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meerblick

Bewertungen

Insgesamt 427 Bewertungen
Bewertung vom 25.09.2024
Schymanski, Ingo

Die Sprache der Seele


ausgezeichnet

Wenn die Seele spricht

Nicht nur funktionelle Störungen an unseren Organen lassen den Menschen leiden, sich krank fühlen. Oft sind die Ursachen des Unwohlseins, das Auftreten von Krankheitssymptomen in psychischen, psychosomatischen oder psychosozialen Zusammenhang zu betrachten, um Heilungsmöglichkeiten zu finden. Diesen medizinischen Standpunkt vertritt Dr. med. Ingo Schymanski. In seinem Sachbuch 'Die Sprache der Seele' setzt er sich in allgemein sehr gut verständlicher Form mit den Erscheinungsbildern von Alltagsbeschwerden konstruktiv auseinander, zeigt Gründe für das Auftreten der Leiden wie chronische Rückenschmerzen, Verdauungsprobleme oder Depressionen, um nur einige beispielgebend zu benennen, und deren Heilungsmöglichkeiten auf, die langfristig heilende Wirkung versprechen.
Äußerst interessant, gleichzeitig sehr informativ bietet das Buch einen Lösungsansatz, der eine ganzheitliche Betrachtung des menschlichen Körpers bevorzugt und Freiräume zulässt, sich dieser Heilmethode nicht nur gedanklich zu nähern.
Ich gebe diesem Sachbuch meine Leseempfehlung.

Bewertung vom 18.09.2024
Thomas, Ruth-Maria

Die schönste Version


sehr gut

Unfassbares Beziehungschaos

Jella und Yannick sind ein junges Paar, leben in einer gemeinsamen Wohnung, lieben sich und sind in der Anfangsphase ihrer Beziehung aufmerksam zueinander. Eines Tages beginnen kleine Eifersuchtsszenen seitens Yannick die Harmonie zu stören, die immer heftiger artikuliert ausgetragen werden. Jella nimmt kein Blatt vor den Mund, ist durch ihre Art provozierend. Die verbalen Auseinandersetzungen enden stets in heftigen körperlichen Versöhnungen – Sex. Die Spirale der gegenseitigen Verletzungen schraubt sich nach oben und es kommt zu körperlicher Gewalt im häuslichen Bereich, die Jella bei der Polizei anzeigt.
Rückblickend berichtet die Protagonistin wie sie Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts in einer kleinen Provinzstadt aufwuchs und das vorherrschende Frauenbild bediente, ihren Körper und damit auch sich selbst missbrauchen ließ, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Sehr fein und detailliert arbeitet die Autorin Ruth-Maria Thomas in ihrem Roman 'Die schönste Version' die Charaktere aus, die Wünsche und Sehnsüchte, die Gedankengänge und Gefühle, die inneren Kämpfe ihrer Ich-Erzählerin Jella. Sie webt ein Bild, das sehr stark von Emotionen geprägt ist, wo Worte fein und pointiert eingesetzt werden. Die vulgäre Sprache ihrer Protagonistin hat mich irritiert, ist aber ein Stilmittel das Extreme zu verdeutlichen.
Ich kann diesen Roman, der auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2024 steht, sehr gern empfehlen.

Bewertung vom 17.09.2024
Franz J., Brüseke

Berlin antwortet nicht


gut

Schreckliche Kriegsdystopie

Franz J. Brüseke liefert mit seinem Roman 'Berlin antwortet nicht' eine beklemmende, schreckliche Kriegsdystopie. Ein atomarer Angriff stürzt Europa in ein fürchterliches Chaos. Die Menschen fliehen vor der tödlichen Bedrohung, der radioaktiven Wolke. Auch der namenlose, einfältig wirkende Ich-Erzähler begibt sich, zugegeben nicht so ganz freiwillig mit seinem Arzt, dessen Praxis er gerade aufsuchte, überstürzt, mit notdürftig zusammengesuchtem Handgepäck, auf den Weg einen noch lebensbejahenden Ort zu finden. Vorderstes Ziel ist es, die Gefahrenzone zu verlassen und so suchen sie vorübergehend Schutz in einem Bergwerksstollen. Doch ihre Reise geht weiter Richtung Westen, vorbei an zerstörten Ortschaften und Landschaften. Zu dieser kleinen Gruppe gesellen sich noch zwei andere Menschen. Gemeinsam erreichen sie die Küste Frankreichs. Doch werden sie ihr Ziel erreichen? Was hat die Zukunft für ein Leben vorgesehen.
Man mag sich derartige Szenarien nicht einmal ansatzweise in der Realität vorstellen. Und doch flüchten jeden Tag viele Menschen aus ihrer Heimat, in der Krieg, Hunger und Not herrscht, auf der Suche nach menschenwürdigen Lebensbedingungen.

