Benutzer
Benutzername: 
Magda
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 303 Bewertungen
Bewertung vom 10.06.2025
von der Groeben, Ulrike

Freiheit beginnt jetzt!


ausgezeichnet

Freiheit beginnt jetzt von Ulrike von der Groeben mit Anna Butterbrod – Tipps für den Start in den (Un-)Ruhestand ist eine Mischung aus Ratgeber für den Lebensabend und Autobiographie der ehemaligen RTL-Moderatorin. Ich fand das Buch sehr informativ und habe es gern gelesen.
Der Ratgeber ist in relativ kurze Kapitel unterteilt, über Der letzte Arbeitstag, Schluss mit Druck, Ferne Ziele und neue Horizonte, bis hin zu Gemeinsam statt einsam: Freundschaften im Alter. Am Ende jeden Kapitels ist ein Interview mit Expert*innen abgedruckt: Peter Kloeppel, einer Ruhestands-Coachin, einer Meditationstrainerin, Finanzexpertinnen, einer Auswanderungsberaterin und dem Sportwissenschaftler Prof. Froböse.
Mir haben Dr. Mahnes Top-Tipps für den Übergang in den Ruhestand sehr gut gefallen. Ich bin noch gut zehn Jahre von der Rente entfernt, habe jedoch schon einige Kolleg*innen in die Rente verabschiedet. Mit zwei habe ich noch regelmäßig Kontakt und freue mich, dass die beiden Tipp Nr. 3: „Kontakt halten mit Kollegen“ beherzigen.
Viele Rentner verbringen ihren Lebensabend außerhalb Deutschlands, an Platz 1 steht Spanien, gefolgt von Österreich und Italien. Die Auswanderungsberaterin Nina Treue vom Hamburger Raphaelswerk e.V. gibt hilfreiche Tipps zum Thema Auswandern, Krankenversicherung, Lebenshaltungskosten, Immobilienkauf und deutsche Communitys.
Auch der finanzielle Aspekt wird angesprochen, es ist nie zu spät, dafür Sorge zu tragen, die Rentenlücke zu schließen. Die Finanzexpertinnen und Chefredakteurinnen des Magazins „Finanzielle“ Astrid Zehbe und Daniela Meyer erklären den Unterschied zwischen Einzelaktien, Aktienfonds und ETFs.
In meinem Bekanntenkreis engagieren sich viele Rentner*innen ehrenamtlich. In Deutschland gibt es rund 450 Seniorenbüros, die Ehrenämter vermitteln: Bei der Telefonseelsorge, der Tafel Deutschland, Kinder- und Familienbetreuung, im Natur- und Umweltschutz und anderen.
Frau von der Groeben gibt viele private Informationen preis, so erfahren wir, dass sie seit über dreißig Jahren verheiratet ist und mit ihrem Mann, dem Sportkommentator Alexander von der Groeben zwei Kinder hat, die als Schauspieler bzw. Journalistin auch im Rampenlicht stehen.
Die Autorin erwähnt viele Prominente, die sie im Laufe ihrer fast vierzig Jahren bei RTL kennengelernt hatte. Mit Peter Kloeppel hat sie jahrzehntelang RTL Aktuell moderiert, für ihre Sportbeiträge war sie bei den Olympischen Spielen, der Formel Eins und vielen anderen Wettkämpfen.
Ich empfehle das Buch sehr gerne weiter, sowohl an Leser*innen, die an Tipps für die Gestaltung ihres Ruhestandes interessiert sind als auch an diejenigen, die sich für die Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse einer RTL-Moderatorin der ersten Stunde interessieren.

