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Circlestonesbooks.blog
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Lesebegeisterte Literaturbloggerin, https://www.circlestonesbooks.blog/

Bewertungen

Insgesamt 411 Bewertungen
Bewertung vom 01.10.2020
Mellem, Daniel

Die Erfindung des Countdowns


sehr gut

Vom Visionär zum Raumfahrtpionier

„Bei allem Respekt, Professor, aber das nimmt niemand ernst. Sie sind der beste Theoretiker, den ich kenne, und wir haben ihnen viel zu verdanken – aber wir wussten auch, mit Ihnen wird es schwierig, ein so großes Unternehmen zu leiten.“ (Zitat Seite 201)

Inhalt
Hermann Oberth wächst in Schäßburg, Siebenbürgen, als ältester Sohn eines angesehenen Arztes auf. Er ist ein begabtes, technisch sehr interessiertes Kind, liest begeistert Jules Verne und sieht seine Zukunft buchstäblich in der Zukunft, er wird eine Rakete entwickeln, die bis zum Mond fliegt. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs heiratet er Tilla und beginnt gleichzeitig in Göttingen zu studieren. Als seine fertige Dissertation abgelehnt wird, bringt diese erfolgreich als Buch heraus. Ein Angebot der Sowjetunion lehnt er ab, doch 1941 holt ihn Wernher von Braun nach Peenemünde und aus der erträumten Rakete zum Mond wird eine moderne Waffe.

Thema und Genre
In diesem Roman mit biografisch-historischem Hintergrund geht es um die Pioniere der modernen Astronautik und Raketentechnik, um Wissenschaft und Forschung. Damit verbunden sind die Problematik der Entwicklung von Raketenwaffen in der NS-Zeit und die Frage nach Verantwortung und Forschungsethik.

Charaktere
Hermann Oberth ist ein Visionär und arbeitet intensiv an seinen Berechnungen, Konzepten und Konstruktionsentwürfen, bis er sicher sein kann, dass sie auch funktionieren. Für seine Ehefrau Tilla und seine vier Kinder bleibt kaum Zeit und so wiederholt er, ohne dass es ihm bewusst ist, die Fehler seines Vaters, seine Kinder bleiben ihm fremd. Als Siebenbürger Deutscher fühlt er sich Zeit seines Lebens als Deutscher und niemals als Rumäne.

Handlung und Schreibstil
Der Autor schildert das Leben des Raketenforschers und Menschen Hermann Oberth chronologisch, von seiner Kindheit in Schäßburg, Siebenbürgen, bis zum Start von Apollo 11 am 16. Juli 1969. Die nummerierten Kapitel entsprechen einem Countdown und beginnen bei Zehn, um mit dem Kapitel Null zu enden. Dies erinnert an eine Episode im Leben von Hermann Oberth, als Fritz Lang ihn 1929 als technischen Berater für seinen Stummfilm „Frau im Mond“ ins Team holt und wo der Regisseur tatsächlich die Idee mit dem Rückwärtszählen hat, um Spannung zu erzeugen. Dem Physiker und Raketenpionier Hermann Oberth und seinen visionären Entwicklungen stellt der Autor literarisch den Menschen gegenüber, den meistens abwesenden Familienvater, dessen Gedanken seine Ehefrau Tilla immer mit Formeln und Berechnungen teilen muss. Auch die Frage nach der eigenen Verantwortung in den Jahren seiner Tätigkeit für die Nationalsozialisten fließt in die Ereignisse in diesem Roman ein, jedoch nicht anklagend, sondern berichtend, fragend. Die Sprache erzählt und schildert eindrücklich und spannend.

