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Glüxklaus
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Franken

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Insgesamt 629 Bewertungen
Bewertung vom 28.04.2022
Prose, Nita

The Maid / Regency Grand Hotel Bd.1


sehr gut

Leichter cosy Krimi mit origineller, naiv-unbedarfter Hauptfigur

„Wir sind alle gleich, aber auf unterschiedliche Weise.“

Molly Gray arbeitet als Zimmermädchen im altehrwürdigen Regency Grand Hotel. Für ihren Beruf bringt sie besondere Leidenschaft auf. Als sie in einem Hotelzimmer die Leiche des reichen Hotelgasts Mr. Black entdeckt, steht ihr Leben plötzlich Kopf. Durch unglückliche Umstände wird sie zur Hauptverdächtigen im Fall und schlittert daher nicht ganz freiwillig in die Mordermittlung hinein. Ob mit Mollys Hilfe der wahre Mörder gefunden wird?

Die Geschichte ist aus Mollys Perspektive in Ich-Form geschrieben. Molly kommt klar, direkt und ganz ohne Umschweife zum Punkt. Der schlichte Erzählstil passt zu Mollys Persönlichkeit und wirkt daher recht authentisch.

Molly ist ein ganz spezieller Charakter, eine „alte Seele“. Sie hat im Umgang mit anderen durch ihre zu ehrliche, sehr geradlinige Art Probleme. So verstößt sie „mit erschreckender Regelmäßigkeit gegen irgendeine Verhaltensregel“ und beleidigt Menschen, wenn sie ihnen eigentlich ein Kompliment machen will. Auf andere mag die junge Frau daher einfältig oder gar beschränkt wirken, aber dieser Eindruck täuscht. Molly hat einen Faible für Colombo und Agatha Christie und bekommt wesentlich mehr mit, als man ihr zutraut. Ihr Beruf macht Molly glücklich, sie fühlt sich für ihre Arbeit geboren, weil sie streng nach Regeln und nach Plan abläuft. Molly ist ein Gewohnheitstier. Dass ihre geliebte Großmutter, bei der sie aufwuchs, vor einiger Zeit starb, setzt ihr immer noch schwer zu. Sie lässt sich von Grannys Weisheiten wie „Wir haben alle das Recht auf einen schlechten Tag. Aber wenn alle Tage schlecht sind, ohne schöne dazwischen, dann ist es Zeit, sich etwas anderes zu überlegen.“ immer noch durchs Leben führen. Mollys aktuelle Situation ist aufgrund des Verdachts gegen sie und finanzieller Schwierigkeiten sehr kompliziert.
Zur Ehefrau des Ermordeten Giselle hat Molly ein fast freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Außerdem ist sie heimlich in einen Kollegen verliebt. Aber echte Unterstützung kommt schließlich von ganz anderer Seite.

Wer steckt wirklich hinter dem Mord und wird Molly ihre Unschuld beweisen können?
Der Fall scheint recht unspektakulär, doch die Leser bekommen ihn durch Mollys individuelle Sichtweise, ihre schrulligen Kommentierungen auf interessante, originelle Weise präsentiert. Bei aller Direktheit überrascht Molly zudem noch mit dem ein oder anderen Geheimnis. Molly als Figur macht den Charme des Buches aus, auch wenn ihre unbedarfte Naivität mitunter auch ein bisschen anstrengend sein kann. Ein leichter, kurzweiliger, humorvoller cosy Krimi mit ganz spezieller Hauptfigur. Kein herausragendes Krimi-Highlight, aber durchaus nette, solide Unterhaltung.