Bewertung vom 09.06.2025
Leciejewski, Barbara

Am Meer ist es schön


ausgezeichnet

Am Meer ist es schön von Barbara Leciejewski habe ich sehr gern gelesen. Die Autorin gehört zu meinen Lieblingsautorinnen, bisher konnten mich alle ihre Bücher begeistern, ganz besonders die Mühlbach-Saga, in der sie die Geschichte ihrer Großeltern erzählt.
München, 2018: Susannes Mutter Luise, 87, hat nicht mehr lange zu leben. Susanne informiert ihre Geschwister, die ihre Mutter nicht oft sehen und die Gelegenheit ergreifen sollten, sich von ihr zu verabschieden. Susanne und ihre Tochter Julia, 25, verbringen viele Stunden an Luises Bett, zunächst zu zweit und später zu viert mit Edith und Wolfgang.
Angesichts der Aufmerksamkeit und Zuwendung ihrer drei Kinder lebt die demenzkranke Luise auf, sie hat immer mehr wache Momente. Als sie sich bei Susanne entschuldigt, weiß diese sofort weswegen. Im Alter von neun Jahre wurde sie auf Empfehlung ihres Kinderarztes in ein Verschickungsheim an der Nordsee in Kur geschickt. Am Bett der Mutter erzählt Susanne von ihren traumatischen Erlebnissen im Sommer 1969. Bis heute hat sie Albträume und schreckt nachts schweißgebadet auf, wenn sie von der Erzieherin Tante Erna träumt.
St. Peter Ording, 1969: Bereits im Zug freundet sich Susi mit Moni, Rüdiger und dem kleinen Holger an. Im Kinderheim lernt sie den ein Jahr älteren Matti kennen. Matti ist bereits seit einigen Wochen im Heim und steht Susi mit Ratschlägen und hilfreichen Tipps zur Seite.
Bestrafung, Demütigung, Essenszwang und Misshandlung sind die im Heim angewandten Erziehungsmethoden. Nachts dürfen die Kinder nicht auf Toilette, sie müssen aufessen, um den Speisesaal verlassen zu dürfen. Wenn sie erbrechen, werden sie gezwungen, das Erbrochene aufzuessen. Größere Vergehen werden mit einer Nacht im Keller oder dem Stundenlangen Stehen auf einem Stuhl bestraft. Am meisten fürchten sich die Kinder davor, dass ihr Aufenthalt verlängert wird.
Ich habe der Aufdeckung von zwei Geheimnissen entgegengefiebert: Was ist damals passiert, das Susi so traumatisiert hat, dass sie sich an den Grund für das vorzeitige Ende ihres Aufenthaltes nicht erinnern kann und: Wer ist Julias Vater?
Fast noch schlimmer als die Misshandlungen in dem Verschickungsheim fand ich, dass Susis Eltern ihr nicht geglaubt haben, als sie nach ihrer Rückkehr die Zustände im Heim beschrieben hatte.
Neben den Verschickungsheimen ist das Thema Familie in dem Buch vorherrschend. So finden Susanne und ihre Geschwister nach Jahren der Entfremdung zueinander, und Julia erfährt, wer ihr Vater ist.
Mit dem Schicksal der Verschickungskinder hat die Autorin ein dunkles Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte behandelt, unfassbar, dass Kinder bis in die Achtziger Jahre hinein in Verschickungsheimen gedemütigt und misshandelt wurden.
Auch dieses Buch der Autorin habe ich mit großem Interesse gelesen und konnte es kaum aus der Hand legen. Von mir eine große Leseempfehlung.