Fazit
Ein Roman, der sich in literarischer Form mit der wenig bekannten Biografie des Visionärs und Wegbereiters der modernen Raumfahrt, Hermann Oberth, beschäftigt und sowohl den Wissenschaftler, als auch den Menschen als Resultat seiner Träume und seines Schicksals in einer bewegten Zeit zeigt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.10.2020
Schilddorfer, Gerd

Das Tartarus-Projekt


ausgezeichnet

Brisant und spannend

„Da war etwas, das im Hintergrund blieb, sich versteckte, wie unter einem Tarnmäntelchen, und sich ins Fäustchen lachte. Und Landorff hatte keine Ahnung, was es war.“ (Zitat Seite 84)

Inhalt
Natürlich geht der Journalist und Autor Michael Landorff auf die exklusive Party des erfolgreichen Unternehmers und Milliardärs Gregory Winter, auch wenn er keine Ahnung hat, warum er auf der Einladungsliste steht. Schon des großartigen Buffets wegen, denn obwohl seine Thriller die Leser begeistern, fehlt ihm noch immer ein Verlag. Dies will seine langjährige Bekannte Melissa Warttemberg ändern, die mit ihrer Agentur professionelle Kampagnen für bekannte internationale Großkonzerne durchführt. Als Gregory Winter am Morgen nach der Party grausam ermordet aufgefunden wird, sieht Melissa für Landorff als erfahrenen Journalisten eine einmalige Chance: er muss sofort mit der Suche nach dem Mörder beginnen, den Fall vor der Polizei aufklären und gleichzeitig darüber ein Buch schreiben. Bei der Durchsicht der Gästeliste trifft er auf Alexandra Buschmann, eine professionelle Pokerspielerin, die ebenfalls eingeladen war, ohne Gregory Winter zu kennen. Gemeinsam beginnen sie zu recherchieren, und dies wird binnen kürzester Zeit lebensgefährlich. Umgeben von Geheimdiensten mit unterschiedlichen Interessen und skrupellosen Gegnern, finden sie heraus, worum es eigentlich geht: um ein brisantes Forschungsprojekt mit dem Namen „Tartarus“, das die Welt verändern wird.

Thema und Genre
In diesem packenden Wissenschafts- und Politthriller geht es um die Forschungsbereiche KI, Drohnen als Kampfroboter, modernste Steuerungstechnik, Geheimdienste, Politik und internationale Wirtschaftsinteressen.

Charaktere
Michael Landorff ist Autor, doch er ist auch ein erfahrener Journalist mit einem entsprechenden Netzwerk. Die ersten Recherchen zeigen, dass wesentlich mehr hinter diesem Mordfall steckt, als zunächst angenommen. Jede Antwort wirft neue Fragen auf, doch er gibt nicht auf, obwohl er rasch erkennt, dass sein Einsatz sein Leben ist, denn bald weiß er zu viel. Alexandra Buschmann, studierte Mathematikerin und Wirtschaftswissenschaftlerin, recherchiert mit ihm, denn plötzlich erkennt sie ihre Verbindung zum Unternehmen des Ermordeten.

Handlung und Schreibstil
Ein Journalist und eine Pokerspielerin: die spannende Recherche führt die beiden Hauptfiguren von München aus durch Bayern bis nach Wien, und über Umwege wieder zurück, mit Gegnern aus aller Welt, die ihren Spuren folgen. Die Handlung wird in einer straffen Zeitspanne geschildert, Rückblenden ergänzen mit Details.
Man erkennt die genaue Recherche und das Fachwissen des Autors, die Geschichte ist realistisch und nachvollziehbar. Seine Geburtsstadt Wien schildert Gerd Schilddorfer, eingebunden in spannende, gefährliche Situationen, mit Charme und Schmäh abseits der Touristenrouten – wer Wien kennt, liest dies mit einem Lächeln, Wien-Neulinge finden hier ganz sicher Ideen für den nächsten Wienbesuch. Die Sprache passt perfekt zum Genre, spannend, mit einer guten Prise Humor. Die wissenschaftlichen Erklärungen sind gekonnt in lockere Dialoge eingebaut, sodass sie verständlich und interessant zu lesen sind.

Fazit
Ein packender Thriller mit brisanten Themen und unvorhersehbaren Wendungen. Wem können wir überhaupt noch trauen?, fragen sich nicht nur die beiden sympathischen Hauptfiguren, sondern auch wir Leser*innen, denn es gibt immer wieder Überraschungen. Ein spannender Pageturner, der vergnügte Lesestunden bietet.

