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Benutzername: 
wacaha
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Ba-Wü

Bewertungen

Insgesamt 38 Bewertungen
Bewertung vom 07.01.2023
Der letzte Tanz der Debütantin
Kelly, Julia

Der letzte Tanz der Debütantin


sehr gut

Seit Generationen gehört die Familie von Lily Nicholls zur gesellschaftlichen Oberschicht Londons. Obwohl Lily und ihre Mutter seit dem Tod des Vaters finanziell auf die Gunst der reichen Großmutter angewiesen sind wird von ihr erwartet, dass sie wie alle Frauen der gehobenen Gesellschaft als Debütantin vor die Queen tritt und während ihrer Ballsaison einen passenden Ehemann findet. 1958 ist die letzte Chance hier, danach soll die Tradition des Debütierens abgeschafft werden. Eher wiederwillig verlässt Lily deshalb die Schule und trifft auf eine völlig neue Welt aus Oberflächlichkeit, Intrigen und Missgunst – aber auch modernen Ansichten und selbstbewussten neuen Freudinnen. und stößt dabei auf das größte Geheimnis ihres Lebens, dass alles, was sie zu sein glaubte, in einem neuen Licht dastehen lässt. Wird Lily ihren eigenen Weg finden?

„Der letzte Tanz der Debütantin“ von Julia Kelly entführt die LeserInnen in eine Welt voller Glitzer und Glamour, die aber bereits zwischen Tradition und Moderne schwankt und in der vor allem junge Frauen damit kämpfen, ihren eigenen Weg zu finden. Bereits nach kurzer Zeit finde ich mich im London der 60er Jahre wieder, auch wenn es mir angesichts der überkommenen Traditionen der Einführung in die feine Gesellschaft durch das debütieren vorkommt, als spiele die Geschichte ein Jahrhundert früher. Ich war deshalb sofort neugierig und habe angefangen zu recherchieren über diese mir bisher vollkommen unbekannte Welt. Hilfreich hierbei waren dabei die nachfolgenden Anmerkungen der Autorin zum Hintergrund des Buches, welche ich sehr interessant fand.

Der Einstieg in die Geschichte erfolgt durch den angenehmen, unaufgeregten Schreibstil der Autorin sehr schnell, die Beschreibungen der Gesellschaft, Personen und Umgebung ist sehr anschaulich. Bald spürt man aber den Spagat zwischen Lilys traditioneller, „heiler“ Welt und den Veränderungen, die mit der modernen Gesellschaft und Entwicklung einhergehen. Besonders eindrücklich sind die Ballszenen beschrieben, welche teilweise aber fast zu detailgetreu beschrieben sind, so dass sich der mittlere Teil des Buches etwas dahinzieht, während sich am Ende die Ereignisse überschlagen.

Lily als Protagonistin mochte ich sofort, ihre Entwicklung vom braven Mädchen zur selbstbestimmten jungen Frau wurde gut dargestellt. Für meinen Geschmack war dieser schnelle Wandel angesichts ihrer Erziehung und Vorgeschichte zwar etwas unrealistisch, aber absolut passend zur Geschichte. Der Zwiespalt in dem sie sich befindet wird spürbar, die Emotionen werden gut transportiert. Aber auch andere Personen werden treffend dargestellt und wurden authentisch, wenn auch etwas klischeehaft ausgearbeitet.

Insgesamt hat mir das Buch sehr gefallen, ich habe ein neues, Kapitel der englischen Geschichte kennengelernt, welches ich sehr interessant und faszinierend fand. Lilys Entwicklung vom traditionell erzogenen Mädchen zur eigenständig handelnden Frau hat dem Buch den Tiefgang gegeben, der in der oberflächlichen Welt der Debütantinnen einen tollen Kontrast gebildet hat. Der Wandel der damaligen Gesellschaft wurde unterhaltsam und anhand passender Figuren dargestellt und hat somit ein rundes Bild der 1960er Jahre ergeben.