Bewertung vom 06.06.2025
Cors, Benjamin

Aschesommer / Gruppe 4 ermittelt Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Aschesommer von Benjamin Cors steht Band 1 „Krähentage“ in nichts nach, auch den zweiten Fall für Gruppe 4 habe ich mit angehaltenem Atem verschlungen.
Jakob und Mila leiten die für Serienstraftaten zuständige Gruppe 4. In einer unterirdischen Kühlkammer wird ein erfrorenes Paar gefunden, an der Wand steht mit Asche geschrieben: „Das Sterben hat begonnen.“ Der Ermordete war Leiter des Instituts für Paläontologie, einer Wissenschaft, die sich mit der Erforschung der Erdgeschichte und der Evolution beschäftigt. Die Paläontologie war auch das Fachgebiet von Professor Jan-Christian Bode, der acht Jahre zuvor drei Menschen getötet hatte und seitdem Insasse einer Klinik für forensische Psychiatrie ist.
Im Gespräch mit einem Paläontologen erfährt die Ermittlungsgruppe, dass das Leben auf der Erde im Laufe von Millionen von Jahren bereits fünfmal ausgestorben ist. Die Eiszeit war die Ursache für das erste Sterben. Die Ursachen für die weiteren Sterben waren Sauerstoffmangel, Feuer, Wasser und Asche als Folge des Einschlags eines Asteroids „Über alles Leben legte sich damals eine dicke Ascheschicht.“ (S. 136)
Jakob und Mila führen mehrere Gespräche mit Bode, da sie auf seine Hilfe bei den Ermittlungen hoffen. Dieser amüsiert sich königlich über die Ratlosigkeit von Gruppe 4 und schlürft dabei seine genüsslich seine Espressi. Bode kennt Jakobs Schwachstelle und weiß, dass Mila es nie verwunden hatte, dass sie damals in Wien zwei kleine Mädchen nicht retten konnte.
Ich musste bei der Darstellung von Bode an Hannibal Lecter und Das Schweigen der Lämmer denken. Auch Bode sitzt in der Psychiatrie und manipuliert Menschen, die in seinem Auftrag und nach seinen Vorgaben töten.
Neben Jakob und Mila ist Lucy Chang, die IT-Spezialistin, meine Lieblingsermittlerin. Oberstaatsanwalt Sattmann zeigt sich von seiner menschlichen Seite. Ein neues Wort habe ich auch gelernt, denn wie der Finne Tuuru wusste ich nicht, was eine Abdeckerei ist :-;
Die Beschreibungen der Morde waren – wie schon in „Krähentage“ detailliert und heftig, nichts für Zartbesaitete. Die Auflösung war nicht vorhersehbar, der Spannungsbogen konstant bis hin zum grandiosen Finale. Über weitere Fälle für Gruppe 4 würde ich mich sehr freuen.

Bewertung vom 03.06.2025
Fuchs, Felicitas

Die Akte Schneeweiß


ausgezeichnet

Die Akte Schneeweiß von Felicitas Fuchs habe ich sehr gern gelesen. Die Autorin zählt zu meinen Lieblingsautorinnen, ich liebe ihre Mütter-Trilogie und die Krimis, die sie als Carla Berling geschrieben hatte.
Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen: In den Dreißigern und Vierzigern begleiten wir Mathilde Schneeweiß, in den Sechzigern und Siebzigern Katja und Heidi Schilling.
1936: Mathilde arbeitet als Fotolaborantin in einer Drogerie. Ihr jüdischer Chef beschließt auszuwandern und verkauft das Geschäft. Er vermittelt Mathilde eine Anstellung beim Frauenarzt Dr. Bönisch. Mathilde verliebt sich in den zwanzig Jahre älteren Arzt, die beiden wollen heiraten. Mathilde assistiert bei vielen Eingriffen, auch bei Schwangerschaftsabbrüchen, die Bönisch vornimmt, wenn die Frauen verzweifelt sind und keinen anderen Ausweg sehen.
1963: Katja, 14, lebt mit ihren Eltern und der kleinen Schwester Heidi in Bielefeld. Sie ist intelligent, wissbegierig und ehrgeizig und möchte Medizin studieren. Ihre Eltern sind nicht bereit, ihr das Studium zu finanzieren – sie soll heiraten, Kinder kriegen und Hausfrau werden, so wie das in ihrem Umfeld üblich ist. Nur in Opa Rudolf hat sie einen Verbündeten – bis er von einem Tag auf den anderen verschwindet. Niemand ist bereit, über den Opa und sein Verschwinden zu sprechen. Es dauert viele Jahre, bis sie herausbekommt, was geschehen ist.
Heidi interessiert sich für Mode und macht eine Lehre zur Einzelhandelskauffrau. Auch ihr Weg ist steinig, bereits im jungen Alter macht sie schlechte Erfahrungen mit einem Mann. Doch zum Glück steht ihr Katja zur Seite.
Katja schlägt ihrem Professor vor, eine Aufklärungskampagne zu starten. „Wir müssen allen Frauen Zugang zu Informationen über verschiedene Verhütungsmethoden ermöglichen und sie ermutigen, sich damit auseinanderzusetzen.“ (S. 229) Bis heute ist Paragraph 218 Gegenstand heftiger Debatten.
Die Autorin hat einen bildhaften, dialogreichen Schreibstil. Die Kapitel beschreiben abwechselnd das Leben von Mathilde vor und während des Krieges und das von Katja und Heidi zwischen 1963 und 1978. Lange habe ich gerätselt, wo die Verbindung zwischen den beiden Schwestern, Mathilde und Opa Rudolf ist. Das, was Mathilde und Rudolf widerfahren ist, hat mich sehr bewegt und zu Tränen gerührt. Sehr gern empfehle ich diesen Roman allen, die in die Geschichte einer westdeutschen Familie vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg eintauchen möchten.