Bewertung vom 27.04.2022
Nahrgang, Frauke

Edition Piepmatz: Fahren, Fliegen, Rollen


ausgezeichnet

Abwechslungsreiches, motivierendes und buntes Fahrzeuglexikon, das keine Wünsche offen lässt

Fahrzeuge faszinieren Groß und Klein. Das Bilderlexikon „Fahren, Fliegen, Rollen“ zeigt auf elf kunterbunten Doppelseiten zahlreiche Fahrzeuge aller Art. Diese sind nach folgenden Themen geordnet: „In der Luft“, „Alles, was schwimmt“, „Auf dem Land“, „In der Stadt“, „Auf der Baustelle“, „Mit Blaulicht und Tatütata!“, „Fahren, fliegen, rollen“, „Groß, größer, am größten“, „Kleine Flitzer“, „Mein Fahrzeug-ABC“ und „Kunterbunte Fahrzeuge. Auf jeder Doppelseite sind kurze und kindgerecht formulierte Einführungstexte abgedruckt, die die kleinen Leser direkt ansprechen und miteinbeziehen. Teilweise sind dabei auch Fragen und Suchaufträge enthalten. Auf jeder Seite sind viele unterschiedliche, zum jeweiligen Thema passende Fahrzeuge abgebildet, neben jedem Bild steht das entsprechende Wort. Auf den Seiten ist fast wie bei einem Wimmelbild viel los. Die Bilder sind klar konturiert, eindeutig zu erkennen, dekorativ, in eigenem, eckigem Malstil gestaltet und sehr farbenfroh. Auf jeder Doppelseite ist die Hintergrundfarbe unterschiedlich. So wirkt jede Seite individuell. Die Seiten sind eher matt, dick und stabil. Das Buch ist etwas breiter und höher als DINA 5. Groß, aber dennoch handlich. Insgesamt macht das Lexikon einen sehr haltbaren und umweltfreundlichen Eindruck. Es richtet sich an Fahrzeugfans ab zwei Jahren. Aber auch ältere Kinder werden sich die dekorativen Bilder sicher gerne noch anschauen.

Wie vielfältig doch Fahrzeuge sind! Es gibt solche mit und ohne Motor, echte und erdachte (Der Schlitten des Weihnachtsmanns oder das Da Vinci Fluggerät finden sich hier auch.), bemannte und unbemannte, schwimmende, fahrende und fliegende. Hier sind wirklich alle denkbaren Fahrzeuge aufgeführt: von Heißluftballon bis Drohne, von Containerschiff, bis Stand-Up Paddle, von Mähdrescher bis Trettraktor, von Doppeldeckerbus bis Liegefahrrad, von Betonmischer bis Minibagger, von Polizeipanzer bis Gabelstapler, von Würstchenwagen bis Ufo, von Frachtflugzeug bis Dampflok, von Rollschuh bis Fahrrad.
Die einzelnen abwechslungsreichen Seiten sind sehr ansprechend und motivierend gestaltet. Beim gemeinsamen Anschauen können Kinder beweisen, was sie schon kennen, sie werden aber auch viel Neues lernen und entdecken. Immer wieder werden dabei sicher andere Details ins Auge springen.
In der Kategorie „Kunterbunte Fahrzeuge“ sind die Fahrzeuge nach Farben geordnet. Ganz nebenbei lernen die Kinder hier also auch, die Farben zu unterscheiden, ein sehr durchdachter, sinnvoller Nebeneffekt. Auf der Seite „Fahrzeug-ABC“ wird spielerisch das Lernen des Abcs angebahnt.
Insgesamt ein rundum gelungenes, vielseitiges, toll und hochwertig aufgemachtes Lexikon, das keine Wünsche offen lässt. Dieses Buch ist eine Bereicherung für das Bücherregal der Kleinsten.

Bewertung vom 27.04.2022
Greaves, Abbie

Jeder Tag für dich


sehr gut

Wo ist Jim? Mitreißende Spurensuche mit unerwarteter Wendung

„Einige Menschen sehen nur das, was sie sehen wollen.“

Mary arbeitet tagsüber in einem Supermarkt und nachts freiwillig bei einer Telefonseelsorge. Auch sie selbst hat große Sorgen. Sie steht jeden Abend mit einem Schild an einem Londoner Bahnhof. „Komm nach Hause, Jim“ lauten die Worte auf ihrem Plakat. Mary hat seit sieben Jahren nichts mehr von ihrem Freund Jim gehört. Als die junge Journalistin Alice Mary kennenlernt, möchte sie Mary helfen, Jim zu finden. Nicht ganz uneigennützig. Möglicherweise springt dabei eine gute Story heraus, die sie so dringend benötigt, um ihren Job behalten zu können. Was Alice schließlich bei ihren Recherchen erfährt, ist für alle Beteiligten mehr als überraschend.