Bewertung vom 16.10.2022
Die Spionin (eBook, ePUB)
Kealey, Imogen

Die Spionin (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die junge Australierin Nancy Wake führt ein luxuriöses Leben im Marseille der späten 1930er Jahre und ist glücklich frisch verheiratet mit ihrem Mann Henri, einem reichen Fabrikbesitzer. Doch dies ist nur der äußere Schein, denn Nancy ist ebenfalls eine Kämpferin der Résistance und nutzt ihr harmloses Auftreten dafür, Flüchtlinge über die Grenze zu bringen und die sich immer mehr ausbreitenden deutschen Nationalsozialisten zu sabotieren. Doch dann wird Henri festgenommen und Nancys Leben gerät aus den Fugen. Nun selbst auf der Flucht entsinnt sie einen Plan, Henri aus den Klauen der Gestapo zu befreien, indem sie sich in England als Geheimagentin ausbilden lässt und als eine der raffiniertesten Spioninnen des zweiten Weltkrieges nach Frankreich zurückkehrt.

„Die Spionin“ ist ein historischer Roman, der auf einer wahren Geschichte basiert, der der echten Geheimagentin Nancy Wake. Warum wusste ich bisher noch nichts über diese erstaunliche Frau? Diese Frage geht mir permanent durch den Kopf, dann ich finde ihre Leistung absolut bemerkenswert. Natürlich wurden im Buch reale Ereignisse ausgeschmückt und mit fiktionalen Situationen ergänzt, aber dementsprechend fand ich super, dass das Autorenduo am Ende des Buches ein Kapitel zur Eingrenzung des Gelesenen eingefügt hat, in dem Realität und künstlerische Freiheit nochmals klar voneinander getrennt wurden und weiterführende Literatur zu Nancy Wake angegeben wurde.

Mich hat der Roman von Beginn an gefesselt, so dass ich ihn kaum aus der Hand legen konnte. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, der Schreibstil liest sich flüssig und schnell. Die damaligen Zeiten werden authentisch beschrieben, die Beklemmung der Figuren spürbar und auch brutale Erlebnisse werden schonungslos dargestellt. Ein rundum gelungener Einblick in eine grausame Zeit! Passend dazu gefüllt mir auch das Cover sehr gut und ich fand es sehr schön, dass ein Bild der echten Nancy Wake abgebildet wurde. Meiner Meinung nach sollten viel mehr Menschen von den Heldentaten dieser besonderen Frau erfahren, weshalb ich dieses Buch auch absolut weiterempfehlen kann!

Bewertung vom 01.10.2022
Kaltherz
Faber, Henri

Kaltherz


ausgezeichnet

Es ist das Schlimmste, was einer Mutter passieren kann: Clara Lipmann war nur kurz auf der Toilette, doch bei ihrer Rückkehr ist ihre fünfjährige Tochter Marie verschwunden. Es geht keine Lösegeldforderung ein, Marie bleibt verschwunden. Um sich von diesem Verlust abzulenken stürzt sich Vater Jakob noch intensiver in seine Karriereplanung und die Ehe der beiden gerät ins Schwanken. Clara möchte so nicht weiterleben und begeht einen Suizidversuch der aber scheitert. Da übernimmt eine neue Kommissarin den Fall: Kim Lansky wurde als letzte Chance in die Vermisstenabteilung versetzt, durch ihre unkonventionellen Ermittlungsmethoden und am Rande der Legalität stattfindenden Alleingänge steht ihr Verbleib im Polizeidienst auf der Kippe. Lansky rollt die Spuren auf und kommt zu Ergebnissen, die sich immer mehr mit ihrer eigenen Geschichte verweben.
Da ich bereits Henri Fabers ersten Thriller verschlungen hatte ich hohe Erwartungen an „Kaltherz“ – und wurde nicht enttäuscht. Auch hier ist dem Autor wieder ein psychologisch raffiniert konstruierter Thriller voller Spannung und Täuschungen gelungen, in dem nichts so ist wie es scheint.
Bereits das Cover gefällt mir sehr gut, die raue Oberfläche liegt haptisch gut in der Hand und lässt mich direkt an die dicken Betonwände eines Gefängnisses denken, dessen Fenster abgebildet ist. Der Titel ist hinter den Gitterstäben verborgen und gibt dem sonst eher schlichten Cover eine Besonderheit – sehr gelungen und ansprechend!
Auch der Schreibstil Henri Fabers ist wieder absolut überzeugend: Er schreibt dynamisch, rasant und fesselnd, so dass die Spannung schnell nach oben getrieben wird. Das Buch besteht aus fünf Teilen, welche jeweils aus kurzen Kapiteln bestehen, welche wiederum durch häufige Cliffhanger am Ende zum Weiterlesen animieren. Das Buch hat mich somit in einen Sog gezogen, ich konnte einfach nicht aufhören zu lesen. Die Kapitel werden zunächst aus der Perspektive dreier verschiedener Personen erzählt, später kommt noch eine vierte hinzu. Da jedes Kapitel eine entsprechende Überschrift hat kommt man hier auch nicht durcheinander und es bleibt trotz der Komplexität an Personen übersichtlich. Insgesamt sind die Charaktere sind bis in die Nebenrollen sehr vielschichtig und facettenreich angelegt, auch wenn mir kaum eine sympathisch und manche etwas überzeichnet erschienen. Mit Kim Lansky konnte ich so gar nichts anfangen, ihre polternde, unangepasste Art empfand ich als ruppig und in vielen Handlungen als nicht nachvollziehbar.
Überzeugt hat mich jedoch der detailliert durchdachte Plot der Geschichte, den ich als sehr außergewöhnlich empfand. Immer wenn ich dachte, ich hätte eine Spur hat ein neues Ermittlungsergebnis oder ein Ereignis wieder alles durcheinander geworfen, erst nach und nach haben sich alle kleinen Fragmente zu einem stimmigen Bild zusammengesetzt. Neben diesen zahlreichen Twist war insbesondere die Auflösung sehr überraschend, alle für mich offenen Fragen wurden hinreichend geklärt.
Ich kann das Buch jedem empfehlen, der komplexe und raffinierte psychologische Thriller mögen.

