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MB
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Rösrath

Bewertungen

Insgesamt 442 Bewertungen
Bewertung vom 27.12.2021
Ahnhem, Stefan

Meeressarg / Fabian Risk Bd.6


gut

Showdown...
Der schwedische Autor Stefan Ahnhem lässt seinen Kriminalroman 'Meeressarg' zwar im Nachbarland Dänemark spielen, stellt aber über einen Handlungsstrang eine Verbindung zu seinem Heimatland her. Die Story-Idee hat ungeheuer viel Potenzial, geht es doch um korrupt-verbrecherisches Agieren auf höchster Polizeiebene inklusive der Beteiligung höchstrangiger, alter weißer Männer aus den Bereichen Poitik, Wirtschaft und Finanzen (die sich zu einer geheimen Vereinigung zusammengeschlossen haben, um menschenverachtenden, männlichen Gelüsten zu fröhnen). Und auf gut 500 Seiten wird dann eine dem Wesen nach hochkomplexe Geschichte reduziert auf einem Kampf zwischen Gut (die untergetauchte, frühere Kollegin Dunja Hougard) und Böse (der Polizeichef von Kopenhagen Kim Sleizner) mit abschließendem Showdown. Nun, die Story nimmt schon ziemlich an Fahrt auf und ist auch spannend geschrieben, dafür aber sprachlich eher einfach gehalten und mit einigen eher unwahrscheinlichen Wendungen ausgestattet; zudem lassen insbesondere die Haupt-Figuren eine gewisse Tiefe vermissen. Unterhaltung, ja - mehr aber auch nicht.

Bewertung vom 23.12.2021
Lynch, Paul

Grace


gut

Düster...
Was das Buch 'Grace' des irischen Autors Paul Lynch vor allen Dingen auszeichnet, das ist seine Sprache... und damit geht schon mein zweites Kompliment an die Übersetzerin Christa Schuenke. Und die Sprache ist aber auch das Problem an dem Roman, der nämlich gerade dadurch schwer zugänglich ist. Die eigentliche Geschichte ist im Klappentext bereits sehr gut zusammengefasst und auf den Punkt gebracht. Aber als Leser muss man sich das Buch als Ganzes richtiggehend erarbeiten... es lässt sich kaum zwischendurch lesen, erfordert vollste Konzentration. Gelingt dies, wird man durchaus belohnt; handelt es sich doch in der Tat um eine wahre Odyssee, in der die junge, von der armen Mutter in die Welt hinaus getriebene Grace, als Junge getarnt, sich zusammen mit ihrem kleineren Bruder durch viele, stellenweise unwirklich wirkende Abenteuer hindurch, in der Hoffnung auf ein besseres Leben zu bewegt. Man könnte meinen, der Autor habe unter Drogen geschrieben, sei dabei auf einen Horror-Trip gekommen... wie sonst kann es gelingen, in einer derartigen Sprache ein derartiges Ausmaß von Düsternis zu beschreiben. Das Buch ist ein Wagnis, welches man durchaus eingehen sollte... Bitte nachts bei Kerzenschein und einem guten Roten lesen!

Bewertung vom 23.12.2021
Brown, Louise

Was bleibt, wenn wir sterben


sehr gut

Mut zur Trauer!
Der Autorin Louise Brown gelingt es, durch ihren leicht an 'Plaudern' erinnernden Schreibstil, dem Thema 'Tod' das erschreckend außergewöhnliche und jenseitige zu nehmen. Mithilfe ihrer Geschichten über Menschen, die einen Menschen verloren haben, durch ihre Art, über die Verstorbenen zu berichten - deren Leben sie in Auszügen zum Zwecke des Verfassens einer Trauerrede näher kennenlernen durfte -, durch das Berichten über den Tod der eigenen Eltern, durch das Erzählen, wie sie zu ihrer neuen Aufgabe gefunden hat, Trauerrednerin zu werden... durch all das gelingt es Louise Brown, den Tod ins Leben zurückzuholen. Zurück ins Leben, wo der Tod ja schlussendlich auch hingehört! Ein Buch, welches die Leser:innen entängstigen kann, welches auffordert, Mut zur Trauer zu haben, weil auch sie fest zum Leben dazu gehört. Einfühlsam schreibt die Autorin beispielsweise über den emotional schwierigen Prozess des Ausräumens der Wohnung eines Verstorbenen und wie es gelingen kann, die Person in Erinnerung zu behalten. Und doch, obwohl es gut und richtig ist, bleibt das Buch irgendwie an der Oberfläche - weil mehr als ein Ratgeber für Menschen, die sich erst ganz vorsichtig an die Themen Tod und Trauer herantrauen, ist es dann auch nicht. Ein gutes Buch, zweifelsohne, aber ich teile nicht die Euphorie, mit der es bislang besprochen wurde.

