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Igelmanu
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Mülheim

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Insgesamt 1033 Bewertungen
Bewertung vom 14.05.2021
Kalisa, Karin

Sungs Laden


sehr gut

»Sung«, sagte Hiền, als sie wieder in den Laden zurückging und den Besen an die Seite stellte, »bring doch mal vom Großmarkt ein paar nón lá mit, du weißt schon, die Kegelhüte.«
»Wie viele?», fragte er zurück. »Ich denke achtzig«, sagte Hiền.
Sung sah sie amüsiert an. »Du meinst acht«, sagte er.
»Ich meine achtzig«, antwortete Hiền, »oder besser noch hundert, wenn du so viele bekommen kannst.«

Hiền ahnt es früher als ihr Sohn Sung: Die Verwandlung des Prenzlauer Bergs in eine Art Little Vietnam wird zügig weiter fortschreiten. Sie selbst gab den Anstoß, als sie ihren Enkel in die Schule begleitete, um ein echtes vietnamesisches Kulturgut vorzustellen…

Dieses Buch lag nun schon einige Jahre auf meinem SuB, weshalb ich gar nicht mehr so recht wusste, weshalb ich es mir überhaupt zugelegt hatte. Ich ließ mich also überraschen – und hatte viel Spaß dabei.
Zunächst jedoch lernte ich einiges über das Leben der ehemaligen vietnamesischen Vertragsarbeiter in der DDR, ein recht trauriges Kapitel. Hier trifft der Leser auch erstmalig auf Hiền, die es schafft, mit ihrem Mann nach der Wende in Berlin zu bleiben und sich eine kleine Existenz aufzubauen. Die Hürden waren gewaltig und die Ängste auch. Wie es sein muss, mit dem Trauma des Vietnam-Kriegs im Hinterkopf von den Ausschreitungen in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen zu erfahren, mag ich mir nicht vorstellen. Ich habe beim Lesen richtig mit den beiden mitgelitten.

War der Start ins Buch ziemlich bedrückend, so wird der Rest dafür umso schöner. Da konnte ich nämlich verfolgen, wie die Kulturen immer mehr verschmolzen, wie aus einem Nebeneinander ein Miteinander wurde. Wie zwischen Affenbrücken, Kegelhüten und vietnamesischem Wassertheater die Menschen alle ein wenig glücklicher wurden. Eine schöne Utopie, die zeigt, was möglich wäre.

Fazit: Reichlich hochinteressante vietnamesische Kultur und eine Wohlfühlgeschichte. Hat Spaß gemacht!

Bewertung vom 04.05.2021
Christie, Agatha

Der Tod auf dem Nil / Ein Fall für Hercule Poirot Bd.15


sehr gut

»Wenn ich recht habe, und ich habe ja nun mal die Angewohnheit, ständig recht zu haben … dann ist das alles Anlass zu ernster Besorgnis.«

Ein Meisterdetektiv wie Hercule Poirot kann nicht einfach Urlaub machen. Mit der Entspannung auf der Nilkreuzfahrt ist es abrupt vorbei, als eine junge Frau, bildschön, steinreich und frisch verheiratet, in ihrer Kabine ermordet aufgefunden wird.
Schon zuvor hatte Poirots Spürnase ihm signalisiert, dass irgendetwas im Busch ist. Anlass zu ernster Besorgnis halt ;-) Gemeinsam mit seinem alten Freund Colonel Race macht er sich nun an die Ermittlung des Täters, der sich ja irgendwo auf dem Schiff befinden muss. Schnell finden die beiden heraus, dass es nicht nur viele Mitreisende an Bord gibt, sondern auch reichlich Motive …

Ich hatte mal wieder Lust auf einen richtigen Klassiker und diesen hier hatte ich vor so langer Zeit gelesen, dass ich mich an nichts erinnern konnte. Das Ergebnis war höchst unterhaltsam, Hercule Poirot tat genau das, was ich mir von ihm erhofft hatte: Er kombinierte, erfasste winzige Details quasi im Vorbeigehen, baute all seine Erkenntnisse – natürlich – zur Lösung zusammen und war sich seiner Fähigkeiten so bewusst, dass er leicht zur Eitelkeit neigte. Das mag arrogant und überheblich sein, so, wie es geschrieben ist, kann ich mich aber darüber amüsieren. Und in der Zwischenzeit eifrig mitermitteln.