Bewertung vom 17.09.2024
Fish Wu

Briefe aus Taipeh


sehr gut

Ein Stück chinesische Geschichte

In der Graphic Novel 'Briefe aus Taipeh' berichtet der Autor Fish Wu über seine Familiengeschichte, die auf drei Generationen zurückblickt. In den neunzehnhundertvierziger Jahren tobte in China eine Revolution, die den privaten Landbesitz reformieren und in Gemeineigentum umwandeln sollte. Sein Urgroßvater und dessen Bruder, beide Intellektuelle, stellen sich diesen neuen Herren und ihren revolutionären kommunistischen Ideen entgegen, haben mit Repressalien zu kämpfen. Ein Bruder sucht sein Glück im fernen Taiwan. Der andere bleibt mit der Familie zurück in der Heimat.
Wie es den Familienmitgliedern bis zum Wiedersehen ergeht, wird in Bild und Text sehr anschaulich und ergreifend dargestellt. Ein Stück chinesische Geschichte zeigt wieviel Mut und Durchhaltevermögen notwendig war, um die harten Zeiten zu überstehen.
Wer mag und vor allem in der Lage ist, kann den Text wahlweise in deutscher Sprache oder in chinesisch verfolgen.

Bewertung vom 17.09.2024
Knüwer, Thomas

Das Haus in dem Gudelia stirbt


sehr gut

Der etwas andere Kriminalroman

Die Bewohner von Unterlingen haben ihre Häuser und Wohnungen verlassen, als eine verheerende Flutkatastrophe im Jahre 2024 über die kleine Ortschaft hinwegrollt. Doch die einundachtzigjährige Gudelia bleibt in ihren vier Wänden, arrangiert sich mit den Unannehmlichkeiten wie Stromausfall, Einstellung der Frischwasserversorgung und dem Nahrungsmangel, trotzt den Gefahren der Naturkatastrophe. Niemals würde sie ihr vertrautes, geliebtes Zuhause verlassen. Aber warum? Mit Schicksalsschlägen hatte sie gelernt umzugehen, ihnen zu trotzen als 1984 ihr geliebter Sohn ums Leben kam und 1998 ihr Mann sie verlies.
Sprachlich wunderbar ausgearbeitet schafft es Thomas Knüwer in seinem Debüt 'Das Haus in dem Gudelia stirbt' eine unheimliche Atmosphäre von Trauer und Enttäuschung zu schaffen, in der die Protagonistin und Ich-Erzählerin Gudelia charakterlich facettenreich brilliert. Spannend unterhält uns der Autor in seinem kurzen, prägnanten Sprachstil, der Sogwirkung besitzt und Spannung bis zur letzten Seite aufrechterhält.
Lesevergnügen ist garantiert, ebenso wie die Vorfreude auf nachfolgende Kriminalromane.

Bewertung vom 16.09.2024
Kolb, Elli

9 Grad


sehr gut

Das große Geschenk: Leben mit seinen Herausforderungen

Elli Kolb präsentiert mit '9 Grad' ihren Debütroman, der sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen in unserem modernen Alltag beschäftigt, die ernsthafte gesundheitliche Problem darstellen. Sie zeichnet eine Geschichte um die drei Freunde Josie, Rena und Anton, die im Alter von Ende zwanzig sind und mit schwerwiegenden Themen wie Essstörungen, vermindertes Selbstwertgefühl, Nahtoderfahrungen, Depressionen, Angst vor dem Outing zu kämpfen haben. Während die schwer kranke Rena immer passende Örtlichkeiten aussucht, um ihre Probleme den Freunden schön verpackt mitzuteilen, machen die beiden Frauen erste Erfahrungen mit dem Eisbaden. Für Josie entwickelt sich dieses Erlebnis zu einer Sucht von gefährlichem Ausmaß, bei dem Lee, ihr depressiver Freund, Schlimmeres verhindern kann.
Der Roman lässt uns eintauchen in eine vielschichtige Welt junger Erwachsener, die auf der Suche nach Erfüllung in ihrem Leben sind, den Sinn in unterschiedlichen Bereichen finden mit sehr differenten Vorstellungen von Glück und Zufriedenheit. Nachdenklich, mitunter sprachlos darüber, welche Probleme das Schicksal bereithält, lässt die Geschichte mich in Gedanken versunken zum Wert des Geschenks Leben zurück.

Bewertung vom 16.09.2024
Baldelli, Giulia

Das Schweigen meiner Freundin


ausgezeichnet

Facetten einer Freundschaft

Guilia Baldelli lässt in ihrem Debütroman 'Das Schweigen meiner Freundin' Guilia eine sowohl fesselnde als auch tief berührende Geschichte erzählen, die das Dreiecksverhältnis von Cristi, Mattia und ihr selbst in einem faszinierenden, lebendigen Sprachstil wiedergibt. Sie formt die Charaktere ihrer Protagonisten lebensnah, mit viel Feingefühl für Emotionen, die den Leser direkt in die Handlung hineinzieht, er als Beobachter mitleidet und große Freude empfindet.
Das Buch gliedert sich in sechs Teile. Wir dürfen miterleben, wie sich Guilia und Cristi zunächst kennenlernen, freundschaftlich annähern, welche Rolle sehr bald Mattia in dieser Beziehung spielen wird, wie sie erwachsen werden und schließlich immer wieder ihre sowohl gesellschaftlichen als auch persönlichen Konflikte lösen müssen. Dabei spielen die soziale Prägung aber auch politisch motivierte Herausforderungen eine entscheidende Rolle. Die Darstellung des freien naturverbundenen Lebens in der italienischen Provinz Anfang der neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts und das Dasein als Erwachsene in der Großstadt Bologna sind sehr gelungen gezeichnet. Garantiert ist höchster Lesegenuss.
Meine Leseempfehlung gebe ich sehr gern für diesen Roman, in der Hoffnung und Vorfreude auf Nachfolger.

