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hamburger.lesemaus
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Bargfeld-Stegen

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Insgesamt 480 Bewertungen
Bewertung vom 10.08.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


ausgezeichnet

IM LEBEN NEBENAN
Anne Sauer
ET: 10.07.2025

Antonia, von allen nur Toni genannt, ist seit Langem mit Jakob zusammen. Sie liebt alles an ihm: seinen Geruch am Morgen, seine Halskette und dass er ihr genug Freiraum zum Atmen lässt. Heiraten war nie ein Thema – doch jetzt, Mitte 30, kommt die Frage nach Kindern auf. Wollen sie welche? Oder genießen sie lieber weiter ihre Freiheit? Braucht man wirklich diese ständig schreienden Babys im Leben?

Als die Entscheidung schließlich auf Ja fällt, sieht Toni plötzlich überall Schwangere und Mütter mit Kindern. Gefühlt jede Frau ist schwanger oder bereits Mutter – nur bei ihr passiert … nichts. Keine Eizelle will sich befruchten lassen. Es beginnt ein zermürbender Kreislauf: Hormontherapie, Sex nach Fahrplan, Schwangerschaftstests, ständige Nachfragen von Freunden – und das alles, weil sie den Fehler gemacht hat, ihren Kinderwunsch offen zu erzählen.

Und dann die Frage: Was wäre, wenn sie damals einen anderen Weg eingeschlagen hätte?

In einem nun anderen Lebensszenario wacht Toni eines morgens wie gerädert auf – mit einem Baby an der Brust. Sie weiß nicht, wo sie ist, erkennt jedoch den Ausblick: ihr Heimatdorf. Als ihr Ex-Freund Adam sich als ihr Ehemann vorstellt, will sie sofort fliehen. Doch mit einem vier Monate alten Baby namens Hanna ist das gar nicht so einfach. Alles fühlt sich falsch an – der Mann, das Kind und die Narbe seit der Geburt.
Was war passiert?
Das müsst ihr am besten selbst herausfinden …

Mein Eindruck:
Anne Sauer greift ein Thema auf, mit dem sich jede Frau früher oder später auseinandersetzen muss: Will ich Kinder – und was, wenn es nicht klappt? Sie beleuchtet einfühlsam beide Seiten: den nicht vorhandenen Kinderwunsch und den unerfüllten. Ihr flüssiger Schreibstil hat mich mühelos durch die Seiten getragen, und ich habe die unterschiedlichen Szenarien mit großem Interesse verfolgt. Besonders jüngeren Frauen kann ich dieses Buch sehr ans Herz legen.

Das Ende ist ungewöhnlich, mutig und offen – für mich hat es perfekt gepasst.

Fazit:
Ein starkes Debüt, das nachhallt und berührt. Für mich eine absolute Leseempfehlung.
5 / 5

Bewertung vom 05.08.2025
Clark, Polly

Ocean - Gefangen im Blau


gut

OCEAN – Gefangen im Blau
Polly Clark
ET: 30.05.2025

Helen und Frank stehen kurz vor dem Ende ihrer Ehe, als Helen mit 42 Jahren noch einmal schwanger wird. Das ungeplante Kind soll ihrer Beziehung neuen Halt geben – auch Sohn Nicholas freut sich auf das Geschwisterchen.

Doch alles kommt anders: Helen gerät in der Londoner U-Bahn in einen Bombenanschlag und verliert das Baby. Nur durch die Hilfe eines Mannes namens James überlebt sie. Die Trauer über den Verlust lähmt sie, starke Medikamente intensivieren ihr Gefühl, nicht mehr am Leben teilnehmen zu können.
Helen beginnt, von ihrem Retter zu träumen. Sie schreibt ihm imaginäre Briefe und versucht, ihn ausfindig zu machen.

