachtsmädchen / Nathalie Svensson Bd.3


weniger gut

Enttäuschender Retortenkrimi
Dieser Krimi kommt mir vor wie von einem Computerprogramm geschrieben. Man nehme: mehrere hübsche blonde Studentinnen, die überfallen und/oder umgebracht werden. Ein paar Verdächtige mit seltsamen Hobbies und Eigenschaften, die sich alle äußerlich ähneln. Ein Team von Kommissaren, die medikamentensüchtig sind/ gerne Sex mit Fremden haben/ im Scheidungskrieg leben/ einander attraktiv finden. Dann rühre man das Ganze zusammen, mische eine Menge schwedischer Begriffe, Sehenswürdigkeiten und Straßennamen dazu, bis es endlich nach über 500 Seiten zu einer Auflösung des Falls kommt...
Die Charaktere blieben mir bis zuletzt fremd, ich konnte keinerlei Sympathie für sie empfinden. Den Fall selbst fand ich fad, vor allem die Rückblicke auf die frühkindlichen Erlebnisse des Täters, dessen Mutter sich anscheinend prostituierte und ihn vernachlässigte, waren immer wieder dasselbe und schrecklich langweilig.
Ich hatte noch nie ein Buch des Autors gelesen, weshalb mir dann auch die vielen Rückblicke nichts sagten. Ich weiß nicht, warum Nathalie nicht zur Beerdigung des Vaters gehen will, offensichtlich hat er ein Verbrechen begangen, aber ich werde nie herausfinden, welches, denn die vorherigen Bände werde ich mit Sicherheit nicht lesen.
Dem Buch ist zwar ein Personenverzeichnis beigefügt, was bei der Fülle an Namen ganz hilfreich war, jedoch war es bei weitem nicht vollständig. Außerdem wäre es ausgesprochen sinnvoll gewesen, in der deutschen Ausgabe zu erklären, was es mit den immer wieder erwähnten „Studentennationen“ auf sich hat. Dank Internet ließ sich der Begriff zwar klären, doch bin ich mir sicher, dass es vielen Lesern so ging wie mir.
Ich habe schon lange keinen so langweiligen und aufgeblasenen Krimi gelesen. Wenn das Ganze 150 Seiten kürzer wäre, wäre vielleicht ein ganz passabler Krimi herausgekommen. Es ist mir rätselhaft, wie das Buch so viele gute Bewertungen bekommen kann.

Bewertung vom 23.02.2019
Love, Melissa Scrivner

Lola


ausgezeichnet

Im Sumpf aus Drogen und Gewalt
Lola ist eine junge Latina in Huntington Park, einem heruntergekommenen Vorort von Los Angeles, in dem Gangs, Drogen und Gewalt den Alltag bestimmen. Sie ist die Freundin von Garcia, den alle für den Anführer der Gang „The Crenshaw Six“ halten, die an einigen Straßenecken des Viertels Drogen für das Kartell verkauft. Dass Lola die eigentliche Anführerin der Gang ist, wissen zunächst die wenigsten. Lola ist dies ganz recht, so kann sie die typische Latina chica spielen und unbeobachtet im Hintergrund die Fäden ziehen. Als ihre Gang jedoch in den Krieg zwischen zwei Drogenkartellen hineingezogen wird, ändert sich die Lage. Die Crenshaw Six sollen bei einer Geldübergabe sowohl das Geld als auch Heroin im Wert von zwei Millionen Dollar abgreifen, doch der Coup scheitert und Lola muss um ihr Leben bangen...

Lolas Biographie ist typisch für die Gegend: Vater verschwunden, Mutter drogensüchtig. Zur Finanzierung ihrer Sucht schickte die Mutter fremde Männer in Lolas Zimmer, als diese noch ein Kind war. Für den jüngeren Bruder Hector musste Lola früh die Verantwortung übernehmen, da die Mutter nicht dazu in der Lage war. Lola weiß also, dass das Leben kein Ponyhof ist. Nur der Stärkere überlebt, Skrupel kann sie sich nicht leisten. So hat sie auch keine Probleme damit, ein Gangmitglied per Kopfschuss zu töten, als sie feststellt, dass es Geld unterschlägt und auch innerhalb der Familie ist sie konsequent.
Lola ist rational und pragmatisch, mit den Latinafrauen in ihrer Gegend, die sich über Nagelstudios und Kuchenrezepte austauschen, hat sie wenig gemeinsam. Sie ist keine typische sympathische Protagonistin – wer empfindet schon uneingeschränkt Sympathie mit einer Frau, die ohne jeden Skrupel andere tötet oder verstümmelt? – doch sie ist auch keineswegs unsympathisch. Vor allem als sie die kleine Lucy kennenlernt, die offensichtlich von ihrer drogensüchtigen Mutter ebenfalls an Männer verkauft wird wie Lola früher, kommt eine andere Seite Lolas zum Vorschein: sie nimmt Lucy bei sich auf und tut alles dafür, damit diese nicht zu ihrer Mutter zurück muss. Schon allein deshalb muss Lola es schaffen zu überleben...
Dieser furiose Krimi führt den Leser in eine Welt voller Abgründe, in der Drogen, Gewalt und Kindesmissbrauch zur Finanzierung von Drogen an der Tagesordnung zu sein scheinen. Ein faszinierendes Erstlingswerk, das man kaum aus der Hand legen kann.