Bewertung vom 01.10.2022
MTTR
Friese, Julia

MTTR


weniger gut

Teresa stellt fest, dass sie schwanger ist – und weiß nicht so recht, was sie mit dieser Erkenntnis anfangen soll. Sie ist selbst in einer lieblosen Familie aufgewachsen, bei Eltern, denen der äußere Schein wichtiger war als ihre Tochter und die auch vor Gewalt nicht zurückgeschreckt haben. Teresa ist sich unschlüssig, ob sie das Kind behalten soll. In der Abtreibungsklinik fällt sie dann eine Entscheidung: Sie möchte Mutter werden, aber dabei alles anders machen.
Bereits der Titel von „MTTR“ ist außergewöhnlich, man fügt automatisch die Vokale hinzu und liest „Mutter“, auf den ersten Seiten wird aber erklärt, dass diese Abkürzung für etwas ganz anderes, aber ebenfalls passendes steht. Das hat mir gut gefallen. Weniger hingegen das seltsame Cover, mit dem ich zunächst nicht viel anfangen konnte. Erst auf den zweiten Blick ist eine Gebärmutter zu erkennen und somit der Bezug zum Inhalt deutlich. So richtig schön finde ich das Motiv dennoch nicht.
Besonders gewöhnungsbedürftig finde ich aber den Schreibstil: Julia Friese schreibt in kurzen, abgehakten Sätzen, verzichtet auf Anführungszeichen in der wörtlichen Rede und häufig auf Verben zur Satzstrukturierung. Auch bleiben viele Sätze unvollständig, so dass ich diese permanent selbst im Kopf vervollständigt habe. Das fand ich wirklich sehr anstrengend und dementsprechend bin ich bis zum Ende hin nie richtig in einen Lesefluss gekommen. Auch inhaltlich gibt es viele (wahrscheinlich bewusst gewählte) Gedankensprünge, die mich ausgebremst haben. Irgendwann war ich nur noch genervt von diesem eigenwilligen Schreibstil, auf Dauer macht das einfach keinen Spaß.
Mit Teresa als Protagonistin bin ich bis zum Schluss nicht warm geworden. Zwar konnte ich mich in einige Szenen hineinversetzen, aber ihre Denk- und Verhaltensweisen blieben mir fremd und ich fand sie eher unsympathisch. Ihre innere Zerrissenheit wurde aber gut dargestellt. Andere wichtige Figuren wie Erk blieben durchgehend blass. Inhaltlich war mir das Buch etwas zu schwermütig, es wurden kaum positive Seiten von Schwanger- und Mutterschaft aufgezeigt. Dafür viele Reaktionen aus dem Umfeld, die sehr authentisch waren und mich somit angesprochen haben, gerade was die eigenen Bedürfnisse und Aussagen der Eltern betrifft. Hier hat die Autorin verbreitete Verhaltensweisen wirklich gut unter die Lupe genommen und seziert. Auch gab es einige tiefgründige Aussagen zum Reflektieren und insgesamt fand ich es interessant mich damit zu beschäftigen, wie die eigenen Kindheitserfahrungen Menschen prägen.
Alles in allem bietet „MTTR“ einen ungeschönten, emotionslosen Blick auf die Themen Schwanger- und Mutterschaft. Das Buch war zwar interessant zu lesen, mir persönlich aber zu negativ-melancholisch und in einem unbequemen Schreibstil verfasst. Definitiv kein Buch, dass sich schnell weglesen lässt.

