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Aischa

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Insgesamt 572 Bewertungen
Bewertung vom 26.10.2020
Rechl, Christine

1001 Motive zeichnen - ganz einfach


ausgezeichnet

Ob anhand dieses Buches - wie der Klappentext verspricht - jeder zeichnen lernen kann, vermag ich nicht zu beurteilen. Bei mir hat es jedenfalls prima funktioniert und ich hatte viel Vergnügen dabei.

Nach einer kurzen Einführung geht es gleich los und man kann zunächst sehr einfache Motive wie Blüten, Bäume oder Schmetterlinge Schritt für Schritt nachzeichnen. Auch für Haus und Garten, Möbel und Transportmittel gibt es einige Motive, die auch absolute Anfänger gut skizzieren können. Den Hauptteil des Buches nimmt eine überwältigende Sammlung verschiedenster Motive ein, die alphabetisch von A (wie Apfel) bis Z (wie Zielflagge) reicht. Und ja, zu meiner Überraschung hat Autorin und Grafikerin Christine Rechl in der Tat Zeichenanleitungen für 1001 Motive gestaltet. Es sind einige thematische Doppelseiten eingefügt, etwa rund um Fußball, Schule, zu Ostern oder zum Geburtstag. Abgerundet wird das Zeichenbuch durch kreative Spielideen mit Stift und Papier.

Ich hatte lange nicht so viel Spaß, es ist wirklich eine Freude, die eigene Kreativität zu entdecken. (Und ich denke nicht, dass ich mit überdurchschnittlichem Zeichentalent ausgestattet bin.) Künftig wird jede meiner Grußkarten mit persönlichen Zeichnungen verziert werden. Vom Cello zur Essiggurke, vom Skorpion bis zur Nähmaschine - hier findet sich wirklich für jeden das passende Motiv. Und anhand eines witzigen Schafes lernt man auch noch, Lebewesen in verschiedensten Stimmungen darzustellen, ob traurig oder freudig, erschrocken oder wütend.

Das stabile Hardcover bleibt an jeder Stelle gut aufgeschlagen liegen, es ist also auch praxistauglich. Ein Buch, das mich auf ganzer Linie überzeugt hat, und das zu einem wirklich fairen Preis!

Bewertung vom 21.10.2020
Prange, Peter

Himmelsdiebe


gut

Manchmal schleiche ich eine ganze Weile um Bestseller herum - zu oft schon musste ich feststellen, dass mein Literaturgeschmack sich nicht immer mit dem der breiten Masse deckt. Nun also, gut zehn Jahre nach Ersterscheinung, habe ich mich doch auf Peter Pranges "Himmelsdiebe" eingelassen.

Der kunstinteressierte Leser findet recht schnell zahlreiche Parallelen zwischen den beiden Protagonisten Harry Winter und Laura Paddington und ihren realen Vorbildern, dem deutschen Maler Max Ernst und seiner Geliebten Leonora Carrington. Da mag der Autor - im Vorwort, Nachwort und zahlreichen Interviews - noch so sehr betonen, dass er keine Tatsachen-Biografie geschrieben hat, sondern ein Porträt zweier Liebender mit viel künstlerischer Freiheit und erfundenen Handlungen. Nicht nur die vorangestellten Zitate von "M.E." und "L.C." sondern auch etliche Nebenfiguren stoßen einen förmlich auf das historische Umfeld, sei es Max Ernsts Sohn Jimmy (im Roman: Bobby) oder Max´ zweite Ehefrau Marie-Berthe Aurenche (alias Florence). Und auch die Selbstdarstellung des Künstlers als Vogelfigur "Loplop" bzw. "Dada" darf nicht fehlen.

Nun bietet Max Ernsts Leben mehr als genug Stoff für einen mitreißenden Roman. Markus Orths hat mit "Max" gezeigt, wie man diesen Ausnahmekünstler mit enormem Frauenverschleiß in eine Geschichte mit großer Sogkraft packen kann. Peter Prange ist dies nur zum Teil gelungen.

Sind die ersten Kapitel noch fesselnd und interessant, so wird im weiteren Verlauf nicht nur Lauras Geisteszustand sondern auch der Plot des Romans zunehmend wirr. Lauras Psychose nimmt viel zu viel Raum ein, es wird mythisch und langatmig. Sogar die Schilderungen des Alltags im französischen Gefangenenlager, in das Harry gerät, ziehen sich wie Kaugummi in die Länge.

