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nicole carina

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Insgesamt 49 Bewertungen
Bewertung vom 28.10.2013
Der himmlische Blick
Neubronner, Eberhard

Der himmlische Blick


ausgezeichnet

Fotografierende Pfarrer? Sind die was Besonderes? Bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg waren sie es auf jeden Fall!

Was "Der himmlische Blick" für die Nachwelt festhielt, ist jetzt im gleichnamigen Buch von Eberhard Neubronner zu bewundern. 30 Pfarrer, fast alle aus Württemberg, stehen exemplarisch für eine Gruppe von Fotografen, die sich engagiert einer neuen Technik und vor allem den "gemeinen Leuten" widmete.

Zwischen 1890 und 1960 war Fotografieren exotisch, teuer und bei der Landbevölkerung nicht selten als lasterhafter Müßiggang verpönt. Doch weil die knipsenden Kirchenmänner nicht nur Authoritätspersonen sondern fast immer auch die einzigen im Dorf waren, die eine Kamera besaßen, duldeten die fleißigen Gemeindemitglieder ständige Beobachtungen durchs Objektiv und standen manchmal sogar lange Minuten regungslos Modell.

Obwohl die Kleriker den Fokus auf scheinbar banale alltägliche Ereignisse legten - die Heu- und Apfelernte zum Beispiel, Kinderbetreuung, Küchenarbeit oder Kaffeekränzle - leisteten sie einen wertvollen Beitrag für landesgeschichtliche Archive: "Gute Aufnahmen aus dem Arbeits- und aus dem Volksleben sind sehr selten", zitiert der Autor den damaligen Kurator des Landesamts für Denkmalpflege August Lämmle, ein waschechter Nationalsozialist, der gerne mit den fotografierenden Pfarrern zusammen arbeitete und den einen oder anderen nachweislich in schwere Gewissenskonflikte brachte.

Immerhin: "Volkskunde war eine Pseudowissenschaft, die vom Schreibtisch aus betrieben wurde. Ihre Protagonisten vergaben kleinere Aufträge für Dokumentationen, Feldrecherchen und fotografische Studien an Gewährsleute, also interessierte Laien, unter ihnen vorwiegend Pastoren, Lehrer und sonstige Honoratioren", weiß Eberhard Neubronner. Vor diesem Hintergrund kommt den anfänglich schwarz-weißen, später auch farbigen Fotografien eine herausragende Bedeutung zu - wer heute aufs Land fährt, kann innerhalb von Minuten hunderte von Aufnahmen auf Speicherkarte bannen, "damals" waren Fotoabzüge im Grunde reiner Luxus.

"Ohne die fotografierenden Pastoren wäre die Fotogeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts um viele Schätze aus der ländlichen Kultur und der bäuerlichen Lebensweise ärmer", so Ulrich Hägele im Vorwort. Es sind zudem reizvolle Zeugnisse aus Jahren des Kulturwandels: die viel zitierte gute alte Zeit wich immer mehr den Errungenschaften der Wirtschaftswunderjahre - statt Satgut mit der Hand auszubringen, wurden immer öfter Sämaschinen eingesetzt, Traktoren verdrängten langsam aber flächendeckend das Ochsengespann vor Pflug und Güllefass.

Lange Zeit vergessen, sind die Fotografien der Pfarrer heute wertvolles visuelles Erbe und deren Biografien geben zusätzlich spannende Einblicke in eine Vergangenheit, die Lichtjahre zurück zu liegen scheint. Trotzdem oder gerade deshalb steigt das Interesse an solchen Zeitzeugnissen.

"Der himmlische Blick" begeistert - mit heutzutage sehr außergewöhnlichen Aufnahmen, mit charmanten, humoristisch bis denkwürdigen Anekdoten und liebevoller Ausstattung

Bewertung vom 26.10.2013
Aus der Reihe getanzt
Keuler, Dorothea

Aus der Reihe getanzt


ausgezeichnet

Sie liebten und sie hassten sich - soweit waren Agnese Schebest und David Friedrich Strauß kein außergewöhnliches Paar! Allerdings: sie war eine leichtlebige, gefeierte Operndiva, er ein theologischer Gelehrter. Allein diese Kombi würde noch heute den einen oder anderen zu Skepsis reizen. Um 1840 war es ein gänzlich undenkbares Matching! Zu persönlichen Differenzen kam die gesellschaftliche Ächtung und am Schluss behielten die Lästermäuler Recht: der anfänglich ekstatische Magnetismus wich einer lebenslangen Hass-Liebe.