Bewertung vom 27.08.2022
DAFUQ
Jarmysch, Kira

DAFUQ


gut

Anja Romanowa wird zu 10 Tagen Gefängnis verurteilt, da sie an einer Demonstration teilgenommen hat. Sie teilt sich die Zelle mit fünf weiteren Frauen, die verschiedener nicht sein könnten. Im tristen russischen Gefängnisalltag teilen sich die sechs Gefangenen Details über ihr Leben und ihre Haftgründe mit und es stoßen Welten aufeinander. Und Anja beginnt, über ihr Leben zu reflektieren.

Kira Jarmysch ist an sich schon eine interessante Persönlichkeit und gerade durch ihre Hintergrundgeschichte und ihre Nähe zum Systemkritiker Alexej Nawalny erwartet man von ihr eine schonungslose Abrechnung mit den aktuellen Gegebenheiten in Russland. Leider kommt diese Kritik in ihrem Buch „DAFUQ“ nur sehr indirekt und weichgespült zum Vorschein, bissige ehrliche Worte sucht man leider vergebens.

Die Beschreibungen aus dem russischen Gefängnis sind in Teilen sehr interessant, nämlich dann, wenn die fünf Frauen aus unterschiedlichen Schichten und Hintergründen ihre jeweilige Story erzählen. Hier hatte ich wirklich den Eindruck, authentische Einblicke in verschiedene russische Lebensweisen zu erhalten. Auch Anjas Erinnerungen an früher lassen den Alltag junger Russinnen lebendig werden. Der Gefängnisalltag wird zwar ebenfalls realitätsnah beschrieben, allerdings ist dieser genauso wie erwartet: Sehr monoton und langweilig. Es kommt zu sehr vielen Wiederholungen und zähen Längen, was nicht besonders angenehm zu lesen ist. Die Geschichte nimmt dann auch noch einen skurrilen Zug an, als Anja zu halluzinieren beginnt. Diesen Handlungsstrang habe ich so gar nicht verstanden und empfang ihn auch als ziemlich unnötig. Und auch den Schluss fand ich sehr seltsam, er hat mich etwas ratlos und verwirrt zurückgelassen. Insgesamt habe ich mir leider mit der Handlung etwas schwer getan, da ich mir intensivere und kurzweiligere Einblicke versprochen hatte. Die Story kratzt leider nur an der Oberfläche und traut sich nicht wirklich, offen zu kritisieren.

