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Igelmanu
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Mülheim

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Insgesamt 1033 Bewertungen
Bewertung vom 20.03.2021
Sjöwall, Maj;Wahlöö, Per

Die Tote im Götakanal


sehr gut

»Wir haben sie vor acht Tagen aus dem Wasser gezogen. Mehr wissen wir nicht. Wir wissen nicht, wer sie ist, wir haben keinen Tatort und keine Verdächtigen. Wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt, der in irgendeinem sinnvollen Zusammenhang mit ihr stehen könnte.«

Schweden, 1965. An einem herrlich sommerlichen Julinachmittag wird die Leiche einer Frau aus dem Kanal geborgen. Sie wurde grausam misshandelt, vergewaltigt und erwürgt. Über diese offensichtlichen Dinge hinaus wissen die Ermittler rund um Kommissar Martin Beck herzlich wenig. Die Tote kann nicht identifiziert werden, nirgends wird sie vermisst. Ein hartes Stück Arbeit…

Vor einiger Zeit erfuhr ich von einem lieben Menschen, dass ich eine Bildungslücke hätte, weil ich noch nie einen Krimi von Sjöwall und Wahlöö gelesen hatte. Mit diesem ersten Band der Reihe machte ich mich an die Behebung und war schon nach wenigen Seiten begeistert.

Die Schilderungen wirken in hohem Maß realistisch. Die Ermittlungen dauern, erstrecken sich über mehrere Monate, manchmal treten die Ermittler wochenlang auf der Stelle. Lange suchen sie nach den ersten Ansatzpunkten, immer wieder laufen sie in Sackgassen. Das zermürbt, Beck und seine Kollegen werden physisch und psychisch arg mitgenommen. Ich merkte beim Lesen, wie ich richtig mitlitt, während sie versuchten, ihr Puzzle zu lösen. Vernehmung reiht sich an Vernehmung, Beschattungen dauern gefühlt ewig… ich merkte, wie bei mir immer mehr die Spannung stieg. Wird dieses Mal der Durchbruch gelingen oder erfolgt eine erneute Enttäuschung?

Jede Kleinigkeit ist bei einem solchen Puzzle wichtig. Daher werden auch akribisch Details und einzelne Vorgänge beschrieben, diverse Verhöre gibt es als vollständige Protokolle. Alles recht nüchtern und düster, Privates findet nur am Rande statt, die Ermittlungen haben Priorität. Die Bedeutung der Teamarbeit wird auch ganz deutlich, Kommissar Beck ist clever, aber kein Superstar und hätte ohne sein Team keinen Erfolg erzielt.

Fazit: Ein klassischer Polizeikrimi. Hat mir sehr gefallen, hier lese ich weiter.

Bewertung vom 14.03.2021
Shetterly, Margot

Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen


sehr gut

Februar 1962. John Glenn ist perfekt auf seine Mission vorbereitet. Aber kurz vor dem Countdown stellt er eine Bedingung. Er steigt erst ein, wenn Katherine Johnson die Berechnungen des IBM-Computers allesamt von Hand nachgerechnet hat.

Ich kenne die Aufnahmen aus dem Kontrollraum, die damals und in der Folgezeit in alle Welt übertragen wurden. Fasziniert starrte ich auf die konzentriert und wichtig aussehenden Männer und ahnte nicht, dass sich im Hintergrund, unbemerkt und von den Kameras unbeachtet, jemand so Wichtiges für die Mission aufhalten würde wie Katherine Johnson.
Sie und zahlreiche weitere Frauen arbeiteten über Jahrzehnte hinweg im Hintergrund und leisteten unverzichtbare Arbeit. In diesem Buch erzählt Margot Lee Shetterly ihre Geschichte.

Katherine Johnson war wie die Autorin Afroamerikanerin. Frauen im Allgemeinen hatten es schon schwer, sich im Beruf zu behaupten, aber mit einer nicht-weißen Hautfarbe waren die Probleme noch ungleich größer.