Autorin Abbie Greaves erzählt flüssig und gut verständlich auf verschiedenen Zeitebenen. Sie schildert im Präsens, was 2018 passiert, als Alice Mary trifft und stellt in eingeschobenen Rückblenden dar, wie sich die Beziehung zwischen Mary und Jim vom ersten Kennenlernen bis zu Jims Verschwinden entwickelt. Es wird dabei zunehmend deutlicher, welche Gründe zu Jims Weggang führten.

Marys Leben steht seit Jims Verschwinden auf Stillstand. Sie „funktioniert“ im Alltag. Unermüdlich stellt sie sich jeden Abend mit ihrer Botschaft an den Bahnhof. Mary scheint jeden Willen, etwas zu verändern, verloren zu haben. Als sie Alice kennenlernt, tut sich etwas. Mary wird durch die offene, neugierige, mitfühlende und zupackende Alice gezwungen, sich mit ihrer Situation auseinanderzusetzen. Doch auch Alice hat ihre Gründe, warum sie Mary unbedingt helfen möchte. Und die sind nicht nur beruflicher Natur.
Alices Verhalten und ihr Handeln waren für mich nachvollziehbar. Mary blieb mir insgesamt fremd, zu unnahbar, zu distanziert. Sie wird nur durch ihre Situation, durch ihr Verlassensein definiert, als Opfer unglücklicher Umstände. Sie selbst, ihre Persönlichkeit, bleibt dabei aber über weite Strecken zu blass. Was sie wirklich antreibt, blieb mir verborgen. Auch mit Jim konnte ich recht wenig anfangen. Was ihn für Mary so anziehend und faszinierend macht - ganz unabhängig von seinen Problemen- konnte ich nicht hundertprozentig nachfühlen. Die Figuren wirken wie Nebensache während der Plot die eigentliche Hauptrolle spielt.

Was passierte damals wirklich mit Jim? Wo steckt er? Wird Alice es schaffen, Jim ausfindig zu machen?
Diese Fragen drängen, machen sehr neugierig auf den Handlungsverlauf und halten die Spannung durchgehend oben. Die Aufklärung ist dann völlig überraschend und gibt Stoff zum Grübeln. Zentrales Thema ist dabei immer wieder das Verlassenwerden, das auf ganz unterschiedliche Arten stattfinden kann, sei es mit und ohne Abschied und Ansage, endgültig oder nicht für immer.
Der Roman zeigt, wie wichtig es ist, sich auf andere einzulassen, genauer hinzuschauen, ihnen zuzuhören. Letztendlich ist niemand eine Insel und manchmal brauchen Menschen von außen einen Schubser, um etwas zu ändern. Leider lassen sich nicht alle Probleme so einfach lösen und alle Menschen retten, das wird im Roman ebenfalls deutlich.
Auch wenn mir zu den Protagonisten teilweise die Verbindung fehlte, hat mich ihre Geschichte mitgerissen, bewegt und sehr nachdenklich gemacht. Keine wirkliche Liebesgeschichte, eher ein vielfältiger, teils schmerzhafter Beziehungsroman, in dem die Welt nicht nur heil ist. Wer überraschende Wendungen mag, wird hier nicht enttäuscht werden.

Bewertung vom 25.04.2022
Gray, Gloria;Felder, Robin

Zurück nach Übertreibling / Vikki Victoria Bd.1


sehr gut

Grellbunter Regionalkrimi mit schillernder, unterhaltsamer Hauptfigur

„Ich sehe plötzlich alles um mich herum aus der Perspektive einer Einheimischen, die durch die Brille einer Touristin schaut.“

