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Readaholic

Bewertungen

Insgesamt 425 Bewertungen
Bewertung vom 03.11.2019
Decker, Anika

Wir von der anderen Seite


ausgezeichnet

Und plötzlich ist alles anders
Rahel Wald ist Mitte 30, als sie auf der Intensivstation einer Klinik aufwacht und sich erst mal an nichts erinnert. Wieso ist sie in der Klinik? Warum ist sie mit 1000 Geräten verkabelt? Was um alles in der Welt ist mit ihr passiert?
Nach und nach erfährt der Leser Rahels Geschichte und erlebt mit ihr den langen Weg zur Heilung.
Die Schilderungen des Klinikalltags sind teilweise überspitzt, teilweise äußerst realistisch, aber immer mit einer gehörigen Portion Humor.
Vor ihrer Krankheit war Rahel eine erfolgreiche Drehbuchautorin, jetzt besteht ihre größte Herausforderung darin, es rechtzeitig auf die Toilette zu schaffen, ein paar Meter zu gehen ohne zusammenzubrechen und schließlich ihren Körper wieder fit zu machen. Unterstützt wird sie dabei von ihren liebevollen und ziemlich chaotischen Eltern, ihrem Bruder Juri, der extra aus New York angereist kommt, und einem guten alten Freund. Ihr Partner Olli scheint mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein und zu ich-zentriert, um verstehen zu können, dass ein multiples Organversagen nicht von heute auf morgen verarbeitet werden kann. Dass er bezüglich der Zeit vor ihrem Zusammenbruch auch nicht ehrlich zu Rahel ist, trägt auch nicht gerade zu ihrer Gesundung bei. Anika Deckers Schilderungen von Rahels Krankheitsgeschichte gingen mir teilweise ganz schön unter die Haut. Doch dank der aberwitzigen Situationen, in die Rahel sich bringt, bietet das Buch auch viel Anlass zum Lachen. Ich habe das Buch an einem Wochenende durchgelesen, da ich unbedingt wissen wollte, wie es mit Rahel weitergeht. Wird sie wieder ganz gesund? Bleibt sie bei ihrem Freund? Schafft sie es, das neue Drehbuch innerhalb der Deadline fertigzuschreiben? Mir hat das Buch wirklich gut gefallen. Ich hatte mir nicht allzu viel davon versprochen und wurde angenehm überrascht.

Bewertung vom 25.10.2019
Horst, Jørn Lier

Wisting und der Tag der Vermissten / William Wisting - Cold Cases Bd.1


sehr gut

Beharrlichkeit zahlt sich aus
Vor vierundzwanzig Jahren verschwand Katharina Haugen spurlos. Ein rätselhafter Fall, denn sie hinterließ einen gepackten Koffer und handschriftliche Notizen, aus denen die Polizei nicht schlau wurde. Einer der Ermittler in dem Fall, William Wisting, treibt der Fall noch heute um, weshalb er sich jedes Jahr am Jahrestag von Katharinas Verschwinden von Neuem der Akte widmet, in der Hoffnung auf etwas zu stoßen, das er bisher übersehen hatte.
Im Laufe der Jahre hat sich Wisting außerdem mit Katharinas Ehemann Martin angefreundet, den er jedes Jahr am Jahrestag ihres Verschwindens besucht. In diesem Jahr trifft er Martin erstmalig nicht an, obwohl dieser mit Sicherheit mit Wistings Besuch gerechnet hat.
Zur selben Zeit wird Wisting von Adrian Stiller, einem Cold Case Ermittler aus Oslo, kontaktiert und um Zusammenarbeit gebeten. Stiller hat in Zusammenhang mit einer alten Entführung Martin Haugens Fingerabdrücke auf Beweismitteln entdeckt. Sollte Martin Haugen etwa der Entführer der jungen Nadia Krogh gewesen sein? Da Stiller von Wistings Freundschaft zu Haugen weiß, schlägt er vor, dass Wisting das Wochenende mit Haugen verbringen soll, um diesen auszuhorchen.
Ohne Wistings Wissen bittet Stiller außerdem Wistings Tochter Line, die Journalistin ist, eine Artikelserie über den alten Entführungsfall zu schreiben. Line hat keine Ahnung, dass ihr Vater ebenfalls in diesem Fall ermittelt, und Wisting darf seine Tochter auch nicht darüber informieren, da er der Schweigepflicht unterworfen ist.
„Wisting und der Tag der Vermissten“ ist ein spannender und gut zu lesender Krimi, dessen Autor früher selbst als Ermittler gearbeitet hat. Insofern weiß er genau über Ermittlungsmethoden Bescheid und mir stellte sich die Frage, ob die Polizei wirklich so weit gehen würde, einen ihrer Ermittler als Lockvogel einzusetzen und ihn ein Wochenende mit einem potentiellen Mörder verbringen lassen würde.
Die Lektüre des Buchs war insgesamt kurzweilig, gegen Ende ließ die Spannung allerdings ein wenig nach, weshalb ich nur 4 von 5 Sternen vergebe.