Bewertung vom 29.09.2020
Bienvenu, Sophie

Sam ist weg


ausgezeichnet

Eine einfühlsame, nachdenkliche Geschichte

„Vielleicht hat sie sich gesagt, wir treffen uns an unserem Schlafplatz, und sie hätte auch gern eine Nachricht hinterlassen, aber so was machen Hunde nicht. Sie ergreifen eher selten die Initiative, deshalb haben sie nie gelernt, wie man Bescheid sagt.“ (Zitat Pos. 394)

Inhalt
Das Leben von Mathieu war nie einfach gewesen, doch der letzte Schicksalsschlag wirft ihn endgültig aus der Bahn und er landet er auf der Straße. Seine Hündin Sam, die ihm aus seinem früheren Leben geblieben ist, begleitet ihn auch jetzt mit ihrem stillen Vertrauen und in den Nächten wärmen sie einander, denn der Winter hat begonnen. Doch sie haben Glück, ein Bekannter verreist über den Winter, seine leerstehende Wohnung überlässt er seiner Cousine Gabrielle und diese ist bereit, die beiden vorübergehend aufzunehmen. Da ist Sam plötzlich verschwunden. Mathieu hatte sie nur kurz vor einem Laden angebunden, in dem er öfter einkauft. Mathieu macht sich sofort auf die Suche und Gabrielle hilft ihm dabei, doch Montreal ist eine Großstadt und Sam kann überall sein.

Thema und Genre
Es geht um anonyme Schicksale in einer Großstadt, um Menschen, die durch besondere Umstände plötzlich aus ihrem Leben geworfen werden und versuchen, auf der Straße irgendwie über die Runden zu kommen. Themen sind Erinnerungen, Trauer, Verzweiflung und neue Hoffnung, Mut, und die Liebe.

Charaktere
Mathieus Kindheit ist von seiner dominanten Mutter und einem schweigsamen Vater geprägt. Sehr jung verliebt er sich in Karine, die Frau seines Lebens, die ihn und die gemeinsame Tochter Lila jedoch verlässt. Manchmal will Mathieu einfach aufgeben, doch er kann es nicht, irgendwie macht er immer weiter, gefangen in seinen Erinnerungen. Sam ist ein wichtiger Teil des früheren Lebens und darum muss er sie wiederfinden, er gibt nicht auf, folgt jeder Idee, wo er suchen könnte.

Handlung und Schreibstil
Der obdachlose Mathieu erzählt seine Geschichte selbst. Die aktuelle Handlung, die Stunden und Tage der Suche nach seiner Hündin Sam, wird in kurzen Abschnitten erzählt, die immer wieder durch seine Erinnerungen durchbrochen werden. So erfahren wir die wichtigsten Ereignisse aus seinem Leben, allerdings nicht chronologisch, sondern bruchstückhaft, kurze Geschichten und Situationen, die sich schließlich zu einem Gesamtbild über das bisherige Leben von Mathieu zusammenfügen. Die Hündin Sam ist das Bindeglied zu seinem früheren Leben und die Suche nach seiner Hündin wird für ihn auch zum Versuch, mit der Vergangenheit weiterzuleben. Die Frage, ob es ihm gelingen wird, Sam in der Metropole Montreal wiederzufinden, sorgt für Spannung und wir bangen und hoffen mit Mathieu. Die Sprache ist einfühlsam und gibt in teilweise einfachen, sehr persönlichen Sätzen nicht nur die aktuelle Situation und die Erinnerungen, sondern auch die Gedanken und Gefühle der Hauptfigur packend und glaubhaft wieder, führt uns direkt in sein Leben.

Fazit
Ein einfühlsamer, leiser, nachdenklicher Roman über die Hintergründe, die dazu führen können, einen Menschen völlig aus der Bahn zu werfen. Gleichzeitig ist es jedoch eine poetische Geschichte über das Leben, die Kraft der Liebe und den Mut, dass es irgendwie weitergeht.