Die Frauen, zum Teil hochqualifizierte Mathematikerinnen, rechneten tagein tagaus. Sie führten die kompliziertesten Berechnungen durch – und sie waren dabei sehr gut. Besser als viele der Ingenieure. Doch erst Mitte der 50er Jahre erhielten Rechnerinnen mit einem Abschluss in Mathematik den Titel Mathematikerinnen, Männer mit derselben Ausbildung führten ihn ganz selbstverständlich. Langleys erste Ingenieurin hatte sich 1939 einen Studienplatz gerichtlich erstreiten müssen und eine Frau, die einem Ingenieur zuarbeitete, konnte nicht damit rechnen, ihren Namen irgendwo in der fertigen Forschungsarbeit vorzufinden.

Für viele Männer waren die Rechnerinnen nicht mehr als ein Stück „lebender Hardware“ und die afroamerikanischen mussten zusätzlich noch mit den Problemen leben, die die Rassentrennung mit sich brachte, zum Beispiel weit laufen, um die Toilette mit der Aufschrift „farbige Mädchen“ zu erreichen oder in der Cafeteria an dem Tisch mit der Kennzeichnung „farbige Computer“ sitzen.

Sich da zu behaupten ist schwer. Sehr schwer. Umso bewundernswerter die Geschichte von beispielsweise Katherine Johnson, die die Zeitfenster für die ersten Astronauten berechnete, von Dorothy Vaughan, der ersten afroamerikanischen Abteilungsleiterin, oder von Mary Winston Jackson, die sich bis zur Ingenieurin durchbiss und dann jahrelang auf Fachkonferenzen nicht nur die einzige Frau, sondern auch noch die einzige schwarze Person war.

Die Autorin hat ihr Buch randvoll mit Wissen gepackt. Wer den Film gesehen hat, zum Buch greift und normalerweise keine Sachbücher liest, könnte enttäuscht werden. Das hier ist kein Roman, auch eine Biografie darf man nicht erwarten. Im Wesentlichen wird die Geschichte der amerikanischen Luft- und Raumfahrt erzählt, mit einem Schwerpunkt auf der Mitarbeit der Frauen, die gleichzeitig unverzichtbar und immens wichtig war und doch fast immer nur im Hintergrund ablief.

Ich muss gestehen, dass ich gerne noch mehr über die Frauen erfahren hätte. In Zwischenabschnitten stellt die Autorin einige von ihnen vor, erzählt etwas über ihr Leben, ihre Herkunft und die Probleme, mit denen sie zu kämpfen hatten. Allerdings führt sie gleichzeitig detailliert aus, woran gerade wie gearbeitet und geforscht wurde. Zudem beschreibt sie stets genau, wie sich die jeweils aktuelle Situation in der Problematik der Rassentrennung entwickelte. Das ist alles hochinteressant und wichtig, doch manches Mal wurden die Geschichten der Frauen so stark unterbrochen, dass sie in den Hintergrund gerieten. Das fand ich sehr schade, genau das sollte doch bei diesem Buch nicht geschehen. Ein wenig mehr Struktur wäre gut gewesen und vielleicht noch ein paar zusätzliche Seiten über die einzelnen Frauen, damit man ihnen beim Lesen noch näherkommen könnte. Diesen Frauen, die es schafften, Rassenschranken zu überwinden und die den Weg ebneten für unzählige weitere Frauen.

Fazit: Sehr beeindruckende Lektüre, die Geschichte dieser starken Frauen fasziniert und sollte unbedingt weiter

Bewertung vom 11.03.2021
Horst, Jørn Lier

Wisting und der Atem der Angst / William Wisting - Cold Cases Bd.3


ausgezeichnet

»Wir haben die Kontrolle über die Zielperson verloren. Er ist bewaffnet und bewegt sich zu Fuß in südöstlicher Richtung.«