Bewertung vom 18.10.2019
Kürthy, Ildikó von

Es wird Zeit


ausgezeichnet

Ein Buch zum Lachen und Weinen
Judith wird demnächst fünfzig, Grund genug für sie, auf ihr bisheriges Leben zurückzublicken und ein Resümée zu ziehen. Eigentlich hat sie alles: einen Gatten, der Zahnarzt ist und gut verdient, ein schönes Eigenheim vor den Toren Hamburgs, drei erwachsene Söhne. Sie ist gesund und es fehlt ihr an nichts. Doch eine richtige Aufgabe im Leben hat sie auch nicht.
Der Tod ihrer Mutter führt sie zurück in ihre Heimat im Rheinland. Eigentlich will sie nur so schnell wie möglich das Elternhaus verkaufen und ihre Mutter begraben, aber dann trifft sie Anne wieder, ihre beste Freundin aus Jugendtagen, zu der sie den Kontakt verloren hatte. Judith hat ein großes Geheimnis, deshalb ist sie Anne aus dem Weg gegangen. Doch nun steht sie vor ihr und Judith muss sich sowohl der Vergangenheit als auch der Gegenwart stellen. Die Wahrheit ist, dass sie ihren Ehemann Joachim nur aus praktischen Gründen – sie war damals schwanger – geheiratet hat. Nun ist sie sich nicht sicher, ob sie in dieser nach praktischen Gesichtspunkten ausgerichteten Ehe weiterleben kann. Zu allem Überfluss tritt auch noch ihr Jugendschwarm wieder in ihr Leben. Judith glaubt, eine zweite Chance zu bekommen. Aber ist es wirklich eine gute Idee, ihren Ehemann zu verlassen oder ist es nur die Midlife Crisis, die ihr zusetzt?
Für mich war dies das erste Buch der Autorin und ich bin wirklich sehr positiv überrascht. Ich hatte mir eine locker-leichte Lektüre vorgestellt, und ein Stück weit ist es das auch, aber nicht nur. Ildiko von Kürthy nimmt uns mit auf eine Reise in die Vergangenheit, in die Zeit, als es noch keine Handys gab und man sich wünschte, das Telefonkabel wäre länger, um in Ruhe telefonieren zu können. Ich habe mich in so vielem wiedererkannt: die erste Liebe, das unbedingt gefallen wollen, der Drang, der engen Kleinstadt zu entkommen, wilde Nächte und der Kater am nächsten Tag...
„Es wird Zeit“ ist eines jener Bücher, von denen man sich wünscht, sie mögen nicht zu Ende gehen. Man begleitet die sympathischen Protagonisten ein Stück ihres Lebens und sie wachsen einem mit all ihren Macken und Eigenheiten ans Herz. Ich habe das Buch schweren Herzens beiseite gelegt und freue mich schon auf das nächste Buch der Autorin.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.10.2019
Hochgatterer, Paulus