Bewertung vom 01.06.2025
Kuhlmann, Stefan

Umweg zum Sommer


ausgezeichnet

Umweg zum Sommer ist der zweite Roman von Stefan Kuhlmann. Bereits bei „Herr Winter taut auf“ habe ich mich köstlich amüsiert, und auch bei diesem Roman habe ich oft gelacht über die Sticheleien zwischen Onkel und Neffe.
Vorneweg möchte ich auf die wunderbare Gestaltung der Hin- und Rückseite des Umschlags hinweisen. Vorne ist Martins und Karls Route von Berlin nach Portugal aufgezeichnet, hinten finden sich kurze Charakteristika der beiden Protagonisten: Karl, 12 und Martin, 49. Das bunte Cover mit den beiden Schattenfiguren passt hervorragend zu der herzerwärmenden Geschichte.
Martin ist Musiker, sein größter Erfolg mit dem Song „You don’t know me“ liegt bereits fünfundzwanzig Jahre zurück. Sein Manager bietet ihm an, bei einem Festival in Portugal für den Bassisten einzuspringen. Dummerweise hat er sich jedoch gerade bereit erklärt, auf seinen Neffen aufzupassen, solange dessen Mutter, Martins Schwester, wegen Burnouts in einer Klinik ist.
Martin beschließt, Karl bei seiner Oma am Bodensee zu lassen und anschließend mit dem Auto nach Portugal zu fahren. Doch Karl denkt nicht daran, auf eine Reise ans Meer zu verzichten und schafft es, unbemerkt in den Kofferraum zu schlüpfen. Wohl oder übel lässt Martin sich auf die Gesellschaft seines Neffen ein. Das Verhältnis der beiden ist nicht das beste, Karl gibt gerne altkluge Bemerkungen zu Martins Verhalten ab, was diesem gewaltig auf die Nerven geht.
Der erste Stopp ist in Nizza. Da Martin nur wenig Geld hat, will er möglichst nicht in Hotels übernachten, sondern bei seinen Verflossenen, von denen einige praktischerweise auf ihrer Reiseroute wohnen. Der Besuch bei Carole verläuft nicht sehr harmonisch, besser läuft es in Roquetas de Mar.
Ich fand den Roadtrip des ungleichen Paares sehr amüsant und abenteuerlich. Sie entdecken, dass ihr Musikgeschmack nicht so sehr voneinander abweicht wie zuerst gedacht, und dass auch aus Karl ein Musiker werden könnte. Karl verliebt sich und hilft einem jungen Flüchtling aus der Patsche.
Sehr gut gefallen hat mir die Nebenhandlung mit Martins Mutter, zu der er bisher kaum Kontakt hatte. In Porto kommen sie sich wieder näher, und Martin sieht das Leben auch mal aus ihrer Perspektive – der einen allein lebenden Witwe.
Der Autor nimmt uns mit auf die Reise nach Nizza, Fréjus, Tarragona, Roquetas de Mar und Porto – ich habe mich sehr über ein Wiedersehen mit Orten gefreut, die ich entweder bereits bereist habe oder die ich gerne noch besuchen möchte.
Beim Lesen habe ich oft laut gelacht, besonders in Situationen, wenn Martin von seiner Schwester angerufen wurde, und diese nicht wissen durfte, dass er mit Karl auf dem Weg nach Portugal ist.
Sehr gern empfehle ich den amüsanten und oft tiefsinnigen Roman weiter.