Eine Ortsbegehung wird zum Desaster. Tom Kerr, ein zu 21 Jahren plus anschließender Sicherungsverwahrung verurteilter Serienmörder, hat angeboten, die Polizei zu der Stelle zu führen, an der er ein weiteres Opfer vergraben hat. Trotz umfangreicher Sicherheitsmaßnahmen gelingt Kerr eine spektakuläre Flucht. Eine brandgefährliche Situation, Kerr gilt als Raubtier, das mit Sicherheit weiter morden wird. Doch die Lage ist tatsächlich noch schlimmer, denn seit mittlerweile 5 Jahren fahnden die Ermittler schon nach „dem Anderen“. Kerr agierte nicht allein, sein Partner im Verbrechen gilt als hochintelligent, hat mit Sicherheit Kerrs aufsehenerregende Flucht geplant und auch bereits angefangen, die Serie allein fortzusetzen…

Auch dieser dritte Cold Case für Kommissar Wisting fesselte mich von der ersten Seite an. Der Autor hat es wirklich raus, die Handlung lief stetig wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Präzise werden die Flucht und die anschließende Jagd beschrieben, natürlich verschwindet innerhalb kurzer Zeit erneut eine junge Frau und an anderer Stelle wird eine Leiche gefunden, die eindeutig zu den Tätern passt. Das Ziel der Ermittler ist ganz klar: Kerr und den Anderen finden. So schnell es geht. Und möglichst natürlich, bevor die junge Frau ebenfalls zur Leiche wird.

Wisting, sein Kollege Stiller von der Cold Case Unit in Oslo und Wistings Tochter Line, eine freiberufliche Journalistin, sind zutiefst schockiert, als sie Details über die Praktiken der Mörder erfahren. Ein Horrortrip in die Tiefen der menschlichen Psyche. Der Fokus liegt auch bei diesem Krimi wieder klar bei der akribisch geschilderten Polizeiarbeit, Täter „bei der Arbeit“ erlebt man nicht. Trotzdem ist das, was aus Akten und Gesprächen hervorgeht, heftig und nicht für sensible Leser geeignet. Zudem wird es speziell zum Ende hin sehr spannend, bei mir wurde beinahe schon beim Lesen ein Fluchtreflex ausgelöst ;-)

Das Privatleben der Ermittler ist nur von untergeordnetem Interesse, es gibt weder persönliche Dramen, noch nettes Geplänkel oder gar Liebesgeschichten. Dafür aber stimmige, spannende und realistische Polizeiarbeit. Ich freue mich schon auf den nächsten Band, der kommenden Monat erscheint. Nach meiner Einschätzung (bislang drei gelesene Bände der Reihe) können alle unabhängig voneinander gelesen werden.

Fazit: Wer ist der Andere? Intelligenter Krimi, spannend und mit viel Realismus.

Bewertung vom 06.03.2021
Horst, Jørn Lier

Wisting und der fensterlose Raum / William Wisting - Cold Cases Bd.2


ausgezeichnet

»Die Ermittlungen müssen vertraulich erfolgen. Der Fall hat große Sprengkraft. Clausen war vier Jahre Außenminister und hat eine zentrale Rolle im Verteidigungsausschuss gespielt. Hier können nationale Interessen auf dem Spiel stehen.«

Kommissar William Wisting hat in seiner bereits langen Zeit als Ermittler schon viel erlebt. Doch ein Besuch im Büro des norwegischen Generalstaatsanwalts war nicht dabei. Und nun erhält er von ihm auch noch einen Geheimauftrag, dessen Brisanz sich unmittelbar erschließt. Der norwegische Spitzenpolitiker Clausen verstarb an einem plötzlichen Herzinfarkt und hinterließ ein Wochenendhaus, in dem sich nicht nur die bei einem überraschenden Tod herumstehenden Essensreste befanden, sondern mehrere Kartons voller Geld. Dollar, Euro und Pfund im Gegenwert von über achtzig Millionen Kronen.
Korruption, heimliche Geldreserve eines Außenministers, abgezweigte Staatsgelder… oder womöglich ein ganz anderer Ansatz? Wisting und sein kleines Ermittlerteam, zu dem auch seine Tochter Line, eine Journalistin und Adrian Stiller von der Cold Case Unit gehören, sehen viel Arbeit auf sich zukommen. Bei der sie dann auf einen großen Raubüberfall stoßen, der zwanzig Jahre zurückliegt und nie aufgeklärt wurde. Aber wieso sollte das Geld zwei Jahrzehnte lang in einer Hütte herumstehen? Und was hat es mit dem anonymen Hinweis auf sich, der Clausen mit dem ebenfalls ungeklärten Verschwinden eines jungen Mannes in Verbindung bringt?