Ein Wendepunkt kommt, als Frank seine Firma verkauft und die Yacht „Innisfree“ kauft – jenes Boot, auf dem sie sich einst kennengelernt haben. Mit ihrem Sohn und ihrer Pflegetochter brechen sie zu einer Atlantiküberquerung auf. Alles wird verkauft, das alte Leben hinter sich gelassen.
Doch der ersehnte Neuanfang auf hoher See entpuppt sich bald als Zerreißprobe: Die alten Konflikte holen sie ein, auf engstem Raum entladen sich angestaute Spannungen.

Ob am Ende wirklich alle gemeinsam wieder von Bord gehen – das müsst ihr selbst herausfinden.

Ich liebe das Meer. Und ich liebe dieses Cover!
Aber liebe ich auch den Inhalt?

Ganz ehrlich: Der Anfang war für mich richtig schlimm. Ich wollte das Buch schon zurück ins Regal stellen.
Aber irgendetwas hat mich weiterlesen lassen. Ich stand gefühlt mit offenem Mund in der Küche der Protagonisten – Zeugin von unfassbar verletzenden Dialogen. Wie kann man sich so viele Gemeinheiten an den Kopf werfen und im nächsten Atemzug gestehen, dass man sich trotzdem noch begehrt?

Ja, vieles war too much. Einige Entscheidungen waren für mich einfach nicht nachvollziehbar.
Aber dann kam die zweite Hälfte – die Reise auf dem Boot. Und die war spannend, intensiv, atmosphärisch. Ich habe diesen Teil verschlungen.

Fazit:
Liebt ihr das Meer?
Habt ihr Lust auf Drama, Wellen und emotionale Achterbahnfahrten?
Dann lest dieses Buch!

Von mir gibt’s:
🌊 für die erste Hälfte
🌊🌊🌊🌊🌊 für die zweite
= 🐭🐭🐭 insgesamt.

Bewertung vom 04.08.2025
Segal, Francesca

Entscheidungen auf Tuga


sehr gut

ENTSCHEIDUNG AUF TUGA
Francesca Segal
Band 2 der Tuga-Trilogie
ET 24.07.2025
Charlotte Walker ist auch nach dem Ende ihres Forschungsauftrags auf der Insel Tuga de Oro geblieben.
Ursprünglich war sie angereist, um die seltenen Goldmünzen-Schildkröten zu erforschen und gleichzeitig ihren Vater zu finden, der auf der abgelegenen Insel lebt. Sie hatte ihn nie kennengelernt und sich zeitlebens nach ihm gesehnt. Doch nach dem ersten Treffen stellte sich schnell heraus, dass er weder von ihrer Existenz wusste noch Interesse an einer Beziehung hatte.
Erst als sie Levi begegnete und sich in ihn verliebte, entschied sie sich, dauerhaft auf Tuga zu bleiben.

Mittlerweile hat sie sich gut in das einfache Leben auf der Insel eingefunden und arbeitet dort als Tierärztin. Tuga ist winzig – nur etwa sechzig Menschen leben hier, jeder kennt jeden, Geheimnisse gibt es kaum. Während der Zeit des „Island Close“, wenn aufgrund der Schlechtwetterperiode keine Schiffe anlegen oder abfahren können, ist die Insel völlig von der Außenwelt abgeschnitten.

Als plötzlich ein Segelboot genau in dieser Zeit einen Notruf sendet, ist die Sorge groß: Ein Passagier soll dringend ärztliche Hilfe benötigen. Mutig setzen sich einige Inselbewohner einem riskanten Rettungseinsatz aus – nur um festzustellen, dass es sich bei dem angeblich kranken Gast um Charlottes quicklebendige Mutter handelt: Lucinda Compton-Neville.
Sie ist fest entschlossen, dass die Zeit ihrer Tochter auf Tuga ein Ende haben muss. Charlottes Einwände wischt sie beiseite. Doch nicht nur Charlottes Leben wird durch die Ankunft ihrer dominanten Mutter durcheinandergebracht, auch das Leben der Inselbewohner gerät aus dem Gleichgewicht. Ob Lucinda ihre Tochter tatsächlich zur Rückkehr nach London bewegen kann – und zu welchen Mitteln sie greift –, sollte jede*r selbst nachlesen.