Bewertung vom 27.08.2022
Bekenntnisse eines Betrügers
Raina, Rahul

Bekenntnisse eines Betrügers


weniger gut

Ramesh wuchs als Kind einer niedrigen Kaste in ärmlichen Verhältnissen in Delhi auf. Da sich eine Nonne seiner annahm und ihm auf diese Weise Bildung verschaffte, verfügt er jedoch über ein großes Wissen, dass er auf etwas andere Art und Weise zu Geld macht: Indem er für reiche indische Kinder deren Abschlussprüfungen schreibt. Mit dieser Dienstleistung als sogenannter „Bildungsberater“ verdient Ramesh ein gutes Auskommen, das darin seinen Höhepunkt, als er für einen seiner Klienten Jahrgangsbester bei den „All India“-Prüfungen wird. Dies verhilft dem Jungen zu großem Ruhm, vom dem auch Ramesh etwas abhaben möchte. Für sein Schweigen lässt er sich als persönlicher Assistent einstellen und lernt so auch die Abgründe kennen, die Bekanntheit und Reichtum mit sich bringen.
„Bekenntnisse eines Betrügers“ ist der Debütroman des indischen Autors Rahul Raina. Das Cover ist kreativ und durch die gelbe Farbe auffallend, wirkt auf mich persönlich allerdings nicht sonderlich ansprechend. Auch finde ich es nach Ende der Lektüre nicht sonderlich passend zu Thema und Inhalt des Buches. Dafür erscheint das Buch in qualitativ hochwertigem Hardcover und mit einem praktischen Lesebändchen. Was mich überzeugt es zu lesen war der Klappentext, von dem ich mir viel versprochen habe.
Leider kann das Buch in meinen Augen aber so gar nicht halten, was es verspricht. Der Anfang gestaltet sich noch als interessant und actionreich, jedoch entwickelt sich daraus ein sehr skurriler und chaotischer Storyverlauf, in dem so ziemlich alles passiert, was klischeehafte Holly- oder in diesem Fall eher Bollywoodfilme ausmacht. Irgendwie hat es mich an den Film „Hangover“ erinnert – was absolut nicht das war, was ich mir anhand der Leseprobe von dem Buch erhofft hatte. Die Idee hinter Ramesh´ Dienstleistungsangebot des „Bildungsberaters“ fand ich noch kreativ und lustig, triftet dann aber so sehr ins Verrückte und Übertriebene ab, dass es einfach nur noch unglaubwürdig erscheint. Natürlich möchte der Autor Gesellschaftskritik üben und prinzipiell mag ich es, dass er viele Aspekte der indischen Kultur und Gegebenheit satirisch kritisiert. Allerdings kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es in Indien wirklich so zugeht, wie er es beschreibt. Ich habe zunehmend das Gefühl, dass er sein Heimatland hasst und verachtet. Natürlich ist es ein schönes Stilmittel zu überzeichnen, aber Raina übertreibt in großen Teilen des Buches so sehr, dass es mehr als unrealistisch scheint und rutscht des Öfteren in klassische gut-böse, reich-arm-Klischees. Vielleicht sind viele Passagen satirisch-humorvoll gemeint, aber dann hat er leider weder meinen Humor noch Geschmack getroffen. Des Weiteren war das Buch in Teilen sehr zäh zu lesen, in zu vielen Details ausartend und die Sprünge gegen Ende hin immer unlogischer.
Ein weiterer Kritikpunkt ist für mich die Sprache. Diese habe ich als sehr vulgär und teilweise sogar als abstoßend empfunden, so viele Schimpf- und Fäkalworte finden sich darin. Auch musste ich ständig ins Glossar schauen, was den Lesefluss doch stark unterbrochen hat. Dieses hat sich zwar als hilfreich erwiesen, war aber leider unvollständig.

Insgesamt hatte ich mir von dem Buch leider sehr viel mehr versprochen: Einen Einblick ins heutige Indien, die positiv stimmende Geschichte eines gewitzten jungen Mannes, der es aufgrund seiner (wenn auch zweifelhaft eingesetzten) Leistung aus der Armut heraus schafft und jede Menge witziger Momente. Leider konnte das Buch nichts davon erfüllen und ich es dementsprechend nur eingeschränkt weiterempfehlen.

