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Top-Rezensenten Übersicht

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Sonja
Wohnort: 
Kassel

Bewertungen

Insgesamt 35 Bewertungen
Bewertung vom 03.04.2022
Der große Fehler
Lee, Jonathan

Der große Fehler


ausgezeichnet

Das Cover des Buches ist selten der Grund, es auszuwählen. In diesem Fall ist der Elefant mit Straßenraster auf weißem Hintergrund so ausdrucksstark, dass er alleine schon Grund genug wäre, das Buch zu wählen.
Mit der Geschichte hat der Elefant nur wirklich am Rand zu tun, die Erzählung nach konrektem Vorbild blickt in das Leben von Andrew Green zurück, der die Geschichte und städtebauliche Entwicklung von New York maßgeblich mitgeprägt hat. Auf zwei Ebenen findet die Erzählung statt - zum einen nach der Ermordung von Andrew Green, der auf offener Straße erschossen wurde, zum anderen wird sein Werdegang von seiner - armen - Kindheit an erzählt.
Die Sprache ist elegant, aber nicht zu historisierend, die Erzählfluss aufgrund der verschiedenen Ebenen etwas sprunghaft. Persönlich hat mir der Rückblick auf den Werdegang von Andrew Green deutlich besser gefallen, da seine Entwicklung, aber auch innere und äußere Widerstände gut nachvollzogen werden können. Die Ermittlungen zu dem Mord wirken da eher unzusammenhängend und zufällig.
Nicht passend finde ich allerdings den Titel, da mir eigentlich nicht klar ist, was der "große Fehler" eigentlich war - einer von Andrew Green oder der seines Mörders. Davon unabhängig ist es ein durchaus lesenswertes Buch, das einem die Stadt New York deutlich näher bringt.

Bewertung vom 01.01.2022
Mädchenmeuterei
Fuchs, Kirsten

Mädchenmeuterei


ausgezeichnet

Zugegeben, ich bin nicht gerade die Zielgruppe für das neue Buch von Kirsten Fuchs - eigentlich viel zu alt für ein Jugendbuch -, aber ich habe auch schon die "Mädchenmeute" mit großem Vergnügen gelesen, insofern stand die Fortsetzung schnell auf der Wunschliste.
Wieder begleitet Kirsten Fuchs die Truppe Mädchen auf einem vollkommen irren Abenteuer, diesmal ohne Bea, die verschwunden ist und aufgrund von mysteriösen Nachrichten gerettet werden soll. Es geht aufs Containerschiff, natürlich ohne Kenntnis der Eltern, aber mit genug Geld ausgestattet. Schnell stellt sich heraus, das so eine Reise keineswegs romantisch ist, auch auf Schiffen gibt es Arschlöcher und merkwürdige Gegebenheiten, die Fantasie und Naivität der Mädels kommt noch erschwerend hinzu.
Sprachlich finde ich das Buch toll zu lesen - die Protagonisten erzählt die Geschichte aus ihrer Sicht, jugendlich bildhaft, rauh und direkt. Da Charlotte aber gleichzeitig auch sehr zurückhaltend ist (abgesehen von der ein oder anderen wagemutigen Idee), lässt sie die Leser*innen deutlich in ihre inneren Überlegungen und Konflikte schauen, man darf miterleben, wie sie und ihre Freundinnen auch in dieser Geschichte an sich wachsen, eigene Fehler erkennen und eigene Grenzen überschreiten.
Dennoch ist das Buch am Ende doch sehr dick, es gibt die ein oder andere Länge, die für jugendliche Leser*innen durchaus eine Hürde sein könnte. Und: aus Erwachsenensicht sind die Ausgangsfragen für die Geschichte am Ende doch eher "niedlich" - wenn man sich vorstellt, mit welchen Fragen sich Jugendliche heute auseinandersetzen, hätte die Autorin hier auch mutiger sein können. Insgesamt aber ein sehr lesenswertes Buch!