Auch der zweite Band der Tuga-Trilogie überzeugt mit Francesca Segals flüssigem und bildhaftem Erzählstil. Mit viel Einfallsreichtum entführt sie uns erneut auf die kleine (fiktive) Insel und lässt uns eintauchen in das Leben der manchmal etwas schrulligen, aber liebenswerten Einheimischen.

Auch wenn dieser Band meines Erachtens nicht ganz an seinen Vorgänger heranreicht, ist er ein ideales Buch für den Sommerurlaub – besonders für Leser*innen, die gerne in atmosphärische Inselwelten eintauchen.
Ich freue mich schon sehr auf den abschließenden Teil der Reihe und bin gespannt, wie Charlottes Geschichte weitergeht.

Fazit:
Ein warmherziger Inselroman mit Charme. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen, doch ich empfehle, unbedingt mit Band eins zu beginnen.
4/5

Bewertung vom 28.07.2025
Prizkau, Anna

Frauen im Sanatorium


sehr gut

FRAUEN IM SANATORIUM
Anna Prizkau

Darf ich heute mal anders beginnen – und zwar mit dem Fazit?
Danke

Fazit:
Selten hat mich ein Buch so zwiegespalten fühlen lassen wie das Debüt von Anna Prizkau.
Wie kann etwas so zart und schön daherkommen - das Cover, die Sprache – und gleichzeitig so brutal und schonungslos sein? Unsere Protagonistin war mir so unfassbar unsympathisch, und doch hing ich an ihren Worten wie eine Süchtige an der Nadel.
Erzählte Märchen enden hier in Albträumen.
Aber ist das Leben immer fair? Und tut es nicht auch mal gut, von denen zu lesen, deren Realität nicht aussieht wie ein Bilderbuch?

Anna wird nach einem traumatischen Ereignis in ein Sanatorium eingewiesen.
Dort trifft sie auf ganz unterschiedliche Menschen, die eines gemeinsam haben: Sie brauchen Hilfe.
Wir begleiten Anna in den Kurpark, an den See, zu einem blassen Flamingo namens Pepik, und lauschen ihren Geschichten zwischen Therapiesitzungen und fadem Kantinenessen.
Sie beobachtet, hört zu, erzählt – von Marija, die so stolz auf ihre Tochter ist, es ihr aber nie zeigen kann und sie diese ausschließlich kritisiert.
Von Elif, die sich lieber Geschichten ausdenkt, als die Wahrheit zu erzählen.
Und von Katharina, einer Soldatin, die ihre Wahrheiten in Wodka und Wein ertränkt.

Kein Wohlfühlbuch – aber läuft das Leben immer nach Plan?
Sehr lesenswert.
3½/5

Bewertung vom 25.07.2025
Slocombe, Penelope

Sunbirds


ausgezeichnet

„Ich habe vergessen, wer ich war, bevor ich Mutter wurde, und jetzt weiß ich nicht, wie ich aufhören soll, eine zu sein. (S. 180)

SUNBIRDS
Penelope Slocombe

Annes Sohn Tarron ist seit sieben Jahren in Indien spurlos verschwunden. Damals verließ er sein Hotel ohne Pass, ohne Schuhe und ohne Geld – seither fehlt jede Spur. Während Vater Robert die Hoffnung längst aufgegeben hat und nach Schottland zurückgekehrt ist, kann Anne nicht loslassen. Seit drei Jahren lebt sie in Indien, verteilt Flugblätter und zeigt Reisenden das Foto ihres Sohnes – in der Hoffnung, dass ihn jemand gesehen hat.
Als Elvie, die über dreißig Jahre lang in Indien als verschollen galt, nach Schottland zurückkehrt und die Hinterlassenschaften ihrer verstorbenen Eltern durchsieht, stößt sie auf einen alten Zeitungsartikel über den vermissten Tarron. Daraufhin nimmt sie Kontakt zur Autorin des Artikels auf – Esther, Tarrons ältere Cousine –, um ihr mögliche Hinweise auf seinen Verbleib mitzuteilen. Obwohl Esther ein schwieriges Verhältnis zu Anne und Robert hat, entschließt sie sich, nach Indien zu reisen. Gemeinsam mit Anne folgt sie einer neuen Spur, die sie tief in die Täler und Landschaften des Himalayas führt.