Bewertung vom 25.05.2025
Buck, Vera

Der dunkle Sommer


ausgezeichnet

Der dunkle Sommer von Vera Buck ist ihr dritter Thriller und auch der dritte, den ich von ihr gelesen habe. Auch dieses Buch hat meine Erwartungen mehr als erfüllt, ich habe ihn mit angehaltenem Atem verschlungen.
Zuerst hatte ich aufgrund der vielen Charaktere und zwei Zeitebenen etwas Schwierigkeiten, in die Handlung reinzukommen, doch bereits nach wenigen Kapiteln hat mich die Handlung gepackt, und ich konnte nicht mehr mit dem Lesen aufhören.
Nach dem Tod ihres Vaters findet die Architektin Tilda auf seinem Schreibtisch einen Artikel, in dem über das Dorf Botigalli auf Sardinien berichtet wird, wo Häuser für einen Euro verkauft werden. Spontan entschließt sie sich, Deutschland zu verlassen und ein Haus in Botigalli zu kaufen, es zu renovieren und dort einzuziehen.
Enzo ist Journalist, er schreibt ein Buch über die Geschichte von Botigalli. Silvio diNardo ist einer der wenigen Überlebenden des Massakers von 1982. Er lebt nach wie vor in dem Dorf und steht an guten Tagen für Enzos Fragen zur Verfügung, an anderen lässt er ihn eiskalt abblitzen.
1982: Franca, 17, macht eines Nachts eine seltsame Beobachtung, der sie nachgehen will. Bei ihren Nachforschungen gerät sie mit den Männern des Dorfes aneinander und gerät in Lebensgefahr.
Die Kapitel sind abwechselnd aus der Perspektive von Tilda, Enzo und Franca geschrieben und enden stets mit einem Cliffhanger. Die in den Achtzigern in Sardinien angewandten Entführungspraktiken haben mir Gänsehaut beschert, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Entführungen tatsächlich stattgefunden haben und die Beschreibungen auf Befragungen von Opfern und Tätern beruhen. Unfassbar fand ich die Macht des Patriarchats, die Männer hatten die alleinige Macht über die Frauen des Dorfes, deren Daseinsberechtigung sich auf Haushalt und Kinder beschränkte.
Zum ersten Mal habe ich vom Gesetz des matrimonio riparatore, der „reparierenden Ehe“ erfahren – die Ehre einer vergewaltigten Frau wird wiederhergestellt, indem sie von ihrem Vergewaltiger geheiratet wird.
Die Auflösung und die Geschichte von Enzo und Tilda habe ich nicht vorhergesehen und an keiner Stelle vermutet. Gerne spreche ich eine Leseempfehlung für diesen spannenden Thriller mit Gänsehautfaktor aus.