Die extravagante Künstlerin und Vertrauensfrau für die Münchner Kripo Vikki Victoria war nicht immer so obenauf wie jetzt. Aufgewachsen in Übertreibling im Bayrischen Wald, musste sie sich als Kind die Gemeinheiten des Besenwiesler Tonis gefallen lassen, entsprach sie eben nicht ganz der „Norm“ und war etwas anders als andere. Als der Toni wegen des Mordes an seiner Frau ins Gefängnis muss, macht er die Vikki für seine Verhaftung verantwortlich und beteuert beharrlich über Jahre hinweg seine Unschuld. Jetzt ist Toni kurz vor seiner Entlassung aus dem Gefängnis ausgebrochen und Vikki hat guten Grund anzunehmen, dass er Rache an ihr nehmen will. Weil sie in die Polizeiarbeit wenig Vertrauen hat, nimmt Vikki es selbst in die Hand, sich zu schützen. Aber die Füße stillhalten kann sie natürlich nicht, schließlich will sie alles genau wissen. Der Fall führt Vikki zurück nach Übertreibling.

Autorin Gloria Gray hat einen ganz eigenen Sprachstil. Die Geschichte wird in der ersten Person Präsens erzählt, die Leser werden dabei teilweise persönlich mit „Du“ angesprochen. Direkt und oft ziemlich derb: Vikki schreibt, wie sie redet. Anfangs waren die eigenwilligen Satzkonstruktionen, Vikkis gesammelte Redeflut, für mich etwas ungewohnt, aber das legte sich rasch. Auf alle Fälle ist Vikkis Ausdrucksweise Entertainment pur, auch wenn ihre nett-bösen bayrischen Bezeichnungen manchmal nicht ganz politisch korrekt sind, da wird ein übergewichtiger Mann zum Beispiel schon mal „als verfetteter Wurzelsepp“ bezeichnet.

Vikki Victoria ist ohne Frage eine Figur, die in Erinnerung bleibt. Humorvoll bis bitterböse, schillernd, aber trotzdem bodenständig. Mancheinem mag sie sicher zu grell, laut, schrill, zu präsent sein. Sie fällt auf, hält sich nicht zurück, ist mit sich selbst aber ebenso kritisch wie mit anderen. Vikki nimmt sich selbst und alles andere nicht immer so ernst und hat zu vielem eine nicht ganz woke Meinung. Zum Beispiel empfindet sie die Benutzung des Gendersternchen „als würde ein junger Mann eine Oma zwingen, sie ohne Not über die Straße führen zu dürfen, damit er im Anschluss behaupten kann, er habe eine gute Tat vollbracht.“
Ihre Persönlichkeit und ihr Auftreten machen Vikki zu einer faszinierenden Protagonistin. Überhaupt ist die Figurenkonstellation mehr als bunt, vielfältig und unkonventionell: Ein Motorradrocker, ein sechzehnjähriges Instagramsternchen und eine Art türkischer Münchner Mafiaboss. Langweilig wird es hier nicht.

Der Kriminalfall um den entflohenen Toni Besenwiesler entwickelt sich recht explosiv und turbulent, zumal hartgesottene Motorradrocker und Mitglieder einer weiteren nicht ganz gesetzestreuen Gang eingreifen, die Polizei auch nicht untätig bleibt und plötzlich völlig Unbeteiligte von der Bildfläche verschwinden. Die Handlung um den eigentlichen Fall ist logisch nachvollziehbar aufgebaut, aber nicht unbedingt überraschend und spektakulär. Doch die eigentliche Stärke des Romans ist nicht der Krimi, Vikki ist der Superstar. Ob Vikki den Fall aufklärt, wird dabei fast zur Nebensache. Viel unterhaltsamer und interessanter als Vikkis Nachforschungen ist die Vikki selbst und ihre Betrachtungen zu allem, was in der Welt so vor sich geht. Vikki hält mit ihren Ansichten nicht hinterm Berg. Wie scharfzüngig, bissig und komisch sie alles kommentiert ist absolut lesenswert. Vikkis erster Zwischenfall wird zum Glück nicht ihr letzter bleiben. Ein etwas anderer, origineller Provinzkrimi mit unvergesslicher Hauptfigur.

