Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
SimoneF

Bewertungen

Insgesamt 477 Bewertungen
Bewertung vom 08.03.2025
Er war ein guter Junge
Hornby, Simonetta Agnello

Er war ein guter Junge


sehr gut

Nach dem Tod seines Vaters wächst Giovanni in den 50er Jahren zunächst bei den Großeltern in einem kleinen sizilianischen Dorf auf, bevor er mit 11 Jahren zu Mutter und Schwester nach Sciacca zieht. Dort freundet er sich mit dem gleichaltrigen Santino an. Beide haben Mütter, die sich gezielt mit einflussreichen Männern einlassen und schon früh die Zukunft ihrer Söhne planen. Insbesondere Giovannis Mutter Cettina zieht im Hintergrund die Strippen für Giovanni, der einmal ein möglichst reicher Anwalt werden soll. Santiano wird Bauunternehmer, verstrickt sich in undurchsichtige Geschäfte, und auch Giovanni gerät als Anwalt in denselben Kreis aus Abhängigkeiten von der Cosa Nostra.
Simonetta Agnelli Hornby zeichnet anhand der Lebenswege von Giovanni und Santiano ein eindrückliches Bild von der sizilianischen Gesellschaft der 50er bis 90er Jahre. Auch wenn die Verstrickungen der beiden in die Geschäfte der Cosa Nostra zentral sind, liegt der erzählerische Schwerpunkt auf der persönlichen und familiären Ebene. Die mächtigsten Personen im Roman sind die beiden Mütter Cettina und Assunta, denen ihre Söhne treu ergeben sind. Santiano und Giovanni wirken schwach, sind echte Muttersöhnchen, ohne Rückgrat und moralischen Kompass. Insbesondere Giovanni wirkt wie eine Marionette seiner Mutter, die für ihn Beruf, Ehefrau und Haus auswählt und unablässig für ihn netzwerkt. Ich muss gestehen, dass mir bis auf Anna Di Giorgio, eine Kommilitonin Giovannis, und Giovannis Großeltern alle Personen des Romans sehr unsympathisch waren, da sie extrem opportunistisch handelten. Es mag sicherlich so sein, dass es in gewissen Berufen auf Sizilien nahezu unvermeidlich ist, mit der Mafia in Kontakt zu kommen und es schwierig ist, sich deren Einfluss zu entziehen, doch ich konnte bei Santiano und Giovanni auch nicht den Versuch, sich integer zu verhalten, feststellen.
Fazit: Der Roman gibt einen interessanten Einblick in die gesellschaftlichen Strukturen Siziliens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ich hätte allerdings gerne noch etwas mehr über die konkreten Verflechtungen im Bau- und Anwaltsgewerbe mit der Mafia erfahren. So bleibt mir manches zu vage.

Bewertung vom 04.03.2025
Die Kammer
Dean, Will

Die Kammer


sehr gut

„Die Kammer“ wartet mit einem interessanten Setting auf: Fünf Sättigungstaucher und eine Sättigungstaucherin sind auf einem Tauchschiff in einer hyperbaren Tauchkammer eingeschlossen, um während ihres Arbeitseinsatzes in den Tiefen der Nordsee unter konstanten Druckverhältnissen zu leben. Eines Tages liegt einer der Taucher leblos in seiner Koje. Alle Taucher waren vor ihrer Mission kerngesund – woran ist der Kollege gestorben? Die Situation ist für alle fünf belastend, zumal der Leichnam nicht einfach durch eine Luke nach draußen geschafft werden kann, da die Kammer auf die Druckverhältnisse 100 Meter unter der Meeresoberfläche eingestellt ist und eine Dekompression mehrere Tage dauert. Es bleibt nicht bei einem Todesfall, und die Nerven der Überlebenden liegen zunehmend blank…

Das Grundprinzip – eine Gruppe von Menschen ist abgeschlossen von der Außenwelt, und es kommt zu einem ungeklärten Todesfall – ist nicht neu, doch die Idee, das Ganze in eine Druckkammer zu verlegen, fand ich sehr spannend. Ich habe mich bisher noch nie mit Sättigungstauchen beschäftigt und konnte so einen interessanten Einblick in diese herausfordernde Tätigkeit bekommen. Sehr hilfreich ist in diesem Zusammenhang das Glossar am Ende des Buches. Ich hätte es toll gefunden, wenn der Autor in einem Nachwort näher auf seine Recherchen zum Sättigungstauchen eingegangen wäre, um beurteilen zu können, wie realistisch die Lebens- und Arbeitsverhältnisse in der Druckkammer beschrieben wurden.