Bewertung vom 25.09.2020
Owuor, Yvonne Adhiambo

Das Meer der Libellen


ausgezeichnet

Eine intensive, großartige Geschichte


„Frag dich immer: Wo will ich hin? Und wenn du es weißt, mach dich auf den Weg.“ (Zitat Pos. 882)

Inhalt
Die Insel Pate gehört zum Lamu Archipel an der Nordküste Kenias. Dort wächst Ayaana mit ihrer Mutter Munira auf. Ayaana hat viele Fragen an das Meer und als der weitgereiste, alternde Seemann Muhidin, der nun ein kleines Buchgeschäft besitzt, ihr zuhört und auf manche Fragen auch Antworten kennt, hat sie endlich einen Vater gefunden. Denn ihre Mutter Munira schweigt darüber, wer ihr richtiger Vater ist. Sie ist beinahe einundzwanzig Jahre alt, als sie als Nachfahrin einer sechshundert Jahre alten Geschichte eine Einladung nach China und ein Studienstipendium erhält. Doch die Sehnsucht nach ihrer Heimat und dem Meer bleibt und noch immer hat sie keine Antwort auf die Frage: Nhi shi shei -Wer bist du?

Thema und Genre
In diesem Coming-of-Age-Roman, der in Afrika und China spielt, geht es um die Frage, wer man ist, um Heimat, Wurzeln, Sehnsucht, menschliche Schicksale, Gewalt, Trauer, Verlust, Familie und die Liebe in vielen Facetten. Doch es geht auch um die Geschichte eines kleinen Insel-Archipels als Spielball der Mächtigen und den Kampf um die Unabhängigkeit, um den Erhalt der Natur und der eigenen Freiheit.

Charaktere
Es sind die vielschichtigen Charaktere, alle auf ihrer eigenen, unterschiedlichen Suche nach einem Platz im Leben, die diese intensive Geschichte prägen. Ayaana ist ein unabhängiges, wissbegieriges Mädchen mit vielen Fragen an die Menschen und an die Natur, die sie umgibt. Da sie keinen Vater hat, sucht sie sich selbst einen aus. Später, als junge Frau in China, bleibt sie trotz Heimweh stark und mutig, setzt Schritte, geht ihren Weg, der sie, immer noch auf der Suche, zurück nach Pate führt.

Handlung und Schreibstil
Dieser Roman ist fiktiv, so wie auch die Hauptfigur, Ayaana Abeerah Mlingoti. Dennoch gibt es das „China Girl“ und die Fakten dazu wirklich und daraus, sowie dem realen historischen Hintergrund, entstand diese Geschichte.
Die Handlung beschreibt das Leben von Ayaana beginnend in ihrer Kindheit, bis sie eine erwachsene junge Frau ist. Damit verbunden sind die Geschichten der Menschen, die sie auf diesem Weg begleiten oder ihren Weg kreuzen, aktuell und in Rückblenden. Die politischen Ereignisse sorgen für Spannung und unvorhersehbare Wendungen, welche die aktuelle Handlung beeinflussen. Es ist eine vielschichtige, interessante und lebendige Geschichte, welche das packende Geschehen und Schicksale der Hauptfiguren verknüpft.
Die Sprache ist eindrücklich und sehr poetisch, die Beschreibungen malen Bilder aus einer phantastisch bunten Farbpalette.

Fazit
Ein intensiver, packender Roman, farbenprächtig, lebensbejahend und gleichzeitig stürmisch und dunkel vor Trauer und Verlust, wie das Leben. Eine großartige Geschichte und ein spannender Einblick in die moderne afrikanische Literatur.

Bewertung vom 15.09.2020
Taschler, Judith W.