Bewertung vom 13.11.2021
Wie schön wir waren
Mbue, Imbolo

Wie schön wir waren


sehr gut

"Wie schön wir waren" von Imbolo Mbue beginnt packend und kraftvoll: wie sich das Dorf Kosawa durch einen Impuls entscheidet, dem Ölkonzern die Stirn zu bieten, welche Macht hier zu entstehen scheint, ist beeindruckend.
Aus unterschiedlichen Perspektiven aus dem Dorf wird nachfolgend die Geschichte erzählt - wie versucht wird, sich gegen Konzern und Regierung zu wehren, was dieser Kampf (nicht) bewirkt und wie die Menschen ihren Umgang damit finden, ist durchaus lesenswert. Die Sprache der Erzählung ist klar und schön, unterscheidet sich zwischen den einzelnen Perspektiven jedoch kaum - auch wenn hier sehr unterschiedliche Generationen berichten.
Im Verlauf des Buches schleichen sich dann jedoch Wiederholungen ein, es entwickeln sich Längen, da die Erzählungen von zahlreichen Rückblicken getragen werden. Und man mag manchmal gar nicht weiterlesen, so hoffnungslos sind die Bemühungen, so hilflos sind die Menschen. Gewalt ist dann das letzte Mittel der Bedrängten, mit Gewalt werden letztlich die Konflikte von oben gelöst. Bildung und Recht tragen nicht zur Befreiung bei. Insofern war es für mich am Ende ein deprimierendes Buch, das den fulminanten Beginn leider nicht einlösen konnte.

Bewertung vom 10.11.2021
Fanzi
Schmidauer, Elisabeth

Fanzi


gut

„Mit Worten habe der Dichter die Welt beschworen. (…) Shakespeare habe für das Volk geschrieben und das Volk kannte die Pflanzen, von denen er schrieb und es kannte alles das, was er den Pflanzen zuschrieb (…) und ihre magische Wirkung.
„Im Gegensatz zu uns“, sagte er (…) Uns entgehe doch diese magische, zauberische und gleichzeitig sehr reale Ebene fast vollständig.
„Nur das Wortgeklingel“ und das meine er nicht abwertend! – nur das Wortgeklingel trage noch diesen Zauber mit, aber was darunterliege, eine Tiefe der Bedeutungen und Weisheit auch und Kenntnis dessen, was einen umgab, (…) das müsse das heutige Publikum sich hart erarbeiten.“ (S. 147)
Dieses Zitat erschließt sich dem Leser dieser Rezension sicher nicht ohne Weiteres.
Doch es lässt, so meine ich, drei bemerkenswerte Charakteristika dieses Buches aufscheinen.
Erstens ist es geprägt durch eine sehr eigene, mal eindringlich-mitnehmende, mal ratlos-zurücklassende Sprache. Satzbau und Interpunktion sind sehr eigenwillig.
Zweitens erweckt die Autorin nicht nur in der zitierten Passage den Eindruck, dass Sie selbst beim Schreiben um „eine Tiefe der Bedeutungen und Weisheit“ ringt – vielleicht um sich mit Skakespeare zu messen.

Drittens liest sich das Buch nicht wie ein Roman; eher wirkt es wie eine Aneinanderreihung aufsteigender Erinnerungsbilder – möglicherweise formuliert bei der Betrachtung von Familienfotos aus weit zurückliegenden, meist schweren Zeiten.

In Letzterem liegt die durchaus eindrucksvolle Qualität des Buches: Durch die eindringliche Beschreibung ausgewählter Situationen – fast vergessener Fotos – erhält der Leser intensive Einblicke in das aufreibende Leben gerne verdrängter Zeiten:
„Statt eines Begräbnisses gab es eine Trauerfeier vor dem leeren Grab. In fremder Erde, sagte der Pfarrer, und Franz wusste nicht, wie er sich fremde Erde denken sollte, und der Gedanke überfiel ihn, wie denn die Brüder gestorben waren, erschlagen, erschossen, verbrannt, ihre armen zerfetzten Körper. Wenn das Vaterland, sagte der Bürgermeister, solche Söhne hatte, die ihr junges Leben opferten, für einen großen, einen heiligen Zweck; dass das Opfer nicht umsonst war, sagte der Lehrer, heiliges Blutopfer; Gott sei ihrer Seele gnädig, sagte der Pfarrer.“ (S. 165 f)

Bewertung vom 15.10.2021
Betongold
Weber, Tanja

Betongold


gut

Gemächlich geht sie dahin, die Geschichte von den drei Münchner Freunden, von denen einer ermordet in seiner eigenen Baugrube liegt. Die Sprache mit bayrischer Färbung, passiert in dem Buch eigentlich nicht viel.
Der Protagonist macht sich - eigentlich schon in Rente - auf die Suche nach dem Mörder seines (ehemaligen) Freundes und versucht sogleich durch Rückblicke herauszufinden, wieso dieser so geworden ist, wie er zuletzt war. Der dritte Freund im Bunde ist immer ein Ansprechpartner, bringt die Geschichte aber kaum voran.
Interessiert hat mich, wie die Immobilienspekulation in den Krimi verwoben wird. Hier werden im Laufe der Geschichte durchaus Einblicke gegeben, die mutmaßlich durchaus realistisch sind - von Geklüngel mit der Stadtverwaltung über finanziellen Druck bis hin zu gegenseitiger Vorteilsnahme. Nahe gehen einem diese Informationen letztlich aber auch nicht: Sie fließen wie die ganze Geschichte dahin, bis man am Ende nicht mehr weiß, wer da eigentlich mit wem....