Nachdem Dorothea Keuler bereits "Provokante Weibsbilder" vorstellte, erzählt sie in ihrem neuen Buch "Aus der Reihe getanzt" elf spannende Geschichten über skandalöse Paare aus Baden und Württemberg.

Zwar regen uneheliche Kinder, Affären sowie Beziehungen zwischen Adligen und Bürgerlichen heute kaum mehr jemand auf, vor einigen Jahrhunderten bedeuteten sie - wenn sie bekannt wurden - das gesellschaftliche Aus. Hatte David Friedrich Strauße als "Gottesleugner" eh schon einen schweren Stand in der christianisierten Öffentlichkeit, schwand mit seinem Scheidungswunsch der letzte Rest seiner Reputation.

Auch die anderen Liebenden in Dorothea Keulers Sittengemälde hatten es weiß Gott nicht einfach: die einen verliebten sich außerehelich - vor allem für adlige Herrscher ein ziemliches Dilemma - wieder andere probten mit fatalen Folgen den Partnertausch und auch Albert Dulks Ehe mit drei Frauen, brachte nicht allen Beteiligten die erhoffte Erfüllung! Und König Karl von Württembergs homosexuelle Neigungen avancierten endgültig zur Staatsaffäre, als der Einfluss seines Liebhabers den Umstehenden viel zu stark wurde.

Wären die "ruchlosen" Beziehungen glücklicher verlaufen, wenn Freunde, Verwandte, Bekannte, Kollegen, kurz: die Gesellschaft die Verbindung toleriert hätte? Ob Dichter, Gaukler, Fürst oder Gauner: alle eint das verzweifelte Streben nach neuen Formen, Liebe leben zu können.

Warum zwei sich lieben, ist schon ein Geheimnis für sich - welchen Einfluss konventionelle Zwangsjacken auf Liebende haben, ist die zweite Unbekannte der Liebesglücks-Formel und ganz klar auch im 21. Jahrhundert noch ein Thema - wenn auch nicht mehr ganz so wichtig wie 1622, als Regina Burckhardt - erst höhere, dann gefallene Tochter - ihr erstes uneheliches Kind zur Welt bringt. Im Gegensatz zur Schleiferbärbel, die im Gefängnis an ihrem Schicksal zerbricht, trotzt die Tübinger Professorentochter gesellschaftlichen Widrigkeiten und wird am Ende ihres Lebens als "schwäbische Geistesmutter" gefeiert: ihre amourösen "Fehltritte" sorgten nämlich für Nachkommen, bei denen sich Hoch- und Höchstbegabungen häuften. Sie heißen unter anderem Friedrich Hölderlin, Ludwig Uhland, Friedrich Schelling, Wilhelm Hauff und Ottilie Wildermuth.

Danke Dorothea Keuler, fürs Recherchieren und für elf Paar-Portraits, die nicht nur berühren, sondern ungewöhnlich intime Seiten unserer Landesgeschichte aufschlagen.

Bewertung vom 06.10.2013
Tod dem König
Friederich, Gerd

Tod dem König


ausgezeichnet

Tod dem König

Ein schwäbischer Schwank auf 235 Seiten

Ort: das fiktive Örtchen Enzheim, liegt dem Namen nach irgendwo zwischen Pforz- und Bietigheim und vor allem in ferner Vergangenheit.

Hauptrollen haben wie damals im Dorf üblich: der Schultes und seine Familie - zu der gehört auch Schwager und Schulmeister Albert Wilhelm - desweiteren der Herr Pfarrer, Johannes Alber, und nicht zuletzt seine Königliche Majestät König Wilhelm I. vom Württemberg.

Ebenfalls wichtige Rolle spielen: ein paar böse Buben sowie zahlreiche mehr oder minder clevere Dorfbewohner von Enzheim von jung bis alt, darunter Glufamichl, Grempler, Gäckeler, Schädderhexe, Moggele, Butzewaggele oder Blärrer.

Wir schreiben das Jahr 1843. Über Stuttgart und Umland liegt Schnee und nicht nur eisige Temperaturen haben das schöne Ländle im Griff: auch Österreich und Preußen rücken dem kleinen Königreich ernsthaft auf die Pelle.

