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Insgesamt 166 Bewertungen
Bewertung vom 11.12.2023
Khorschied, Aveen;Birinci, Mehmet Ismail

Komm in meine Küche!


ausgezeichnet

Welche zauberhafte Idee, welch schöne Umsetzung! In diesem Kochbuch finden sich authentische Rezepte von ganz vielfältigen Menschen. Und es ist eine Freude Rezepte und Menschen so kennenlernen zu dürfen. Die Vielfalt, wegen derer ich sehr gerne in Deutschland lebe, und die sich schon in der kleinen Stadt Puchheim bei München zeigt.

Der Verlag schreibt in der Beschreibung von der Kleinstadt Puchheim, stimmt zwar auch, aber damit man sich das etwas besser vorstellen kann: Puchheim hat tatsächlich viel 70er Jahre Plattenbauten. Ich denke, es ist eines der Probleme unseres Landes, dass der kulturelle Reichtum, der hinter diesen Wänden schlummert, viel zu oft übersehen wird. Umso mehr freut mich, dass Aveen Khorschied und Mehmet Ismail Birinci, die beide u.a. als Quatiersmanager:in in Puchheim arbeiten, mit diesem Buch hinter diese Wände und in die Kochtöpfe dort schauen.

„Wenn Deutschland ein Gericht wäre, wäre es für mich ein Obstsalat – bunt, vielfältig und lecker.“

Sagt Elenora Stefanova, geboren in Teteven, Bulgarien.

Die Kochenden aus 21 Nationen und eine bunte Mischung der Geschlechter werden toll in Szene gesetzt. Sie bekommen ein Gesicht und eine Stimme, mit knappen, aber herzlichen Zitaten. Dort erzählen sie vom Essen in ihrer Heimat, welches Essen ihnen in Deutschland schmeckt, was sie an ihrer Heimat vermissen, wie sie in Deutschland zurecht kommen und was für sie hier typisch ist.

„Meine Muttersprache ist viel bildhafter als die deutsche Sprache. Früher war ich irritiert, wenn jemand einfach nur ‚Nein‘ sagte.“

Sagt Mohammad Maruan Saef, geboren in Damaskus, Syrien.

Die Gerichte sind hausgemacht und sehen für mich dadurch irgendwie noch leckerer aus, als wenn sie von fancy Fooddesignern zig Mal in Szene gesetzt wurden. Obwohl: In Szene gesetzt sind sie auch ganz hervorragend. In das Quabeli Palau, ein würziges Reisgericht mit Rosinen aus Afghanistan, würde ich mich am liebsten reinlegen.

Jasmin-Reis, Lammfleisch, Weißkohl, Möhren, Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer, Öl, Brühe, Tomaten, Salz, Pfeffer oder Mehl, Hefe, Zucker, Salz, Öl, damit können wir kulinarisch nach Togo reisen. Viele Rezepte lassen sich mit den Bordmitteln zuhause zubereiten, hin und wieder braucht es ein besonderes Gewürz, das Meiste lässt sich aber im gut sortierten Supermarkt finden. Die Rezepte selbst sind – ganz wie ich es von von G+U gewohnt bin – verständlich und gut strukturiert.

Dieses Buch werde ich sicherlich noch ganz oft zur Hand nehmen. Ein für Diversity in Deutschland ist übrigens auch „Mama Superstar“ (hier meine Rezi), dass ich allen, die dieses Buch möchten, sehr gerne noch gleich empfehlen möchte. Dort gibt es allerdings nicht ganz so viele Kochrezepte (aber auch), dafür mehr Geschichten von den Köchinnen (dort sind es ausschließlich Frauen).

Fazit
Authentische Gericht von Menschen, die mit großer Vielfalt in einer Kleinstadt bei München leben. Eine zauberhafte Idee und eine tolle Umsetzung! 5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 11.12.2023
Offill, Jenny;Appelhans, Chris

Lucky!


sehr gut

„Du kannst jedes Tier der Welt haben, solange es nicht ausgeführt, gebadet oder gefüttert werden muss.“

Manche Sätze sollte man als Eltern wohl besser nie im Leben sagen. Die Ich-Erzählerin lässt sich nämlich die zitierte Aussage von Mutter schriftlich geben – denn auf ein Faultier treffen all diese Dinge zu. Also darf nach dieser schriftlichen Zusicherung ein Faultier als Haustier einziehen.

