Wow, ich habe "Schwebende Lasten" von Annett Gröschner innerhalb von zwei Tagen gelesen. Was für ein Meisterwerk! Die Autorin erzählt in einem klaren und flüssigen Schreibstil das Leben ihrer Protagonistin Hanna, stellvertretend für die vielen starken Frauen dieser Generation. Was hat Hanna alles erlebt und durchgemacht, wie ist sie gefallen und immer wieder aufgestanden. Erst Blumenbinderin, später Kranführerin, Ehefrau und mehrfache Mutter, zwei erlebte Weltkriege. Ich musste immer wieder innehalten und an meine Großmütter denken, die ein ähnliches Leben führten. Wie beherzt und mutig waren diese Frauen, wie haben sie in den widrigsten Zeiten für ihre Familien und deren Überleben gekämpft, wie hart schlug das Schicksal oft zu. Hanna lässt sich nicht unterkriegen, so wenig wie meine Großmütter. Dieser Roman ist einzigartig und eine berechtigte Hommage an die Frauen jener Zeit. Das kurze Vorwort hat mich schon zutiefst berührt und vor allen Dingen der letzte Satz, dass Hanna starb, bevor sie die Welt nicht mehr verstand. Leider scheint das aktueller denn je, wenn man die heutigepolitische Weltlage betrachtet. Um die geniale Astrid Lindgren zu zitieren: "Die Menschheit hat den Verstand verloren." Ich wünschte, die "mächtigen Männer" hätten den Geist und das Herz von Hanna...oder von meinen Großmüttern.
"Was ich von ihr weiß" von Jean-Baptiste Andrea ist ein Roman, der mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen hat. Es ist die Geschichte von Michelangelo (Mimo) und Viola. Mimo, klein und aus ärmlichen Verhältnissen kommend trifft die Tochter der Familie Orsini, wohlhabend und für ihn eine völlig andere Welt. Der Junge, der Halbwaise ist, wächst bei seinem Onkel auf und erlernt dass Handwerk der Bildhauerei. Sein Leben ist von kleinauf mühsam und hart. Viola sprüht vor Lebensfreude und will sich nicht den gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit beugen. Unterschiedlicher können zwei Charaktere nicht sein. Der Autor erzählt so feinfühlig, dass ich die beiden Protagonisten sehr bildhaft vor meinen Augen hatte und mit ihnen mitgelacht und geweint habe. Ihrer beider Leben werden in einem flüssigen Schreibstil geschildert und dennoch ist es ein Buch für das man sich Zeit nehmen, auf das man sich voll einlassen muss. Zudem wird geschichtliches Wissen vermittelt und die Kultur Italiens beschrieben. Es ist ein Werk, das mich zutiefst berührt hat.
Das hübsche Gesicht von der Frau auf dem Cover des Buches "Du hast ein Recht darauf, glücklich zu sein" war mir bisher nicht bekannt. Nicole Jäger, Commedian und Autorin, ausgebrannt und auf der Suche nach sich selbst, verreist einer spontanen Eingebung folgend ans Meer. Auf diese turbulente Reise und ihre inneren und äußeren Kämpfe nimmt sie die Leser mit und ich muss sagen, sie hat mich schnellstens abgeholt. Anfangs leicht skeptisch und etwas irritiert von ihrem schnodderigen und oftmals rotzigen Schreibstil, zog mich ihre Erzählweise doch zusehends immer mehr in ihren Bann. Ich bin förmlich durch die Seiten geflogen, fand mich so manches Mal in ihren Schilderungen wieder und war angetan und berührt von ihrer schonungslosen Offenheit sich selbst gegenüber. Das ging oft bis zur Schmerzgrenze. Gleichzeitig ist dieses Buch aber auch voller Humor und ich musste vielfach laut lachen. Was für eine Kombination. Nicole Jäger ist dieser Spagat wunderbar gelungen. Hinter diesen zeitweise harten Zeilen steckt eine äußerst empfindsame Person, die in ihrem Leben zu oft verletzt wurde, wieder aufstand, wieder verletzt wurde etc. Der laute und lustige Clown für das Publikum, das kleine und hilflose Mädchen für ihren engeren Kreis. Sie gibt sich selbst und den Lesern Ratschläge und Denkanstöße, schulmeistert aber niemals. Wie erfrischend und somit hebt sich ihr Buch auf eine sehr angenehme Weise von den üblichen langweiligen sogenannten Selbsthilfe-Ratgebern ab. Trotz aller Traurigkeit und mancher beschriebener bedrückender Situationen und Lebensabschnitte ist es wohltuend "Du hast ein Recht darauf, glücklich zu sein" zu lesen. Ab jetzt ist mir das Gesicht auf dem Cover bekannt und dass0 wird es auch bleiben.