Die Krimihandlung löste sich dann auch stimmig auf. Natürlich merkt man dem Buch sein Alter an, unter anderem die Nebenschauplätze machen das sehr deutlich. Und natürlich die Sprache! Aber ich mag den Stil und konnte diese mörderische Kreuzfahrt auf dem Nil genießen. Fernweh inklusive ;-)

Fazit: Ein richtiger Klassiker, Detektivkunst vom Feinsten und dabei sehr unterhaltsam.

»Pardon, aber mir hat sie nichts gesagt.«
»Woher wissen Sie es dann?«
»Ich bin Hercule Poirot, deshalb muss man mir nichts sagen.«

Bewertung vom 26.04.2021
Preston, Douglas; Child, Lincoln

Maniac - Fluch der Vergangenheit / Pendergast Bd.7


ausgezeichnet

»Von der Blutlache, in der sie ausgerutscht war, führte eine Tropfspur zu dem großen, offenen Steinsarkophag in der Mitte des Raums. Auf den Hieroglyphen an der Seite des Sarkophags befand sich ein auffälliger verschmierter Blutfleck, als ob jemand etwas daran entlanggeschleift und in den Sarkophag geworfen hätte.«

So routiniert und erfahren die Angestellte des New Yorker Naturkundemuseums auch ist, das, was sie auf ihrem Rundgang in einem ägyptischen Grab entdecken muss, wird sie nie mehr vergessen. Und dabei ahnt noch niemand, dass dieser blutige Alptraum erst der Anfang ist. Ein Fall für Aloysius Pendergast – jedoch sitzt dieser nach wie vor als Mordverdächtiger in Haft…

Die Reihe rund um Special Agent Pendergast ist zu einer meiner Lieblingsreihen geworden und auch dieser siebte Band konnte mich begeistern. Er schließt unmittelbar an seinen Vorgänger „Dark Secret“ an, ich würde auch nicht empfehlen, ihn ohne Vorkenntnis zu lesen.
Da man sich im Grunde zu Beginn des Buchs schon mitten in einer laufenden Handlung befindet, dauert es ungewöhnlich lang bis zum ersten Todesfall. Danach geht es aber ordentlich zur Sache. Und bis dahin konnte ich Planung und Umsetzung einer höchst aufwändigen und kniffligen Gefangenenbefreiung verfolgen, das war sehr unterhaltsam. Parallel ließ sich beobachten, wie Pendergasts Bruder Diogenes weiter seine Pläne verfolgt und während mir klar wurde, auf was alles hinausläuft, fragte ich mich, ob es Pendergast und D’Agosta gelingen wird, das zu vereiteln. Bis zum Ende bleibt es sehr spannend und man erhält weitere Einblicke in Pendergasts Persönlichkeit und Vergangenheit.

Fazit: Wie immer sehr spannend, mit tollen Charakteren und einem unterhaltsamen Mix aus Thrill und einem Schuss Wissenschaft. Schnell weiter zum nächsten Band! Diese Reihe hat für mich echtes Suchtpotential.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.04.2021
Preston, Douglas;Child, Lincoln

Dark Secret - Mörderische Jagd / Pendergast Bd.6


sehr gut

Jetzt machte Professor Hamilton einen Schritt und dann noch einen, er zerfetzte dabei sein Gesicht, riss sich das Haar büschelweise aus und torkelte, als würde er im nächsten Augenblick auf Dewayne herunterfallen…
»Mein Gesicht!«, kreischte der Professor. »Wo ist es?«

Diese Vorlesung und ihr äußerst blutiges und verstörendes Ende wird sicher keiner der anwesenden Studierenden je vergessen. Der bizarre Mord am beliebten Professor ist der erste einer Reihe von weiteren, die zunächst keine Gemeinsamkeit aufweisen. Bis auf die Tatsache, dass alle Freunde von Special Agent Pendergast waren. Doch der verschwand bei seinem letzten Einsatz spurlos, allgemein geht man davon aus, dass er tot ist.
Lieutenant D’Agosta, der um seinen Freund trauert, erhält plötzlich ein Lebenszeichen, über das er sich aber nur kurz freuen kann, wird er doch anschließend in eine lebensgefährliche Jagd verwickelt. Pendergast hält nämlich seinen Bruder Diogenes für den Täter, FBI und Polizei sehen das allerdings anders, denn die Spuren deuten auf Pendergast selbst…

So langsam wird das hier eine meiner Lieblingsreihen. Pendergast finde ich schlicht kultig, D’Agosta schwer sympathisch und beide zusammen sorgen für reichlich Spannung. Ich habe selbst über mich gestaunt, wie sehr ich hier sogar von Verfolgungsjagden gefesselt wurde. Die langweilen mich nämlich sonst eher ;-) Vermutlich ist es so, dass die beiden Autoren einen Stil pflegen, der einfach genau meins ist.