Fliege fort, fliege fort


sehr gut

Die Vergangenheit ist nicht vergangen
Im idyllischen Furth am See geschehen seltsame Dinge. Ein alter Mann wird ins Krankenhaus eingeliefert. Er behauptet, vom Apfelbaum gefallen zu sein, doch seine Verletzungen sprechen eine andere Sprache. Einer alten Nonne wurde gewaltsam etwas eingeflößt, woran sie beinahe erstickt wäre, doch auch sie behauptet, dass ihr keine Gewalt angetan wurde. Warum lügen die beiden? Und schließlich wird ein kleines Mädchen entführt. Hängen die Fälle zusammen, und wenn ja, wie?
Der Psychiater Horn und Kommissar Kovacs sind beide mit den Fällen befasst. Beides sind ungewöhnliche Zeitgenossen. So passiert es Horn immer wieder, dass er Dinge vermeintlich denkt, sie aber in Wirklichkeit laut ausspricht, was zu äußerst amüsanten Situationen führt. Kovacs hadert ein wenig mit dem Alter und seiner nachlassenden Gesundheit.
„Fliege fort, fliege fort“ ist wahrhaftig kein Buch, das sich nebenher lesen lässt. Es wimmelt nur so von unterschiedlichen Geschehnissen und Personen und oftmals ist es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Hier wäre ein beigefügtes Personenverzeichnis hilfreich gewesen. Außerdem gibt es Handlungsstränge, bei denen mir auch nach der Lektüre noch nicht klar ist, wozu diese gedient haben. Es ist ein Roman, der einige Fragen offen lässt, und das empfinde ich als etwas frustrierend. Eigentlich müsste ich das Buch ein zweites Mal lesen, um - hoffentlich – alles zu verstehen, und das empfinde ich als Manko. Nichtsdestotrotz hat mir die Lektüre sehr gut gefallen. Die geistreichen Dialoge, der Wortwitz, vieles wird nur angedeutet. Allerdings verlangt Hochgatterer von seinen Lesern äußerste Konzentration, sonst ist man verloren.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.10.2019
Albom, Mitch

Wer im Himmel auf dich wartet


sehr gut

Mitch Alboms Vorstellung vom Himmel
Es ist lange her, dass ich Mitch Alboms früheren Bücher gelesen habe. Ich kann mich nur daran erinnern, dass sie mich zum Nachdenken angeregt haben. Dies habe ich mir auch von diesem (Hör)Buch versprochen und ein Stück weit war dies auch der Fall.
Das Buch beginnt sehr tragisch. Wir erfahren gleich zu Beginn, dass ein frisch verheiratetes Ehepaar, Annie und Paulo, nur noch ein paar Stunden zu leben hat und erleben die schicksalshaften Umstände, die zum Absturz eines Heißluftballons führen.
Der Anfang ist sehr gut dargestellt, da man sieht, wie ein Rädchen des Schicksals ins andere greift. Was wäre, wenn der Besitzer der Ballonvermietung keine Reifenpanne gehabt hätte? Und wenn Annie und Paulo nicht angehalten hätten, um ihm zu helfen? Wie wäre ihr Leben dann verlaufen?
Paulo wird bei dem Unfall lebensgefährlich verletzt und die nur leicht verletzte Annie beschließt, ihm einen Lungenflügel zu spenden, um sein Leben zu retten. Und doch ist es Annie, die im Himmel „aufwacht“. Sie weiß nicht, ob sie Paulo retten konnte oder nicht. Die erste Person, die ihr begegnet, ist ein kleiner Junge, der, wie er sagt, in ihrem irdischen Leben eine wichtige Rolle für sie gespielt hat. In Rückblicken erfahren wir von Annies Leben, in dem sie es nicht leicht hatte. Der Leser erfährt von den vermeintlichen Fehlern, die sie gemacht hat, und welche Auswirkungen diese auf ihr eigenes Leben und das Leben ihrer Mitmenschen hatte.
„Wer im Himmel auf dich wartet“ ist ein durchaus tröstliches Buch, dessen Botschaft besagt, dass alles im Leben einen Sinn hat, auch wenn sich der nicht immer gleich erschließt. Ein weiterer Aspekt ist, dass vieles anders ist, als es zunächst scheint. Warum ist Annies Mutter so hart zu ihr, reißt sie aus ihrer gewohnten Umgebung und verbietet ihr den Umgang mit Gleichaltrigen? Erst viel später versteht Annie die Hintergründe.
Ich habe das Buch als Hörbuch gehört. Die Stimme des Sprechers Steffen Groth ist angenehm, solange er die Geschichte nur erzählt. Was mich allerdings doch gestört hat, ist, wie er manche Männerstimmen in Dialogen spricht. Keiner von ihnen hat eine „normale“ Stimme, sie hören sich alle an, als ob sie Lungenprobleme hätten und unangenehme Zeitgenossen wären. Selbst der sympathische Paulo klingt stellenweise ziemlich unsympathisch.
Mich hat dieses Hörbuch gut unterhalten. Natürlich gibt es keine Antworten auf die Frage, was uns nach dem Tod erwartet, aber es gibt Denkanstöße und man überlegt sich unweigerlich, welche Menschen für den eigenen Lebensweg eine wichtige Rolle spielen und gespielt haben.