Bewertung vom 25.05.2025
Labba, Elin Anna

Das Echo der Sommer


sehr gut

Das Echo der Sommer ist der atmosphärische Debütroman von Elin Anna Labba, der im Zeitraum zwischen 1942 und 1979 in Lappland spielt.
1942: Die dreizehnjährige Ingá gehört dem indigenen Volk der Samen an. Im Sommer lebt sie mit ihrer Mutter Rávdná und deren Schwester Ánne in einer Kote an einem großen See. Im Herbst ziehen sie in einer großen Gruppe mit ihren Rentieren ins Winterland.
Eines Sommers müssen sie feststellen, dass ein Staudamm gebaut wurde und ihnen kaum noch Platz zum Leben bleibt.
Die Autorin beschreibt das einfache Leben der drei samischen Frauen. Seit dem Tod von Rávdnás Mann besitzen sie keine Rentiere mehr und leben vom Fischfang und dem Verkauf von Moltebeeren und Kunsthandwerk. In dem Sommer 1942 arbeitet Ingá als Dienstmädchen bei einer Verwandten.
Rávdná hat einen Traum: Sie möchte nicht in einer Kote, sondern in einem richtigen Haus leben, mit Fenstern, einem Dielenboden und einem Ofen. Doch die Behörden verweigern ihr die Baugenehmigung, die Lappen sollen Nomaden bleiben und nicht in festen Häusern wohnen. „Der Staat hält es für das Beste, wenn die Lappen ihr ursprüngliches Leben beibehalten und weiter mit ihren Rentierherden umherziehen. Die natürlichen Eigenschaften der Lappen sind für die Sesshaftigkeit nicht geeignet.“ (S. 84)
1969: Der Staudamm wurde kontinuierlich erhöht, und ein Wasserkraftwerk ist am See errichtet worden. Ingá ist mittlerweile vierzig Jahre alt, ihre Mutter und sie trauern immer noch um Ánne, die viele Jahre zuvor gestorben ist. Ingá arbeitet als Putzkraft im Elektrizitätswerk. Die Lappen, mit Rávdná an der Spitze, protestieren gegen das Staudammprojekt.
1979: Rávdná ist über siebzig und lebt in einem Altenheim. Die Lappen haben ihren Kampf gegen das Staudammprojekt verloren, sie wurden mit lächerlich kleinen Entschädigungen abgespeist.
Es war interessant, viel über das Leben der Lappen zu erfahren. Es hat mich sehr traurig gestimmt, dass ihnen der Wohnraum genommen wurde.
Die Autorin hat mich in die wunderschöne Natur Lapplands versetzt. Das Buch ist sehr atmosphärisch, der Schreibstil poetisch, doch für meinen Geschmack oft zu ausschweifend. Es passiert nur wenig, und über allem schwebt eine traurige Grundstimmung. Die Frauen reden nicht viel, auf den 450 Seiten finden sich nur wenige Dialoge und diese sind voll mit samischen Ausdrücken, die nicht übersetzt wurden. Ein Buch für diejenigen, die sich gern in Naturbeschreibungen verlieren und Gedichte mögen, von denen einige zwischen den Kapiteln abgedruckt sind.