Sehr gefreut habe ich mich, hier einige bekannte Gesichter aus früheren Bänden zu treffen, z.B. Smithback und Margo Green. Überhaupt dreht sich wieder einiges um das Naturkundemuseum in New York, auch das gefiel mir sehr.

Pendergast ist diesmal nicht so cool wie sonst, sondern erscheint ungewohnt dünnhäutig. Aber wir haben es auch mit seinem persönlichsten Fall zu tun, wer will es ihm da verdenken? Diverse Einblicke in seine Vergangenheit und die familiären Zusammenhänge fand ich hochinteressant, vermisste aber auch die Lässigkeit, die er sonst rüberbringt.
Und ich bin sehr froh, dass sich der Folgeband schon auf meinem Bücherstapel befindet und ich gleich weiterlesen kann, denn die Handlung wird nicht abgeschlossen und das Ende wartet mit einem fiesen Cliffhanger auf.

Fazit: Wieder sehr spannend und unterhaltsam. Aber am Ende gibt’s einen fiesen Cliffhanger, der Folgeband sollte griffbereit sein.

Bewertung vom 13.04.2021
Nygaard, Hannes

Tod im Koog


sehr gut

»Das ist Schwester Heike. Die arbeitet bei uns in der Medizin.« Christoph und Große Jäger wechselten einen raschen Blick. Das war nach Schwester Elena, die im Husumer Krankenhaus lag, die zweite Frau, der vermutlich etwas bei der Eröffnungsfeier der Klinik zugestoßen war.

Die große Eröffnungsfeier der neuen „Kurklinik am Wattenmeer“ mit zahlreichen hochgestellten Persönlichkeiten aus Kirche, Politik und Wirtschaft endet in einem Fiasko. Eine der Krankenschwestern wurde vergewaltigt, das verletzte und schwer traumatisierte Opfer kann keine Aussage machen. Das zweite Opfer erst recht nicht, Schwester Heike wurde nahe der Klinik ermordet aufgefunden.

Hauptkommissar Christoph Johannes, Leiter der Husumer Polizeidirektion und sein Team machen sich bei den Ermittlungen schnell unbeliebt, müssen sie doch die genannten (und empörten) Persönlichkeiten nach ihren Alibis fragen und um eine DNA-Probe bitten. Von den ebenfalls anwesenden Handwerkern waren einzelne stark alkoholisiert und äußerten sich den Krankenschwestern gegenüber anzüglich. Aber daraus folgt nicht automatisch eine Vergewaltigung und erst recht kein Mordmotiv. Und wie passen die Hinweise einer Schamanin ins Bild?

Auch der 7. Fall für die Kripo Husum hat mich nicht enttäuscht. Die Reihe steht für reichlich Küstenatmosphäre und flotte Sprüche. Action darf man nicht erwarten, dafür aber solide und realistisch wirkende Ermittlungsarbeit. Mir gefällt das, ich konnte miträtseln und zumindest im Buch ein wenig Nordsee genießen. Christoph Johannes gibt mir zwar als Charakter nicht viel, sein Kollege Wilderich Große Jäger (ja, der heißt wirklich so) ist dafür umso kultiger. Persönlich freue mich immer besonders über die Auftritte des Kollegen von der Spurensicherung aus Flensburg. Wenn der nicht meckern und frotzeln würde, wäre er krank ;-)

Fazit: Viel Küstenatmosphäre und flotte Sprüche, dieser Krimi machte wieder Spaß!

»Wir lassen euch den Bericht zukommen. Per Brieftaube. Oder habt ihr Schlickrutscher schon andere Möglichkeiten?«

Bewertung vom 09.04.2021
Sjöwall, Maj;Wahlöö, Per

Der Mann, der sich in Luft auflöste


sehr gut

»Alf Matsson ist verschwunden«, sagte der Mann theatralisch.
»Aha. Und die Suchmeldungen brachten kein Ergebnis?«
»Es gibt keine Suchmeldung. Und es wird auch keine geben.«

Kommissar Martin Beck will gerade seinen ersten Urlaubstag genießen, als ihn ein dringender Auftrag aus der beginnenden Erholung reißt. Zu Becks Überraschung erhält er seine Instruktionen nicht von seinem Vorgesetzten, sondern vom Außenministerium. Ein schwedischer Journalist ist in Budapest spurlos verschwunden, die Umstände werden als „delikat“ beschrieben.