Bewertung vom 26.08.2022
Die Diplomatenallee
Wieners, Annette

Die Diplomatenallee


sehr gut

Im Bonn der 1970er Jahre betreibt Heike gemeinsam mit ihrem Mann einen Schreibwarenladen. Sie hat zwei Kinder und ein bürgerliches Leben und genießt die Arbeit im Diplomatenviertel der Stadt. Nichts erinnert mehr an ihre Vergangenheit, als sie die talentierteste Studentin von Professor Buttermann am Institut für Graphologie war und die damals aufstrebende Wissenschaft der Schriftanalyse studiert hat. Doch nach einem Gutachten mit schrecklichen Konsequenzen hat Heike der Universität den Rücken gekehrt und ein bürgerliches Leben gewählt. Doch eines Tages steht plötzlich ihr alter Professor und Mentor in ihrem Laden und möchte sie dazu überreden, zurück zu kommen – denn niemand kann Handschriften so gut auslesen wie sie. Hintergrund des Werbens ist der Plan der DDR, eine ständige Vertretung in Bonn anzusiedeln und sich hierfür die Dienste der Graphologie zu bedienen. Heike weigert sich zunächst, doch die DDR hat ihre eigenen erpresserischen Methoden, um Menschen zur Kooperation zu zwingen…
Das Cover von Annette Wieners „Die Diplomatenallee“ ist hübsch und passt optisch gut in die 1970er Jahre. Die Dame ist schön dargestellt und eindeutig im Vordergrund – wie auch in der folgenden Geschichte. Die gelbe Farbe ist auffällig und sticht hervor und auch das gelbe Lesebändchen gefällt mir gut.
Inhaltlich fand ich den Spannungsbogen gut aufgebaut, erst nach und nach wird Heikes Geschichte aufgedeckt und der Bezug zur DDR deutlich. Insbesondere deren Methoden, eine ganz normale Familie unter Druck zu setzen waren gut und realistisch dargestellt. Auch ist der Zeitgeist der damaligen Zeit gut wiedergegeben und ich konnte mich gut ins Diplomatenleben im Bonn der 1970er eindenken. Das ist auch dem flüssigen Schreibstil der Autorin zu verdanken, die auf passende Weise und in angenehmem Tempo die Geschichte geschildert hat – auch wenn sie für mich an manchen Stellen etwas schneller hätte auf den Punkt kommen können. Auch ist es mir teilweise etwas schwer gefallen, mich in die Personen hinein zu versetzen. Heike blieb mir bis zum Ende hin etwas distanziert, ihr Mann Peter blass, der Professor undurchschaubar. So wirklich warm geworden bin ich mit keinem der Charaktere.
Als wahnsinnig interessant habe ich das Thema Graphologie empfunden. Natürlich habe ich schon etwas darüber gehört, aber sämtliche Details und vor allem die frühere Betrachtung als Wissenschaft und seine Bedeutung zu erfahren hat mich dann doch überrascht. Mir war bislang nicht bewusst, wie ernst sie genommen wurde und zu welchen Zwecken – und mit welchen teils lebensverändernden Konsequenzen – sie eingesetzt wurde. Das hat mich in Teilen wirklich sehr schockiert. Auch von der ständigen Vertretung der DDR habe ich bis dato kaum gewusst und somit bin ich der Autorin sehr dankbar, dass sie mir Einblick in dieses mir bisher unbekannte Thema der deutsch-deutschen Geschichte ermöglicht hat. Sie hat mich definitiv zum Nachlesen und -recherchieren animiert. Toll fand ich deshalb auch das ausführliche Nachwort zur historischen Einordnung der Thematik.