Mein zweiter Fall für Wisting und ich bin bereits ein großer Fan dieser Reihe. Akribisch und realistisch werden die Ermittlungsarbeiten beschrieben und es dauert, bis sich Stückchen für Stückchen alle Teile zusammenfügen. Immer wieder tauchen neue Ansatzpunkte auf, manche verlaufen sich, andere stellen sich als neue Aspekte heraus. Die Kreise ziehen sich immer weiter – unfassbar, wer so alles beteiligt ist! Mir machte es enormen Spaß, da mit zu ermitteln!

Auch die Spannung kam nicht zu kurz. Im Gegenteil. Je weiter die Ermittlungen fortschreiten, desto mehr wird auch die Gefahr klar, die sich daraus ergibt. Es steht viel auf dem Spiel und einige Beteiligte müssen das auf grausame Art erfahren. Speziell im letzten Drittel mochte ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.

Die Ermittlungen stehen bei dieser Reihe klar im Vordergrund. Über Wisting und seine Tochter Line erfährt man als Leser genug, um einen Zugang zu den Charakteren zu haben, darüber hinaus ist ihr Privatleben aber nur von untergeordnetem Interesse. Wer viel Wert auf Zwischenmenschliches legt, dem wird hier womöglich was fehlen. Auch witzige Wortgefechte finden nicht statt und die Ermittler erscheinen als ganz normale Menschen ohne traumatische Vergangenheit, Drogen- oder psychische Probleme. Für mich ist das super, ich kann mich mit ihnen identifizieren und mich so wie sie völlig auf die Ermittlungen konzentrieren. Perfekt, gerne mehr davon!

Fazit: Spannend, fesselnd, realistisch – perfekte Krimiunterhaltung. Ich stürze mich gleich auf den nächsten Band.

Bewertung vom 01.03.2021
Till, Jochen

Memento Monstrum (Bd. 1)


ausgezeichnet

»Nie war es so schwer wie heute, in all meinen 589 Lebensjahren nicht. Unzählige Kriege habe ich schadlos überstanden, etliche Naturkatastrophen konnten mir nicht den Garaus machen, Feuersbrünste sind einfach an mir abgeprallt, selbst die vielen Mordanschläge des heimtückischen Van Helsing habe ich überlebt. Ob ich die vor mir liegende Zeit heil überstehen werden, ist allerdings äußerst fraglich.«

Graf Dracula hat in seinem langen, untoten Leben wirklich schon sehr viel erlebt, aber das Beaufsichtigen von kleinen Kindern gehörte nicht dazu. Und nun lassen ihn Frau und Tochter schmählich im Stich, vergnügen sich bei einem Wellness-Wochenende mit Übertagung und überlassen ihm die Betreuung der drei Enkel. Ein Alptraum!
Anfangs ist er noch rettungslos überfordert, doch dann findet er zum Glück heraus, dass die kleinen Monster begeistert an seinen blutigen Lippen hängen, während er aus seinem Leben erzählt. Und da gibt es so einiges zu berichten!

Ich habe ja schon ein paar Vampirgeschichten für Kinder gelesen, aber noch nie eine so niedlich-lustige wie diese hier! Ich bin total begeistert, habe manches Mal laut gelacht und meiner Umgebung Passagen vorgelesen.