Weder die Kälte noch die scheinbar militärische Übermacht des Feindes hält ihro Majestät davon ab, eine kleine Reise anzutreten: er will inkognito nach Enzheim fahren und endlich heraus finden, was es mit den Attentats-Warnungen auf sich hat, die ihn immer häufiger erreichen.

Am liebsten will er die finsteren Gesellen selbst fangen, also lässt er sich unter anderem einen Bart wachsen und holpert mit der Postkutsche in das beschauliche Dörflein, wo die urschwäbische Verwechslungskomödie sogleich ihren Lauf nimmt.

Der Autor und frühere Lehrer, Heimerzieher, Personalreferent und Schulrat Gerd Friederich hat bei Oma und Opa entweder gut zugehört und/oder gründlich die damals üblichen Gepflogenheiten studiert, denn er beschreibt die Vorgänge in Enzheim so bildlich und mundartgewaltig, dass man die Zornesröte des aufgebrachten Schultes sehen, die Rutschpartie des königlichen Kammerdieners in den vereisten Gassen spüren und die Misthäufen förmlich riechen kann.

Freilich ist nicht jeder Leser des kreativen Schwäbischen mächtig, deshalb gibt Gerd Friederich zu Beginn des Romans ein paar Hinweise zur typischen Aussprache - dass -st südlich von Frankfurt wie -scht ausgesprochen wird, überrascht vermutlich niemanden der je einen Bienzle-Tatort gesehen hat.

Ein bisschen schwieriger wird es allerdings beim schwäbischen e, das, so erklärt der Autor, wie beim englischen "the" ausgesprochen und nicht nur häufig Substantive verkleinert - Gläsle, Häusle, Mädle oder Königle - sondern sich auch zum Verschlucken von En-dungen eignet, wie bei mache oder bsoffe. Wenns unter dr Gschicht gar zu arg wird, helfen Fußnoten beim Vrständnis.

Derart gerüstet kanns also losgehen und alsbald treffen in Enzheim Landluft auf Rasierwasser, Brauchtum auf Etikette, Lausbubenstreiche auf politische Verschwörung und Bauernschläue auf gebildete Bescheidenheit.

Die einzelnen Kapitel des Enzheimer Dorflebens klappen auf wie schicht- und farbenreiche Ölgemälde, so plastisch schildert Gerd Friederich die Geschehnisse um die königlichen Ermittlungen auf dem Land, die oft genug zum Piepsen komisch und gleichzeitig hübsch dramatisch sind.

Fortsetzung folgt...hoffentlich!

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Bewertung vom 05.10.2013
333 Entdeckungen in der Region Stuttgart
Schlupp-Melchinger, Astrid

333 Entdeckungen in der Region Stuttgart


ausgezeichnet

So spannend, frech, leichtfüßig und "interdisziplinär" waren Regional-Geschichten selten: mit ihrem neuen Buch "333 Entdeckungen in der Region Stuttgart" schnappt sich Astrid Schlupp-Melchinger ihre Leser zu einem wilden Ritt durch eine Gegend, die vor Superlativen nur so strotzt!

Nicht alle wortwitzig vorgestellten Entdeckungen überraschen mit Neuigkeitswert, doch gerade da stellt sich eine Frage besonders dringend: wie kann es sein, dass Erfinderreichtum, Rekordjagden und verblüffende Einzigartigkeiten in und rund um Stuttgart gar so versteckt statt finden, während andere Städte ihre - oft weniger spektakulären - Erfolgsgeschichten bei jeder Gelegenheit an die Öffentlichkeit zerren?

Liegts am sprichwörtlichen Understatement der Schwaben? Oder hat man hierzuland schlicht keine Zeit fürs Marketing, weil man bereits am nächsten Knüller rumwerkelt? Wie auch immer: es sind derzeit vor allem findige und hingebungsvolle Autoren, die Stuttgart und sein Umland selbstbewusst vom kächeligen Image befreien.

Der vorliegende literarische Ausflug in die Region ist dabei ein herausragend temporeiches Sightseeing und gleichzeitig ein buntes Who is Who der hiesigen Macher, Denker, Stars, Erfinder und historischen Berühmtheiten. Astrid Schlupp-Melchinger beschränkt sich nicht auf Daten, Zahlen und Fakten sondern verbindet in sieben vergnüglichen Kapiteln Vergangenes pointiert und elegant mit der Gegenwart und die Region mit der großen weiten Welt.