Als ganze Familie lieben wir Faultiere, sind sie doch die Antithese zu unserer hektischen Welt und auch, wenn wir gerne unterwegs sind (was uns durch Corona schon deutlich fehlt), faulenzen wir total gerne zuhause rum. Mein 8jähriger Sohn fand „Lucky“ daher auch total witzig und mochte Aussage, dass jede*r goldrichtig ist.

Mir haben die Illustrationen sehr gut gefallen, aufs Wesentliche reduziert, die Farben meist in warmen Braun- und Rottönen mit Blau als Kontrast, lenken den Blick immer wieder auf die beiden Protagonist:innen Faultier und Mädchen. Obwohl ich gerade den Anfang und auch viele andere Ideen total charmant fand, war ich dennoch insgesamt nicht ganz so begeistert wie mein Sohn. Hauptsächlich liegt das wohl daran, dass ich nicht ganz genau weiß, was mir die Geschichte eigentlich sagen möchten. Klar, am Ende steht das: „‚Du bist goldrichtig, Lucky.“ Aber immerhin hat ihn das Mädchen für diese Erkenntnis aus seinem natürlichen Lebensraum rausgenommen. Um danach ganz lange sich danach zu richten, was eine Freundin sagt. Da war mir die Erkenntnis dann etwas zu knapp geraten. Meine Wertung wären daher 3 Sterne: Nett, aber könnte besser sein.

Mein Sohn liegt bei 5 Sternen, mein Lebensgefährte bei 4. Das Buch liest sich wirklich sehr hübsch, aber ich hatte mir bei eine Faultiergeschichte mehr erwartet. Im Mittel komme ich dann auf 4 Sterne.

Bewertung vom 02.12.2023
Kaden, Outi

Nachts, wenn alles schläft: Eine Wichtelgeschichte


sehr gut

Wir werden selbst seit acht Jahren zur Weihnachtszeit von einem Wichtel besucht (mein Lebensgefährte würde „heimgesucht" sagen, weil er das Streicheausdenken ganz schön stressig findet manchmal). Damals war mein Sohn 3 und er freut sich immer noch auf den Wichtel. Damals kam der Wichtel oder Weihnachtself-Trend erst so langsam in Deutschland an und bei der US-amerikanischen Variante hat uns zum Teil gestört, dass „Elf on the Shelf“ wie eine gruselige Chuckie-die-Horrorpuppe aussieht und auch so einiges an schwarzer Pädagogik mitbringt (sieht alles, notiert, wenn jemand „nasty" war und gibt das alles brühwarm an Santa weiter). Wir hatten das für uns auch schon ganz anders interpretiert, unser Gast ist ein kleiner Chaot, der uns liebevoll bis Weihnachten begleitet.
Darum finde ich es auch viel, viel besser, wie u.a. der Verlag ArsEdition die Wichtelidee interpretiert. So gibt es einige Bücher und Bastelsets, mit der wir den Wichtel eine Tür bauen können. Und darum wollte ich mir auch endlich eine dieser Wichtelinterpretationen angucken. Und das Kinderbuch „Nachts, wenn alles schläft“ gefällt mir wirklich sehr gut. Es ist liebevoll, wie der Alltag der Wichtelfamilie geschildert wird. Die schlichte Sprache passt sehr gut für die Zielgruppe ab 18 Monaten. Und die Figuren und wie sie fotografiert sind, sind einfach so niedlich. Sie treiben sich in der menschlichen Wohnung herum und ihre eigene ist ein niedliches Puppen…ähm Wichtelhaus. Gerade diese Wohnung lädt ein, viele Kleinigkeiten zu entdecken, was ja besonders mit den kleinen Lesebegeisterten so viel Spaß macht. Und es gibt dann auch eine Mini-Interaktion mit dem besuchten Kind. Gerade diese gefühlte Nähe mit "unserem" Wichtel fand mein Sohn immer besonders toll.
Mein Lebensgefährte ist allerdings froh, dass wir hier nur einen Wichtel haben, und nicht gleich eine ganze Wichtelfamilie. „Der eine Wichtel macht schon genug Arbeit und Ärger“, meinte er gerade. (Falls der Wichtel das hört, futtert er ihm seinen Adventskalender leer.)
Dieses Buch hätte uns sicherlich auch gut über die Wichteljahre begleiten können. Wie schön, dass es das jetzt für neue Wichtelfamilie gibt!

Bewertung vom 02.12.2023
Brannen, Sarah S.