Bewertung vom 15.10.2021
Ran an die Fritteuse - Draußen frittieren
Vössing, Su

Ran an die Fritteuse - Draußen frittieren


sehr gut

Gleich vorab: eine Friteuse besitze ich nicht! Aber ich lese sehr gerne Kochbücher und koche auch gerne. Das Buch "Ran an die Friteuse" von Su Vössing geht davon aus, dass Frittieren mehr Spass macht, wenn man es draußen ermöglicht. Von den praktischen Tipps, wie man das umsetzen kann, kann man das Buch selbsverständlich aber auch zum "drinnen frittieren" nutzen.
Zu Beginn stehen einleitende Worte, die erfreulich klar sind: was ist bei der Fettqualität zu beachten? Wieso ist die genaue Temeperatur wichtig? Welche Ausrüstung ist notwendig? Klar und prägnant formuliert, kann man sich dieses Wissen schnell aneignen. Direkt danach das Rezept für perfekte Pommes - nicht einfach mal schnell erledigt, aber jeder Schritt gut erklärt (mangels Friteuse fehlt der Live-Check...)
Dann kommt der umfangreiche Rezeptteil: auch hier die Rezepte strukturiert erklärt, nicht nur das Fritierte, sondern auch die Beilagen und weiteren Speisen. Dieses von den Basics, üebr Gemüse, Fleisch, viel Fisch bis hin zu den Süssspeisen. Gute Fotos machen Appetit auf das Nachkochen!
Gewünscht hätte ich mir allerdings hier und da eine kleine Einführung zu den Rezepten: Wieso heißen die Nirvanaballen so? Was ist "Bonito"? Was ist das Besondere an den Rezepten?
Und eine Frage, die mich als Ofenbäckerin auch beschäftigt: Warum backt man Brötchen in der Friteuse? Sicher, die frittierte Kruste lässt sich im Ofen in dieser Form nicht herstellen, die Krume, die auf den Bilder zu sehen ist, erscheint mir aber nicht abschließend attraktiv...
Dies sind aber nur kleine Wermutstropfen: Wer Lust an Fritiertem hat (und vielleicht sogar eine Friteuse), für den gibt dieses Buch einen guten Überblick, über das, was möglich ist - und welche Vielfalt frittieren eigentlich bietet.

Bewertung vom 18.09.2021
Was bleibt, wenn wir sterben
Brown, Louise

Was bleibt, wenn wir sterben


sehr gut

„Ich möchte offener über den Tod reden. Und ich wünschte mir, dass mehr Menschen das tun würden. Denn auch wenn ich mich wiederhole: Der Tod gehört zu unserem Leben und zu unserem Alltag." (S. 212)

Durch den relativ unerwarteten Tod ihrer Eltern, die sie im Abstand von nur drei Monaten beerdigen musste, ist die Autorin letztlich zu dem Entschluss gekommen, Trauerrednerin zu werden – und zu der zitierten grundlegenden Einsicht.

In zahlreichen Szenen aus dem eigenen Leben und dem anderer Trauernden lässt sie anschaulich, manchmal regelrecht greifbar werden, was es heißt, dass der Tod zum Leben gehört, dass Sterben und Trauern Teil, nicht Gegenteil, des Lebens sind.

Mit persönlichen, mitunter zärtlich anmutenden Schilderungen, lädt die Autorin dazu ein, dass Leben in seiner Endlichkeit und in seiner Fülle wahrzunehmen. Und sie konstatiert, dass zur Trauer auch Freude gehört, „dass man sowohl als Trauernder als auch als Sterbender lächeln oder gar lachen darf.“ (S. 51)

In diesem Sinne ein durchaus empfehlenswertes Buch, insbesondere für Menschen, die sich erstmals persönlich mit Sterben und Trauer konfrontiert sehen.

Ein wenig irritierend ist lediglich, dass die Einteilung und Benennung der Kapitel kaum nachvollziehbar ist und somit eher unnötig erscheint.