Oder wussten sie dass jährlich rund 500 Millionen Maultaschen von hier rund um den Globus reisen oder dass der begehrteste deutsche Filmpreis, der Bambi, aus Süßen nach Berlin exportiert wird? In der Rubrik "Größer, Schneller, Weiter" steht beispielsweise die größte griechisch-orthodoxe Kirche Europas - außerhalb Griechnlands - nämlich in Esslingen. Die größte Dorfkirche Europas besitzt angeblich die Gemeinde Neuhausen auf den Fildern und wenns ein Beispiel aus moderner Zeit sein darf: der Marktführer für Lasertechnik hat bei Stuttgart ebenso seinen Firmensitz wie ein Schraubenhersteller, der mit seinen außergewöhnlich belastbaren Produkten zum Beispiel die europäische Rakete Ariane und die Raumstation ISS ausstattete.

Was das Thema Schwäbisch Eisenbahn angeht, erstaunt die Entdeckung, dass die Geislinger Bahnstrecke bei ihrer Eröffnung 1850 als erste Gebirgsquerung einer wichtigen Eisenbahnstrecke Europas galt, so steil verlaufen die engen Kurven auf der Schwäbischen Alb. Auch die bekannteste Modellbahnmarke der Welt wurde in der Nähe geboren: der Name Märklin ist eng mit der Region Stuttgart verbandelt, das wurde besonders deutlich, als der Betrieb 2005 fast Konkurs gegangen wäre.

Die älteste datierte Kircheninschrift, die erste elektrisch beleuchtete Schauhöhle, die ältesten Höhlenmalereien der Menschheit, eines der prunkvollsten Keltengräber, die älteste Sektkellerei Deutschlands, ein quirrliger pneumatischer Pinguin - alles zu entdecken zwischen Bad Saulgau und den Löwensteiner Bergen. Nicht zu vergessen: "Das Wunder von Echterdingen", das dem Zeppelin ein unverwüstliches Charisma bescherte und last but not least sind der Autorin auch typisch schwäbische Phänomene wie Grasdackel, Hornaffen und Neckargäns oder "Pomeranzen" ein paar unterhaltsame, gut recherchierte Zeilen wert.

Nach Astrid Schlupp-Melchingers "333 Entdeckungen" dürften nicht nur Touristen und Zugezogene sondern auch "Alteingesessene" neu verliebt sein und mit wachen Augen und offenem Herzen durch die Region streifen...

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Bewertung vom 22.09.2013
Rau und Romantisch
Grohe, Manfred

Rau und Romantisch


ausgezeichnet

Ja, sie ist rau und zeigt vor allem im Winter gern ihre eiskalte Schulter. Trotzdem: mit ihren Schlössern und Ruinen, Heidelandschaften und Obstwiesen, Mythen und Sagen ist die Schwäbische Alb auch unglaublich romantisch!

Für atemberaubende Ein- und Ausblicke müssen interessierte Liebhaber oft steile Anstiege bewältigen, sich mutig in Höhlen trauen, etwas kühleres Klima ertragen oder einfach zu Manfred Grohes neuem Bildband greifen: in "Rau und romantisch. Märchenhafte Bilder der Schwäbischen Alb" zeigt der Fotojournalist aus Kirchentellinsfurt die spröde schöne Landschaft nicht nur von völlig überraschenden Seiten sondern teilweise faszinierender als vor Ort.

Zumindest die Luftaufnahmen bieten Perspektiven, die auch dem hingebungsvollsten Wanderer verborgen bleiben: die Burg Hohenhollern etwa, wie sie mitten in einem Wolkenmeer thront, das Alb-Panorama bei Föhn mit Schweizer Gipfelketten im Hintergrund, ein Regenbogen-Idyll am Kornberg und in Münsingen drückt Grohe genau in dem Moment den Auslöser, als sich ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke bohrt und wie ein Bühnenspot den Truppenübungsplatz in Szene leuchtet.

Auch die weniger "erhabenen" Motive zeigen die Schwäbische Alb in ihrer einzigartigen Schönheit: ihre Blütenpracht im Frühling, "glühende" ehemalige Sommer-Vulkane, bunt belaubte Felshänge im Herbst oder die fast grafischen Frost- und Schneemuster der Landschaft im Winter. Auch rauschende Bäche, stille Wälder, Feldhasen sowie typische Alb-Blüten, Bienen und Falter waren Manfred Grohe einige traumhafte Aufnahmen wert.