Was für ein wunderschöner, atmosphärischer Roman! Ich hatte das Gefühl, selbst drei Tage in den Bergen des Himalayas verbracht zu haben. Von der ersten Seite an zog mich die Autorin mit ihrer poetischen Sprache und den eindrucksvollen Naturbeschreibungen in den Bann – einzig das Ende empfand ich als etwas überladen (Kritik auf hohem Niveau).

Dass viele junge Menschen in dieser Region vermisst werden, hatte ich schon gehört – doch es ist jedes Mal aufs Neue erschütternd, über individuelle Schicksale zu lesen.

Ein großartiges Buch über Verlust, Vergebung, Neubeginn – und darüber, dass wir unsere Kinder loslassen müssen, damit sie ihren eigenen Weg finden können.

Große Leseempfehlung von mir.
4½/5

Bewertung vom 24.07.2025
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


ausgezeichnet

DAS GESCHENK
Gaea Schoeters

Bundeskanzler Hans Christian Winkler unterzeichnet ein neues Bundesgesetz, das den Import von Elfenbein ab sofort verbietet. Kurz darauf tauchen mehrere afrikanische Elefanten in der Hauptstadt Berlin auf. Zuerst glaubt man an einen Ausbruch aus dem Zoo – doch bald stellt sich heraus: Der Präsident von Botswana hat Deutschland „als Dankeschön“ für das neue Gesetz 20.000 Elefanten überlassen. Natürlich nicht aus echter Dankbarkeit – sondern eher als ironischer Kommentar darauf, dass sich Deutschland in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischt.

Denn: Durch das Gesetz werden keine Jagdlizenzen mehr verkauft. Die Folge? Ein unkontrollierbares Wachstum der Elefantenpopulation. Die Tiere fressen Felder leer, die eigentlich dringend zur Versorgung der Bevölkerung gebraucht werden. Der Präsident Botswanas erklärt: Sein Volk hungert.

Und nun? Was soll man in Berlin mit 20.000 Elefanten anfangen? Und viel dringlicher: Was macht man mit deren Ausscheidungen, die drohen, die Hauptstadt zu begraben? Gelangen Phosphate und Nitrate des Dungs etwa ins Grundwasser? Und furzen afrikanische Riesenkühe nicht auch CO₂?

All das bringt Berlin an den Rand einer Krise – und was genau passiert, solltet ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen!

Die Idee allein verdient schon 5 ⭐️!
Wie auch im Vorgänger Trophäe greift die Autorin ein brisantes Thema auf und fordert uns dazu auf, einmal die Perspektive zu wechseln und die Kehrseite vermeintlich richtiger Entscheidungen zu betrachten. Schreibstil und Thema ließen mich nur so durch die Seiten fliegen.

Auch wenn ich in der zweiten Hälfte eine Mini-Länge empfunden habe und es mich kurz irritiert hat, dass eine Holländerin über deutsch Politik schreibt, gebe ich unbedingt 5 Lesemäuse und empfehle euch das Buch uneingeschränkt weiter.
5/5

Bewertung vom 23.07.2025
Engelmann, Julia

Himmel ohne Ende


ausgezeichnet

HIMMEL OHNE ENDE
Julia Engelmann

Die 15-jährige Charlotte, von allen nur „Charly“ genannt, fühlt sich nicht wohl in ihrem Körper, der noch kein Erwachsener ist und kindlich nie wieder sein wird.
Sie ist zwischen den Welten gefangen, unsicher und suchend.