Bewertung vom 20.05.2025
Mommsen, Janne

Das Licht in den Wellen


ausgezeichnet

Das Licht in den Wellen von Janne Mommsen ist das erste Buch, das ich von dem Autor gelesen habe, aber ganz bestimmt nicht das letzte. Der Roman, der auf der Insel Föhr und in New York spielt, war für mich ein Highlight!
Die Rahmenhandlung spielt sich an Bord eines Kreuzfahrtschiffes auf dem Weg von Hamburg nach New York ab. Die fast hundertjährige Friesin Inge möchte noch einmal die Stadt sehen, in der sie viele Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Urenkelin Swantje begleitet sie und nutzt die Reise für Aufzeichnungen über die aufregende und ereignisreiche Vergangenheit ihrer Uroma.
1947 ging die 24jährige Inge an Bord der „Uthlande“. Sie wollte für ein paar Monate weg aus Föhr, den Grund dafür erfahren wir erst am Ende des Buches. An Bord des Schiffes lernt sie die gleichaltrige Karolina kennen, die zu ihrer besten Freundin wird.
In New York bekommt Inge eine Anstellung im Deli des friesischen Einwanderers Gerd Jessen. In seinem Feinkostgeschäft arbeiten fast nur Friesen, die schon lange in New York leben. Neben Englisch wird Fering gesprochen, so dass Inge sich gleich heimisch fühlt.
Mehrmals schiebt sie ihre Rückreise nach Föhr auf. Dann lernt sie Hauke kennen, der ebenfalls aus Föhr stammt. Die beiden heiraten und pachten auf Long Island ein Restaurant, sie bekommen einen Sohn und schaffen es nur selten, ihre alte Heimat zu besuchen.
Inges Restaurant ist sehr erfolgreich, „Inges magic potatoe salad“ wird zum Kassenschlager, zu ihren Gästen zählen Stars und Sternchen, einmal darf sie sogar John F. Kennedy bekochen.
Die Verbindung zu Föhr reißt in den Jahren in New York nicht ab, die New Yorker Friesen feiern zusammen Silvester, gehen zur alljährlichen Steubenparade und treffen sich regelmäßig im Plattduetschen Park Restaurant. Der Föhr-Amrumer Unterstützungsverein hilft Friesen in Not.
Ende der Siebziger Jahre folgt ein Unglück dem anderen, und Inge entschließt sich zur Rückkehr nach Föhr. Doch ihr Herz hängt an New York und ihren New Yorker Freunden Karolina und Giovanni.
Ich fand es sehr spannend, Inges Leben in New York zu verfolgen, den wahr gewordenen American Dream.
Wir erfahren auch einiges über das Leben auf Föhr, mit den Gezeiten, den reetgedeckten Häusern und dem nordfriesischen Dialekt. Janne Mommsen schreibt atmosphärisch und berührend und konnte mich mit seinem New York/Föhr-Familienroman absolut begeistern.
Ich freue mich schon auf die Fortsetzung, die nächstes Jahr erscheinen soll und darauf zu erfahren, wie Inges Leben ab 1978 bis heute verlaufen ist.

Bewertung vom 12.05.2025
Nikolai, Maria

Der Duft der Neuen Welt / Little Germany Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Little Germany, der Duft der Neuen Welt von Maria Nikolai ist der Auftakt einer New York-Dilogie und spielt Anfang des 20. Jahrhunderts. Von der Autorin habe ich bereits die Bodensee-Saga sehr gern gelesen, auch mit ihrem neuen Roman konnte sie mich begeistern.
Stuttgart, 1901: Lissi arbeitet als Dienstmädchen bei der Industriellenfamilie Wagner. Sie gibt den Avancen des jüngsten Sohnes nach und wird schwanger, woraufhin seine Mutter ihr fristlos kündigt. Lissi ergattert eine Schiffspassage nach New York.
Bereits in Bremerhaven vor der Einschiffung lernt sie Julia kennen. Diese möchte ein neues Leben ohne ihren Ehemann Frederick von Varell beginnen. Sie fühlt sich gefangen in ihrer arrangierten Ehe.
Der Schiffsarzt Tobias Frey betreut Lissi vor und nach der Geburt ihrer kleinen Tochter Aurelia. Toby sucht in Amerika das Abenteuer, er möchte das Land bereisen und Land und Leute erleben.
Die beiden jungen Frau freunden sich an und finden in New York bald eine Anstellung in einer Bäckerei. Schon bald werden ihre schwäbischen Brezeln auch außerhalb von „Little Germany“, dem von Deutschstämmigen bewohnten Viertel auf der Lower East Side, berühmt.
Zu den Nebencharakteren zählen der junge Italiener Giovanni und sein spanischer Freund Bernardo. Die beiden arbeiten für Nonna Antonella, die mit kleinen Gaunereien ihr Einkommen aus einem Lebensmittelgeschäft aufbessert.
Das Buch endet mit einer Katastrophe: Dem Untergang des Raddampfers General Slocum auf dem East River am 15. Juni 1904. An Bord waren mehr als tausend Mitglieder der deutsch-amerikanischen Gemeinde, die meisten sind umgekommen, da die Schwimmwesten nicht funktionstüchtig, die Rettungsboote mit dem Schiffsrumpf verklebt waren, und die Menschen in Panik ins Wasser gesprungen und ertrunken sind. Der Untergang der General Slocum gilt als das größte zivile Schiffsunglück in den USA und die schwerste Katastrophe in der Geschichte New Yorks vor 9/11.
Der Roman enthält ein knapp fünfzigseitiges Nachwort mit einem Personenverzeichnis, unterteilt nach fiktiven und realen Personen, den historischen Hintergründen, einem Glossar und last but not least mehreren Rezepten. So können Laugen- und Zuckerbrezeln und die Torte della Nonna Antonella nachgebacken werden.
Die Autorin hat es geschafft, Wahrheit und Fiktion meisterhaft miteinander zu verknüpfen. Sie hat mich ins New York des beginnenden 20. Jahrhunderts versetzt, wo ich mit Lissi und Julia gebacken, geliebt und geweint habe. Es gibt sehr viele Nebencharaktere, die authentisch und sympathisch sind - bis auf die Kriminellen rund um Paul Kelly, einem der ersten Unterweltbosse in New York. Es passiert so viel, dass trotz des stattlichen Umfangs von 580 Seiten keine Langeweile aufkommt. Ich freue mich schon auf Band 2 und ein Wiedersehen mit New York und seinen Bewohner*innen, die ich ins Herz geschlossen habe.