Beck fliegt nach Ungarn und setzt sich auf die Spuren des verschwundenen Alf Matsson. Davon gibt es allerdings herzlich wenige. Über Matsson findet sich zwar ein Bericht vom Staatsschutz, der Inhalt der Geheimpapiere lässt aber auf einen „selten uninteressanten Menschen“ schließen. So irrt Beck tagelang mehr oder weniger planlos durch die Gegend und muss plötzlich feststellen, dass er selbst zum Gejagten geworden ist…

Auch dieser zweite Fall für Martin Beck konnte mich begeistern. Die Ausgangslage ist wunderbar rätselhaft. Wieso ist Matsson verschwunden, was ist ihm zugestoßen? Und warum bloß soll keine offizielle Suche nach ihm eingeleitet werden? Bei Becks Besuch im Außenministerium fällt das Stichwort Wallenberg-Affäre, die unbedingt vermieden werden muss. (Wallenberg war ein schwedischer Diplomat, der gegen Ende des 2. Weltkriegs in Budapest spurlos verschwand, bis heute ist dieser Fall unaufgeklärt.) Gibt es also womöglich einen politischen Hintergrund? Zur Zeit der Handlung liegt Ungarn ja noch hinter dem berühmten Eisernen Vorhang. Und wer will unbedingt verhindern, dass Beck etwas herausfindet?

Beck nähert sich Schritt für Schritt der Auflösung, die ich als schlüssig und wirklich gelungen empfand. Bis dahin bewegt sich der Leser mit ihm durch einen ruhigen, intelligenten Polizeiroman. Detailreich werden Einzelheiten beschrieben, Beck kann gar nicht anders, als fortwährend zu beobachten und zu analysieren. Eine Berufskrankheit wohl ;-) Wer viel Action mag, kommt hier vermutlich zu kurz, dafür wirkt aber alles sehr realistisch.

Fazit: Rätselhafte Ausgangssituation und eine ruhige, intelligente und realistische Handlung. Wieder ein gelungener Polizeiroman.

Bewertung vom 06.04.2021
Dürrenmatt, Friedrich

Das Versprechen


sehr gut

»Wer ist der Mörder?« fragte sie mit einer Stimme, die so ruhig und sachlich war, daß Matthäi erschrak.
»Das werde ich schon herausfinden, Frau Moser.«
Die Frau schaute ihn nun an, drohend, gebietend. »Versprechen Sie das?«
»Ich verspreche es, Frau Moser«, sagte der Kommissär, auf einmal nur vom Wunsche bestimmt, den Ort zu verlassen.
»Bei Ihrer Seligkeit?«
Der Kommissär stutzte. »Bei meiner Seligkeit«, sagte er endlich.

Mägendorf, ein kleiner Ort in der Nähe von Zürich. Frau Moser ist das Schlimmste zugestoßen, was einer Mutter passieren kann. Ihre kleine Tochter Gritli fiel einem Mörder zum Opfer, die kleine Leiche wurde grausam zugerichtet im nahen Wald gefunden. Kommissär Matthäi steht kurz vor seinem Abflug nach Jordanien, wo ein hohes Amt auf den Top-Ermittler wartet. Obwohl er ahnt, dass er es womöglich nicht halten kann, gibt er der verzweifelten Mutter das verlangte Versprechen.

Sexualmorde an Kindern lassen wohl niemanden kalt. In dem kleinen Ort Mägendorf kocht die Volksseele, ein Hausierer ist kurz davor, gelyncht zu werden. Obwohl einiges gegen ihn spricht, glaubt Matthäi nicht an seine Schuld. Der wahre Täter, davon ist er überzeugt, ist noch auf freiem Fuß. Vor Gritli, das weiß er mittlerweile, ermordete er bereits zwei andere kleine Mädchen und wenn ihn niemand stoppt, werden weitere folgen. Der Kommissär entschließt sich zu einem ungewöhnlichen und fragwürdigen Schritt…