Bewertung vom 20.05.2022
Unerreichbar / Only Us Bd.3
Harlow, Melanie

Unerreichbar / Only Us Bd.3


weniger gut

Meg ist erfolgreich im Beruf, hat aber ständig Pech in der Liebe. Gerade ist wieder eine Beziehung in die Brüche gegangen und Meg braucht dringend Abstand von ihrem Leben in New York. Da kommt ihr gerade recht, dass ihre Schwester Fran bald heiraten wird. Meg freut sich auf die Auszeit bei ihrer Familie auf Cloverleigh Farms – auch, weil sie dann ihren langjährigen besten Freund Noah wiedersehen wird. Dieser hat Meg als Teenager das Leben gerettet und ist inzwischen Sheriff in der Stadt. Die beiden verbindet eine innige Freundschaft, doch als sie sich plötzlich wieder persönlich gegenüberstehen fliegen die Funken. Doch Noah möchte keine feste Beziehung und Meg ist nur zu Besuch in ihrer Heimatstadt - und beide möchten ihr freundschaftlich-vertrauensvolles Verhältnis nicht aufs Spiel setzen. Haben die Gefühle der beiden eine Chance?
„Only us – Unerreichbar“ ist der dritte Band von Melanie Harlows Reihe um die Schwestern der Cloverleigh Farm. Ich habe bisher noch keinen anderen Band gelesen, hatte aber dennoch nicht das Gefühl, dass mir Informationen gefehlt hätten. Leider muss ich aber auch sagen, dass es bei mir wohl bei diesem einen Band bleiben wird, da mich das Buch ganz und gar nicht überzeugt bzw. sogar sehr enttäuscht hat.
Aber zunächst zu den positiven Aspekten: Mir gefällt das einfach gehaltene, romantische Cover sehr gut, ebenso der locker-flüssige da recht einfach gehaltene Schreibstil der Autorin. Die Geschichte wird sowohl aus Noahs, als auch aus Megs Sicht erzählt, so dass man Einblick in beiderlei Gefühls-, Gedanken- und Lebenswelt bekommt. Leider gelingt das nur in Teilen, da diese offenbar nur aus einem besteht: Sex.
Wo zunächst ein Prickeln und eine Anziehung bestanden hat – die den Leser als ganz plötzlich und unverhofft aus einer Freundschaft entstanden verkauft werden soll – geht es sehr schnell zur Sache. Insbesondere Noahs Gedanken werden immer lüsterner und er wurde mir mit jedem Kapitel unsympathischer. Ebenso Meg, welche als taffe Business-Frau präsentiert wurde, seltsamerweise aber nie an ihren Job denkt, sehr schnell einknickt und gefühlt alles mit sich machen lässt. Das rein freundschaftlich-platonische Verhältnis zwischen den beiden habe ich ihnen in keiner Sekunde abgenommen und deshalb bestand die Story für mich auch überwiegend aus künstlich herbeigeführtem Drama und einem absehbaren Ablauf. Insgesamt habe ich nichts gegen erotische Szenen in Romanen, aber hier war es einfach viel zu viel, gefühlt hat das gesamte Buch nur aus Geschlechtsverkehr in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen bestanden. Irgendwann konnte ich nur noch mit den Augen rollen und weiterblättern, insbesondere, als urplötzlich „Shades-of-Gray“-mäßige Elemente hinzukamen – für mich absolut unnötig. Dadurch kamen für mich die eigentlichen Emotionen viel zu kurz und ich habe den Protagonisten vor lauter Lust und Begierde die große Liebe einfach nicht abgenommen. Ebenfalls nicht, dass es sich dabei um gestandene Individuen in ihren Dreißigern handeln soll: Bei so viel sexuellen Anspielungen, obszönen Gedanken und kindischem Verhalten hätte ich sie eher als Teenager eingeschätzt. An jeder passenden und unpassenden Stelle wird jedes Problem mit Sex gelöst, es findet so gut wie keine Kommunikation zwischen den beiden statt. Einfach nur unglaubwürdig und wahnsinnig ermüdend. Inhaltlich passiert dafür kaum etwas Erwähnenswertes. Am Ende gibt es noch etwas Drama, bevor es Schlag auf Schlag zum perfekten Happy End kommt. Gähn!
Wo die beiden Protagonisten durch ihr inkonsistentes und unsympathisches Verhalten Minuspunkte gesammelt haben, konnten einige Nebenfiguren hingegen überzeugen. Insbesondere Megs Schwestern und vor allem Noahs Bruder Asher waren für mich die Sympathieträger des Buches, mit ihnen fanden tiefgründige, ehrliche Gespräche statt und sie wurden als Personen authentisch dargestellt. Auch schön eingefangen wurde die Atmosphäre einer amerikanischen Kleinstadt.
Insgesamt für mich trotzdem leider kein Buch, das ich we

Bewertung vom 15.04.2022
Glücksfisch: Meine liebste Mama

Glücksfisch: Meine liebste Mama


ausgezeichnet

„Meine liebste Mama“ ist eine wunderschöne, kindgerechte Hommage an alle Mütter! Veranschaulicht durch süße Mama-Kind-Duos aus dem Tierreich wird die Mutterrolle wertgeschätzt, indem bereits den Kleinsten aufgezeigt wird, wie wichtig Vertrauen, Geborgenheit und Zuneigung sind. Zudem wird verdeutlicht, dass Mütter im Allgemeinen ihren Kindern Sicherheit und Schutz geben: Die Ottermutter versteckt ihr Kind im sicheren Schilf, die Hasenfamilie kuschelt sicher im unterirdischen Bau, die Kängurumama hält ihr müdes Baby im Beutel geborgen.

Jede Seite ist wunderschön anschaulich illustriert, durch kurze, eingängige Reime zum Vorlesen verspricht das Buch jede Menge Spaß für Klein und Groß! Besonders hervorzuheben sind die durchdachten, passend eingebauten Spielideen, die sicherlich jedem Kind Freude bereiten: So taucht die Robbenmutter mithilfe eines Schiebers aus dem Wasser auf, um ihrem Kind einen Kuss zu geben, eine Drehscheibe zeigt das trubelige Geschehen rund um die Tiger oder durch eine Klappe kann das Kind unter den Entenflügel spicken.

Ein wirklich tolles Buch für ca. zweijährige Kinder, um mit Mama zu kuscheln, die Tierwelt zu erleben und langsam müde zu werden – ich kann das Buch nur wärmstens weiter empfehlen!