Schon die Ausgangssituation macht Spaß. Graf Dracula hat Familie und fürchtet sich vor seinen Enkeln – herrlich! Aber noch schöner sind seine Geschichten, der Autor hat sich mit großer Fantasie die unglaublichsten und schrägsten Dinge einfallen lassen. So erfahre ich beispielsweise, dass Dracula mit dem Yeti ein ganz besonderes Erlebnis hatte, ich lese über sein erstes Haustier und seine Zeit als Geheimagent, ich begegne sehr bekannten Persönlichkeiten und einem ungewöhnlich begabten Werwolf. Und natürlich macht Van Helsing nichts als Ärger, zieht aber stets den Kürzeren.

Die witzigen Texte werden von tollen Illustrationen begleitet. Farbenfroh, witzig und durchweg liebenswert. Der Graf und seine Familie werden als niedliche Fledermäuse dargestellt, vor ihnen sowie vor sämtlichen anderen Monstern muss sich kein Kind fürchten. In der Summe ergibt das einen großen Lesespaß für Kinder und Kinder im Herzen. Am besten mit einem leckeren Lolli, Blutgruppe B ;-)

Fazit: Toll illustrierte, herrlich witzige und liebenswerte Geschichte voller Vampire und Monster, vor denen sich niemand fürchten wird.

Bewertung vom 26.02.2021
Bess, Georges

Dracula (Graphic Novel)


ausgezeichnet

»Mein lieber Freund,
willkommen in den Karpaten. Ich kann es kaum erwarten, Sie zu sehen. Nehmen Sie die Postkutsche um 15 Uhr in die Bukowina. Mein Wagen erwartet Sie am Borgo-Pass. Ich hoffe, Sie werden in meinem Land einen angenehmen Aufenthalt verbringen.
Ihr Freund Dracula«

Der junge Anwalt Jonathan Harker reist im Auftrag seiner Kanzlei nach Transsilvanien. Ein wohlhabender Kunde namens Graf Dracula möchte in London Grundbesitz erwerben und Jonathan soll die Geschäfte zum Abschluss bringen. Schon die Reise durch das fremde Land ist beängstigend, mehrfach versuchen Menschen, ihn zu warnen und von der Weiterfahrt abzuhalten. Doch Jonathan ist pflichtbewusst und tut alles als Aberglauben ab. Ein schlimmer Fehler…

Die grundsätzliche Geschichte des wohl berühmtesten Vampirs ist sicher vielen bekannt. Das Original von Bram Stoker zählt zu meinen absoluten Lieblingsbüchern, ich finde es einfach großartig. Diese Graphic Novel orientiert sich im Wesentlichen am Original und setzt es sehr gelungen um.

Ich verstehe mich nicht auf Kunst und die adäquate Beschreibung von Bildern fällt mir schwer. Ich werde daher versuchen, meine Empfindungen beim Lesen wiederzugeben. Zunächst einmal war auch diese Novel eine, die ich nicht einfach und schnell durchblätterte. Lange verweilte ich bei den einzelnen Bildern, ließ sie auf mich wirken und studierte die Details. Die hatten es häufig in sich. Da finden sich Schädel, Klauen, Gebeine, Zähne, immer wieder Insekten und Fledermäuse, allesamt Symbole des Grauens, durchgehend in schwarz-weiß, voller starker Kontraste. Und sie verbinden sich zu ausdrucksstarken Bildern, die fesseln und faszinieren, die Gesamtkomposition ist düster und geradezu alptraumhaft. Großartig, wenn zum Beispiel im Vordergrund eine Szene zu sehen ist und gleichzeitig im Hintergrund, praktisch über allem, das Gesicht des Grafen erscheint!
Die starken Kontraste erschienen mir wie ein Hinweis auf die klare Abgrenzung von Gut und Böse. Es ist eine alte Geschichte, die hier zugrunde liegt und in ihr haben Vampire nichts Nettes an sich, sind schlicht und ergreifend abstoßende Monster.

Das Lesevergnügen wird durch die überaus edle und hochwertige Aufmachung des Buchs verstärkt. Schwer liegt es in der Hand, die Seiten sind dick, das Cover golden. Für mein Empfinden passt es perfekt zu einer solch klassischen Geschichte.

Fazit: Großartige Umsetzung des Klassikers. Ausdrucksstark und düster, der perfekt illustrierte Alptraum.