Ihre beste Freundin Kati hat sich von ihr abgewandt und ghostet sie.
Und obwohl es wehtut, bringt Charly irgendwie Verständnis dafür auf. Denn ihr fehlen oft die Worte – nicht, weil sie keine hätte, im Gegenteil – Ihr Kopf ist voller Gedanken. Aber sie kommen ihr einfach nicht über die Lippen. Nicht bei Kati. Nicht bei anderen. Und auch nicht bei ihrer Mutter.

Immer öfter fragt sie sich, ob sie auch ein Feigling ist – wie ihr Vater, der einfach gegangen ist und den sie trotz allem schmerzlich vermisst.

„[…] Ich fühlte mich steckengeblieben zwischen der, die ich war, und der, die ich nicht schaffte zu werden.“ (S. 64)

Gerade als Charly überlegt, ob Weglaufen eine Lösung wäre, taucht ein neuer Schüler auf: Kornelius. Zum ersten Mal ist da jemand, der sie sieht. Der sie versteht. Der für sie einsteht.
Doch ob diese Freundschaft hält, oder ob Kornelius nur eine kurzzeitige, leuchtende Sonne am Himmel für sie ist, müsst ihr unbedingt selbst herausfinden.

Was für ein berührendes Buch!
In der ersten Hälfte saß eine Träne wie ein stiller Dauergast in meinem Augenwinkel.
Das Buch hat mich tief bewegt – und mich in meine eigene Jugend zurückgeworfen.
Manche Sätze musste ich zweimal lesen, nicht, weil ich sie nicht verstanden hätte, sondern weil sie einfach so schön waren.

Julia Engelmann ist eine Wortkünstlerin.
Das wissen spätestens die 14 Millionen Menschen, die seit 2014 ihr Poetry-Slam-Video „Eines Tages, Baby“ gesehen haben.

Das Ende des Buches ist stark, feinfühlig und kommt ganz ohne Kitsch aus.
Es bleibt keine Frage offen – außer vielleicht: Wann wirst du dieses Buch lesen?


Fazit:
Julia Engelmann jongliert so gekonnt mit Wörtern, wie ich es nie könnte – also lest das Buch unbedingt.
Große Leseempfehlung! Highlight!
5+/5

Bewertung vom 22.07.2025
Hauff, Kristina

Schattengrünes Tal


ausgezeichnet

SCHATTENGRÜNES TAL
Kristina Hauff

Lisa lebt mit ihrem Mann im Schwarzwald. Es ist ein neues Gefühl für sie, mit ihm allein zu sein – ohne die Tochter, die sich für ein Jahr im Ausland befindet.
Sie leben fast ein wenig aneinander vorbei. Er ist wortkarg und zieht sich oft in seinen Wald zurück, wo er als Förster arbeitet.
Lisa hingegen lenkt sich mit ihren vielen kleinen Jobs ab. Sie führt die Buchhaltung im Hotel ihres Vaters, singt im Chor und engagiert sich ehrenamtlich in einem Hospiz.

Eines Tages taucht plötzlich eine Frau als Gast im Hotel auf. Sie wirkt verloren und etwas hilflos. Lisa nimmt sich ihrer an und befreundet sich mit ihr.

Schon bald erfährt sie, dass jene Frau – Daniela – frisch getrennt ist, weshalb diese ihre Wohnung verlor und zudem auch noch ihren Job kündigte. Nun hofft sie auf einen Neuanfang im Schwarzwald.
Daniela findet schnell Anschluss in der Gemeinde. Sie begleitet Lisa zu den Chorproben und Lisas Freunde werden rasch zu ihren. Doch plötzlich bemerkt Lisa, dass sich enge Freunde von ihr abwenden. Als schließlich auch ihr Mann zunehmend in Danielas Bann gerät, ahnt Lisa, dass ihre Welt ins Wanken gerät.