Bewertung vom 07.02.2019
Chirovici, Eugene

Das Echo der Wahrheit


ausgezeichnet

Kaleidoskop der Wahrheit
Der Multimillionär Joshua Fleischer hat nur noch kurze Zeit zu leben. Seit 40 Jahren trägt er eine schwere Last: er weiß nicht, ob er in Paris an einem Verbrechen beteiligt war, bei dem eine junge Frau verschwand. Seine Erinnerung ist nur bruchstückhaft vorhanden. Vor seinem Tod will er unbedingt Gewissheit, was in jener Nacht geschah. Dabei soll ihm der bekannte Psychiater James Cobb behilflich sein, indem er ihn in Hypnose versetzt. Nach anfänglichem Zögern lässt sich Cobb auf den Auftrag ein, doch lässt Fleischers Gesundheitszustand es nicht zu, abschließend zu klären, was damals tatsächlich geschah.
Nach dessen Tod beschließt Cobb, auf eigene Faust weiter zu ermitteln. Er sucht den Originalschauplatz des Verbrechens auf (sofern es sich denn um eines handelt) und trifft sich mit Personen aus Fleischers damaligem Freundes- und Bekanntenkreis. Jeder trägt ein Stückchen zur Wahrheitsfindung bei, wobei sich die einzelnen Teile der Wahrheit wie bei einem Kaleidoskop immer wieder neu anordnen. Dies ist sowohl verwirrend als auch faszinierend. Wer war Fleischer wirklich? Ein rücksichtsloser reicher Womanizer oder der Philanthrop als den Cobb ihn kennengelernt hat? Was ist mit Simone Duchamp, der verschwundenen jungen Frau passiert und weshalb haben Polizei und Simones Familie ihr Verschwinden nie versucht aufzuklären? Welche Rolle spielte Joshs damaliger Mitbewohner, Abraham Hale, in dem Ganzen?
Die Geschichte ist sehr spannend aufgebaut. Eugene Chirovici legt großen Wert auf die psychologischen Hintergründe. Nach eigenen Aussagen will er seinen Lesern keinen typischen „Whodunit“ Krimi präsentieren, bei dem man am Ende den Mörder kennt, sondern vor allem auch einen „Whydunit“, indem er erklärt, warum alles so gekommen ist. Ich habe den Roman sehr gern gelesen, manches, beispielsweise die Rolle und Person des Abraham Hale, fand ich aber bis zuletzt ziemlich verwirrend. Ein ungewöhnlicher und sprachlich virtuos erzählter Spannungsroman.

Bewertung vom 31.01.2019
Engman, Pascal

Der Patriot


sehr gut

Zum Wohle des Volkes
Pascal Engmann widmet sich in seinem ersten Roman einem äußerst aktuellen Thema. Wie die meisten europäischen Länder, hat auch Schweden eine Vielzahl an Flüchtlingen aufgenommen, was manchen in der Bevölkerung ein Dorn im Auge ist, da die Einwanderer ihrer Meinung nach besser gestellt sind als sie selbst.
Carl, ein junger Mann, der sich selbst für ein Genie hält, es jedoch zu nichts gebracht hat und vom Geld seines Vaters lebt, will diese seiner Meinung nach schweigende Mehrheit rächen, indem er gemeinsam mit seinen Helfern Journalisten angreift und tötet, die ein für seine Begriffe viel zu positives Bild von der Flüchtlingssituation zeichnen. Er schmiedet den perfiden Plan eines Bombenanschlags auf ein Hotel, wobei er die Tat einem syrischen Einwanderer in die Schuhe schieben will. Dass dabei viele unbescholtene Schweden ums Leben kommen, stört ihn nicht, er verbucht die Toten als Kollateralschäden, als Opfer für eine gute Sache.
Zu Beginn des Buchs werden mehrere Handlungsstränge eingeführt, einer davon führt den Leser nach Chile, wo der Schwede August für einen skrupellosen russischen Verbrecher arbeitet. Er gerät selbst ins Visier des Russen, weshalb er aus Chile fliehen muss und nach zehn Jahren im Ausland nach Schweden zurückkehrt. Dort trifft er seine erste Liebe Amanda wieder, die inzwischen eine erfolgreiche Journalistin ist und ebenfalls auf der Todesliste der selbsternannten Patrioten steht. August und Amanda lassen ihre Beziehung wiederaufleben. Dass August während seiner Zeit als Söldner selbst Menschen getötet hat, scheint kein Thema zu sein oder Amanda nicht zu stören.
Die ersten zwei Drittel des Thrillers habe ich als sehr spannend empfunden, wobei mir die Szenen in Chile zu ausufernd und teilweise irrelevant für die Gesamthandlung erschienen.
Nach dem Bombenanschlag gelingt es Engmann leider nicht ganz, die Spannung zu halten. Der Showdown an Bord einer Fähre bildet ein furioses Finale, bei dem August sozusagen frühere Verbrechen sühnt, indem er viele Menschenleben rettet. Vom Mörder zum Märtyrer, das war mir dann doch ein bisschen zuviel.
Engmann geht in seinem Debütroman viel auf die Motive des „Patrioten“ und dessen Ansichten ein. Einerseits fand ich diese Erklärung seiner Weltsicht und verqueren Logik durchaus interessant, andererseits nahm es mir doch ein wenig zu viel Raum ein. Alles in allem ein Buch, das ich durchaus empfehlen kann, dem 50 Seiten weniger jedoch gut getan hätten.