Bewertung vom 21.04.2022
Reider, Katja

Weltbeste kleine Schwester


ausgezeichnet

Wunderbare Geschwistergeschichte, in der die Kleine ganz groß ist

Rosa hat es satt. Ihre beiden älteren Geschwister Johanna und Matti tun immer so, als werde sie verhätschelt, verwöhnt und stets bevorzugt. Als Rosas Eltern übers Wochenende wegfahren, Rosas Übernachtungsmöglichkeit unerwartet flach fällt und Johanna eine heimliche Party feiert, sind die Rollen plötzlich vertauscht. Rosa greift ein und zeigt, was in ihr steckt, eine „weltbeste kleine Schwester“ nämlich.

Verfasserin Katja Reider schreibt aus Rosas Sicht in Gegenwart. Das tut sie so lebendig, ehrlich, direkt, unverblümt und authentisch, dass man fast das Gefühl hat, Rosa wäre beim Lesen live dabei und erzähle die Geschichte nur für einen selber. Das Buch ist etwas schmaler als DINA 5 und durch die witzigen, treffenden, kleinen Illustrationen mit den drolligen Figuren hübsch und motivierend gestaltet. Die Kapitel haben eine übersichtliche Länge, die Schrift ist normal groß gedruckt. Kinder ab acht Jahren können das Buch sicher selbstständig lesen.

Dass größere Geschwister gerne behaupten, kleinere Geschwister hätten es viel leichter und würden immer bevorzugt, kennt wohl jede kleine Schwester. Dabei haben kleinere Geschwister genauso zu kämpfen und werden oft unterschätzt. Hauptfigur Rosa jedenfalls lässt sich davon nicht unterkriegen. Sie ist pragmatisch, kriegt viel mehr mit, als man denkt und hat für eine Zehnjährige eine erstaunliche Lebensklugheit. Die aufgeweckte, nette, soziale Rosa wäre für viele Kinder eine tolle Freundin und eine Schwester, wie man sie sich nur wünschen kann. Und auch wenn Johanna manchmal zickt und Matti gerne cool tut, sind die beiden als Geschwister auch ziemlich in Ordnung, wenn es darauf ankommt. Was man von anderen „Freunden“ in der Geschichte nicht behaupten kann…

Katja Reider hat eine wunderbar feinfühlige, warmherzige Geschichte mit vielen ehrlichen, rührenden Geschwistermomenten geschrieben. „Weltbeste kleine Schwester“ richtet sich an alle kleinen Schwestern, die oft unterschätzt werden und oft viel größer und klüger sind, als man denkt. Aber auch alle ältesten und Sandwichkinder mit ihren Problemen werden sich hier wiederfinden und verstanden fühlen. Jeder Schwester, jeder Bruder hat sein Päckchen zu tragen, aber letztendlich kann sich jeder mit Geschwistern glücklich schätzen. Die Geschichte ist eine Liebeserklärung an alle Schwestern und Brüder dieser Welt, ohne die es oft ganz schön langweilig wäre. Klare Leseempfehlung für alle Kinder mit und ohne Geschwister.

Bewertung vom 20.04.2022
Pantermüller, Alice

Tatort der Kuscheltiere / Florentine Blix Bd.1


sehr gut

Schräg-witziger, spannender und geheimnisvoller Regionalkinderkrimi mit eigenwilliger Ermittlerin

Der 31. August ist kein guter Tag für Florentine Blix, im Gegenteil es ist ein „knallroter Feuerlöschertag“: Florentine muss morgens ewig nach den richtigen Klamotten suchen, die Frühstücksbrote sind falsch belegt und dann fängt die Schule nach den Ferien wieder an. Keine schöne Aussicht, zumal Florentines Mitschüler ihr immer noch nachtragen, dass sie für das Sitzenbleiben eines Jungen verantwortlich ist. Zu allem Überfluss bekommt Florentine in der Schule einen neuen Sitznachbarn, den Dänen Bo Ture Tordenskjold, der sie vom ersten Moment an irritiert. Nach der Schule verschwinden auch noch Florentines gesammelte Kuscheltiere. Zunächst versucht Florentine, die später gerne bei der Polizei als Ermittlerin arbeiten möchte, den Fall der verschwundenen Stofftiere aufzuklären. Sie hat dabei noch keine Ahnung davon, dass ein viel bedeutenderer Fall auf sie und ihre beste Freundin Maja wartet, der die beiden richtig herausfordern wird…