Bewertung vom 15.04.2022
Das Fundbüro der verlorenen Träume
Paris, Helen Frances

Das Fundbüro der verlorenen Träume


gut

Dot liebt ihren Job im Fundbüro: Umgeben von Dingen, die verloren und zurückgelassen wurden kann sie ihren eigenen Schmerz, entstanden aus einem tragischen Verlust, ignorieren. Und wenn sie einem Menschen einen Gegenstand zurückgeben kann blüht Dot auf. Umso mehr trifft sie die Geschichte von Mr. Appleby, einem sympathischen älteren Gentleman, der eine Tasche im Bus hat stehen lassen. In dieser befindet sich das Portemonnaie seiner verstorbenen Frau und somit ein Gegenstand von großem ideellen Wert. Dot setzt alles daran ihn zu helfen und macht auf der Suche nach Mr. Appelbys Tasche ohne es zu bemerken auch selbst eine Entwicklung durch, die sie wieder näher ans Leben und ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse führt.
Zugegebenermaßen hat mich das Cover von „Das Fundbüro der verlorenen Träume“ zunächst nicht vom Hocker gehauen. Es wirkt auf mich etwas altmodisch und irgendwie zu leer, auch wenn das Motiv durchaus zum Inhalt passt. Leider ist es so unauffällig, dass ich es im Buchladen wohl kaum bemerkt hätte. Der Titel hat indes sofort mein Interesse und meine Neugierde geweckt.
Helen Frances Paris´ Schreibstil ist etwas gewöhnungsbedürftig, ich habe etwas gebraucht, um mich in diesen einzulesen. Lässt man sich darauf ein liest sich das Buch dann aber flüssig, wenn auch an einigen Stellen etwas ausschweifend aufgrund unnötig detaillierter Beschreibungen. Gut gefallen mir der unterschwellige Humor und insgesamt die Dialoge. Wobei besonders herausragend die göttlichen, oftmals doppeldeutigen und gut durchdachten Kapitelüberschriften sind – hier musste ich einige Male laut loslachen! Auch sehr kreativ, dass diese optisch als die im Buch beschriebenen Anhänger für die Fundgegenstände dargestellt werden. Authentisch und sensibel beschrieben wurden ebenfalls emotionale Stellen wie beispielsweise alles zum Thema Verlust. Gut beschrieben waren auch Atmosphären, wobei besonders die nostalgische im Fundbüro hervorzuheben ist. Der Blick hinter die Kulissen wirkte auf mich authentisch und war interessant.
In die Geschichte an sich bin ich gut hineingekommen, Dots Arbeit im Fundbüro konnte ich mir gut vorstellen. Schwieriger wurde es dann, je weiter sich die Geschichte entwickelt hat und weitere Nebenstränge, insbesondere aus Dots Privatleben, hinzukamen – irgendwann wusste ich gar nicht mehr, in welche Richtung der Inhalt sich gerade bewegt. Schade fand ich zudem, dass der Handlungsstrang um Mr. Applebys Tasche so abrupt endet, ich hätte mir nach dem Klappentext einen verstärkten Fokus hierauf erhofft. Das war mir persönlich zu wenig behandelt. Irgendwann überschlagen sich die Ereignisse und rutschen teilweise ins Abstruse. Hier kam dann nach längeren zähen Stellen plötzlich alles auf einmal. Einige Begebenheiten erschienen mir unpassend und unglaubwürdig, dann gab es aber auch wieder herzerweichende, wunderschöne Szenen. Für mich war das Buch ein Hin- und Her der Gefühle und ich habe lange geschwankt, ob es mir nun gefällt oder nicht. Insbesondere das Ende hatte für mich große Schwächen und ich war absolut nicht davon überzeugt.
Auch Dot als Protagonistin konnte ich bis zum Ende hin nicht wirklich greifen. Einerseits wirkt sie sehr empathisch und liebevoll im Umgang mit den verlorenen Gegenständen und ihren Kunden; sobald es ins Private geht aber labil und unnahbar. Sie zieht sich zurück und verkriecht sich so sehr, dass ihr Verhalten irgendwann pathologische Züge annimmt. Ihr Schmerz und ihre Trauer werden greifbar, ihr daraus resultierendes Verhalten allerdings nicht unbedingt.
Insgesamt stehe ich dem Buch zwiespältig gegenüber. Ich wurde zwar gut unterhalten von der Geschichte, aber richtig überzeugt hat sie mich dann doch nicht. Schade, denn das ungewöhnliche Setting im Fundbüro und die Story um Mr. Applebys Tasche hatte durchaus Potenzial, welches in meinen Augen aber nicht optimal ausgeschöpft wurde.