Die Geschichte wird aus Sicht der Sättigungstaucherin Ellen Brooke erzählt und bleibt bis zum Schluss hochspannend. Allerdings bin ich mit dem Schluss nicht ganz glücklich, da bleiben für mich ein paar Ungereimtheiten zurück.
Sprachlich ist der Thriller eher einfach gehalten. Der Schreibstil ist nüchtern und direkt, passend zu den hartgesottenen Figuren, die als Sättigungstaucher mental und körperlich belastbar sein müssen und alle auf eine lange Karriere mit teils harten und psychisch belastenden Einsätzen zurückblicken. Etwas unnötig und nervig fand ich die vielen Wiederholungen, etwa zur Hygiene in der Druckkammer. Auch wenn ich mit der Ich-Erzählerin mitfieberte und mitfühlte, blieb ich doch zu den Figuren insgesamt auf Distanz, wahrscheinlich, weil ich mit den eher rauen Charaktere nicht so richtig warm wurde.

Insgesamt ein spannender Thriller, der vor allem durch seinen ausgefallenen Schauplatz besticht.

Bewertung vom 04.03.2025
Skin City
Groschupf, Johannes

Skin City


gut

„Skin City“ war mein erster Krimi des preisgekrönten Autors Johannes Groschupf, und entsprechend groß waren meine Erwartungen. Groschupf verbindet darin drei Handlungsstränge miteinander: Zum ersten ist da der Georgier Koba, Mitglied einer Bande, die im Akkord Einbrüche in Villen und Einfamilienhäuser rund um Berlin begehet. Der zweite Strang dreht sich um die Polizistin Romina. Ihre Familie gehört zur Gruppe der Sinti und Roma und hat Vorbehalte gegenüber ihrem Beruf, ihr Vater saß im Gefängnis und ihre Schwester ist etwas zurückgeblieben. Und dann ist da noch Jacques Lippold, der wegen Umsatzsteuerbetruges im Gefängnis saß und nach seiner Haftentlassung in die Kunstszene einsteigen und das große Geld machen möchte.

Besonders stark fand ich die Geschichte rund um Lippold und die Berliner Künstlerszene. Inwieweit die Schilderungen der Realität entsprechen, kann ich nicht beurteilen, doch der aufgeheizte Kunstmarkt, bei dem weniger künstlerische Expertise als die Investition und die Teilhabe an den aktuellen Hypes zählen wirken sehr glaubhaft. Bei Kaviar und Schickimicki-Küche werden Netzwerke geknüpft, der Geldadel ist unter sich. Auch der Part um Koba und die Einbruchsserie ist fesselnd geschrieben. Die schwächsten Momente hat die Handlung immer dann, wenn Romina ins Spiel kommt. Hier werden mir eindeutig zu viele Klischees bedient. Romina, die letztendlich nicht von ihrer Herkunft loskommt, in der nach wie vor ein Outlaw steckt, und die als Frau – na klar – hoch emotional reagiert und sich in den entscheidenden Momenten unprofessionell verhält und übertölpeln lässt. Die gesamte Figur wirkt auf mich unglaubwürdig, platt und schwach gezeichnet.

Auch die Spannung hält sich bei diesem Krimi in engen Grenzen, er liest sich eher wie eine Berliner Milieustudie. Insgesamt bleibt dieser Krimi leider weit hinter meinen Erwartungen zurück und ist eher Mittelmaß.

Bewertung vom 04.03.2025
Ein ungezähmtes Tier
Dicker, Joël

Ein ungezähmtes Tier


sehr gut

Bisher hatte ich von Joël Dicker noch nichts gelesen, aber die Leseprobe hat mich sofort angesprochen, und so war ich sehr gespannt auf das Hörbuch.
Sophie und Arpad wohnen in einem großen Haus in einem Nobelvorort von Genf und sind ein Bilderbuchpaar - glücklich verheiratet, zwei Kinder, wohlhabend, tolle Jobs. Mit dem Ehepaar Greg und Karine aus der Nachbarschaft verbindet sie seit kurzem eine Freundschaft, die für den Polizisten Greg jedoch viel mehr ist. Er ist besessen von Sophie und spioniert ihr nach. Doch da ist nicht nur Greg, sondern auch ein geheimnisvoller Unbekannter, der Sophies Schritte verfolgt…Und wie hängt das alles mit einem Juwelenraub in der Genfer Innenstadt zusammen?