Die Geschichte wird aus Sicht von Florentine Blix in Ich-Form erzählt. Da Florentine schon immer davon träumt, Kriminalfälle aufzuklären, ist das Buch gestaltet wie das persönliche Notizbuch einer Detektivin. Die ersten Seiten eines jeden Kapitels sind grün gedruckt, in der Seitenmitte sind stets -wie bei einem echten Ordner- gezeichnete Metallklammern abgebildet. Alle wichtigen Figuren werden in Steckbriefen mit Bildern, Ansichten ihres Gesichts von allen Seiten vor einer Messlatte, besonderen Kennzeichnen und Eigenschaften vorgestellt. Florentine liebt Erklärungen, geht den Dingen auf den Grund. Daher finden sich im Buch viele aufgedruckte Karteikarten mit Wortdefinitionen, Notizzettel mit Auflistungen, erläuternde Bilder sowie Landkarten, um den Schauplatz näher darzustellen. Die Seiten sind dank der vielen Illustrationen und Textarten abwechslungsreich und sehr motivierend gestaltet. Ein doppelseitiges „Dänisches Sprachlexikon“ bildet den Anhang.
Die Geschichte richtet sich an Kinder ab zehn Jahren.

Die Hauptfigur ist ein ganz besonderes Mädchen. Sie möchte später bei der Kriminalpolizei arbeiten. Florentine ist eigenwillig, hasst rot, liebt grün, braucht Ordnung, Regeln und Rituale, mag keine Unvorhersehbarkeiten, ist sehr ehrlich und versteht nicht immer alle Konventionen. Sie nimmt oft alles wortwörtlich, weswegen der Umgang mit anderen Menschen sie immer wieder vor Herausforderungen stellt. Menschenansammlungen verursachen Florentine großes Unbehagen. Florentine ist scharfsinnig und klug, aber durch ihre Schwierigkeiten im Umgang mit anderen gehandikapt. Glücklicherweise muss Florentine nicht alleine ermitteln. Mit ihrer besten Freundin Maja hat sie eine aufgeweckte, neugierige und quirlige Unterstützung an ihrer Seite.
An Florentine werden sich die Geister scheiden, sie wird durch ihre mitunter anstrengenden Eigenheiten nicht bei allen Lesern gleichermaßen gut ankommen. In ihrem Verhalten und aufgrund der konsequenten Einhaltung ihrer strikten eigenen Regeln erinnert sie ein wenig an Sheldon Cooper aus Big Bang Theory.

Was als harmlose Kuscheltiersuche beginnt, wird zum polizeireifen und sehr ungewöhnlichen Kriminalfall. Es geht dabei spannend, turbulent und gegen Ende ganz schön schräg und abgedreht zu.
Florentine ermittelt in Flensburg, immer wieder kann man beim Lesen auf Landkarten im Buch nachvollziehen, wo sich die Handlung gerade abspielt. Alles ist so anschaulich beschrieben, dass man sich bildlich vorstellen kann, was gerade passiert. Die genauen Schilderungen machen große Lust, Flensburg auf Florentines Spuren einmal selbst zu entdecken.
Die Grundidee des Buchs ist originell, Florentine als Hauptfigur ist definitiv besonders, die Geschichte bietet sehr viele skurrile Szenen zum Lachen, immer dann, wenn Florentine im Umgang mit anderen mal wieder auf dem Schlauch steht. Die Gestaltung des Buchs ist absolut kreativ und gelungen, der Schauplatz interessant und reizvoll