Das Cover von "Death in Brachstedt" von Tobias Wagner verrät noch nicht viel über den berührenden Inhalt dieses hervorragenden Jugendbuches. Es ist lediglich ein Filmstreifen abgebildet, denn darum geht es unter anderem in dem Roman. Der fünfzehnjährige Leo, dessen Mutter bereits verstorben ist, lebt mit seinem zunehmend dementen Vater zusammen. Das stellt den Jungen vor verantwortungsvolle Aufgaben. Eine Woche vor Ostern verschwindet der Vater plötzlich, taucht aber zum Glück bei Leos Tante Lisa wieder auf. Sie will sich erstmal um seinen Vater kümmern und Leo sieht sich für kurze Zeit aller Sorgen entledigt und verabredet sich mit seinem besten Freund Henri. Sie beschließen einen Film zu drehen, der "Death in Brachstedt" heißen soll und danach eine Party zu organisieren. Tobias Wagner hat hier ein wunderbares Jugendbuch geschrieben, das mich vom Schreibstil ein wenig an "Tschick" erinnert. Seine Protagonisten sind sympathisch und liebevoll gezeichnet und das macht die Erzählung so warmherzig. Leo ist mir im Verlauf der Geschichte richtig ans Herz gewachsen, dieser junge Mann, der oftmals schon so erwachsen sein muss und doch auch seine eigenen Probleme hat. Erstes Verliebtsein und derlei Dinge werden thematisiert und natürlich die ehrliche und enge Freundschaft zweier Jugendlicher. Ich kann diesen Roman wärmstens empfehlen und er ist auch für Erwachsene äußerst lesenswert. Zudem hat er für mich Potenzial für eine Mittelstufen-Lektüre.
Das Jugendbuch "Lichterloh" von Sarah M. Kempen besticht alleine schon durch sein wunderschön und passend zum Klappentext gestaltetes Cover. Auch den Umschlag mit der Klappe finde ich gelungen. Die Schwestern Cleo und Gwynnie leben in Rußstadt und ihr gemeinsames Ziel ist es, umweltfreundlichere Technologien zu entwickeln, denn es ist alles andere als angenehm, in Rauch und Dunkelheit zu leben. Zudem ist es Cleos erklärtes Ziel Schornsteinfegerin zu werden, ein in Rußstadt hoch angesehener Berufsstand. Ob sie es schaffen wird, verrate ich hier nicht. Ich kann aber sagen, dass diese Dystopie unglaublich spannend und rasant erzählt wird und keine Leseminute Langeweile aufkommt. Auch gesellschaftskritische Aspekte kommen keineswegs zu kurz. Der Sprachstil ist klar und verständlich und die Protagonisten sind bildhaft beschrieben. Ich bin dem jugendlichen Alter längst entwachsen, konnte mich aber sehr für dieses Buch begeistern und lege es somit auch gerne der nicht empfohlenen Altersgruppe ans Herz. Zwei weitere Bände sollen folgen und man darf sehr gespannt sein wie es weitergeht.
Das Cover von "Achtzehnter Stock" von Sara Gmuer ist schon sehr ansprechend und der Roman hält, was der interessante Klappentext verspricht. Wanda, arbeitslos und alleinerziehende Mutter einer fünfjährigen Tochter wohnt in einem Plattenbau im achtzehnten Stock, mitten in Berlin und träumt von einer Karriere als erfolgreiche Schauspielerin. Unterschiedlicher können diese zwei Welten nicht sein. Man lernt einen Teil ihrer Mitbewohner und deren Alltag kennen und fühlt sich als Leser recht schnell zugehörig. Das schafft die Autorin einzig allein durch ihren bildhaften, manchmal rauen und trotzdem empathischen Schreibstil. Überhaupt, diese Art so klar und deutlich zu formulieren lässt einen förmlich nur so durch die Seiten fliegen und in keinster Weise Langatmigkeit aufkommen. Wanda bekommt die Chance in die Welt der Filmbranche und Glanz und Glamour einzutauchen. Wird sie sie nutzen? Kann sie dem Plattenbau entfliehen und sich und ihrer Tochter ein sorgenfreieres Leben bieten? Hin-und hergerissen zwischen ihrer Verantwortung als Mutter und der bedingungslosen und aufopfernden Liebe zu ihrem Kind muss sie Entscheidungen treffen. Dieses Buch ist für mich ein Glücksgriff und ich kann es uneingeschränkt empfehlen. Trotz aller Widrigkeiten fehlt es der Geschichte nicht an Humor und die Protagonisten sind so liebevoll gezeichnet, dass man sie einfach ins Herz schließen muss. Sehr gerne weitere Erzählungen von Sara Gmuer!
Das Cover von "Sing mir vom Tod" von Ivy Pochoda ist in einem auffallenden Gelb gehalten und im Vordergrund sieht man Bäume vor einem rötlichen Sonnenaufgang. Ich finde es ansprechend und auch der Klappentext hat mich neugierig auf das Buch gemacht. Leider war ich am Ende dann doch nicht mehr so angetan wie anfangs. Erzählt wird die Geschichte von Florida und Dios, die sich im Frauengefängnis von Arizona kennenlernen und beide daraus frühzeitig entlassen werden. Zwischen ihnen herrscht eine Hassliebe und ihre seltsame Beziehung wird eingehend beschrieben. Als Detective Lobos irgendwann ins Spiel kommt, wird der Roman endlich ein wenig spannend und es kommt auch zu einem guten Showdown. Alles in allem konnte mich das Buch aber nicht wirklich überzeugen. Dafür fand ich es zeitweise, gerade am Anfang, zu verwirrend. Mir ist klar, dass auch in Frauen ein Gewaltpotenzial schlummert und heftigst ausbrechen kann. Allerdings wurde mir diese Brutalität in manchen Abschnitten zu ausführlich und langatmig beschrieben. Es ist für mich kein Buch, das ich am Ende zufrieden zuklappe. Dafür habe ich mich zu oft durch die einzelnen Kapitel gequält. Leider nur drei Sterne und die vergebe ich hauptsächlich für die wirklich spannenden Schlussszenen.