Dieses Buch las ich nicht zum ersten Mal, den Film „Es geschah am hellichten Tag“ habe ich schon sehr oft gesehen. Das Thema geht mir immer neu ans Herz, die Umsetzungen sind genial, spannend und machen nachdenklich. Mehr noch als im Film steht hier der Ermittler im Mittelpunkt, seine Vorgehensweise, sein Versprechen. Ich kann nicht behaupten, dass ich ihn sonderlich sympathisch fand. Mir drängte sich der Eindruck auf, dass der Grund, weshalb er sich so in den Fall verbeißt, im Wesentlichen darauf beruht, dass er sein Versagen nicht erträgt. Dazu kommt das Versprechen… wie oft sagt man leichtfertig oder vorschnell etwas zu. Bei Matthäi siegen das Gewissen und der eigene innere Druck. Und ob fragwürdig oder nicht, er zieht alle Register, die zu der damaligen Zeit möglich waren. Das Ende im Roman weicht vom Film ab und ist sehr dramatisch, weil realistischer.

Fazit: Ein Klassiker, der auch beim wiederholten Lesen nicht kalt lässt. Spannend und intensiv.

Bewertung vom 03.04.2021
Preston, Douglas;Child, Lincoln

Burn Case - Geruch des Teufels / Pendergast Bd.5


sehr gut

»Das Opfer trug das Kreuz um den Hals, auf der bloßen Haut. Wie Sie sehen, wurde es bis zum Schmelzpunkt erhitzt und hat sich da, wo es auflag, tief ins Fleisch eingebrannt. Die angrenzenden Hautpartien waren jedoch weder versengt noch gerötet. Es ist mir unerklärlich, wie so etwas möglich ist, zumal das Kreuz selbst stellenweise geschmolzen ist.«

Zwei grausame Morde beschäftigen Special Agent Pendergast und seinen Kollegen D’Agosta. Die Opfer wurden auf höchst ungewöhnliche Weise verbrannt, nämlich von innen nach außen. Und das in einem Szenario, als wäre der Leibhaftige persönlich dafür verantwortlich. Gibt es für so etwas überhaupt eine vernünftige Erklärung? Während sich in New York bereits Menschen um einen Endzeitprediger herum scharen, setzen sich die Ermittler auf die Fersen des teuflischen Verbrechers…

Es war mal wieder Zeit für einen Thriller mit Agent Pendergast. Die ersten vier Bände der Reihe gefielen mir sehr und auch dieser fünfte Band bescherte mir vergnügliche Stunden. Pendergast ist ein echtes Original, cool, hochintelligent, dem Gegner irgendwie immer einen Schritt voraus und mit einem Anzug, dessen Taschen ein unermessliches Fassungsvermögen zu haben scheinen. Was er alles daraus hervorzaubert, kann man nur als Running Gag bezeichnen. Ich habe mich jedenfalls köstlich amüsiert und hatte damit einen angenehmen Gegenpol zu der wirklich ordentlichen Spannung und der stellenweise gruseligen Atmosphäre.

Die Auflösung lässt einen lange rätseln, wissenschaftliche Ausführungen und Mystisches wechseln sich ab. Gleiches gilt übrigens auch für Aspekte aus Pendergasts Privatleben und Umfeld, hier gibt es offenbar in jedem Band ein paar Häppchen und Hinweise. Dieser Bereich baut aufeinander auf, ich würde daher raten, die Reihenfolge der Bände einzuhalten.

Fazit: Flott zu lesender Thriller mit charismatischem Ermittler, Spannung und einem Hauch Mystik.

Bewertung vom 29.03.2021
Sandner, Carolin

"Hauen Sie sich auf die Flöte und singen Sie!" Einblicke in den Alltag einer Logopädin


sehr gut

»Die Frau kämmt die Suppe.«

Einblicke in den Alltag einer Logopädin… auf dieses Buch war ich sehr neugierig! Bevor ich mit dem Lesen begann, dachte ich, dass dieser Alltag im Wesentlichen darin bestehen würde, Kindern das Lispeln abzugewöhnen und Schlaganfallpatienten zu helfen, wieder Sprechen zu lernen. Jetzt, nach einer ausgesprochen kurzweiligen Lektüre, bin ich um einiges schlauer.

Carolin Sandner hat einen sehr angenehmen Stil, leicht verständlich und unterhaltsam. In kurzen Episoden schildert sie ihre Erlebnisse mit einer ganzen Reihe von Patienten unterschiedlichsten Alters und unterschiedlichster Krankheitsbilder. Sehr komplizierte sind dabei, die aber trotzdem mit einfachen Worten erklärt werden. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus, was es über Lispeln und Schlaganfall hinaus alles gibt! Schon nach wenigen Kapiteln wuchs meine eh schon vorhandene Hochachtung vor diesem Beruf, Frau Sandners eingestreute Berichte über das Logopädie Examen untermauerten das noch zusätzlich.