Bewertung vom 19.04.2022
Mr. Tan;Miss Prickly

Die schreckliche Adele 02


sehr gut

Kleiner, böser, scharfer Comicsnack für zwischendurch

Die schreckliche Adele zum Zweiten! In über 60 ein-bis zweiseitigen Kurz-Comics mit jeweils bis zu acht Bildern präsentiert sich Adele erneut in ihrer ganzen Bösartigkeit und Gemeinheit. Die Leser begleiten Adele in die Schule, während der Freizeit, im Alltag, im Umgang mit Mitschülern, Verehrern, unsichtbaren Freunden oder verkleideten Löwen.
Die grellbunten, schlicht-naiven Comicbilder des Buchs sind klar und kontrastreich gestaltet. Die witzigen Gesichtsausdrücke der dargestellten Figuren sprechen dabei oft Bände.
Kinder ab sieben Jahren können die Sprechblasen dank der schlichten Schriftart und der kleinen Textmenge sicher schon problemlos lesen. Sie werden allerdings nicht jede Geschichte komplett verstehen.

Adele sieht harmlos und niedlich aus, ist es absolut nicht. Auch wenn sie überzeugt ist: „Die Hölle sind alle außer mir“, ist wohl eher das Gegenteil der Fall. Adele ist fies, gemein, hinterhältig, grausam, verschlagen, furchtlos, aber manchmal trotz allem ein kleines, naives Mädchen. Adele ist absolut kein Vorbild, aber zweifelsohne unverwechselbar in ihrer Art.

Die kleinen, bitterbösen Comics voller schwarzem Humor eignen sich als schnelle, kurzweilige Lektüre für zwischendurch. Nicht alle Geschichten wird jeder gleichermaßen witzig finden, nicht alle sind auch für Kinder geeignet, aber die meisten sind doch unterhaltsam. Wer auch über Gemeinheiten lachen kann, wird in Adele seine Meisterin finden.

Bewertung vom 19.04.2022
Miss Prickly;Mr. Tan

Die schreckliche Adele 01


sehr gut

Bunte Kurzcomics mit kleiner, aber oberfieser Anti-Heldin

Adele mag niemanden und was sie nicht mag, sind alle anderen. Ihr Kätzchen ist eigentlich ein Löwe und ihr bester Freund ist nicht real, dafür imaginär. Da ist es durchaus zu erwarten, dass sie ihrer gesamten Umgebung das Leben zum Albtraum macht.
In zahlreichen, kurzen Comicstrips begleiten die Leser Adele durch ihr Leben, treffen sie in der Schule, beim Spielen, zusammen mit ihren Eltern und in vielen weiteren Alltagssituationen. Die einzelnen Geschichten umfassen meist nur ein bis acht Bilder, sie erstrecken sich dabei über eine oder zwei Seiten. Die Bilder sind klar und bunt gestaltet, alle Figuren haben übergroße Augen, sehen dadurch irgendwie niedlich aus. Die Schrift im Text der Sprechblasen ist gut zu entziffern.
Was die Zielgruppe des Buchs betrifft, bin ich unsicher. Siebenjährige können sich den Text sicher selbstständig erschließen, werden dabei zum Lesen motiviert und erleben durch die Kürze der Comics ein schnelles Lese-Erfolgserlebnis. Ob sie dabei stets den Inhalt und die Pointe genau erfassen, bezweifle ich allerdings. Manche Witze richten sich definitiv eher an Erwachsene und haben wenig mit dem Erfahrungshorizont von Kindern gemein.

Adele ist ein echtes Ekel, überheblich, fies, hinterhältig und verletzend direkt. Wer eine Adele im näheren Umfeld hat, braucht keine Feinde. Manchmal wirkt sie extrem abgeklärt, aber in anderen Momenten zeigt sie dann auch wieder die Naivität eines Kindes, schließlich ist sie ja auch eines. Adele wird gewollt völlig überspitzt und übertrieben dargestellt. Sie sollte sich ein friedliebender Mensch mit Harmoniebedürfnis sicher nicht zum Vorbild nehmen.