Onkel Bobby's Hochzeit


ausgezeichnet

Wow, das Buch ist wirklich so zuckersüß, wie ich nach dem Lesen von einigen Rezensionen gehofft habe! Das fängt schon beim eingedruckten „Ex libris“ in der Innenseite an:
„Dieses Buch gehört……. Lies es, liebe es und bitte gib es zurück.“
Wie charmant ist das denn bitte? Ein hoher Wunsch an alle Lesenden, aber tatsächlich: Dieses Buch lässt sich wirklich lieben!
Bobby ist Claras Lieblingsonkel und unternimmt allerhand tolle Sachen mit ihr. Aber dann will Bobby seinen Freund Jan heiraten – und Clara ist so überhaupt nicht damit einverstanden. Denn sie hat Angst, dass Bobby nach der Hochzeit dann nicht mehr so viel mit ihr unternimmt oder sie weniger lieb haben könnte. Es ist so wundervoll, wie alle mit den Ängsten Claras umgehen: Ihre Mutter rät ihr, mit Bobby zu sprechen, und Bobby erklärt, was das alles bedeutet. Und Jan entpuppt sich als toller Zweit-Onkel. Das kann doch nicht besser laufen, oder? Und so wird es dann auch eine tolle Hochzeit, die Clara sogar ein kleines Bisschen rettet (sie findet die Ringe).
Hey, genauso können diverse Kinderbücher aussehen. Gleichgeschlechtliche Beziehungen und unterschiedliche Hautfarben, Bobbys Freund Jan ist Schwarz, sind hier einfach Alltag. Wenn wir Kindern das genauso als Alltag vorleben, dann setzen sich diskriminierende Narrative viel schlechter fest. Und Sarah S. Brannen und Lucia Soto zeigen ja auch eine Welt, wie ich sie in meinem Umfeld zum Glück (allem Backlash zum Trotz) immer häufiger erlebe. Und die Illustrationen sind absolut hinreißend, fröhlich und lebensbejahend, finde ich. Und während Clara lernt, dass ihre Verlustängste unbegründet sind, lernen ihre Leser*innen zusätzlich auch, dass Partnerschaftsbeziehungen andere freundschaftliche Bande nicht verändern. Das Buch ist also auf so vielen Eben absolut zu empfehlen.
Einziger Kritikpunkt: Warum ist der Genitiv von Bobby auf dem Cover mit falschem Apostroph? 🙈
Begeisterte 5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 02.12.2023
Boyle, T. C.

Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)


sehr gut

Cat, Cooper und Ottilie, Schwester, Bruder und Mutter, bilden den Rahmen dieser irgendwie alltäglichen US-amerikanischen Familie. Besonders Cooper merkt zwar, dass ihr Leben angesichts von Dürre und Artensterben nicht mehr länger so weitergehen kann und davon motiviert beginnt Ottilie mit der Grillen-Zucht als klimafreundliche Proteinquelle, aber irgendwie geht doch alles den gewohnten Gang. Aus der Sicht dieser Drei verfolgen wir vielleicht sieben, acht Jahre, und ganz so alltäglich bleibt vieles dann nicht.

Den Übergang in die nicht weit entfernte Zukunft gestaltet T.C. Boyle fließend: Seine Protagonist*innen sind irgendwo immer noch wir selbst. Karriere, Eitelkeiten, Instagram, Heiraten, Kinderkriegen, Statussymbole, das alles sind wir – und dann brechen nach und nach die Unglücke an den neuralgischen Punkten ein. Cat kauft eine Tigerpython, Cooper beißt eine Zecke, Ottilies Grillen sterben.

„Erst als er vor dem Spiegel stand und die eine Schulter nach vorn bog, um die Stiche auf dem Rücken zu begutachten, bemerkte er den dunklen Punkt auf seinem rechten Unterarm. Er dachte, es sei ein Leberfleck oder ein Dreckspritzer, doch als er mit dem Finger darüberfuhr, spürte er, dass das Ding fester zugriff, und sein erster Gedanke war: Mari wird sich freuen.“

Boyle verknüpft hier die Menschen mit ihren Umweltbedingungen und die drei Protagonist*innen sind viel vulnerabler, als wir hoffen dürfen. Cat ist mit ihrem Freund nach Florida gezogen, wo es andauernd regnet, und die Gefahr ominpräsent, dass das von dessen Mutter geerbte Standhaus bald keinen Strand mehr hat. Cooper und Ottilie leben noch immer in Kalifornien, wo es seit Jahren nicht geregnet hat und die Waldbrandgefahr allgegenwärtig. Zwei ehemalige Sehnsuchtsorte, nicht für US-Amerikaner*innen, sondern für Menschen auf der ganzen Welt, sind nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Das Alltägliche ist schon längst vorbei. Wir lernen es hoffentlich etwas sanfter als Boyles Protagonist*innen. 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 02.12.2023
Kamigaki, Hiro;Maruyama, Chihiro;Ic4design