Was für ein großartiger Psychothriller! Schon ab der ersten Seite war ich völlig gefesselt. Ich habe mit der Protagonistin Lisa mitgelitten, mitgefühlt und konnte mich sehr gut in sie hineinversetzen.
Besonders gut gefiel mir der Aufbau des Romans: In kurzen, wechselnden Kapiteln kommen verschiedene Figuren zu Wort. Manche Ereignisse werden aus mehreren Perspektiven geschildert – das verleiht der Geschichte eine enorme Intensität.

Erschütternd fand ich, wie leicht Menschen manipulierbar sind und ersetzt werden können – unterstützt durch moderne Technik.

Auch wenn ich das Buch insgesamt großartig fand, gab es einen kleinen Kritikpunkt: Das letzte Drittel wirkte für mich etwas zu schnell erzählt und zwei Details erschienen mir unlogisch (leider kann ich nicht näher darauf eingehen, ohne zu spoilern). Außerdem blieb ein Satz von Margret ungelöst – Jammern auf hohem Niveau. ;)

Fazit:
Ein spannender, fesselnder Roman, den man nicht aus der Hand legen kann. Ganz große Leseempfehlung!
5/5

Bewertung vom 21.07.2025
Wang, Weike

Die Ferien


sehr gut

DIE FERIEN
Weike Wang

Keru, eine Amerikanerin mit chinesischen Wurzeln, lernt Nate während ihrer Collegezeit kennen.

Ihre Eltern waren einst mit ihr vom chinesischen Festland in die USA emigriert – mit dem Ziel, ihrer Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen.
Sie verzichteten auf persönliche Wünsche und Annehmlichkeiten, um Keru ein konzentriertes Studium zu ermöglichen.
Freude oder Leichtigkeit hatten in diesem Lebensentwurf keinen Platz.

Nate stammt aus einfachen Verhältnissen.
Trotz Stipendium muss er einen Studienkredit aufnehmen und nebenbei arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Erst nachdem der Kredit beglichen ist, stimmen Kerus Eltern einer Heirat zu – ein Ausdruck ihres Strebens nach Sicherheit und Stabilität.

Heute ist Keru als Unternehmensberaterin beruflich sehr erfolgreich, während Nate verbeamtet an einer Universität arbeitet und ein deutlich geringeres Einkommen erzielt.
Gemeinsam mit ihrem Hund führen sie ein erfülltes Leben – Kinder waren nie Teil ihrer gemeinsamen Lebensplanung, und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Für einen vierwöchigen Aufenthalt mieten sie ein Ferienhaus auf Cape Cod und laden zunächst Kerus Eltern, später auch Nates Eltern zu Besuch ein.
Die kulturellen und persönlichen Unterschiede könnten größer kaum sein:
Kerus Eltern zeigen sich ängstlich, tragen aus Angst vor Ansteckung mehrere Masken übereinander und interessieren sich fast ausschließlich für Essen und Fernsehen.
Aktivitäten außerhalb des Hauses lehnen sie ab.
Nates Eltern dagegen wirken betont unkompliziert, neigen politisch zu konservativen Haltungen, sind Trump-Anhänger, Corona-Leugner – und zufrieden mit einem Dosenbier beim Grillen.

In einem Punkt aber sind sich beide Elternpaare erstaunlich einig:
Ihrer Meinung nach ist es höchste Zeit für Enkelkinder.
Diese Erwartungshaltung sorgt jedoch für erhebliche Spannungen.

Auch wenn mir der Zugang zu den beiden Hauptfiguren mitunter schwerfiel, hat mich vieles an diesem Roman überzeugt.
Besonders die Darstellung der asiatischen Eltern ist bemerkenswert gelungen.
Ich lebe seit fast 30 Jahren in Asien – und ja, dieses Verhalten entspricht in vielerlei Hinsicht meiner Beobachtung:
das Tragen mehrerer Masken alleine sitzend im eigenen Auto,
der völlige Verzicht auf persönliche Wünsche zugunsten des einzigen Kindes, das als Investition und Altersvorsorge gilt.

Dass Keru sich bewusst gegen Kinder entscheidet, ist aus Sicht ihrer Eltern ein regelrechtes Scheitern – und das, obwohl es sich „um die erste Generation in Amerika Geborener“ handeln würde.