Wie unglaublich wichtig ihre Aufgabe ist, erschließt sich unmittelbar, die Episoden zeigen die ganze Bandbreite menschlicher Dramen. Entsprechend hatte ich einige Male beim Lesen vor Betroffenheit einen Kloß im Hals, an anderer Stelle konnte ich aber auch herzhaft lachen oder mich über das glückliche und erfolgreiche Ende einer Therapie freuen. Und dann gab es noch die Fälle, bei denen man eigentlich lachen möchte (siehe Eingangszitat), aber realisiert, dass der Hintergrund ein sehr trauriger ist.

Fazit: Ich bin schwer beeindruckt und hatte einiges zum Nachdenken. Tolle Einblicke in einen immens wichtigen Beruf, bei dem Traurigkeit und Lachen zum Alltag gehören.

Bewertung vom 25.03.2021
Sturm, Andreas M.

Verlorenes Land


ausgezeichnet

»Der Fall Rost ist uns entzogen worden. Ab sofort übernimmt die Staatssicherheit. Ihr packt sämtliche Akten zusammen und bringt sie ins Sekretariat.«

Dresden, im Februar 1982. So einfach und schnell kann eine gut laufende Ermittlung in sich zusammenstürzen. Gerade noch freute sich Leutnant Uwe Friedrich, ein Volkspolizist, über die heiße Spur, die ihn womöglich zum Mörder von Siegfried Rost führen könnte, der in der Äußeren Neustadt erschossen aufgefunden wurde. Nun soll er sich stattdessen um einen Stapel ungelöster Altfälle kümmern, doch Uwe will sich damit nicht abfinden und ermittelt heimlich allein weiter. Ohne jedoch zu ahnen, in welches Wespennest er stechen wird…

Die meisten Krimis, die ich lese, empfinde ich als nette und spannende Unterhaltung. Hin und wieder begegnet mir aber einer, der mich zusätzlich aufwühlt und auch noch nach dem Zuklappen des Buchs beschäftigt. Dieser DDR-Krimi ist so einer.
Natürlich habe ich viel über die Stasi gehört, zahlreiche Geschichten über Bespitzelungen und deren oft schreckliche Folgen gelesen, aber wie ein Leben unter solchen Bedingungen sein muss, kann man nur erahnen, wenn man wie ich im Westen geboren wurde. Das Buch, geschrieben von einem gebürtigen Dresdner, vermittelt jedoch eine sehr dichte und intensiv bedrückende Atmosphäre, die mich manches Mal richtig wütend werden ließ. Einfach furchtbar, dieses ständige Misstrauen, diese Ungerechtigkeiten! Wie bringt man bloß in einem solchen Klima den Mut auf, jemandem zu vertrauen? Die üble Frage, was ich selbst in bestimmten Situationen tun würde, nagte an mir.

Die Protagonisten wirken sehr glaubwürdig, vermitteln dem Leser einen ordentlichen Eindruck über das damalige tägliche Leben, seine Schwierigkeiten aber auch schöne Momente. Das Privatleben der Charaktere hat einen viel größeren Umfang, als ich normalerweise mag, aber hier macht es schließlich auch Sinn. Ein Glossar im Anhang erklärt zahlreiche DDR-typische Begriffe und Abkürzungen.

Natürlich muss auch noch ein Mord aufgeklärt werden. Uwe macht das mit viel Einsatz, guten Ideen und den bewährten Mitteln wie Spurensuche und Zeugenbefragungen. Nur halt alles heimlich und mit erheblichem Risiko, denn wie zu erwarten ist man auf ihn aufmerksam geworden. Mehr als einmal muss Uwe den Mut aufbringen, jemandem zu vertrauen. Der ganze Fall wird sehr spannend und trotz aller Schwierigkeiten schlüssig aufgeklärt. Ein Heile-Welt-Ende darf man nicht erwarten, sich aber über das gute Gefühl freuen, dass es auch in einem solchen Umfeld der Angst Menschen gibt, die sich mutig im Rahmen ihrer Möglichkeiten für ein Stückchen Gerechtigkeit einsetzen.

Fazit: Spannender Ausflug in eine Welt, die im Grunde noch so nah ist und doch gefühlt so weit weg.

»Damit das Böse siegen kann, müssen nur anständige Menschen wie du nichts tun.«