Bewertung vom 01.10.2019
Nesser, Hakan

Der Verein der Linkshänder


gut

Unerwartet zäh
Als ich las, dass in diesem Buch Kommissar van Veeteren aus dem Ruhestand zurückkehrt, habe ich mich auf einen spannenden Kriminalfall gefreut. Womit ich ganz und gar nicht gerechnet habe, ist, dass mich weite Teile des Buchs ziemlich langweilen würden.
Kommissar van Veeteren steht kurz vor seinem 75. Geburtstag, was ihm einigermaßen zu schaffen macht. So kommt es ihm gerade recht, dass er in einem alten Fall zu Rate gezogen wird. Damals waren vier Menschen zu Tode gekommen, der vermeintliche Mörder war schnell ermittelt. Doch genau dieser taucht jetzt, nach vielen Jahren, tot auf. Offensichtlich wurde er damals ebenfalls getötet und im Wald vergraben. Der wahre Mörder ist demnach nie gefasst worden. Die damaligen Ermittler, unter ihnen van Veeteren, haben schlampig gearbeitet. Natürlich will van Veeteren das nicht auf sich sitzen lassen. Zusammen mit seiner Partnerin Ulrike, seinem damaligen Kollegen Münster sowie den schwedischen Ermittlern Barbarotti und Backman versucht er, Licht in den Fall zu bringen. Doch es geht nicht nur um den Kriminalfall, denn van Veeteren gibt sich altersweise, philosophiert über Kant und Descartes, Gott und die Welt. Das hat mir einen viel zu großen Teil dieses Buchs eingenommen, wodurch die Spannung auf der Strecke blieb. Ich habe jedes einzelne von Hakan Nessers Bücher gelesen und fand die frühen Bände um van Veeteren super, aber hier haben mich die philosophischen Abschweifungen doch sehr gelangweilt.
Ein ganz netter Einfall war, auch Kommissar Barbarotti in den Fall einzubinden und so lernen sich van Veeteren und Barbarotti mit ihren jeweiligen Partnerinnen kennen. Gemeinsam schaffen sie es, den Fall zu lösen. Allerdings haben sie dazu wirklich lange gebraucht. Trotz vieler falschen Spuren hatte ich den Täter schon lange vor den Kommissaren auf dem Schirm.
Ich hoffe, van Veeteren darf jetzt seinen wohlverdienten Ruhestand genießen. Ich werde jedenfalls keine weiteren Bücher mehr lesen, in denen er vorkommt. 3,5 Sterne.