Das Geburtstagsfest


ausgezeichnet

Vielschichtig, spannend, großartig erzählt

„Als ihm bewusst wurde, dass es Tevi sein musste, da sie den Kopf etwas zur Seite neigte, stand er da wie angewurzelt. Ines sah in den Augen ihres Sohnes Triumph, in den Augen ihres Mannes bestürzte Hilflosigkeit und beides rührte sie so sehr, dass auch ihr die Tränen kamen.“ (Zitat Seite 27)

Inhalt
Kim Mey, Architekt, will seinen fünfzigsten Geburtstag nicht besonders feiern, doch seine Frau Ines sieht das anders. Ende 1978 war Kim vierzehn Jahre alt und Tevi zwölf, als sie auf abenteuerlichen Wegen als Flüchtlinge aus Kambodscha über Thailand nach Österreich kamen, wo sie von Ines‘ Mutter aufgenommen worden waren. Seit dreiundzwanzig Jahren haben sie sich nicht mehr gesehen, doch Jonas, der zwölfjährige Sohn von Kim findet Tevi und lädt sie als besonderen Überraschungsgast zum Geburtstagsfest ein. Seine beiden älteren Geschwister helfen ihm dabei – es ist das Geburtstagsgeschenk der Kinder an ihren Vater und sie sind voll Vorfreude.

Thema und Genre
Kernthema ist die Schreckensherrschaft der Roten Khmer in Kambodscha, Schuld und der Preis des Überlebens, Flucht, Kindheitstraumata, Liebe, Familie und ein Familiengeheimnis, das alles verändert.

Charaktere
Kim ist ein erfolgreicher Architekt. Seine Ehe mit Ines wurde mit den Jahren mühsam, da er ihre Erwartungen nicht immer erfüllen kann. Er war zwar noch ein Mal in Kambodscha, 1993, aber er schweigt über die Vergangenheit. Tevi dagegen spricht auf Vortragsreisen über ihre Kindheit in Kambodscha und erzählt auch Kims Kindern von dieser Zeit. Sie verbringt drei bis vier Monate des Jahres dort und ist ehrenamtlich tätig.

Handlung und Schreibstil
Die Geschichte wird in mehreren Handlungssträngen auf unterschiedlichen Zeitebenen erzählt. Die Jetztzeit in Österreich betrifft die Tage um Kims Geburtstagsfest zwischen 17. und 19. Juni 2016 und wird durch Abschnitte unterbrochen, die in der Vergangenheit spielen, deren zeitliche Abfolge jedoch immer in sich chronologisch bleibt. Die Zeit in Kambodscha, Siebzigerjahre, Familie Mey, wird von einem Ich-Erzähler geschildert, Kambodscha Siebzigerjahre, Familie Chhang dagegen in einer personalen Erzählform, in deren Mittelpunkt Tevi steht. Dazwischen erfahren wir auch mehr über die Kindheit von Ines, die gemeinsame Zeit von Kim, Tevi und Ines und über die Ehejahre von Kim und Ines.
Judith Taschler ist eine großartige Erzählerin, sicher, einfühlsam und stimmig entwickelt sie ihre Geschichte aus diesen einzelnen Erzählsträngen, bis sich langsam Vergangenheit und Gegenwart zu einem Ganzen verbinden. Doch nicht immer sind die Dinge so, wie sie scheinen.

Fazit
Ein sehr vielschichtiger, spannender Roman um das Schicksal Kambodschas unter der Herrschaft der Roten Khmer. Parallel dazu wird das Leben von zwei inzwischen längst erwachsenen Menschen erzählt, die damals als Kinder alles verloren haben und deren Geheimnisse und Entscheidungen ihr Leben geprägt haben. Eine sehr intensive, packende Geschichte mit überraschenden Wendungen, die lange nachklingt.

Bewertung vom 13.09.2020
Berthold, Peter;Mohr, Gabriele

Vögel füttern, aber richtig


ausgezeichnet

Ganzjahresfütterung - ja, bitte!

„So ist ein wunderbares Buch entstanden, das auf den heute verfügbaren wissenschaftlichen Grundlagen aufbaut und eindeutig zeigt: Vogelfütterung – sowohl als Winterfütterung und besser noch als Ganzjahresfütterung – leistet, verantwortungsvoll durchgeführt, einen überaus wertvollen Beitrag zum Vogelschutz und zum Erhalt der Artenvielfalt.“ (Zitat Seite 5, Vorwort Heinz Sielmann)

Thema, Inhalt und Umsetzung

Dieses Sachbuch mit zahlreichen Farbfotografien ist ein umfassender, informativer Ratgeber zum Thema Ganzjahrsfütterung unserer gefiederten Gäste aus der heimischen Vogelwelt.