Das Künstlerpaar fasst den Wahnsinn als "mutige Geisteserfahrung" auf, nimmt gerne diverse Rauschmittel, um die Kreativität zu steigern, und selbst Lauras Psychose schreckt Harry nicht, im Gegenteil, er ist neidisch, dass sie "die andere Seite" kennen lernen durfte.

Laura immerhin darf eine Entwicklung erfahren und begreift vieles als Schrecken, während Harry konsequent auf dem Ego-Trip bleibt, den er bereits als junger, verantwortungsloser Vater begann.

Auch sprachlich ist der Roman recht durchwachsen. Es gibt durchaus gelungene Bilder, etwa wenn Bobby über Harrys künstlerische Obsession nachdenkt: "Alles riss sein Vater aus dem Leben heraus, um es in Kunst zu verwandeln." Aber leider gibt es auch grobe Fehler. Etwa wenn Prange schreibt: "Manchmal musste er nachts Hand an sich legen." Eigentlich ist dies eine Umschreibung für einen Suizid. Prange benutzt den Ausdruck jedoch (fälschlicherweise) als Umschreibung sexueller Selbstbefriedigung. "Dieselbe" wird statt "die gleiche" verwendet, und oft gleitet die Erzählung in Kitsch à la Rosamunde Pilcher ab. Damit nicht genug, auch eine Prise Rassismus findet sich, etwa wenn ein arabischer Wachsoldat als "hübscher junger Mann mit Tieraugen" beschrieben wird. Geht´s noch?!

Ich verstehe weder, was Laura an Harry so faszinierend fand, noch wieso Prange über diese kranke Beziehung einen Roman schreiben wollte, und schon gar nicht, wieso dieser auch noch ein Bestseller wurde. Für mich leider nur ein mittelmäßiger Lesegenuss.

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Bewertung vom 15.10.2020
Rehn, Heidi

Die Tochter des Zauberers / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.14


sehr gut

Ein biografisch angelegter Liebesroman über Erika, die wohl schillerndste Tochter Thomas Manns, der den Fokus auf gerade einmal 15 Monate ihres überbordenden Lebens legt, kann das gut gehen?

Sagen wir es so: Autorin Heidi Rehm hat als Historikerin und Germanistin ihre Hausaufgaben gemacht und im umfangreichen Nachlass der Manns wie auch in Sekundärliteratur gründlich recherchiert. Ihre Entscheidung, sich mit der erzählten Geschichte auf die Zeit von September 1936 bis Dezember 1937 zu beschränken geht naturgemäß mit einer Reduzierung der Protagonistin auf bestimmte Wesenszüge einher. Erikas Lebenslinie ist wesentlich verschlungener und komplexer als es der Ausschnitt der Auswanderung in die USA zu zeigen vermag.

Sprachlich ist der Roman nicht anspruchsvoll, aber das werden Kenner der Reihe ("Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe") auch nicht erwarten. Ich wurde dennoch gut unterhalten und habe einiges - fast mehr noch als über Erika Mann - über die deutsche Immigranten-Szene im New York der 1930er erfahren. Etwas verwirrrend war das regelrechte Name-Dropping innerhalb dieser deutschen Blase: Billy Wilder, Ernst Toller, Vicky Baum, Rolf Nürnberg, Therese Giehse und andere mehr. Hier hätte ich mir ein Personenregister mit biografischen Eckdaten zur Orientierung gewünscht.

Die Charaktere der Protagonisten sind deutlich gezeichnet, die eng verbundenen Geschwister Erika und Klaus, die sich zeitweise sogar als Zwillinge ausgaben, sind eigentlich grundverschieden. Klaus, der ewige Zweifler, leidet sichtlich unter dem Übervater, während Erika kaum mit ihrer Rolle als "Tochter von" hadert. Im Gegenteil, sie weiß die Prominenz des Vaters durchaus für eigene Ziele zu nutzen. Erika wird als ewig Getriebene geschildert, sie stellt privates Glück gegenüber ihren politischen Zielen stets hintan. Dies müssen im Roman gleich drei ihrer Liebhaber(innen) schmerzlich feststellen: Arzt Martin Gumpert, der millionenschwere Geschäftsmann Maurice Wertheim und Schauspielerin Therese Giehse.

Einige Längen haben meine Geduld etwas strapaziert, gleichzeitig bleiben Fragen offen, etwa wovon viele der Exilanten lebten. Am schwächsten wird der Roman jedoch zum Schluss: Das süßliche, weichgespülte Ende passt weder zu Erikas davorigem Auftreten noch zum realen Fortgang der Geschichte. Aber sei´s drum, davon abgesehen ist es eine stimmige Geschichte, die ich gerne empfehle.