Journalist und Kulturwissenschaftler Wolfgang Alber fasst die optischen Eindrücke jeweils in kurzen Infotexten zusammen. Ein kleiner, feiner Bildband zum Träumen und Schwärmen, ganz nebenbei auch noch zu einem zauberhaften Preis.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2013
Schönbuchrauschen
Weichold, Dietrich

Schönbuchrauschen


ausgezeichnet

Nein, der Begriff “Schönbuchrauschen” ist nicht zu hoch gegriffen: erst kürzlich wurde der im Winkel zwischen Herrenberg, Bebenhausen und Aichtal gelegene Naturpark bei einem Voting mit fast 60 Prozent aller abgegebenen Stimmen zum “Waldgebiet des Jahres 2014″ gewählt.

Segen oder Fluch? Es wird sich zeigen, ob das idyllische Wanderparadies künftigt von noch mehr Touristen regelrecht überrannt wird oder ob die Besucher die Schönheit des Naturparks zu schätzen und zu achten wissen.

Auch OW – kurz für: Otto Wolf – schätzt das Waldgebiet mit seinem reizvollen Naturmix aus großflächigen Wäldern, bunten Tal- und Streuobstwiesen, Moorgebieten, Fliessgewässern, Weinbergen, Alleen und Wildgehegen sowie seiner artenreichen Tierpopulation.

Eines morgens wird das Idyll allerdings empfindlich gestört, als OW während einer Radltour auf einer Bank einen toten Mann findet, der nachweislich nicht freiwillig aus dem Leben schied.

Damit bringt Kommissar Kupfers Freund mal wieder einen Fall ins Rollen, der Dietrich Weicholds Leser über 250 Seiten lang Rätsel aufgibt.

Motive für den Mord gibts einige in Weicholds neuem Krimi “Schönbuchrauschen”, aber erst kurz vor Ende fächert sich die ganze Geschichte ganz auf und zeigt vordergründig die hässlichen Fratzen von Gier und Rache.

Die Auflösung, wer und warum in “Schönbuchrauschen” so perfide wie dilettantisch mordet, überrascht am Ende also gleich zweimal, für Genugtuung ist trotzdem nicht gesorgt, denn Weichhold weicht das Gut-Böse-Schema im Lauf der Geschichte immer weiter auf, bis am Ende trotz aller Planung nur noch verzweifelter Affekt übrig bleibt. Und vor dem sind wir ja bekanntlich alle nicht ganz sicher. Oder doch?

Bewertung vom 11.09.2013
Lindner und die Tageslosung
Seibold, Jürgen

Lindner und die Tageslosung


ausgezeichnet

Als sich einige unabhängige Christen im 17. Jahrhundert nicht länger von der römischen Kirche bevormunden lassen wollten, ahnte niemand, dass sich diese religiöse Erweckungsbewegung in Baden-Württemberg besonders stark verwurzeln wird. Noch heute gelten das Ländle als Pietisten-Hochburg und die Anhänger der Bewegung als "sittenstreng und übertrieben prüde".

Böse Zungen sagen den Pietisten sogar "knechtische Gemütsart, beständige Ängstlichkeit und Selbstverachtung" nach, verbunden mit "Überhebung und krankhafter Frömmelei, überspannten und exzentrischen Gefühlen".

Einige dieser Eigenschaften besitzt auch der Serienmörder, durch den nicht nur Kommissar Stefan Lindner in seinem neuen Fall schwer in Bedrängnis kommt. Obwohl der Täter gänzlich pietätlos vorgeht, verankert er seine Greueltaten im pietistischen Umfeld und führt damit gleich mehrere Kriminaler auf eine kurvenreiche, blutige Fährte.

Für "Lindner und die Tageslosung" lässt Krimiautor Jürgen Seibold seinen Hauptdarsteller nicht nur auf einen auffällig abgebrühten Bösewicht los, sondern auch noch auf den früheren Kollegen Roeder, mit dem sich die Zusammenarbeit äußerst frustrierend gestaltet.