Das über viele Jahre recherchierte Fachwissen ist wie folgt eingeteilt:
Zunächst werden in zwei übergeordneten Kapiteln die Grundlagen dargelegt.
Vögel füttern: es geht um den Artenrückgang und die Geschichte der Fütterung. Den Abschluss dieses Teiles bildet der Haussperling als detailliertes Beispiel.
Was Vögel zum Leben brauchen: hier sind die wissenschaftlichen Grundlagen nachzulesen.

Es folgt der umfangreiche Praxisteil.
Vögel Füttern in der Praxis: hier geht es um Futterspender, die unterschiedlichen geeigneten Futterarten, eine Übersicht der Fütterung im Jahreslauf. Diesmal ist der Star das Musterbeispiel. Doch auch auf die nicht gewünschten Besucher des Futterplatzes wird Bezug genommen, auf die erforderliche Hygiene und auch Tipps, was bei kranken oder toten Vögeln zu tun ist. Ein umfangreicher Teil mit ergänzenden Maßnahmen vom vogelfreundlichen Garten bis zu geeigneten Nistplätzen beendet diesen Praxisteil.

Den Abschluss bildet ein vierzig Seiten langes Porträt der heimischen Vogelarten, die an den Futterstellen zu beobachten sind, jeweils eine genaue Beschreibung, Ähnlichkeiten und Unterschiede für die Bestimmung werden durch zahlreiche Farbfotografien klar erkennbar.

Am Buchende findet sich ein kurzer Serviceteil mit Quellenangaben und Adressen von Futtermittelherstellern.

Fazit

Ein praxisnaher Ratgeber, verfasst nach jahrelanger Forschung von Prof. Peter Berthold und seiner leitenden Assistentin Gabriele Mohr. Klar strukturiert und sehr verständlich und lesbar geschrieben, finden auch schon bisher überzeugte Ganzjahresfütterer wie ich viele neue, wichtige Informationen und Tipps. Ein Sachbuch, das man immer wieder gerne zur Hand nimmt, um nachzulesen, oder einfach aus Freude an den vielen wunderbaren Fotografien.

Bewertung vom 13.09.2020
Fischer, Franziska

Und das Meer vor uns


ausgezeichnet

Ein vielschichtiger Frauenroman

„Uns wird ständig eingebläut, dass Fehler etwas Negatives sind, aber das Leben ist dazu da, Fehler zu machen. Sonst leben wir es nicht richtig, sondern nur knapp am Leben vorbei.“ (Zitat Seite 229)

Inhalt
Caja Rodinger, ihre beste Freundin Jolie Mossmann und Ludwig Gruber, ein lebhafter, älterer Witwer, fahren spontan ans Meer. Sie landen in der großen Künstlervilla des bekannten Regisseurs Riccardo Renzi in Caorle, wie sich herausstellt, ein alter Freund von Ludwig. Caja ist Künstlerin, nimmt aber seit Jahren nur mehr Auftragsarbeiten als Kinderbuchillustratorin an. Für ihren Ehemann Ben ist sie von Berlin nach Graz gezogen, doch die Ehe ist im Alltag zu einem wortlosen Nebeneinander geworden und Caja flüchtet sich in die persönliche Welt einer Fremden, deren Smartphone sie gefunden hat und deren tagebuchartige Einträge sie liest. In Italien beginnt Caja, den Grund für den Stillstand in ihrem Leben zu suchen und darüber nachzudenken, wie es weitergehen könnte.

Thema und Genre
Das Cover lässt einen unbeschwerten Sommerroman für den Liegestuhl erwarten, doch schon die Leseprobe zeigt, dass es hier um ein Netz von ernsten Konflikten geht, um Stagnation und Selbstzweifel, um die Suche nach dem Platz im eigenen Leben. Themen sind Liebe, Verlust und Freundschaft. Auch Farben, die Malerei und das Meer spielen eine Rolle.