Joël Dickers Thriller beginnt mit einem Juwelenraub in Genf und blickt von diesem Tag im Juli 2022 zurück auf die Ereignisse der Wochen zuvor. In weiteren Rückblenden erfährt man Stück für Stück immer mehr über die Vergangenheit und das Leben der Figuren in den letzten 15 Jahren. Diese Zeitsprünge erfordern eine gute Konzentration und genaues Zuhören, doch ich liebe Romane, die häufig die Zeitebene wechseln, so dass mich genau dieser Kniff sehr angesprochen hat. Dicker hat einen raffiniert konstruierten Thriller entworfen, der bis zur allerletzten Seite hochspannend bleibt und immer wieder mit unerwarteten Wendungen überrascht. Weniger überzeugt haben mich die Figuren, die mir zudem ausnahmslos unsympathisch waren. Diese sind diese entweder schickimicki-neureich oder darauf bedacht, mit den Reichen mithalten zu können. Der schöne Schein und Status sind alles. Moralische Bedenken hat keiner der Protagonisten während der gesamten Handlung, der eigene Vorteil ist der einzige Antrieb. Dies führte dazu, dass es mir tatsächlich egal war, wie die Geschichte für die einzelnen Charaktere ausging, und mich die Story emotional völlig kalt ließ.
Torben Kessler liest das Hörbuch mit klarer, angenehmer Stimme und versteht es, jeder Figur einen eigenen Ton zu verleihen. Ich habe ihm sehr gerne zugehört.

Insgesamt hat mich der Thriller sehr gut unterhalten und war bis zu Schluss sehr spannend. Allerdings wirkte die Geschichte doch recht konstruiert, stellenweise etwas überzogen und wenig glaubwürdig. Hierfür vergebe ich knappe 4 Sterne.

Bewertung vom 03.03.2025
Internationale Zone
Dor, Milo;Federmann, Reinhard

Internationale Zone


sehr gut

Beim Lesen dieses Romans fühlte ich mich sofort an „Der dritte Mann erinnert“ – sicher nicht ganz zufällig, da auch die beiden Autoren eine kleine Hommage an Graham Greene direkt eingebaut haben.

Kurz nach dem Krieg ist Wien ein internationaler Dreh- und Angelpunkt für Spionage, Schmuggel und Menschenhandel. Die Stadt ist unter den vier Besatzungsmächten aufgeteilt, die Kontrolle über den ersten Bezirk, die sogenannte „Internationale Zone“ im engeren Sinne, wechselt monatlich zwischen den vier Mächten. Milo Dor und Reinhard Federmann schildern in diesem 1953 entstandenen Werk die kriminellen Machenschaften, die sich im Nachkriegswien abspielten, unter den Augen und teilweise unter Mitwirkung der Besatzungskräfte.

Die Protagonisten sind – bis auf eine Ausnahme – alles zwielichtige Gestalten aus der Halbwelt. Teilweise haben sie lange Flucht- und Lagererfahrungen während der Kriegszeit hinter sich und versuchen nun, durch kriminelle Machenschaften ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen. Da die Autoren das Buch ungefähr zu selben Zeit, in der die Romanhandlung spielt, verfasst haben, wirken die Geschehnisse und auch die Sprache sehr authentisch. Einige Zusammenhänge, die auf politische Ereignisse und Machenschaften der Kommunisten während und kurz nach dem Krieg in Ungarn, Rumänien oder Bulgarien anspielten, wurden mir beim Lesen nicht ganz klar – hier fehlten mir entsprechende Detailkenntnisse.

Mir war vor der Lektüre von „Internationale Zone“ nicht bewusst, dass Wien damals ein Drehkreuz für Spione und Kriminelle war, und ich habe durch dieses Buch einen neuen Blick auf diese historische Phase bekommen. Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang auch das sehr ausführliche Nachwort, das die Romanhandlung historisch einordnet und die Arbeiter-Zeitung als Inspirationsquelle für Dor und Federmann nennt.

Ein sehr lesenswerter Roman, der glücklicherweise vom Picus-Verlag wieder neu aufgelegt wurde.

Bewertung vom 03.03.2025
Lichterloh - Stadt unter Ruß
Kempen, Sarah M.