Als auch noch Mutter Lindner - eine eigentlich recht resolute und bodenständige Schwäbin - für eine Weile zum mysteriösen Problemfall wird, ist Maria Treidler, Lindners Kollegin und Liebhaberin der einzige Lichtblick in seinem Leben.

Gemeinsam mit Maria entwirrt Lindner die roten Fäden, die sich von Tatort zu Tatort spannen und folgt schließlich der richtigen Spur, um die Verbrechens-Serie zu beenden.

Nachdem so gut wie jeder Krimi mit einer erfolgreichen Fall-Lösung endet, ist damit sicher nicht zuviel verraten. Bis es allerdings soweit ist, präsentiert Seibold seinen - sensiblen - Lesern einige Schockmomente und ein mehr als spannendes Finale.

Alles in allem ein schön schauriger, gut recherchierter und dicht erzählter Baden-Württemberg-Krimi!

Bewertung vom 12.08.2013
Nougatherzen
Geiger, Ingrid

Nougatherzen


ausgezeichnet

m Dörfchen Neubach wird ein Unbekannter gefunden. Bei einem Unfall hat er sein Gedächtnis verloren und alles was Elly weiß: er hatte einen Zettel mit ihrer Adresse in der Tasche.

Aus Mitleid kümmert sie sich um den Namenlosen, den sie provisorisch Alexander nennt und der nach seinem Krankenhausaufenthalt bei Elly einzieht.

Der Neuzugang ruft nicht nur Ellys Töchter sondern auch Enkelin Pia auf den Plan. Befremdet beäugen sie den Neuzugang. Doch familiäres Misstrauen hält Elly nicht davon ab, ihren Mitbewohner von Tag zu Tag netter zu finden.

Und während Elly regelrecht aufblüht, verliebt sich Enkelin Pia Hals über Kopf – allerdings in den Falschen, wie Elly findet. Das Familienchaos ist perfekt!

Bei allem Trubel drängelt eine Frage immer bohrender: wer ist eigentlich der Unbekannte, der nicht nur gerne Poesie sondern auch zart schmelzende Schokolade verschenkt?

Wer’s wissen will: Autorin Ingrid Geiger lüftet das Geheimnis erst auf den letzten Seiten! Bis dahin gute Unterhaltung mit “Nougatherzen” aus dem Silberburg-Verlag.

Bewertung vom 12.08.2013
Maultaschen-Komplott
Seibold, Jürgen

Maultaschen-Komplott


ausgezeichnet

Immobilien sind in Stuttgart spätestens seit S21 ein heißes Thema und sogar Tinas und Ronalds Beziehung gerät deshalb in heftige Turbulenzen: durch den drohenden Verkauf des Blarer-Areals ist der Obdachlosentreff “Café Büchse” in Gefahr! Als ehrenamtliche Mitarbeiterin setzt Tina alles daran, das Café zu erhalten und erwartet von ihrem Freund natürlich Schützenhilfe. Vor allem, weil der vor gar nicht allzu langer Zeit als einer der gefürchtetsten Immo-Haie durch die Stadt tobte. Doch Ronald ziert sich und löst damit eine Beziehungskatastrophe aus, die sein Leben ganz schön durcheinander wirbelt.

Warum Ronald plötzlich die ungarische Küche entdeckt, sich mit neuen Freunden in Rotlicht-Bars rumtreibt, magische Zirkel, den Viertelestreff, auferstandene Honoratioren, mäßig erfolgreiche Schriftsteller und eine blinde Sängerin kennen lernt, erzählt Jürgen Seibold in seinem neuen Roman “Maultaschen-Komplott” mit Witz, Tempo, Liebe zum Detail und Insiderwisssen.

Und während sich Ronald perfekt getarnt seinen früheren Kollegen, Bankern und einem ausgebufften Schwesternpaar nähert, schafft es Herz-Schmerz-Tina innerhalb weniger Tagen in die Abend-Nachrichten und wird deshalb nicht nur stadtbekannt sondern gleichzeitig zur Gallionsfigur einer erbitterten Widerstandsaktion, von denen Stuttgart in den vergangenen Jahren so einige erlebte…

Ob Ronald mit seinem Husarenritt Tinas Herz zurück erobern kann, bleibt spannend, bis die letzten Seiten umgeblättert sind…

Stuttgart-Komödie für Romantiker, Rastlose und Reigschmeckte, die selbst alten Landeshaupstädtern ein paar neue Geheimmtipps offenbaren dürfte!