Bewertung vom 30.09.2020
Dörries, Bernd

Der lachende Kontinent (eBook, ePUB)


sehr gut

Unsere Sicht auf Afrika ist nach wie vor durch die europäische Kolonialgeschichte geprägt. Auch wenn man sie nicht mehr als "N***" tituliert, so halten sich insgeheim doch viele Vorurteile über Afrikaner. Auch heute herrschen in Berichten über den zweitgrößten Kontinent negative Schlagzeilen vor, das Narrativ transportiert Bilder von Hungersnöten, Bürgerkriegen, Epidemien, Armut und Flucht.

Autor Bernd Dörries ist - erfolgreich - angetreten, um diese Klischees zu widerlegen. Der Journalist berichtet seit 2017 für die Süddeutsche Zeitung über Afrika und hat seither 34 der 49 Subsahara-Staaten bereist.

Herausgekommen sind dabei kurze Porträts der einzelnen Länder, die ohne weitere Gewichtung alphabetisch sortiert von Angola bis Uganda führen. Die einzelnen Kapitel beginnen mit je einer Karte, die die geografische Lage des jeweiligen Staates innerhalb Afrikas zeigt, allerdings nur als Umriss, hier vermisse ich die Angabe der Hauptstadt. Trockene Fakten wie Einwohnerzahl, Jahr der Unabhängigkeit oder Wirtschaftswachstum vermitteln einen ersten Eindruck, kurze Schlagworte wie "Darüber redet das Land" oder "Das sollte man gesehen haben" sind originell, aber natürlich sehr durch die Betrachtung des Autors gefärbt. Ob man wirklich von der Zahl der chinesischen Restaurants (so eine weitere "Kennziffer") darauf schließen kann, wie groß der Einfluss der Chinesen auf die Wirtschaft im Land ist, lasse ich mal dahingestellt, amüsant ist es allemal.

Das Buch unterhält und lehrt, es gibt Skurriles zu entdecken, wie das mit Schneekanonen gut bestückte Skigebiet, das ein Österreicher in Lesotho gegründet hat. Es findet sich erstaunlich Unbekanntes - oder wussten Sie, dass die größte Kirche der Welt inmitten des ivorischen Dschungels steht? Dass es in Nigeria die weltbesten Scrabble-Spieler gibt oder dass in Äthiopien hervorragender Wein angebaut wird? Für solche "Fun-Facts" eignen sich die kurzen Porträts ausnehmend gut. Wenn es allerdings um gewichtigere Themen geht, die eine tiefgehendere Betrachtung erfordern, hat mich das Format etwas gestört. Ob etwa die Billigstproduktion in ruandischen Textilfabriken eine Chance für die dortige Wirtschaft oder doch eher eine Form neokolonialer Ausbeutung ist bleibt offen. Ebenso wie die Rolle des berühmten angolischen Widerstandkämpfers Jonas Savimbi. Sollte man ihn als Politiker in Erinnerung behalten, der maßgeblich dazu beitrug, sein Land nach der Unabhängigkeit zu demokratisieren, oder war er der ewige Unruhestifter, der den Bürgerkrieg immer wieder befeuerte? Hier wären weiterführende Literaturtipps im Anhang hilfreich gewesen.

Dörries schreibt unterhaltsam und begegnet seinen Gesprächspartnern auf Augenhöhe. Ab und zu hätte ich mir mehr Einblick in seine Begegnungen mit den Menschen gewünscht und auch die Auswahl der Kontakte ist nicht immer glücklich. Statt der Befindlichkeiten der in Mali stationierten Bundeswehrsoldaten hätten mich jedenfalls viel mehr Begegnungen mit Maliern interessiert.

Unterm Strich ist aber eine durchaus lesenswerte Sammlung persönlicher Eindrücke der bereisten afrikanischen Länder. Und die Erkenntnis: Afrika ist anders, vor allem anders als wir es uns vorstellen, und meist besser als gedacht. Die Menschen Afrikas sind uns - in ihrem Humor, mit kleinen und großen Sorgen, im Alltag wie auch in ihren Träumen - sehr ähnlich.