Pierre, der Irrgarten-Detektiv Bd.1


ausgezeichnet

Was für ein wunderschönes Buch! Zum Rätselspaß hinzu ist „Pierre, der Irrgarten-Detektiv“ ein visuelle Feuerwerk, das uns mit seinen phantasievollen wie auch architektonisch hervorragenden Welten richtig in den Bann gezogen hat. Im Großformat kommen diese Welten ganz zauberhaft zur Geltung.
Pierre ist, wie der Titel schon sagt, Irrgarten-Detektiv und so sind alle Seiten in diesem Buch kunstvolle Labyrinth, die es zu entdecken und zu durchschreiten gilt. Jedes Labyrinth stellt die Lesenden vor gleich mehrere Aufgaben: Wir müssen für Pierre und seine Freundin einen Weg hindurch finden, an dessen Ende wir jeweils kurz einen Blick auf Mr. X erhaschen können, den (nicht gruseligen) Bösewicht der Geschichte. Dann gibt es mehrere Suchaufgaben: Verschiedenfarbige Kisten oder Sterne gilt es auf jeder Doppelseite zu suchen, es gibt aber auch mehrere Beschreibungen, was es zu suchen gilt. Einige Sachen haben wir immer recht schnell gefunden, einiges hat uns dann aber immer sehr viel Kopfzerbrechen bereitet. So haben nach einer Doppelseite schon bei uns dreien (wir haben als Familie „gelesen“) der Kopf ziemlich geraucht.
Eine Bisschen Kritik haben wir dann noch noch: Die erste bezieht sich auf die „Auflösung“, die wir ein paar Mal dann doch zu Rate gezogen haben. Alle Rätsel sind nochmal als kleiner Schwarz-Weiß-Druck auf einer Doppelseite abgedruckt. Das wird dann schon sehr, sehr klein. Mehrere Rätsel auf je einer Seite sind zusammengefasst und mit den selben Symbolen bezeichnet. Das ist zwar so chiffriert, dass man beim Nachgucken dabei nicht einfach die Lösung für ein kommendes Rätsel gespoilert wurde. Allerdings waren die Auflösungen so auch nicht unbedingt hilfreich und haben uns die wenige Male, die wir sie genutzt haben, ziemlich gefrustet. Und dann war ein Gegenstand so im der Bindung vergraben, dass wir den nur mit Hilfe der Auflösung überhaupt entdecken konnten.
Ein wunderschönes Buch, bei dem wir Rätsel und Grafik sehr genossen haben. Wir waren so begeistert, dass wir im Anschluss gleich Band 2 besorgt haben. Ein kleiner Wermutstropfen sind die Auflösungen, die so chiffriert sind, dass sie uns die wenigen Male, da wir sie gebraucht haben, frustriert haben. Daher ein kleiner Sterneabzug: 4,5 von 5 Sternen und eine große Empfehlung.

Bewertung vom 02.12.2023
Mcdermid, Val

Das Mädchen, das den Weihnachtsmann umbrachte


gut

Hatte mehr Weihnachtssettings erwartet

Bitte Content Note in der Mitte beachten, falls ihr eine solche braucht (Mord und Gewalt im allgemeinen sind ja Genrebedingt).

Die letzten Jahre war ich ja etwas Krimi-abstinent, aber mit diesem Titel habe ich Weihnachtsbedingt mal wieder Lust auf das Genre bekommen und mich auch sehr gut unterhalten gefühlt.

Was mich enttäuscht hat: Bei Titel und Cover habe ich mir halt ausschließlich Weihnachts- und Wintergeschichten erwartet. Gerade die späteren Stories im Buch haben meist nur noch kleine Anleihen an die kalte Jahreszeit. Klasse fand ich, dass es viele lesbische Pärchen im Buch gab, und so die im Buchmarkt doch oft vorherrschende Heteronormativität aufgebrochen wird. Wie das bei einer Kurzgeschichtensammlung oft ist, fand ich manche Stories besser und manche nicht ganz so gut. Positiv überraschte mich „Ghostwriter“ die schon ins Phantastische abgleitet, und eine ganz eigene Atmosphäre aufbaut.