Ich kannte Annette Spratte, die Autorin von "Blumen im Schuh" bisher noch nicht und vermutete hinter diesem Buch erst eine der üblichen seichten Trennungsgeschichten. Ich wurde schnellstens eines Besseren belehrt. Elisabeth, die Ehefrau von Wolfgang, erwischt ihren Mann beim Seitensprung und schlägt daraufhin selbst neue Wege ein. Jahrzehntelang in völliger Abhängigkeit lebend, zieht sie zu ihrer Schwägerin Anja auf den Bauernhof, lernt neue Menschen kennen und mit der Zeit auch ihre eigene Persönlichkeit zu entfalten. Schrittchenweise verhelfen ihr die Erlebnisse und Gespräche der offenen Mitbewohner zu einem neuen und starken Selbstbild und sie, die bislang so erfolgreich klein Gehaltene, bietet letztendlich auch Wolfgang die Stirn. Die Entwicklung Elisabeths mitzuerleben war eine wahre Freude und manchmal bekam ich feuchte Augen. Aber, auch der Humor kommt in diesem eindrucksvollen Roman nicht zu kurz. Der Schreibstil ist flüssig, leicht und sehr einfühlsam und ich fühlte mich bestens unterhalten!
"Allein gegen die Lüge" von Alex Finlay ist für mich ein absolutes Highlight unter den Neuerscheinungen. Es geht um den jungen Studenten Matt Pine, seinen inhaftierten Bruder Danny und deren Familie, die in Mexiko ums Leben gekommen ist. War es ein Unfall oder Mord? Das FBI ist skeptisch und schaltet sich ein. Doch auch Matt verlangt es nach Aufklärung und er begibt sich auf die eigene Spurensuche. Was wird er herausfinden und steht diese Tragödie im Zusammenhang mit Danny, der sieben Jahre zuvor angeblich seine Freundin ermordet haben soll? Der Thriller ist rasant, aus verschiedenen Perspektiven und in unterschiedlichen Zeitebenen geschrieben. Eingestreut werden Ausschnitte aus einer Netflix True Crime Dokumentation, die Dannys Geschichte beleuchten soll. Kurze Kapitel, Spannung pur und eine mehr als fesselnde Story machen dieses Buch zu einem Meisterwerk des Genres. Ich vergebe klare fünf Sterne.
Das Cover von "Minus 22 Grad" von Quentin Peck lässt den Leser schon frösteln und erahnen, dass ihn ein eiskalter Thriller erwarten wird. Dem ist auch so. Laura Gehler, Studentin der Fotografie, wird an einem Winterabend im Dezember von einem Unbekannten von ihrem Fahrrad gestoßen und verschleppt. Wieder bei Bewusstsein, stellt sie panisch fest, dass der Fremde sie in einem Käfig aus Plexiglas gefangen hält. Er möchte ein Spiel mit ihr spielen. Wenn sie überleben will, muss sie das Rätsel um den Käfig lösen. In einem weiteren Handlungsstrang geht es um die mysteriöse verwitwete Ariane und den jungen Tom, dem sie das Leben gerettet hat. Man fragt sich natürlich, was die beschriebenen Personen miteinander zu tun haben und was ihnen in der Vergangenheit widerfahren ist. Hinzu kommen Imke, Lauras Mutter, der man eine Barbiepuppe mit dem Todesdatum ihrer Tochter hat zukommen lassen und Kommissar Lukas Johannsen, der wie besessen davon ist den Fall zu lösen und Parallelen zu einem ungelösten Fall zieht. Zwischen den einzelnen kurzen Kapiteln werden immer wieder Audiobotschaften eingestreut. Das hört sich vielleicht verwirrend an und das ist es manchmal auch. Allerdings schreibt der Autor so atmosphärisch dicht, klar und spannend, dass man gar nicht mehr anders kann und möchte, als lesen, lesen, weiterlesen. Geschickt verwebt Quentin Peck die drei Handlungsstränge und das unglaublich gute Ende war für mich nicht vorhersehbar. Er führte mich immer wieder auf das sprichwörtliche Glatteis, zeitweise hatte ich feuchte Hände, im nächsten Moment überlief mich eine Gänsehaut. Fesselnder kann man nicht schreiben. Ich gebe eine klare Kaufempfehlung und volle fünf Sterne. Ein toller Thriller für die Winterzeit, am besten auf der Couch, eingekuschelt in eine warme Decke und mit einer Tasse Tee, denn dieses Buch ist eisig gut.
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