Bewertung vom 19.12.2021
Hannah, Kristin

Die vier Winde


sehr gut

Anerkennung!
Kristin Hannah ist wieder einmal ein anerkennenswerter Wurf gelungen! Zwar geht es hierbei nicht um die große Literatur; vielmehr geht es um eine beeindruckende Geschichte! Eine Geschichte, die nicht nur gut erzählt ist, sondern uns auch demütig stimmt - handelt sie doch von einer bedeutsamen Menschheitsfrage, die in den letzten Jahren sehr an Aktualität gewonnen hat: Soll man der Heimat treu bleiben - oder darf man der Heimat den Rücken kehren, wenn Armut und Naturkatastrophen das, was man Leben nennt, quasi unmöglich machen? Und für die Hauptperson Elsa Martinelli stellt sich genau diese Frage. Ihr strenges Elternhaus in Texas hatte sie bereits verlassen müssen, weil direkt der erste, um einige Jahre jüngere Mann sie geschwängert hatte Die Hochzeit und ein zweites Kind entfernen Elsa noch weiter von ihrem Elternhaus. Natürlich klappt es mit ihrem Mann nicht - er verliert sich am Alkohol, verlässt seine Familie und verdingt sich als 'Hobo'. Und so ist Elsas Versuch, im Westen - in Californien - eine neue Lebensgrundlage zu finden, fast schon zwangsläufig. Und selbstverständlich gibt es auf der Reise und bei Ankunft nicht nur nette Menschen und es warten die eine oder andere Enttäuschung und zerplatzte Träume. Ein bewegender Roman, den man in seinem komfortablen und warmen Wohnzimmer sitzend und um seinen gut gefüllten Kühlschrank wissend, nicht aus der Hand legen mag. Wie gut es uns doch geht! Leseempfehlung - von mir als Mann!

Bewertung vom 18.12.2021
Sandgren, Lydia

Gesammelte Werke


sehr gut

Fulminant...
Martin Berg, in der Mitte seines Lebens angekommen - sein bester Freund, der bekannte Maler Gustav Becker ist gerade verstorben - denkt an sein eigenes mögliches Testament; dabei fällt ihm auf, wie sehr sein eigenes Leben Stückwerk ist: Nur wenig zuende geführt, zwar gelebt und doch irgendwie auch gescheitert; selbst ein Schriftsteller werden wollend, einen Roman begonnen habend, hat er es dann aber doch nur zum Verleger und Mitbesitzer eines kleinen, wenn auch edlen Verlages gebracht. Wer würde nach seinem eigenen Tod seine 'Gesammelten Werke', all das Angefangene und Unvollendete bekommen? Von seiner Frau Cecilia, einer hochintelligenten, schreibenden Akademikerin verlassen und mit den zwei Kindern allein gelassen; der ungeklärte Verbleib seiner Frau, der Malerfreund Gustav, dessen Lieblingsmotiv über Jahre hinweg Cecilia war, und das eigene Hinundhergerissensein zwischen verlegerischen Plänen und dem eigenen Aufgeben von Ambitionen, lassen Martin Berg die Zeit vor und die Zeit nach dem Verlassenwerden gedanklich wiederaufleben. Der Leser darf teilhaben an einem unfertigen Leben in Künstlerkreisen, an Lebenslust und Lebenskrise, an Aufregung und Banalität. Ein gutes Buch mit sehr vielen Seiten; es liest sich leicht, ohne dabei aber mit einem Spannungsbogen aufwarten zu können; das Buch erzählt ein wenig viel über die Schriftstellerei - und ja, man weiß inzwischen um die Schwierigkeiten des Schreibprozesses. Ähnlich wie das Leben von Martin Berg, so gibt es auch im Roman Angefangenes und Unvollendetes - zwischen den beiden Buchdeckeln!!!