Bewertung vom 26.09.2019
Nesbø, Jo

Messer / Harry Hole Bd.12


gut

Absturz eines Ermittlers
Harry Hole wurde von seiner Frau Rakel vor die Tür gesetzt, warum, erfährt man erst spät im Buch. Seinen Job an der Polizeihochschule hat er ebenfalls verloren, so widmet er sich nun ganz dem Alkohol. Er säuft, schlägt sich und hurt durch die Gegend, ist also ein sehr unangenehmer Zeitgenosse. Eingefleischte Harry Hole Fans mögen dies akzeptieren, für mich war es erst der zweite Harry Hole Band und ich fand das Ganze ziemlich ätzend.
Ein alter Bekannter aus früheren Bänden, der Vergewaltiger Svein Finne wird aus dem Gefängnis entlassen und geht trotz seiner mittlerweile 77 Jahre sofort wieder auf die Jagd nach Frauen. Dieser Handlungsstrang ist sehr gruslig, aber wenig glaubhaft. Ein alter Mann, der vor Potenz strotzt, körperlich fitter ist als mancher Dreißigjährige und zudem anscheinend die Fähigkeit hat, durch Wände zu gehen.
Dann wird Harrys Frau Rakel ermordet aufgefunden. Eine fieberhafte Suche nach dem Täter beginnt, wobei irgendwann so ziemlich jeder als Verdächtiger in Frage kommt, einschließlich Harry selbst.
Das Buch beginnt spannend, aber dieser Mittelteil zieht sich in die Länge wie Kaugummi. Der Handlungsstrang um Svein Finne tritt völlig in den Hintergrund, erst gegen Ende des Buchs führen die Handlungsstränge dann zusammen. Dieser Teil ist wieder sehr gelungen und das offene Ende ein echter Cliffhanger.
Alles in allem fand ich „Messer“ nicht schlecht, aber die Einschätzung der Times, wonach Nesbø „der unumstrittene König des skandinavischen Krimis“ ist, kann ich wahrhaftig nicht teilen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.09.2019
Aehnlich, Kathrin

Wie Frau Krause die DDR erfand


sehr gut

Ein kleines, aber feines Buch
Isabella Krause, eine 49jährige erfolglose Schauspielerin, die in der DDR aufgewachsen ist, erhält unverhofft den Auftrag, Zeitzeugen aus der DDR für eine Dokumentation anlässlich des dreißigjährigen Jahrestags der Wiedervereinigung zu finden. Die Leute sollen aus ihrem Leben „drüben“, jenseits der Mauer berichten. Isabella fährt nach Jahren zurück in ihr Heimatdorf und findet Leute, die bereit sind, vor der Kamera von damals zu berichten. Doch was sie erzählen, entspricht nicht dem, was sich die westdeutschen Produzenten vorgestellt hatten. Ein Kindergarten in dem einfach nur gebastelt und gesungen wurde? Sicher wurden die Kinder doch politisch indoktriniert! Unbeschwerte Sommerurlaube an der Ostsee? Haben sich die Leute nicht nach fernen Ländern verzehrt?
Augenzwinkernd berichtet Kathrin Aehnlich von Vorurteilen und Klischees auf beiden Seiten der ehemaligen Mauer und der Leser erfährt, dass es durchaus möglich war, jenseits von Stasi und Politik Spaß zu haben und ein normales Familienleben zu führen. Natürlich gab es auch Leute, die unter dem Regime zu leiden hatten, doch die wollen nicht vor die Kamera. Guter Rat ist teuer, doch dann hat Isabella eine zündende Idee...
„Wie Frau Krause die DDR erfand“ ist für meine Begriffe ein äußerst kurzweiliges Buch, das ich gern gelesen und aus dem ich so manches gelernt habe, das für mich neu war. Oder haben Sie etwa schon einmal vom „Lipsi“ Tanz gehört?