Bewertung vom 29.09.2020
Simon, Teresa

Die Lilienbraut


weniger gut

Nach bewährtem Muster legt Autorin Teresa Simon den jüngsten Band ihrer Blumenreigen-Reihe vor. Fast bin ich versucht zu sagen, es handelt sich um eine Fließband-Produktion, doch dort ist die Qualität in der Regel gleichbleibend, während sie hier von Roman zu Roman mehr zu wünschen übrig lässt:

Protagonisten wie Nebenfiguren wirken austauschbar, wie mit der Schablone gezeichnet. Als da wären: Die junge, alleinerziehende Mutter mit zuckersüßem Kleinkind. Der böse Kindsvater, der die arme Frau an seiner Seite urplötzlich für eine Barbiepuppe aus Fleisch und Blut verlassen hat. Der neue Traumprinz, der fürs Happy End herhalten muss, natürlich von hinreißender Optik, beruflich erfolgreich und vom Sohn der Protagonistin abgöttisch geliebt.

Für ein wenig Spannung sorgt eine zweite Erzählebene in der Vergangenheit mit Parallelen zur Gegenwart, auch dort steht eine junge Frau im Mittelpunkt, die Parfums entwickelt. Leider ist gegen Ende schnell absehbar, wie die Geschichten zusammenhängen. Noch mehr als der flache Spannungsbogen hat mich allerdings der Umgang mit deutscher Geschichte gestört: Mal hier eine Prise Angst, als man im Luftschutzkeller die Fliegerangriffe des zweiten Weltkriegs überstehen muss, mal da ein Schuss Widerstandskämpfer mit Kölschem Lokalkolorit ("die Edelweißpiraten"). Aber immer schön oberflächlich, nur ja nicht in die Tiefe gehen, als ob Teresa Simon Sorge hat, den Leser mit zu viel Gehalt und Hintergrundinformationen zu verschrecken. Dabei ist die Autorin Historikerin und veröffentlicht unter ihrem Klarnamen Brigitte Riebe durchaus gute historische Romane.

Hier jedoch wird alles noch mit einer gehörigen Portion Zuckerguss überzogen, dass es nur so trieft. So heißt es beim - aus Sicht der Kirche natürlich verbotenen - Sex der jungen Parfümeurin mit einem Geistlichen: "Es ist eine heilige Hochzeit, die wir hier inmitten von Lilien zelebrieren." Oder - noch eine Nummer größer - nach dem Bombenangriff: "Noch leben wir. Die Sonne scheint, und die Vögel zwitschern."

Der Roman ist literarisches Fastfood und bestenfalls o.k., wenn man etwas Schnelles, Anspruchsloses für zwischendurch möchte. Aber er ist nichts für den Leser, der auf der Suche nach hochwertiger, gehaltvoller Lektüre ist, die unterhält und den Intellekt fordert.

Bewertung vom 22.09.2020
Koenig, Leah

Das jüdische Kochbuch


ausgezeichnet

Es kommt recht unscheinbar daher, das jüdische Kochbuch von Leah Koenig: Der blaue Leineneinband ist für ein Buch, das beim Gebrauch in der Küch auch mal etwas Mehlstaub oder ein paar Fettspritzer abbekommen kann, reichlich unpraktisch. Zusammen mit den sehr spartanisch wirkenden Fotografien und der etwas altbackenen Grafik erinnert das Kochbuch stark an die 1950er Jahre. Doch wer sich davon nicht abschrecken lässt, kann einen wirklichen Schatz entdecken:

Autorin Koenig hat zehn Jahre (!) mit der Suche nach internationalen jüdischen Rezepten verbracht. Herausgekommen ist eine beeindruckende Sammlung von 400 Gerichten, die kulinarisch um den Globus führen, von Dänemark nach Marokko, von Rumänien bis in die Levante. Die Rezepte sind gegliedert nach Frühstück / Brot / Salate, Aufstriche, Eingelegtes & Vorspeisen / Suppen & Eintöpfe / Fittiertes & herzhaftes Gebäck / Klöße, Teigtaschen, Nudeln & Kugel / Hauptgerichte / Kuchen, Gebäck und Plätzchen / Süßigkeiten & Desserts / Relishes, Würzmischungen & Getränke.