Charaktere
Jolie ist unabhängig, kommt gerade von einem Auslandsjob in Chile nach Berlin zurück. Juran ist Musiker und Maler, nimmt notfalls auch jeden Gelegenheitsjob an, reist von Künstlerkolonie zu Künstlerkolonie. Caja dagegen hängt in einem Leben fest, das völlig anders verläuft, als sie es sich gewünscht hatte. Ihre Kreativität ist blockiert, unter Auftrags- und Termindruck fehlen ihr die Ideen.

Handlung und Schreibstil
Die Geschichte, in deren Mittelpunkt die Reise nach Italien und daran anschließend ein Aufenthalt in Berlin stehen, wird von einer Parallelgeschichte begleitet, Nathalie und ihr Tagebuch, das sie selbst in ihrem Smartphone führt. Die Handlung ist stimmig, die Autorin lässt der Hauptfigur Caja, die ihre Geschichte ebenfalls als Ich-Erzählerin schildert, viel Freiraum. Besonders die Szenen, in denen Caja sich langsam wieder auf ihre Malerei besinnt, sind sehr einfühlsam geschildert. Andererseits jedoch lässt die Autorin Caja zu lange in einer dauernden Schleife der Entscheidungslosigkeit, Unschlüssigkeit und Selbstzweifel verharren, lässt sie mit einer gewissen Verbissenheit dem Leben Nathalies folgen, statt sich endlich mit dem eigenen auseinanderzusetzen, was leider zu einigen Längen in der Handlung führt. Die einfühlsame, lebhafte und dann wieder poetische Sprache überzeugt jedoch.

Fazit
Ein Frauenroman mit einer unentschlossenen Hauptprotagonistin, welcher der Mut für die Umsetzung der eigenen Wünsche und Träume fehlt.

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.09.2020
Barns, Anne

Eisblumenwinter


ausgezeichnet

Ein unterhaltsamer Wohlfühlroman

„Hedwig, Erika und ich -, wir sind drei Personen mit verschiedenen Wahrnehmungen und Wirklichkeiten, aber keine von uns kennt die Wahrheit.“ (Zitat Seite 258)

Inhalt
Es ist der erste Adventsonntag, der Tag, an dem der jährliche Kuchenwettbewerb bei Oma Anni im Haus auf Rügen stattfindet. Alle sind gekommen, ihre Freundin Thea, ihre Schwester Erika und ihre drei Enkelinnen Katharina, Pia und Jana. Erika hat Anni ein Geschenk mitgebracht, mit dem sie nicht bis Weihnachten warten wollte. Es sind Annis rote Stiefel, sie vor vielen Jahren plötzlich verschwunden waren. Ihre Tange Hedwig hatte sie ihr damals geschenkt. Alle dachten, die alte Tante sei längst gestorben, doch Hedwig, die demnächst fünfundneunzig Jahre alt wird, lebt gesund und rüstig am Schönberger Strand. Für Oma Anni scheint es an der Zeit, offene Fragen und Lücken in der Familiengeschichte zu klären. Pia begleitet ihre Oma auf dieser Reise zu Tante Hedwig und will die Zeit nützen, sich über ihre Beziehung zu Paul, eine Fernbeziehung zwischen Rügen und Juist, klarzuwerden.

Thema und Genre
In diesem Frauen- und Familienroman geht es um Geheimnisse in der Vergangenheit, um Familie, Beziehungen und natürlich um die Liebe. Es ist der zweite Band einer Serie ,ist jedoch in sich abgeschlossen und kann auch unabhängig vom ersten Band gelesen werden.

Charaktere
Pia, Katharina und Jana sind selbstbewusste junge Frauen. Jede der drei Schwestern steht vor der Entscheidung, sich auf die Liebe und eine echte Beziehung einzulassen.