Ich hatte mal wieder Buch und Hörbuch parallel gelesen. Sprecher Wolfgang Berger brachte mich auch in gute britische Inselstimmung. Im Hörbuch findet ihr alle zwölf Geschichten der Buchausgabe vertreten. Die Buchausgabe liefert allerdings zusätzlich noch ein Interview mit Val McDermid am Ende.

Leider habe ich meine Mitschriften verlegt, darum bin ich mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube, an einer Stelle kam das I-Wort vor.

CN: sexualisierte Gewalt

Eine Geschichte fand ich allerdings sehr unangenehm, weil dort sexualisierte Gewalt als Waffe eingesetzt wurde – von den Protagonist*innen, die eigentlich die Sympathieträger*innen der Geschichte sind. Puh, das war mehr als grenzwertig und ging mir auch echt an die Nieren, weil es so gar nicht reflektiert wurde in der Geschichte.

Eigentlich angenehme 4 Sterne (einen Abzug, weil die Weihnachtsszenerie bei einigen Geschichten doch sehr in den Hintergrund rückte). Die eine Geschichte bereitete mir echt Bauchschmerzen. Aufgerundete 3,5 Sterne – mit Warnhinweis.

Bewertung vom 02.12.2023
Pearson, Luke

Hilda und der Mitternachtsriese


sehr gut

Nachdem uns der erste Band mit Hilda in in den einsamen Bergen so gut gefallen hat, wollten wir wissen, wie es weitergeht. Und auch der Mitternachtsriese machte meinem 11jährigen Sohn und mir viel Spaß. Die grafische Gestaltung ist einfach toll.

Es geht sehr dramatisch los: Ein Minibrief der „kleinen Leute“ fordert Hilda und ihre Mutter auf, so schnell wie möglich zu verschwinden. Und es bleibt nicht bei einer schriftlichen Drohung, denn dann fliegen Steine und das Häuschen der beiden sieht danach ziemlich wüst aus. Zum Glück findet ein kleiner Mensch das alles nicht in Ordnung und Hilda muss sich durch die Bürokratie und Hierarchie der kleinen Menschen quälen, um ihr Zuhause zu erhalten.

Da der drohende Verlust des Zuhauses ja so drastisch ist, fand ich es ungünstig, dass die Mutter sich aus der ganzen Frage irgendwie vergleichsweise raushält. Da schwingen dann so ungute Vibes von Parentifizierung mit, also dass Kinder Aufgaben und Rollen übernehmen, die eigentlich von den Erwachsenen erfüllt werden müssen. Das kostet in meiner Bewertung dann einen Stern. Es ist aber in der Gesamtbetrachtung dann nicht so schlimm, dass ich das Buch nicht empfehlen würde. Es ist halt generell ein Problem, wenn die Bedrohungen in Büchern so groß sind.

Wie Hilda damit umgeht, ist allerdings vorbildlich. Sie versucht mit den Betroffenen zu reden und zu verhandeln, sie recherchiert zu den Themen (da kommt dann auch das wundervolle Holzmännchen wieder vor) und versetzt sich in andere hinein. Daher ist das Ende der Geschichte auch absolut stimmig und hat mich in der Konsequenz doch überrascht und macht einen richtig großen Cliffhanger für den nächsten Band auf. Aber genau darum, will ich nicht zu viel verraten. Auch auf der Metaebene nicht. Ich bin auf alle Fälle sehr gespannt, wie es mit Hilda weitergeht.

4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 02.12.2023
Nicol, Lisa

Vincent und das Großartigste Hotel der Welt


gut

Dieses Hörbuch ist wundervoll gelesen und die opulente Geschichte fantasievoll und überbordend. Dennoch fiel mir die Bewertung alles andere als einfach.

Die Sprecherin Sascha Icks kannte ich vor diesem Hörbuch nicht. Ihre Lesung empfand ich als so wundervoll, dass ich nun nach ihren Lesungen aktiv suchen werde. Mondäne und Opulente sowie das Märchenhafte, das auf schöne Weise altmodisch ist, total gut rüber.

Gerade meinem Sohn haben diese Aspekte so gut gefallen, denn die Geschichte hat uns mit vielen phantasievollen Ideen überrascht.