Lichterloh - Stadt unter Ruß


weniger gut

Mein Sohn hat „Lichterloh“ ganz frisch in der Bibliothek entdeckt, und ich habe mir interessehalber das Buch geschnappt und es ebenfalls gelesen. Die Story beginnt spannend. Nachdem ihre Eltern bei einem Brand ums Leben gekommen sind, leben die Schwestern Cleo und Gwynnie gemeinsam am Rande von Rußstadt in einer Welt, in der ohne Kohle nichts geht. Entsprechend dicht hängt der Rauch über der Stadt, und die wichtigste Berufsgruppe sind die Schornsteinfeger. Gwynnie forscht im Verborgenen an umweltfreundlichen Techniken zur Energieerzeugung. Cleo ist ebenfalls eine Tüftlerin und repariert heimlich und verbotenerweise defekte Geräte, obwohl dies allein den Schornsteinfegern vorbehalten ist. Ihr sehnlichster Wunsch ist es, Schornsteinfegerin zu werden, doch als einfache Fabrikarbeiterin stehen ihre Chancen schlecht. Eines Tages erhält sie ein verlockendes Angebot, doch darf sie diesem trauen?

Die Atmosphäre in Rußstadt ist eindrücklich beschrieben und man kann sich die dichte Rußwolke über der Stadt und den Feinstaub sehr gut vorstellen. Mit der Umweltproblematik und auch der geplanten Obsoleszenz technischer Geräte greift Sarah M. Kempen aktuelle Themen auf, so dass dies ein wirklich gutes Buch hätte werden können. Doch leider hapert es bei der Umsetzung und der Logik gewaltig. Wenn eine Autorin technische Themen aufgreift, erwarte ich, dass sie fundiert recherchiert hat und die technischen Grundlagen korrekt sind, so dass ein schlüssiges Gesamtkonzept entsteht. Leider merkt man sofort, dass die Autorin von den Techniken, über die sie schreibt, überhaupt keine Ahnung hat, was mich als Naturwissenschaftlerin extrem stört. Ein zentraler Punkt ist der Betrieb der allgegenwärtigen Kohlemaschinen, der physikalisch nicht durchdacht wurde. Um eine Waschmaschine oder Lampen mit Kohle zu betreiben, ist ein Wärmekraftwerk erforderlich. Das ist nichts, was sich in einem Gerät unterbringen lässt. Im Buch hat jedoch jedes Gerät sogar einen eigenen Schornstein, was zeigt, dass nicht etwa pro Haus ein Wärmekraftwerk besteht, sondern pro Gerät. Das ist schlichtweg unmöglich. Wie angesichts der technisch eher rückständig wirkenden Zeit und des behaupteten Materialmangels Gwynnie Windkraft mittels Generator in elektrische Energie umwandeln will, bleibt unklar (wenn schon Schrauben Luxus sind…), und woher sie die Seltenen Erden, die zum Bau von Akkumulatoren nötig sind, herbekommt, geschweige denn die Halbleiter für die Photovoltaik, ist mehr als fraglich. Ganz zu schweigen vom physikalischen Hintergrundwissen dazu, vom den völlig unklar ist, woher Cleo oder Gwynnie dieses haben sollen. Wirklich albern wird es, wenn Cleo mit „Schleifwerkzeugen und Lötkolben“ mal ganz flott eigene Schrauben herstellt, die industriell gefertigten aufs Haar gleichen. Klar kann man einwenden, das sei doch Fiktion, wenn diese allerdings jeglicher Logik entbehrt und das ganze Konstrukt in der Luft hängt, wird es schwierig.

Wenn man darüber hinwegsehen kann, ist die Handlung durchaus spannend geschrieben, und insbesondere Cleo wirkt sympathisch und man kann sich gut in sie einfühlen. Viele Nebenfiguren bleiben aber eher flach, und besonders die Charakterentwicklung von Leander hat mich nicht überzeugt. Ich habe ihm seine Veränderung einfach nicht abgenommen.

Insgesamt ein durchschnittlicher Jugendroman mit klaren konzeptionellen Schwächen. Da gibt es deutlich Besseres.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.02.2025
Angriff des Schattens / Foxfighter Bd.1
El-Bahay, Akram

Angriff des Schattens / Foxfighter Bd.1


sehr gut

Ein Abenteuer komplett aus der Sicht eines Fuchses, in dem Menschen nur eine kleine Nebenrolle spielen – dieses eher ungewöhnliche Setting hat meinen Sohn (11) und mich gleich angesprochen.