Handlung und Schreibstil
Die Geschichte spielt an der Ostsee, auf Rügen und am Schönberger Strand. Die aktuelle Handlung wird durch Erinnerungen und Erzählungen, wichtige Ereignisse in der Vergangenheit betreffend, ergänzt. Dies führt zu Überraschungen, doch langsam ergeben sich Antworten auf viele seit Jahrzehnten offene Fragen und der Stammbaum, den Erika erstellt hat, füllt und erweitert sich.
Die Sprache ist angenehm, flüssig zu lesen und humorvoll. Sehr einprägsam sind die lebhaften Schilderungen der Ostsee im Winter. Ein Rezeptteil im Anhang lädt zum Ausprobieren ein.

Fazit
In dieser Geschichte erhält Pia einen weichen, warmen Schal als Geschenk, dessen Design „Cozy Hugs“ heißt. Das ist auch die perfekte Beschreibung für diesen unterhaltsamen Wohlfühlroman: Cozy Hugs.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.09.2020
Reichholf, Josef H.

Der Hund und sein Mensch


ausgezeichnet

Kein Handbuch über Hundehaltung, sondern eine Chance für eine echte Beziehung

„Über die Jahre, die ich mit Branko lebte, lösten sich manche Annahmen und Gewissheiten, die ich als Zoologe und Evolutionsbiologe über die Beziehung zum Hund mitgebracht hatte, in eine Vielzahl von Fragen und Ungewissheiten auf.“ (Zitat Seite 151)

Thema und Inhalt
In diesem Sachbuch geht es um die besondere Beziehung zwischen Hund und Mensch und die Frage, wie und warum sich der Wolf als Hund zum Weggefährten des Menschen entwickelte. Der Autor und Evolutionsbiologe nimmt uns mit auf eine Reise, die weit in der Vergangenheit beginnt, in der späten Eiszeit.

Umsetzung
Das spannend und verständlich geschriebene Buch ist in drei große Abschnitte geteilt: I Wie aus Wölfen Hunde wurden, II Die Beziehung zwischen Hund und Mensch, III Hund und Mensch – und Katze? Ein Ausblick.
Eine Vorbemerkung umfasst die grundsätzliche Fragestellung, die in den nachfolgenden Texten aus verschiedenen Perspektiven untersucht und mit aktuellen Forschungsergebnissen dokumentiert wird. Ein Nachwort fasst nochmals die Überlegungen und die Gründe, warum dieses Buch entstanden ist, zusammen.

Abschnitt I schildert die kontinuierliche Interaktion zwischen Menschen und Tieren, die bereits in der Steinzeit begonnen hat und deren Erforschung wissenschaftlich noch lange nicht abgeschlossen ist. Ein einzigartiges Beispiel dafür sind die Wölfe, die sich mit dem Homo sapiens in zwei ökologischen Formen weiterentwickelt haben, die wilden Wölfe und die Hundewölfe, und damit die Hundwerdung von Wölfen durch Selbstdomestikation.
Abschnitt II beschreibt den Alltag des Autors mit dem Familienhund Branko, der als Welpe in die Familie kam, seine persönlichen Beobachtungen und praktischen Erfahrungen.
In Abschnitt III geht es um den Vergleich der Ähnlichkeiten und der Unterschiede in der Beziehung Mensch-Hund und Mensch-Katze. Auch bei der Katze ist die Ausgangssituation die Selbstdomestikation, sie hat sich ebenfalls den Menschen angeschlossen, blieb aber unabhängig.

Fazit
In seinen Dankesworten am Ende des Buches schreibt der Autor, er hoffe, dass es immer mehr Hunden vergönnt sein möge, ein Leben mit den Menschen zu führen, das nicht auf strenger Dressur beruhe, sondern auf jener liebevollen Beziehung, zu der die Hunde befähigt sind. Es ist diese Einstellung des Autors und Evolutionsbiologen, die uns Leserinnen und Leser aus jeder Zeile dieses Sachbuchs erreicht. Teilweise nicken wir bestätigend, aber viele dieser interessanten Fakten sind neues Wissen und führen so auch zu einem besseren Verstehen des Wesens dieser besonderen Beziehung zwischen dem Hund und seinem Menschen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.