Besonders eindrucksvoll fand ich auch die schonungslose Darstellung des gesellschaftlichen Drucks, mit dem kinderlose Paare konfrontiert sind.
Die Authentizität dieser Passagen hat mich überzeugt.

Einige Stellen im Buch blieben für mich jedoch unklar;
ich war mir nicht sicher, welche Intention die Autorin an diesen Punkten verfolgte.

Fazit:
Ein kluger, gesellschaftskritischer Roman – stellenweise bewusst überspitzt, aber durchgehend interessant und lesenswert.
4/5

Bewertung vom 13.07.2025
Kingsolver, Barbara

Die Unbehausten


gut

DIE UNBEHAUSTEN
Barbara Kingsolver

Dieses Buch ist ein früherer Roman von Barbara Kingsolver, der im Original bereits 2018 erschienen ist. Nach dem überwältigenden Erfolg von Demon Copperhead wurde er nun ins Deutsche übersetzt.

1870:
Thatcher Greenwood ist Naturkundelehrer mit Leidenschaft – und ein überzeugter Anhänger von Darwins Evolutionslehre. Doch an seiner Schule sind moderne Gedanken unerwünscht. Der Rektor verbietet Experimente und lehnt jede Form wissenschaftlichen Fortschritts ab. Thatcher steht kurz vor der Kündigung.
Auch privat steckt er fest: Die Ehe mit seiner Frau Rose ist lieblos, das Haus, in dem sie mit deren Mutter und Schwester wohnen, verrottet zusehends. Als einziger Verdiener droht ihm alles über dem Kopf zusammenzubrechen.
Nur bei seiner Nachbarin, der Biologin Mary Treat, findet er Verständnis und intellektuelle Verbundenheit.

2020:
Die Journalistin Willa und ihr Mann Iano, Politikwissenschaftler, rutschen in eine handfeste Krise. Nachdem Iano seine feste Stelle verliert und das gemeinsame Haus dadurch praktisch wertlos ist, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als in ein geerbtes, einsturzgefährdetes Haus zu ziehen.
Dort leben sie mit dem pflegebedürftigen Schwiegervater – ohne Krankenversicherung, mit Schulden und ohne Perspektive.
Als sich die Freundin ihres Sohnes das Leben nimmt, ziehen auch Sohn und Enkelkind bei ihnen ein. Und als wäre das nicht genug, steht plötzlich auch die rebellische Tochter wieder vor der Tür.

Wie diese beiden Zeitebenen miteinander verknüpft sind, müsst ihr selbst herausfinden.

Barbara Kingsolver legt den Finger auf viele wunde Punkte des amerikanischen Gesellschaftssystems: prekäre Arbeitsverhältnisse, Bildungsungleichheit, fehlende Absicherung sowie mangelndes Gesundheitswesen.
Und doch hat mich der Roman emotional nicht erreicht.
Die Themen sind wichtig, der Stil präzise – aber die Figuren und ihre Geschichten blieben für mich seltsam distanziert.

Die Handlung in der Gegenwart hat mir insgesamt besser gefallen als die im Jahr 1870.
Und doch war es gerade die Ausdrucksweise und das höfliche, beinahe altmodisch-gentlemanhafte Auftreten von Thatcher, das mich beeindruckt hat.
Insgesamt zog sich das Buch für mich aber über weite Strecken – 200 Seiten weniger hätten der Erzählung gutgetan.

Nach Demon Copperhead, einem Buch, das mich tief beeindruckt hat, konnte mich dieses Werk leider nicht überzeugen. Dennoch bleibt Kingsolver für mich eine Autorin, die ich weiterhin lesen möchte.

Fazit:
Relevant und sprachlich solide – aber ohne emotionale Tiefe.
3½/5

Ein interessanter Aspekt am Rande: Die Figur der Mary Treat basiert auf einer realen Person – Kingsolver verknüpft hier geschickt historische Biografie mit Fiktion.