Bewertung vom 10.05.2025
Höflich, Sarah

Maikäferjahre


ausgezeichnet

Maikäferjahre ist mein erstes Buch von Sarah Höflich. Der historische Roman hat mich begeistert und tief berührt.
Dresden, 1944: Anni lebt mit ihrer neugeborenen Tochter Clara bei ihren Eltern. Ihr Vater Gottlieb ist Violinist bei der Sächsischen Staatskapelle, der älteste Sohn Siegfried ist gefallen, Annis Zwillingsbruder Tristan und ihr Mann Fritz kämpfen beide an der Front.
Gottlieb versteckt unter Einsatz seines Lebens den jungen halbjüdischen Geiger Adam Loewe. Im Februar 1945, als Dresden in einer Nacht fast vollständig zerbombt wird, schafft Anni es mit Adams Hilfe, dem Inferno zu entkommen. Mit der neun Monate alten Clara und Gottliebs Geige, einer Guarneri, brechen die Drei zu einer Odyssee durch das zerstörte Europa auf. „Amerikaner, Deutsche, Tschechen, Russen – sie alle verfolgten ihre eigenen Ziele. Und dazwischen mäanderten Millionen von Flüchtlingen unterschiedlichster Herkunft.“ (S. 165)
Währenddessen stürzt Tristan mit seinem Flugzeug in England ab. Im Krankenhaus in Portsmouth verliebt er sich in die Krankenschwester Rosalie. Ihre Liebe stößt von allen Seiten auf Widerstand. Die Situation eskaliert, als Rosalies Bruder verwundet aus dem Krieg heimkehrt, er duldet keinen „kraut“ in seiner Familie. Doch Rosalie kämpft um ihre Liebe. Ihr Vater beschafft Tristan eine Anstellung auf der Isle of Wight, wo sich die beiden regelmäßig treffen können.
Die Kapitel erzählen abwechselnd von Annis und Adams Reise von Dresden über Karlsbad, Bayreuth und München bis nach Tirol und Tristans Leben in Portsmouth und auf der Isle of Wight. Anni muss sich mehrfach sexueller Übergriffe erwehren, Adam wird mit Antisemitismus konfrontiert. Tristans Leben in England ist direkt nach Kriegsende von Deutschfeindlichkeit geprägt, was nicht verwunderlich ist. Es gibt nur wenige, die Tristan unterstützen, so wie Reverend Thomas: „Nur die Sieger, die fähig sind, ihre einstigen Feinde zu umarmen, haben ihren Sieg wirklich verdient.“ (S. 230)
Maikäferjahre hat mich berührt und gefesselt, voller Spannung habe ich Annis und Adams und Tristans und Rosalies Geschichte verfolgt. Das Buch endet in Tirol mit einem überraschenden Twist, der nach einer Fortsetzung schreit. Von mir eine große Leseempfehlung für alle, nicht nur für Leser*innen von historischen Romanen.