Bewertung vom 23.02.2021
Nesbø, Jo

Der Fledermausmann / Harry Hole Bd.1


gut

»Police officer, are you?«
Die Beamtin schaute von dem Spezialvisum auf und musterte ihn, aber ihr verkniffener Mund hatte sich wieder entspannt.
»Ich hoffe, es sind keine norwegischen Blondinen ermordet worden?«
Sie lachte erfrischend auf und knallte gutgelaunt den Stempel auf das Visum.
»Well, just one«, antwortete Harry Hole.

Harry Hole, Kommissar aus Oslo, ist nach Sidney gereist, um dort bei der Aufklärung des Mords an einer jungen Norwegerin zu helfen. Mit Andrew, einem australischen Kollegen und Aborigine, macht er sich an die Arbeit. Die erste Spur ist schnell gefunden, doch dann müssen die Ermittler entsetzt feststellen, dass sie es wohl nicht mit einer einzelnen Tat, sondern mit einem Serienmörder zu tun haben. Der Täter agiert grausam und überlegt, zieht eine blutige Spur durchs Land und ist ganz sicher damit noch nicht am Ende…

Schon lange wollte ich eine Krimi-Bildungslücke stopfen und las daher nun meinen ersten Harry Hole, der gleichzeitig auch der erste der Reihe ist. Zu meiner Überraschung spielt die Handlung nicht in Norwegen, sondern in Australien. Ein sehr reizvoller Schauplatz – ich war gespannt!

Was gleich einen ordentlichen Reiz ausmachte, war die Teamarbeit von Harry und Andrew, dem Aborigine. Dieser zeigte sich sehr mitteilsam, erzählte Harry (und damit auch mir) diverse Mythen der Aborigines, berichtete über ihre gesellschaftlichen Probleme und furchtbare Ereignisse ihrer Geschichte. Alles wirklich sehr interessant, sorgte aber in der Summe für ein paar Längen.

Und bei denen blieb es nicht. Auch andere Charaktere hatten viel zu berichten, ein persönliches Drama jagte das nächste. Alles ein wenig gestrafft hätte der Spannung gutgetan. Zumal man mit etwas Krimierfahrung dadurch schon früh merkt, in welche Richtung das Ganze läuft.

Was mir aber am meisten aufstieß, war der Charakter des Harry Hole. Mit dem komme ich nicht gut klar. Er ist völlig kaputt, Alkoholiker, egozentrisch und mit beachtlichem Gewaltpotential. Ich weiß, nicht wenige Leser stehen auf solche Charaktere, ich habe mich aber nicht selten geekelt und mein Rechtsempfinden jaulte auf. Aktuell bin ich mir nicht sicher, ob ich ihm mit einem weiteren Band noch eine zweite Chance geben werde.

Fazit: Reizvoller Schauplatz, blutig und eine düstere Stimmung voller persönlicher und gesellschaftspolitischer Probleme. Dazu ein völlig kaputter Ermittler. Mein erster Fall für Harry Hole war vermutlich auch mein letzter.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.02.2021
Breuckmann, Manni

"Manni Bananenflanke, ich Kopf - Tor!"


sehr gut

»Eine kleine, zu allem entschlossene Jury … hat es sich angemaßt, die Wichtigkeit und Unvergesslichkeit von Fußballszenen zu bewerten. Wir haben die Dreistigkeit besessen, aus Hunderten von spektakulären Spielen und Situationen die auszuwählen, die sich besonders heftig in unserer Erinnerung eingenistet haben.«

Manni Breuckmann gehörte für mich über viele Jahre hinweg fest zum Samstagnachmittag, war er doch einer der Eckpfeiler der großartigen Bundesligakonferenz im Radio. Ich mochte seine Stimme, ich mochte seine ganze Art der Berichterstattung. Wenn er begeistert ist, dann merkt man das. Und wenn er sich aufregt, ärgert oder langweilt, dann eben auch. Dann ziehen sich durch die leicht schnoddrigen Kommentare ordentliche Spuren von Sarkasmus.