Bewertung vom 16.09.2024
Hannah, Kristin

Die Frauen jenseits des Flusses


ausgezeichnet

Eine starke Stimme für Frauen, die im Vietnamkrieg dienten

Der Gedanke den amerikanischen Frauen, die im Vietnamkrieg ihrem Land aufopferungsvoll als Krankenschwestern gedient haben ein Denkmal zu setzen, begleitete die Weltbestsellerautorin Kristin Hannah über zwanzig Jahre. Erst während der Zeit der Corona-Pandemie der Zeit der aufopfernden Arbeit medizinischer Pflegekräfte, in der sich nicht nur ihr Heimatland sondern die gesamte Erdbevölkerung gespalten in der Meinung zum Umgang mit der Krankheit zeigte, wagte sie sich dem Thema der Gleichbehandlung von Mann und Frau in Fragen der Heldenverehrung oder der Anerkennung als Veteran mit Zusprechung unterstützender Leistungen für mehr Lebensqualität, zu nähern, in der Hoffnung, dass die Menschen bereit sind, sich mit den traumatischen Folgen des brutalen Krieges auseinanderzusetzen.
Eindrucksvoll, fesselnd, schockierend ehrlich baut Kristin Hannah die Fiktion um ihre Protagonistin Frances ‘Frankie‘ McGrath, die in einer gutbürgerlichen, wohlhabenden Familie auf Coronado Island in Kalifornien aufwächst und so gar nicht den Vorstellungen ihrer Eltern folgt, als sie sich Mitte der neunzehnhundertsechziger Jahre im Alter von zwanzig Jahren zum Militärdienst als Krankenschwester bei der US Navy meldet und ihrem Bruder in das kriegsbesetzte Vietnam folgt, um auch als Frau Teil der Familientradition zu sein. Inmitten von Chaos und blinder Zerstörungswut gerät die völlig unerfahrene Frankie schon bald in emotionale Zwänge und lebensgefährliche Situationen, wird aufgefangen von freundschaftlicher Zuneigung, hat schließlich nach ihrer Rückkehr in die Heimat jahrelang mit schweren posttraumatischen Zuständen, mit Ablehnung und Ignoranz zu kämpfen.
Der historische Roman ‘Die Frauen jenseits des Flusses‘ besticht durch seinen beeindruckenden Schreibstil, seine brillante Darstellung und Ausarbeitung der Charaktere verbunden mit einem authentischen Setting. Wer es liebt, über geschichtliche Ereignisse verarbeitet in fiktionaler Erzählung zu lesen, der ist hier bestens aufgehoben, erlebt einen Genuss der besonderen Art.
Ich gebe ganz besonders gern meine Leseempfehlung.

Bewertung vom 09.09.2024
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


ausgezeichnet

Freundschaft kennt keine Grenzen

Oscar ist mit seinen sechzehn Jahren bereits ein Mathe-Nerd sieht seine Zukunft in Reich der Zahlen, in ihren Beziehungen zueinander, die nach Lösungen fragen. Gemeinsam mit Moni der warmherzigen, liebevollen Omi, die fast vierzig Jahre älter ist, beginnt er das Studium der Mathematik. Beide sind auffällig anders als der Rest ihrer Kommilitonen. Während Oscar aus besserem Hause stammt, sein bisheriges Leben ausnahmslos der Mathematik gewidmet hat, kommt Moni schrill, bunt und sehr laut daher. Sie hat familiäre Verpflichtungen, die sie allerdings nicht davon abhalten, ihren Traum zu verwirklichen und dem Geheimnis logischer Mengenverknüpfungen auf den Grund zu gehen. Sehr schnell kann sie auch ihr Talent diesbezüglich unter Beweis stellen, geht mit Oscar eine Lerngemeinschaft zum gegenseitigen Vorteil ein. Daraus entwickeln sich freundschaftliche Strukturen, die dem jungen Mann im Umgang mit seinen Mitmenschen helfen. Aber auch Moni profitiert davon.
Alina Bronsky versteht es in ihrem Roman ‘Pi mal Daumen‘ auf witzige humorvolle Art zwei Charaktere zu skizzieren, die wunderbar gegensätzlich sind und sich doch irgendwie ergänzen. Ihre Sprache ist leicht und verständlich, der Plot weckt ein tieferes Verständnis für Andersartigkeit. Es macht Spaß, ganz und gar in die Geschichte einzutauchen, sich dabei dem besonderen Lesegenuss hinzugeben.
Leseempfehlung!