Es finden sich Klassiker wie Shakshuka, Bagels oder Ochsenschwanzsuppe, aber auch hierzulande noch recht Unbekanntes, wie Charosset (ein Relish aus Nüssen und Früchten) oder der Eintopf Zimmes. Die Rezepte sind sehr übersichtlich gestaltet, die Zubereitung ist genau beschrieben. Personenzahl, Zubereitungs- und Gar- bzw. Backzeiten sind auf einen Blick ersichtlich. Piktogramme lassen erkennen, ob ein Gericht milchfrei, glutenfrei, vegan oder vegetarisch ist, ob es mit wenigen (bis zu fünf) Zutaten auskommt oder sehr schnell (in bis zu 30 Minuten) zubereitet werden kann.

Aber das große Extra dieses Buchs sind die Hintergrundinformationen, die Leah Koenig zu jedem Rezept gibt. Der Leser erfährt, an welchem jüdischen Feiertag die Speisen üblicherweise genossen werden, wo deren Wurzeln liegen oder wie sie traditionell zubereitet wurden. Und so ist das jüdische Kochbuch viel mehr als "nur" eine Rezeptsammlung. Es ist ein kulinarischer Reiseführer rund um den Erdball und es vermittelt - quasi nebenbei - erstaunlich viel an jüdischer Kultur.

Ein imposantes Kompendium jüdischer Kulinarik, für mich DAS jüdische Kochbuch!

Bewertung vom 11.09.2020
Ach, Marianne

Dieses schmale Stück Himmel über Paris


ausgezeichnet

Schon nach wenigen Sätzen entfaltet diese Geschichte einen starken Sog, wie gebannt las ich nahezu ohne Unterbrechung. Nein, genaugenommen ist es nicht die Story, die mich derart fesselte. Denn diese ist nicht wirklich ungewöhnlich: Protagonistin Hannah flieht für ein paar Tage aus ihrer langjährigen, schwierigen Ehe. Sie braucht Abstand, um Klarheit über die Zukunft ihrer Beziehung zu gewinnen. Für Romanfigur eine Ausnahmesituation, für den belesenen Literaturfreund ein in unzähligen Variationen beleuchtetes Thema.

Was also hat mich derart begeistert? Es ist die Art und Weise WIE dieser Roman erzählt wird. Autorin Marianne Ach verzaubert mit ihrer Sprache, sie lässt den Leser auf eine sehr besondere Weise in die Welt ihres Romans eintauchen. Mal entwirft sie zarte Bilder voller Poesie, um gleich darauf mit brutaler Direktheit geradzu schroff zu werden.So drückt sich die innere Zerrissenheit der Hauptfigur eindrucksvoll auch im Stil der Erzählung aus.

Ach überrascht auch mit präziser Beobachtungsgabe. So etwa, wenn sie über einen Bettler schreibt, der zum Dank für eine Spende lediglich lächelt: "Seine Worte sind unterwegs verloren gegangen." Die Autorin macht es dem Leser nicht immer leicht, unvermittelte Wechsel der Erzählperspektive, direkte Rede ohne Anführungszeichen erfordern hohe Aufmerksamkeit. Der Text braucht Konzentration, er will nicht nebenbei gelesen werden. Aber es lohnt sich. Für mich ist "Dieses schmale Stück Himmel über Paris" eine literarische Entdeckung, ein schmales Büchlein voller Gewicht, kein Wort zu viel, kein Satz zu wenig.

Bewertung vom 11.09.2020
Marxer, Stefan

Pilzvergnügt


sehr gut

Die Begeisterung Stefan Marxers fürs Pilzesammeln macht dieses Buch zu etwas Besonderem, sie spricht aus jedem Kapitel und ist extrem ansteckend. Ich war zuletzt vor über 35 Jahren als Teenager mit meinen Eltern im Wald auf "Schwammerlsuche". Doch die Lektüre dieses sehr informativen und unterhaltsamen Sachbuchs hat mich sofort motiviert und ich habe mich nach langer Pause wieder ins Unterholz begeben und bin über Stock und Stein gestolpert, die Augen stets suchend auf den Waldboden gerichtet.

Der Autor bringt als studierter Agrarwissenschaftler das nötige mykologische Fachwissen mit, und da er schon von Kindesbeinen an mit Eltern und Großeltern Pilze gesammelt hat, verfügt er auch über umfangreiche Praxis. Und beides gibt er enthusiastisch an seine Leser weiter.