Bewertung vom 30.01.2019
Reardon, Bryan

Wer ist Michael Swann?


gut

Die Leseprobe weckt hohe Erwartungen. In der New Yorker Penn Station wurde ein Bombenanschlag verübt und alles deutet darauf hin, dass es sich bei dem Täter um Michael Swann, einen bisher unbescholtenen Bürger, handelt. Beweise gibt es zunächst keine außer einem verschwommenen Überwachungsvideo, trotzdem wird Michael über Rundfunk und Fernsehen gesucht. Seine Frau Julia ist panisch. Welche Motive sollte Michael gehabt haben, so etwas zu tun?
Laut Klappentext schickt Michael Julia eine SMS – eine völlig irreführende Information, denn eine solche SMS wird nie verschickt. Zu allem Überfluss verrät der kurze Klappentext viel zu viel vom Geschehen. Nach über 200 Seiten Lektüre weiß man immer noch nicht viel mehr als das, was der Klappentext bereits verraten hat.
Das Buch beginnt ausgesprochen spannend. Man fiebert mit Julia mit, die versucht, ihren Mann zu finden, doch da beginnen dann bereits die Ungereimtheiten. Obwohl nach dem Anschlag totales Chaos herrscht, bekommt Julia, die von ihrem Vorort im Auto unterwegs in die City ist, Geleit durch einen (gesperrten) Tunnel. Später, als sie zuhause Besuch von Beamten der Homeland Security bekommt, versucht sie zu fliehen und es gelingt ihr, obwohl den Beamten ihr Fluchtversuch keineswegs verborgen bleibt. Die Auflösung erhält man dann ganz zum Schluss, und diese ist so absurd, dass ich mich richtig geärgert habe, so viel Zeit auf dieses Buch verschwendet zu haben. Ein weiterer Minuspunkt ist die teilweise sehr holprige Übersetzung, die möglicherweise der Tatsache geschuldet ist, dass es sich bei dem von mir gelesenen Manuskript um eine unkorrigierte Version gehandelt haben mag. Alles in allem möchte ich dieses Buch trotz einiger spannender Kapitel niemandem empfehlen, der Wert auf eine einigermaßen realistische Story legt.

Bewertung vom 24.01.2019
Howard, Catherine Ryan

Ich bringe dir die Nacht


sehr gut

Unschuldig hinter Gittern?
Alison und ihre Freundin Liz sind überglücklich, als sie beide am renommierten St. John’s College in Dublin einen Studienplatz ergattern. Als sie wider Erwarten auch beide einen Wohnheimplatz auf dem Campus bekommen, ist ihr Glück perfekt. Die erste Zeit besteht hauptsächlich aus Partys und Feiern, doch dann geschieht ein Mord. Eine Studentin wird unweit des Campus tot aus dem Kanal geborgen.
Die Studenten werden angehalten, nachts nicht allein unterwegs zu sein, doch trotz aller Warnungen geschehen weitere Morde. Für Alison bricht eine Welt zusammen, als ausgerechnet ihr Freund Will als der Kanalmörder festgenommen wird.
Traumatisiert verlässt sie Irland und lebt fortan in den Niederlanden. Inzwischen sind 10 Jahre vergangen, als eines Tages zwei Beamte der irischen Polizei vor ihrer Tür stehen und sie bitten, mit ihnen nach Dublin zu kommen. Es sind wieder Mädchen ermordet worden, und zwar auf dieselbe Weise wie vor zehn Jahren. Will sitzt nach wie vor hinter Gittern. Er behauptet, etwas zu wissen, doch will er nur mit Alison reden, die sich von den Beamten dazu überreden lässt mitzukommen.
Dieser erste Teil des Romans hat mir sehr gut gefallen, die Schreibweise ist teilweise ausgesprochen humorvoll. Die Beschreibung der ersten Zeit in Dublin gestaltet sich etwas zäh. Für mich die schwächste Szene: als Alison zum ersten Mal wieder in das Haus ihrer Eltern kommt. Die Auseinandersetzung mit ihrer Mutter ist für mich nicht nachvollziehbar und künstlich aufgeblasen. Überhaupt zieht sich die Geschichte hier ein wenig, bis dann wieder Schwung in die Ermittlungen kommt. Alison erweist sich als geschickte Ermittlerin. Das Ende fand ich sehr gut gelungen und ziemlich überraschend. Als Thriller würde ich das Buch nicht bezeichnen, aber als Roman hat es mir gut gefallen.