Bewertung vom 14.09.2019
Owens, Delia

Der Gesang der Flusskrebse


ausgezeichnet

Herzzerreißend
Kya ist sechs, als ihre Mutter die Familie verlässt. Die älteren Geschwister suchen ebenfalls kurz danach das Weite, weg von dem ärmlichen Leben in der Hütte im Marschland und dem gewalttätigen Vater. Nur der ältere Bruder Jodie bleibt mit ihr zurück, aber nicht für lange, dann ist sie völlig allein mit einem Vater, der oft tagelang weg bleibt. Das kleine Mädchen ist zäh: um nicht zu verhungern, bringt sie sich selbst mehr schlecht als recht das Kochen bei. Ihre Zeit verbringt sie mit den Möwen und in der Natur. Im Dorf bekommt sie den Namen „Marschmädchen“, die Leute schauen auf sie herab und betrachten sie mit Argwohn.
Als dann der Vater eines Tages nicht wiederkommt, ist Kya völlig auf sich allein gestellt. Zum Glück hat der Vater das Boot nicht mitgenommen, so kann das Mädchen Muscheln ausgraben und diese verkaufen. Das schwarze Ehepaar Jumpin’ und Mabel sind die einzigen, die Kyas Lage erkennen und ihr gebrauchte Kleidung und andere Hilfe zukommen lassen.
Eines Tages verirrt sich Kya auf einem Ausflug durch die Marsch. Tate, ein Freund ihres Bruders Jodie, hilft ihr den Heimweg zu finden. Kya mag ihn auf Anhieb, doch sie ist schüchtern und versteckt sich lange Zeit vor ihm, bis er anfängt, ihr kleine Geschenke zu bringen. Da Kya nie eine Schule besucht hat, kann sie weder lesen noch schreiben. Tate bietet ihr an, sie zu unterrichten, ein Wendepunkt in Kyas Leben. Er bringt ihr Bücher über die Natur, wodurch Kya ihre gesammelten Federn und andere Funde aus der Natur bald katalogisieren kann.
Mit den Jahren hat Kya sich gut in ihrem Leben mitten in der Marsch eingerichtet und zwischen ihr und Tate entsteht mehr als nur Freundschaft. Doch dann geht Tate weg aufs College...
Als Kya Chase Andrews kennenlernt, den Sunnyboy und Mädchenschwarm des nahegelegenen Dorfs, glaubt sie, ihr Glück gefunden zu haben, doch Chase spielt nicht mit offenen Karten. Obwohl sich Kya und Chase nur in der Abgeschiedenheit der Marsch treffen, entstehen im Dorf bald Gerüchte über die beiden. Dann wird Chase tot aufgefunden, möglicherweise ermordet, und für die Leute im Dorf ist klar, dass nur Kya als Mörderin in Frage kommen kann. Trotz äußerst dünner Indizienlage kommt Kya in Untersuchungshaft. Falls sie für schuldig befunden wird, droht ihr die Todesstrafe...
„Der Gesang der Flusskrebse“ ist ein wunderschönes und sehr poetisches Buch. Die Beschreibungen der Natur, Kyas Naturverbundenheit und ihre Beobachtungen der Pflanzen- und Tierwelt haben mich sehr angesprochen, und die Widrigkeiten, mit denen Kya ihr Leben lang zu kämpfen hat, sind herzzerreißend. Der Mordprozess ist spannend, denn bis zum Schluss weiß man nicht, wer Chase Andrews in den Tod gestürzt hat, beziehungsweise ob es sich möglicherweise doch um einen Unfall handelt. Für mich ist „Der Gesang der Flusskrebse“ ein faszinierendes Buch, das ich nicht aus der Hand legen konnte.

Bewertung vom 01.09.2019
Saller, Tom

Ein neues Blau


sehr gut

Chronik eines bewegten Lebens
Anja ist 18 und mit ihrem Leben unzufrieden. Im Elternhaus kriselt es, die Schule ist lediglich ein notwendiges Übel und sie beginnt sich zu ritzen. Als ein Lehrer sie fragt, ob sie vielleicht ein bisschen dazuverdienen möchte, indem sie einer alten Dame ab und zu Gesellschaft leistet, ist sie zunächst skeptisch, doch dann übt „Fräulein Kuhn“, wie sie die alte Dame insgeheim nennt, eine unerklärliche Anziehungskraft auf Anja aus. Das junge Mädchen erkennt, welch ein abenteuerliches und abwechslungsreiches Leben die alte Frau geführt hat.
Der Roman erzählt abwechselnd aus dem Leben von Lili Kuhn, angefangen von ihrer Kindheit bis ins Berlin der 1980er Jahre, und dem Leben von Anja. Dabei erfährt man als Leser sehr viel Wissenswertes über den jüdischen Glauben mit all seinen Ritualen und Grundsätzen, über Tee und dessen Zubereitung – ich war erstaunt zu lesen, dass bestimmte Tees kühlend wirken, und damit ist keineswegs das Getränk gemeint, das zwar Eistee heißt, mit Tee aber herzlich wenig zu tun hat – sowie über die Welt der Porzellanmanufaktur.
Zugegebenermaßen gab es Stellen, die mir ziemlich zäh erschienen und auch Tom Sallers Schreibstil war für mich zunächst gewöhnungsbedürftig, aber alles in allem hat mich dieser Roman gefesselt und mir viel Neues vermittelt.