In diesem Buch hat er sich 57 ausgewählte Szenen vorgenommen, er nennt sie »Mosaiksteine in der Geschichte des deutschen Fußballs«. Hierbei handelt es sich aber nicht nur um Sternstunden, sondern auch Packungen und so richtig mies gelaufene Dinge sind dabei. Was den Zeitraum angeht, sind sowohl echte Nostalgie-Klassiker dabei als auch aktuelle Ereignisse aus der letzten Saison. Gut gefiel mir, dass auch über Spieler und Mannschaften aus der damaligen DDR berichtet wurde.

Der Aufbau der Kapitel ist immer gleich: zunächst eine kurze Beschreibung der legendären Szene, dann die Schilderung des Protagonisten oder eines Beteiligten und anschließend Mannis Kommentar dazu. Also ein wenig so, wie damals im Radio. Nur noch mit Fotos ;-)

Grundsätzlich ist die Auswahl natürlich subjektiv. Über einige Ereignisse wird man nicht streiten, andere haben, je nachdem, wie das eigene Fußballherz schlägt, weniger Bedeutung und manche Dinge fehlen einem beim Lesen. Es ist unmöglich, eine vollständige Aufzählung zu liefern.
Ich habe natürlich trotzdem was zu meckern ;-) Mir wollte absolut nicht in den Kopf, wieso man Spieler anderer Nationalitäten, die schon seit vielen Jahren in der Bundesliga spielen, komplett außer Acht lässt. Für mich gehören die zum deutschen Fußball dazu. Besonders sprang mir das beim Thema Bundesliga-Torschützenliste ins Auge. Über den Platz 1 (Gerd Müller) brauchen wir nicht zu diskutieren. Laut Manni Breuckmann folgen dann auf den Plätzen 2-7 Klaus Fischer, Jupp Heynckes, Manni Burgsmüller, Ulf Kirsten, Stefan Kuntz und Dieter Müller. Tatsächlich befindet sich aber auf Platz 3 Robert Lewandowski, rückt womöglich in dieser Saison auch noch auf Platz 2 vor. Und den 6. Platz hat Claudio Pizzaro inne. Er hat fast 20 Jahre in der Bundesliga gespielt, 490 Spiele stehen auf seinem Konto. Ich meine, da hätte er sich eine Erwähnung im Rahmen des deutschen Fußballs locker verdient.
Aber davon abgesehen, war alles prima. Ich habe in Erinnerungen geschwelgt, ein paar neue Dinge erfahren und in der Summe viel Spaß gehabt.

Fazit: Ein schönes Stück Fußball-Nostalgie mit nett schnoddrigen Kommentaren. Macht Spaß!

Bewertung vom 12.02.2021
Ventura, Luca

Mitten im August / Capri-Krimi Bd.1


sehr gut

»Er antwortete nicht. Er lächelte nicht. Er schaute sie an, als wollte er sagen: Du weißt, was passiert ist. Und er hatte recht. Sie wusste, was passiert war.«

Ein heißer Tag im August. Enrico Rizzi, Inselpolizist auf Capri, arbeitet am (wie er findet) schönsten Ort der Welt. Im Dienst hat er es für gewöhnlich nur mit kleineren Delikten zu tun, der junge Mann, der erstochen in einem Boot liegt, ist die große Ausnahme. Und eigentlich fällt ein Mord in den Zuständigkeitsbereich der Kollegen aus Neapel, doch die Füße stillzuhalten ist nicht Rizzis Stärke.

Einen Krimi, der auf Capri spielt, hatte ich noch nie gelesen, entsprechend war ich auf diesen hier sehr gespannt. Ich erwartete reizvolle Beschreibungen der sonnengefluteten, schönen Landschaft, die wurden auch zuverlässig geliefert, als Regionalkrimi punktete das Buch auf voller Linie und sorgte für sofortiges schlimmes Fernweh.