Bewertung vom 08.12.2021
Weber, Tanja

Betongold


sehr gut

Ziemlich lesenswert!!!
Ja - ein Krimi ist der Roman von Tanja Weber schon auch. Aber was den Roman so gelungen macht, ist die Figur des ehemaligen Oberkommissars Joseph Frey, genannt 'Smokey' (... weil er wegen seinem Morbus Bechterew aus medizinischen Gründen Cannabis raucht). Sepp Frey geht auf die 70 zu, die Toten aus seinem Leben als Kriminalist erscheinen ihm in den Träumen und legen sich ihm als Gewicht auf die Schultern; seit einiger Zeit von seiner Frau Gabi verlassen, denkt er über sein Leben nach; anlässlich des Todes des ehemaligen Schulkameraden und späteren Immobilienspekulanten 'Schanni', taucht Smokey vertieft in seine Geschichte ein, ermittelt 'privat', erkundet seine Heimat München. Und so ganz nebenbei werden - auf typisch bayerische Art - zentrale (Lebens-) Fragen erörtert: Was jetzt noch ansteht im Leben, dass er sich wohl mehr um die Toten als um die Lebenden gekümmert habe... Ein kluges Buch... ja, und ganz nebenbei auch ein ziemlich unaufgeregter Krimi; und am Ende schafft sich der Smokey einen rumänischen Hund an, damit er mit 'seinem Russen Bechterew' nicht so allein ist. Tanja Webers Krimi ist so nah am Leben, weil auch der Kriminalfall an sich im Grunde oft etwas wenig Sensationelles sondern ziemlich Banales hat. Es ist nicht der Fall, der die Spannung bringt - es ist das Leben, wie es halt so spielt! Ziemlich lesenswert!!!

Bewertung vom 08.12.2021
Jarmysch, Kira

DAFUQ


gut

Gute Ansätze...
DAFUQ ist der Fluch, den Anja an ihrem vermeintlichen Entlassungstag von sich gibt - so sind es dann doch 10 Tage im Arrest geworden und nicht die erwarteten 9. Und weil der Ort der Handlung Russland ist, erwartet man als Leser natürlich eine ungeheure Brisanz, die sämtliche Menschenrechtsaktivisten auf den Plan gerufen hätte, wegen der unmenschlichen Zustände und der Gewaltanwendung durch das Gefängnispersonal, Brutalität und Willkür; man erwartet einen kritischen Exkurs über Freiheitseinschränkungen im Land, eine politische Kontroverse und die Analyse eines Unrechtsystems. Fünf Frauen für knapp 10 Tage in einer Arrestzelle, fünf Frauen mit ihrer sehr unterschiedlichen Geschichte - eigentlich eine hinreichende Ausgangsbasis für einen richtig guten Roman. Man hätte eine merscharfe Analyse der russischen Gegenwartsgesellschaft erwarten können, wo das Private immer auch politisch ist. Aber genau das bietet das Buch nur in sehr milder Form. Ja - ein bisschen wird über Willkür berichtet; locker-leichtes Erzählen darüber, dass die Beteiligung an Demonstrationen gefährlich sein kann; es geht aber auch um so banale Dinge wie 'Körperoptimierung' und Fingernägel, um Untreue; wir erfahren von schlechtem Essen im Arrest. Aber die Art, wie die Autorin erzählt, erweckt fast den Eindruck, dass es eine recht nette Erfahrung sein muss, in einer russischen Arrestzelle einzusitzen. Die gesamte Geschichte ist ein wenig wie halbgemütliches Geplaudere, während eigentlich drumherum das Leben mit seinen Katastrophen tobt. Nett zu lesen und zu hören - aber mehr auch nicht... Nur am Schluss - ein kleiner Exkurs über die magische Macht der Frauen über Leben und Tod und Fäden die reißen können - das gibt dann doch noch einen Sonderpunkt!