Bewertung vom 25.08.2021
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


ausgezeichnet

Ein besonderes Buch hat Stefanie vor Schulte da geschrieben: Es handelt irgendwann im Mittelalter, Zeit und Ort sind aber kaum von Bedeutung. Die Menschen sind schlicht, nur dieser Junge Martin sieht und versteht mehr als die Meisten. Und er fühlt mehr, insbesondere hat er ein gutes Gespür für das Unrecht, das geschieht. Die eigene Familie ist tot, daher sucht er sich andere Menschen, die ihm das Leben lehren. Früh hat er auch schon seine Lebensaufgabe gefunden, die er beharrlich gegen alle Widerstände und trotz aller Verluste verfolgt. Und dann hat er noch seinen Hahn, einen treuen Begleiter, der ihn in der Not wieder auf den rechten Weg bringt.
Aufgebaut wie ein Märchen, in einer klaren, trotz der beschriebenen Grausamkeiten heiteren Sprache geht die Geschichte ihren Weg - kleine Zeitsprünge und Ungenauigkeiten nimmt man gerne hin. Früh wird deutlich, dass man sich diesem Martin anvertrauen kann, so sehr trägt er das Gute in sich. Ein schönes, ein berührendes Buch, das man gerne weiterempfiehlt!

Bewertung vom 14.08.2021
Die Überlebenden
Schulman, Alex

Die Überlebenden


ausgezeichnet

In einer klaren Sprache und einem feinsinnigen Aufbau erzählt Axel Schulman eine Familiengeschichte auf zwei zeitlichen Ebenen - eine davon entwickelt sich in umgekehrter Reihenfolge. Die Dramatik der Geschichte offenbart sich erst nach und nach und wird erst in den letzten Kapiteln wirklich deutlich, von Beginn des Buches an setzt aber ein diffuses Unbehagen bei den Schilderungen aus der Familie ein, das einen zurecht bis zum Ende nicht mehr verlässt.

Dabei begleitet man die Familie des Protagonisten Benjamin insbesondere an ihrem Ferienhaus in Schweden, in Episoden werden die Ereignisse aus den vergangenen Sommern erzählt. Die insgesamt drei Brüder halten einerseits zusammen, finden meist gemeinsam einen Weg, mit ihren Eltern umzugehen, andererseits sind sie aber doch zu verschieden, um Krisen als Team zu bewältigen - was sich dann auch in dem aktuellen Erzählstrang im Umgang miteinander zeigt.

Das Buch ist sehr berührend, spätestens am Ende, wenn sich die Episoden puzzleartig zusammenfügen, viele Begebenheiten des Buches einen neuen Sinn bekommen. Gleichzeitig ist dies auch ein kleiner Kritikpunkt: nach dem Ende müsste man das Buch eigentlich nochmal lesen, um sich die Abfolge der Ereignisse nochmal zu vergegenwärtigen, während des Buches besteht hierzu kaum eine Chance. Und nochmal durchgeblättert stellt man fest, dass es viele Erklärungen für das Verhalten aller Beteiligten nach den dramatischen Ereignissen gibt, aber nur wenige dafür, warum schon vor diesen Ereignissen das Unbehagen in die Familie eingezogen war. Dennoch ein sehr empfehlenswertes Buch!

Bewertung vom 07.08.2021
Mein Sternzeichen ist der Regenbogen
Schami, Rafik

Mein Sternzeichen ist der Regenbogen


weniger gut

„Mein Sternzeichen ist der Regenbogen“ von Rafik Schami ist ein Buch, das man gerne in die Hand nimmt: Der ungewöhnliche Titel und der farbenfrohe Umschlag (Gestaltung: Peter-Andreas Hassiepen) wirken wie lockende Stimmen aus dem Reich des Fabulierens. Und tatsächlich: Einige Protagonisten scheinen, den Leser bei der Hand zu nehmen, mit in ihre eigene Welt, irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit.

Manchmal, in einer kleinen Lesepause, fragt man sich dann unwillkürlich: Bin ich denn wirklich sicher, wann ich geboren bin und welches mein Sternzeichen ist? Oder: Habe ich gerade mit der Witwe Amar und ihrem Geist getanzt oder mit den misstrauischen Nachbarn durch das Fenster zugeschaut?

Dieses träumerische Nachspüren, diese Aufenthalte im Reich des Fabulierens werden leider immer wieder unterbrochen durch den Autoren selbst: Rafik Schami beschließt jeden der sechs Abschnitte des Erzählbandes mit eigenen Betrachtungen zum jeweils vorangestellten Stichwort, wie zum Beispiel „Lachen“ oder „Sehnsucht“. Die jeweils etwa fünfseitigen Ausführungen, die meist mit zahlreichen Zitaten von Schriftstellern und Philosophen gespickt sind, wirken wie weitgehend unbearbeitete Notizen eines innerlich und äußerlich weitgereisten Mannes, der weiterhin nach seinem Platz in der Welt sucht.

Auch der emphatische Leser bleibt etwas ratlos zurück – und letztlich auch enttäuscht, weil das Buch nur punktuell einlöst, was es zu versprechen scheint.