Der Fall startete langsam, entwickelte sich dann aber und wurde immer fesselnder. Der ermordete junge Mann war Student der Ozeanologie, Umweltschutz und Rettung der Meere werden immer wieder thematisiert. Könnte hier irgendwo das Motiv für die Tat liegen? Und die Freundin des Opfers ist verschwunden, hat sie womöglich mit der Tat zu tun?
Aus unterschiedlichen Perspektiven wird die Geschichte erzählt. Mal blickt man durch Rizzis Augen, mal durch die seiner Kollegin Antonia Cirillo, mal durch die der Freundin. Besonders diese Abschnitte fand ich interessant. Was geht in ihr vor? Was weiß sie, was hat sie getan? Rückblenden ließen mich mitermitteln und die Auflösung empfand ich als stimmig.

Die Hauptcharaktere waren mir sympathisch. Rizzi ist ebenfalls noch jung, hilft neben der Arbeit seinem Vater in dessen Obst- und Gemüsegarten und bemüht sich um eine junge Frau mit Tochter. Er ist sehr engagiert und ehrgeizig, hat auch gute Ideen, aber man merkt schon, dass es ihm bei der Aufklärung dieses Kapitalverbrechens an Erfahrung fehlt. Interessant auch seine Kollegin Cirillo. Sie wurde degradiert und nach Capri strafversetzt, Details dazu sind noch nicht bekannt, nur, dass sie wohl ein Problem mit ihrer Selbstbeherrschung hat. Der Autor schreibt derzeit an einem zweiten Fall für das Team, ich bin gespannt, ob das Geheimnis von Cirillos Degradierung da gelüftet wird.

Fazit: Gelungener Fernweh-Krimi, Capri steht jetzt auf meiner langen Reise-WL für eine Zeit nach Corona. Sympathische Charaktere und ein spannender Fall, hier lese ich gerne weiter.

Bewertung vom 10.02.2021
Hefner, Ulrich

Der Tod kommt in Schwarz-Lila


sehr gut

»Als er auf das Heck des Schiffes zuging, hörte er ein schepperndes Geräusch. Er fuhr zusammen und spähte hinaus in die Finsternis. Nichts war zu erkennen. Seit achtundvierzig Jahren fuhr er zur See und war beileibe kein ängstlicher Mensch, dennoch lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken.«

Das ungute Gefühl trügt den alten Kapitän Hansen nicht, ein schlimmer Tod steht ihm bevor. Auch einem alten Herrn auf Wangerooge geht es nicht besser, seine Leiche wird in den Dünen gefunden. Kriminalhauptkommissar Martin Trevisan von der Kripo Wilhelmshaven nimmt mit seinem Team die Ermittlungen auf und muss bald entsetzt feststellen, dass diese Toten nur der Beginn einer fürchterlichen Mordserie im Wangerland sind.

Das schöne Wangerland – ich mache da gerne Urlaub. Ich empfinde die Gegend stets als sehr friedlich und entspannend. Diese Idylle wird nun heimgesucht von einem Täter, der sich wie ein Phantom bewegt und den ratlosen Ermittlern kaum Ansatzpunkte gibt. Die Suche nach dem Mörder wird eine mühselige und kleinteilige Arbeit gegen die Zeit…

Dieser Krimi gefiel mir sehr. Der Autor ist selber Polizeibeamter, das merkt man deutlich. Die Ermittlungsarbeit wird detailliert beschrieben, das wirkt sehr realistisch.
Überhaupt steht die Polizeiarbeit immer im Vordergrund. Regionales wird nicht so ausführlich berücksichtigt, wie es bei Küstenkrimis sonst der Fall ist und auch das Privatleben der Ermittler findet nur am Rand statt. Trevisan ist alleinerziehender Vater einer pubertierenden Tochter und zu seinem großen Bedauern hat er nicht so viel Zeit für sie, wie nötig wäre. Aber die Arbeit hat Priorität, das Private kommt oft zu kurz. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass auch das sehr realistisch ist.

Fazit: Sehr gelungener und spannender Polizeikrimi, diese Reihe verfolge ich gerne weiter.