Akram El-Bahay beschreibt sehr einfühlsam, wie sich Finn im Wald zurechtfinden muss, nachdem ihn seine Menschenfamilie, die ihn aufgezogen hat, dort ausgesetzt hat, und wir haben den Fuchs sofort ins Herz geschlossen. Finns erste Jagdversuche und sein Bemühen, seine Sinne zu schärfen und sich lautlos fortzubewegen, sind aber nicht nur berührend, sondern auch sehr komisch beschrieben, so dass auch der Humor nicht zu kurz kommt. Für diesen sorgt auch der kleine Igel, dem Finn begegnet, und der während der Geschichte immer wieder für Momente zum Schmunzeln sorgt.

Sehr schön beschrieben ist, wie sehr sich Finn danach sehnt, zu einem Rudel, einer Familie, dazuzugehören und Freundschaften zu schließen. Auch Ausgrenzung und Diskriminierung werden thematisiert.

Es dauert ein bisschen, bis die Handlung Fahrt aufnimmt und ein Spannungsbogen entsteht, zumindest habe ich das so empfunden. Einige Muster wiederholen sich, etwa die Szenen, wenn Finn und seine neugewonnene Fuchsfreundin Fabelfell auf die Jagd gehen, oder die Art und Weise, wie Finn brenzlige Situationen meistert. Hier fehlt mir ein bisschen Abwechslung und auch Komplexität innerhalb der Geschichte. Auch die Handlung an sich ist recht vorhersehbar, zumindest für mich als Erwachsene, doch auch meinem Sohn ging es ähnlich. Die Erzählweise ist insgesamt eher ruhig.

Ich würde Foxfighter all jenen empfehlen, die fantastische, einfühlsame Tiergeschichten mit einer guten Portion Abenteuer lieben und weniger Wert auf Action legen.

Bewertung vom 27.02.2025
Chicken Impossible
Voorhoeve, Anne C.

Chicken Impossible


ausgezeichnet

In Berlin-Spandau wohnen die beiden Schwestern Helene (72) und Hilde (77) nach dem Tod der Mutter gemeinsam in einem alten Haus. Da das Verhältnis der beiden zeitlebens schwierig war, ist die Zweckgemeinschaft alles andere als harmonisch. Sehr zu Hildes Missfallen beschließt Helene, vier Junghennen zu halten und widmet sich voller Elan dem Bau von Voliere und Auslauf für die beiden Amrocks Rocky und Amy und die zwei Sundheimer Susi und Heidi. Die Situation zwischen den beiden Schwestern verschlechtert sich zusehends, bis eines Tages eine der beiden von der anderen ermordet wird. Da beide sehr zurückgezogen gelebt haben, steht die Polizei vor einem Rätsel, denn es gibt kein privates Umfeld, das Aufschluss geben könnte. Nur die Hühner haben seit Monaten alles beobachtet…

Die einzelnen Kapitel sind abwechselnd aus Sicht des Ersten Huhns der Hackordnung, Rocky, und den beiden Schwestern erzählt und werden mehrfach ergänzt durch eingeschobene Zeitungsartikel zu dem Mordfall. Die Kapitel aus Rockys Perspektive sind mit einer wohldosierten Portion Humor erzählt, ohne ins Alberne abzudriften, wie dies bei Tierkrimis oft der Fall ist. Als Leser bekommt man einen sehr unterhaltsamen Einblick in das Zusammenleben der Hühner zweier unterschiedlicher Rassen. Die beiden Amrocks sind körperlich kräftig, groß gewachsen und streuen in ihre Dialoge als amerikanische Rasse immer wieder englische Ausdrücke mit ein, während die zurückhaltenderen Sundheimer Hennen in badischem Dialekt sprechen. Heidi zeichnet sich hier besonders durch schnelle Kombinationsgabe aus, während Susi oft eine etwas längere Leitung hat. Als Schwäbin habe ich mich sehr über die Passagen im ganz hervorragend getroffenen Dialekt gefreut und musste oft schmunzeln. Rocky und ihre Hennenschwestern beobachten die Vorgänge zwischen Hilde und Helene ganz genau – nicht nur aus Interesse, sondern schon aus ihrem Selbsterhaltungstrieb heraus. Ist Helene abgelenkt durch ihre Auseinandersetzungen und vergisst beispielsweise das rechtzeitige Füttern oder das Vorschieben eines Riegels an der Voliere, so haben die Hühner ein Problem: Im ersten Fall knurrt ihr Magen, im zweiten stehen Fuchs und Waschbär schon bereit.