Es finden sich Informationen zur Biologie der Pilze, zur richtigen Ausrüstung als Sammler und Tipps für die Suche. Herzstück des Buches sind Porträts einiger ausgewählter Speisepilze. Ungewöhlich ist dabei die jahreszeitliche Gliederung nach Saison, denn ja, Pilze wachsen das ganze Jahr über. Marxer beschränkt sich auf einige wenige Pilzarten, die dafür jeweils großzügig auf einer Doppelseite vorgestellt werden. Oder vielmehr: Sie stellen sich selbst vor, der Pilz ist in diesem Kapitel Ich-Erzähler. Ein netter Einfall, der charmante Abwechslung bringt. Erkennungsmerkmale, eventuelle ungenießbare Doppelgänger, wie schmeckt der Pilz am besten - die Porträts führen gerade Anfänger sehr anschaulich in die heimischen Arten ein. Anfänger sind wohl auch die Zielgruppe, erfahrene "Schwammerlgänger" finden in diesem Kapitel vermutlich wenig Neues.

Einen wunderbaren Abschluss bilden die letzten Abschnitte über Pilzverarbeitung. Vom Trocknen, Pulverisieren, Einfrieren oder Einlegen bis hin zu schmackhaften Pilzrezepten reichen die kulinarischen Anregungen.

Eine besondere Zugabe stellt ein kleines, herausnehmbares Booklet dar. Es enthält alle Pilzporträts im Miniaturformat und ist ergänzt um Tabellen für den Eintrag von Fundort und -datum. Ein leichter, praktischer Begleiter beim Waldspaziergang.

Ich habe einen einzigen Kritikpunkt, der aber leider schwer wiegt: Es wird an keiner Stelle erwähnt, dass (v.a. in Süddeutschland) auch noch 35 Jahre nach dem Unfall im Atomreaktor in Tschernobyl teils bedenklich hohe radioaktive Cäsium-Werte in wild wachsenden Speisepilzen gemessen werden. Hier gilt also Vorsicht, um sich nicht durch den Verzehr gesundheitlichen Gefahren auszusetzen.

Die Ausstattung des Hardcovers lässt hingegen keine Wünsche offen. Zahlreiche Farbfotos und liebevolle Aquarelle illustrieren die Texte, das Layout ist ansprechend und modern.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.09.2020
WW

WW - Pasta, Kartoffeln und Reis


ausgezeichnet

Der Untertitel dieses kleinen Taschenbuchs aus der Weight-Watchers-Reihe verspricht nicht gerade wenig: Lecker abnehmen mit Kohlehydraten! Basierend auf dem von Weight Watchers entwickelten Punktesystem werden die vorgestellten Rezepte entsprechend bewertet. Nun bin ich weder WW-Teilnehmerin, noch möchte ich aktuell mein Gewicht reduzieren, daher kann ich nicht beurteilen, wie gut das mit dem vorliegenden Buch funktionieren würde.

Aber ich koche und esse sehr gerne, ich beurteile ein Kochbuch nach Auswahl und Umsetzbarkeit der Gerichte, und hier überzeugt das vorliegende Exemplar rundum. Die Rezepte sind sehr abwechslungsreich, kommen ohne exotische und schwer zu besorgende Zutaten aus, sind schnell und auch für Anfänger unkompliziert zuzubereiten und sehr schmackhaft. Die Bandbreite ist enorm, sie reicht von Klassikern wie spanischer Tortilla über Exotisches wie vietnamesischen Nudelsalat bis hin zu neu interpretierten Spaghetti, nämlich mit roten Zwiebeln und Ziegenkäse.

Zu Beginn gibt es eine kurze Einführung zum Weight Watchers Programm und einen Erfahrungsbericht, über beides kann man großzügig hinweg blättern, wenn man nicht abnehmen möchte. Interessant für jeden ist die Einteilung in "gute" und "schlechte" Kohlenhydrate, die dem eigentlichen Rezeptteil vorangestellt ist.

Die 42 Rezepte für Hauptgerichte, unterteilt nach Nudel-, Reis- und Kartoffelgerichten werden durch Rezepte für Soßen, Pestos, Dips und Toppings ergänzt. Die Rezepte sind sehr übersichtlich, neben den WW-Punkten gibt es auch Angaben zu Nährwert und Zubereitungsdauer. Piktogramme zeigen vegetarische, vegane, glutenfreie, laktosefreie und nussfreie Gerichte an. Ein ganzseitiges Fotos zu jedem Gericht macht Lust, gleich in der Küche loszulegen. Praktischerweise ist das Register sowohl nach Zutaten als auch nach Stichworten wie Suppen, vegan etc. gegliedert.

Ein modernes Kochbuch zu einem fairen Preis, nicht nur für diejenigen, die ein paar Pfunde zu viel auf die Waage bringen.