Absolut bitterböse mit kohlrabenschwarzen Humor sind die Geschichten des Auftaktbandes. Meine Kinder, acht und zehn Jahre alt, haben das komplette Buch in Windeseile verschlungen, haben dabei viel gelacht und die drolligen Bilder gerne angeschaut. Allerdings haben sie zugegeben, dass sie nicht alle Witze auch wirklich verstanden haben. Für mich zünden ebenso nur manche Gags, mit anderen kann ich weniger anfangen: Mal witzig, aber auch mal flach. Humor ist eben Geschmacksache.
Adele ist definitiv anders, dieses Buch auch. Wer schwarzen Humor mag, nicht alles bierernst nimmt und auch über unkorrektes, unmoralisches Verhalten lachen kann, wird Adele unterhaltsam finden. Wer nicht, eben nicht. Adele scheidet die Geister.
Unterm Strich: eine sehr spezielle, kurzweilige, bunte, originelle, aber auch durchwachsene Sammlung an Comicstrips. 3,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 14.04.2022
Till, Jochen

Campingtrip nach Hölland / Luzifer junior Bd.11


ausgezeichnet

Wenn der Campingausflug zum Horrortrip wird - höllisch spannend, teuflisch böse, verdammt schräg und superwitzig

Das wochenlange Büffeln mit seinen Freunden Aaron und Gustav hat sich für Luzie gelohnt. Er hat die Versetzung in die nächste Jahrgangsstufe geschafft. Das muss gefeiert werden. Am besten mit einem Urlaub. Gustav Eltern fahren mit den Jungs und Lilly zum Camping nach Holland. Erst haben alle viel Spaß, doch dann bringen die merkwürdigen, schwarzgekleideten Grufti-Nachbarn das harmonische Gleichgewicht ziemlich durcheinander. Warum hat es diese gruseligen, dubiosen Typen ausgerechnet auf den Campingplatz verschlagen? Als die Freunde das herausfinden, stecken sie mittendrin in einem aufregenden höllischen Abenteuer. Ob das für alle gut ausgeht?

Jochen Till erzählt klar, flüssig, herrlich witzig und gewohnt bitterböse im Präsens aus Luzies Sicht in Ich-Form. Raimund Freys individuelle Comiczeichnungen illustrieren die Geschichte perfekt passend. Autor und Illustrator sind ohne Frage ein Dreamteam. Durch die Illustrationen werden die Seiten aufgelockert, haben ein ausgewogenes Text-Bild-Verhältnis und überfordern und demotivieren auch Lesemuffel nicht. Immer wieder ein Muss der fast schon traditionelle Abschlusscomic, der zu jedem Band dazugehört.
Die Reihe richtet sich an Kinder ab zehn Jahren.

Die wichtigsten Figuren werden anfangs in einer Personenübersicht vorgestellt. Luzie alias Vitus von Turbsnatas ist wunderbar naiv und deshalb extra unterhaltsam. Von der Bösartigkeit seines Vaters hat der gutmütige Luzie nichts geerbt, seine aufbrausende Schwester Lilly kommt hingegen in Sachen Temperament ganz nach ihrem Vater. Aaron ist ein wandelndes Lexikon, auf Gustav kann Luzie immer zählen. Und dann gibt es natürlich noch den heimlichen Star der Reihe Dämon Cornibus, der diesmal weitestgehend in Hundegestalt agiert. Natürlich dürfen der Herr der Finsternis Luzifer Senior und sein Assistent Technikgenie Steven auch nicht fehlen. Die Eigenheiten der Figuren, Luzies Unbeholfenheit, Aarons Ticks oder Luzifers Ungeduld sorgen immer wieder für höllischen Spaß. Diese Figurenkonstellation ist unvergleichlich genial und absolut unterhaltsam.

Was hat es mit den seltsamen Gruftis auf sich? Wieder einmal erleben die Freunde ein packendes, schräges, teuflisch und vor allem komisches Abenteuer mit einigen ziemlich dramatischen Auftritten. Bei allem Spaß werden durchaus auch ernstere Probleme thematisiert. Luzifer Senior lässt diesmal die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen und zeigt, dass es manchmal gar nicht so einfach ist, zwischen beidem zu unterscheiden. Das Ende bietet einen fast apokalyptischen Cliffhanger.
Auch der elfte Band der Reihe hat uns wieder restlos überzeugt. Gut, dass mit der Serie noch lange nicht Schluss ist.