Die Kapitel aus Sicht von Helene und Hilde beleuchten die schwierige Beziehung der beiden Schwestern, deren Gründe bis in die Kindheit zurückreichen. Das Leben unter einem Dach wird zunehmend unerträglich, und die Lage spitzt sich immer weiter zu. Ich konnte mir die Situation zwischen den beiden lebhaft vorstellen, und leider erschien es mir ziemlich realistisch. Es gibt auch im wahren Leben Menschen, deren Verhältnis sich oft jahrzehntelang darauf fokussiert, dem anderen das Leben möglichst schwer zu machen, sei es unter Geschwistern, Nachbarn oder Eheleuten. Ich habe dieses Buch daher nicht nur als Krimi verstanden, sondern auch als einen Roman, der einen fein beobachteten Blick auf zwischenmenschliche Beziehungen wirft, deren Konflikte sich über Jahre oder Jahrzehnte oft verselbständigen und die geradezu zu einem Lebensinhalt werden. So steht das Streben nach dem Unglück des anderen oft höher als der Wunsch nach eigenem Glück und einem harmonischen Miteinander für die begrenzte Zeit, die im Leben bleibt.

Ein Buch, das neben dem spannenden und humorvoll erzählten Kriminalfall auch zum Nachdenken anregt, wie wir mitunter miteinander umgehen.
Eine absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 27.02.2025
Schafkopf (Sonderausgabe)
Goerz, Tommie

Schafkopf (Sonderausgabe)


weniger gut

Da ich die literarischen Werke „Im Tal“ und „Im Schnee“ von Tommie Goerz sehr liebe, habe ich mich mit „Schafkopf“ nun an einen seiner Krimis gewagt. „Schafkopf“ war damals sein Debüt und Beginn der inzwischen zehnteiligen Reihe um Kommissar Friedo Behütuns aus Franken.

Leider bin ich mit diesem Buch überhaupt nicht warm geworden, und wäre es nicht Goerz gewesen, hätte ich wohl abgebrochen. Es beginnt mit dem ersten Kapitel, in dem eine Figur auf der Toilette sitzend u.a. über seine Ausscheidungen sinniert, und anschließend folgt ein langer Abschnitt über eine Schafkopfrunde in einem Wirtshaus. Wer die Regeln des Spiels nicht kennt, langweilt sich hier. Bereits nach den ersten 50 Seiten war mir klar, wer der Täter ist und welche Motive vermutlich dahinter steckten, so dass keine Spannung aufkam. Friedo Behütuns verliert sich zudem immer wieder in klassischen „Früher war alles besser“-Betrachtungen, die mich an Stammtischgerede erinnerten. Auch sonst spart Goerz nicht mit Klischees, ob es nun um die „gescheiten Studierten“ geht, Homosexuelle oder Frauen. Auch sprachlich ist dieses Frühwerk leider weit von seinen aktuellen und zu Recht hochgelobten und ausgezeichneten Romanen entfernt. Für mich war dieses Buch leider enttäuschend.

Bewertung vom 27.02.2025
Bis die Sonne scheint
Schünemann, Christian

Bis die Sonne scheint


ausgezeichnet

Auch wenn ich selbst gut zehn Jahre jünger bin als der Protagonist Daniel und mich nicht mehr aktiv an das Jahr 1983 erinnere, so habe ich doch vieles an diesem Roman aus meiner eigenen Kindheit wiedererkannt. Das Lebensgefühl der Eltern, die Erwartungshaltung der Großeltern, der unerschütterliche Glaube an eine bessere Zukunft, das Aufrechterhalten des Scheins nach außen um jeden Preis – überhaupt die strikte Trennung zwischen dem Außen und dem Innen. Mit der Geschichte von Daniel und dessen Familie erzählt Schünemann exemplarisch auch die Geschichte Wirtschaftswunderdeutschlands und der Rezessionen nach den Ölpreiskrisen.

Während des Lesens schüttelte ich immer wieder fassungslos den Kopf über das Verhalten von Daniels Eltern, die trotz Pleiten scheinbar ungerührt weiterhin ihren Lebensstil pflegen und den Ernst der Lage nicht zu begreifen scheinen. Dass sie mit Geld nicht umgehen können, ist offensichtlich, doch aus ihren Fehlern lernen sie nicht. Zuweilen dachte ich mir, so blauäugig könne doch niemand sein, und da hat der Autor aber ein bisschen übertrieben. Umso erstaunter war ich, als ich Nachwort las, dass Schünemanns Familiengeschichte (jedoch mit veränderten Namen) die Grundlage für diesen Roman bildete.

Ein sehr lesenswerter Roman, der die Atmosphäre der alten Bundesrepublik noch mal lebendig werden lässt.