Trotzdem habe ich diese Rezension jetzt eine ganze Zeitlang nicht schreiben können. Es sind vier Hauptaspekte, die mich irgendwie gestört haben: 1. Gerade am Anfang erging sich mir die Geschichte zu viel in der Schilderung von „Reichtum ist großartig“. Das wird später gebrochen, aber auch, wenn ich fest überzeugt bin, dass strukturelle soziale Ungleichheiten sich oft recht einfach durch mehr Geld für arme Menschen lösen lassen würden,

2. Manchmal schien mir der ernste Hintergrund innerhalb der Geschichten nicht so ganz schlüssig in dieses märchenhafte Konstrukt eingearbeitet. Vincent muss aufgrund der Armut arbeiten, Florence wächst von ihren reichen Eltern quasi völlig vernachlässigt auf – innerhalb der Welt funktioniert das, aber ich frage mich dann immer, was das den Kindern dann letztendlich mitgibt. Meinen 9jährigen Sohn (jetzt 10 geworden) hat das auch manchmal irritiert und er hat nachgefragt, ist dann aber wieder in der Geschichte aufgegangen. Es hat sich dann aber ziemlich gezogen, bis wir das Hörbuch zu Ende gehört haben – und das sagt ja auch schon immer viel aus.

Diese Irritation ist auch beim 3. Aspekt, der mich gestört hat, ähnlich gelagert. Vincent hat einen Bruder, der eine nicht benannte Form von Behinderung hat und deswegen nicht spricht und fast die ganze Aufmerksamkeit der Eltern in Anspruch nimmt. Dass Vincent deswegen immer mal wieder frustriert ist, ist altersgerecht dargestellt. Aber irgendwie gelingt für mich in diesem märchenhaften Konstrukt auch hier die Gewichtung nicht. Und es bleib ein schales Gefühl für mich zurück. Erst recht, weil das Geld am Ende auch diese Wunde heilt.

4. Am Ende bleibt die Verantwortung für diese Heilung dann auf den Schultern der Kinder liegen. Und diese Überforderung finde ich ebenfalls schwierig.

Fazit:
So lässt mich „Vincent und das Großartigste Hotel der Welt“ irgendwie etwas ratlos zurück. Ich mochte so viel, besonders die grandiose Lesung des Hörbuch, aber irgendwie bleibt ein schales Gefühl. 3 bis 4 Sterne.

Bewertung vom 02.12.2023
Kemfert, Claudia

Schockwellen


ausgezeichnet

Bei der Lektüre gingen mir nicht nur einmal Schockwellen durch den ganzen Körper! Wie haben wir – allen voran die Politik – nicht sehen können, was mit der bislang fehlgeschlagenen Energiewende und den Putins Plänen für Europa auf uns zu kommt???? Claudia Kemfert gibt darauf in ihrer fundierten Analyse Antworten. Diese Analyse ist fundiert und umreißt nicht nur sehr detailliert das erste Jahr nach dem kompletten russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, sondern auch die 20 Jahre zuvor.
Obwohl viele von uns ja das Jahr 2022 noch so nahe vor Augen haben, hat mich doch überrascht, wie viel ich schon wieder vergessen und verdrängt habe – besonders, welche Chancen die Politik hier hat vorbeiziehen lassen. Und die 20 Jahre kennt das Versagen vor allem zwei Namen: Altmaier-Knick und Gabriel-Senke. Der damalige Umweltminister Peter Altmaier (CDU) hatte die EEG-Förderung für den Solarstrum zusammengestrichen. Energie- und Wirtschaftsminister Gabriel verschlimmbesserte die Situation zusätzlich. Ja, aber sie waren bei diesem Versagen angesichts der Klimakrise nicht alleine. Kemfert, Energieexpertin, Professorin und Wirtschaftswissenschaftlerin, zeichnet die Genese nach, was alles schiefgegangen ist. Bei einigem – zum Beispiel bei dem Verkauf der Gasspeicher an russische Unternehmen – wurden die Risiken bewusst kleingeredet. Kemfert war selbst über Jahrzehnte eine der Warnenden. Darum hat mir besonders gefallen, dass bei aller scharfen und sachlichen Analyse der Wissenschaftlerin ihre eigene Wut auch immer wieder spürbar wird.
So fühlte ich mich nicht so allein, wenn ich den Kopf gegen die Tischkante knallen lassen wollte. Die Politik hat mit unserer Zukunft und, noch schlimmer, mit der Zukunft unserer Kinder gespielt. Und das werde ich einigen nie vergessen. Kemfert entlässt uns Leser*innen aber nicht mit einem völligem Gefühl der Mutlosigkeit. Wir können nämlich noch beim Klimaschutz einiges erreichen, wenn die Politik endlich anders handelt. Das müssen sie an der Wahlurne spüren. Seid ihr dabei?