Bewertung vom 02.12.2021
Gier, Kerstin

Was man bei Licht nicht sehen kann / Vergissmeinnicht Bd.1


gut

Winterlektüre...
Wenn ich doch noch einmal 14 (13? 15? 12? ...) wäre... Habe es gewagt, als inzwischen lebensälterer Mensch, eine Fantasy-Geschichte von Kerstin Gier zu lesen. Betrachte das Ganze natürlich mit einer gewissen inneren Distanz, war aber sehr bereit, mich auf die Story einzulassen. Und: Da ist eigentlich alles drin, was man in einem bestimmten Alter einfach so aufsaugt, bzw. was einen in die Handlung hineinzieht, wie ein Portal in eine andere Welt ('der Saum'). Kerstin Gier kennt ihre Zielgruppe und hat auch ein gutes (Schreib-) Händchen dafür. Ein bisschen 'Romance', alterstypische Konflikte (Rebellion gegen das Elternhaus / einige Erwachsene; die verzwickte Gruppendynamik der Peergroup; durch Schule zur Normalität verdammt zu sein und trotzdem ein Held sein wollen); amüsante Handlungspassagen, ein bisschen Action, nette Figuren und nette Namen und die Guten sind nicht immer die Guten; ein kleiner 'Showdown' am Ende und die Vorbereitung der Handlung auf die nachfolgenden Bände einer Reihe... War schön, (lesend) noch einmal jung zu sein!!! Gute Winterlektüre für die Zielgruppe.

Bewertung vom 21.11.2021
French, Tana

Der Sucher


ausgezeichnet

Literatur trifft Thriller!
'Der Sucher' ist mein Erstling von Tana French. Dachte immer, dass es sich bei dieser Autorin um gut verkäuliches Standardgeschreibsel handeln würde - und bin auf beeindruckende Weise vom Gegenteil überzeugt worden. Wenn der ehemalige Cop Cal Hooper aus Chicago sich in die irische Einsamkeit flüchtet, um die Trennung von seiner Frau zu verarbeiten und zu sich selbst zu finden, dann wäre die typische Lesererwartung, dass genau dieser Cop mitten in einen Kriminalfall hineintaumeln wird. Tausend Mal gehört, gesehen und gelesen. Langweilig! Nicht so bei Tana French, geht es ihr doch um weit mehr! Sie taucht ein in die Psyche der Menschen; und obwohl im gesamten Roman nicht wirklich viel passiert - ja, am Ende gibt es eine Leiche - schwebt von der ersten Seite an eine düstere Spannung über der Geschichte, stets illustriert durch stimmungsentsprechende Naturbeschreibungen... und überall tauchen die Raben auf und scheinen das Geschehen zu beobachten. Tana French lässt ihren Protagonisten mit dem Blick eines Ethnologen auf die Sozialstrukturen der dörflichen Gemeinschaft blicken, die ihre ganz eigenen Regeln hat, und beschreibt fast schon nüchtern welchen Preis der Wunsch nach Zugehörigkeit abfordern kann; und über bestimmte Dinge muss geschwiegen werden. Und auch wenn Cal Cooper den Cop an den Nagel gehängt hat - seine Sensoren schlagen aus...

Bewertung vom 14.11.2021
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Morgen, Klufti, wird's was geben


gut

Kurzeilig...
Ein nett-kurzweiliges, kleines Büchlein. Beste Vorbereitung auf das eigene Weihnachtsfest! Sich am erzählten vorweihnachtlichen Chaos - mit Höhepunkt am 24.12. - zu erfreuen, lässt das eigene bevorstehende Fest wohl eher harmlos und langweilig erscheinen. Dieses Mal gibt es bei Kommissar Kluftinger keinen Fall zu lösen; der 'Fall' seiner Frau - also der Sturz von der Leiter beim Baumschmücken - und ihr nachfolgender Aufenthalt im Krankenhaus löst 24 Katastrophen aus, weil Kluftinger nun viele Weihnachtsvorbereitungen selbst treffen muss, und gönnt uns Leser:innen 24 amüsante Kapitelchen. Man mag den Humor platt und auch daneben finden - oder auch als Lachmuskelstimulation bewerten. Das entscheidet schließlich jede/r selbst. Mich hat die Lektüre auf jeden Fall ziemlich entspannt - ich habe sie mir in einem Rutsch einverleibt und sehe dem eigenen anstehenden Fest sehr gelassen entgegen - weiß ich doch mit ziemlicher Sicherheit, dass keine Reisegruppe aus China vorbeikommen und meine aus diversen Weingummis, Gummibärchen und Lakritze zusammengestellte Weihnachtskrippe bewundern wird. Auf eine Lichterkette werde ich dieses Jahr aber unbedingt verzichten! Warum? Lest selbst ;-)